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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 21.09.2012, 19:56   #1
Thing
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Beiträge: 34.998

Standard Movimiento Etnocacerista

Ollanta geht die falschen Pfade.
Alle wissen es genau und nicht erst heute.
Nichts, was sein Vater so bereute:
Der rechte Sohn -
um ihn ist's schade -
wurde vom Schändlichen verbannt.
In Kerkers Munde totgebrannt.

Conga - einst war das Projekt -
will er erweitern, Wasser unterbinden.
Ob die Indigenen sich noch finden -
sie sind Insekt, Objekt, Subjekt -
das wird um sein Gewissen sich nicht binden.

Und die Katholen -
Landbesitzer - johlen.

Es geht um Anderes: Verkaufen!
Es geht um Geld, um große Kasse.
Die Intressenten stehen vor der Tür.
Es geht darum, sich um das Gold zu raufen.
Es geht nicht um der Armen Masse.
Die Oligarchen rufen: "hier"!

Zwar ist Ollanta familiär verstoßen;
was kümmerts ihn, das ficht ihn nicht.
Und wenns noch Tausenden der Indios ihre Nacken bricht -
er schaut sattlächelnd zu.
Er thront noch über allen Großen.
Zu fürchten hat er kein Gericht
unterm blauen Himmel von Peru.

Die Indios waren zum Streik entschlossen.
Ollanta handelt im Nu.
Es wird erbarmunglos geschossen
unterm blauen Himmel von Peru.



21.09.2012

(nach einem SPIEGEL-Artikel dieser Tage)
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Alt 22.09.2012, 13:14   #2
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Thing,

wie zugesagt, befasse ich mich jetzt gerne mit deinem Gedicht. Dass es etwas gedauert hat, lag zum einen daran, dass es mir gestern schon zu spät war und zum anderen musste ich mich erst mal in das Thema einlesen - oder besser gesagt, entsprechende Artikel ganz konkret im Spiegel lesen, damit ich den Inhalt klar genug nachvollziehen kann und weiß, worauf er sich "gründet". Denn manchmal stimmen Berichte überein, aber manchmal auch überhaupt nicht. Der genaue Hintergrund ist wichtig, finde ich.

Das Traurige ist: Hier handelt es sich um ein ganz bestimmtes Land, Peru. Leider könnte man diesem Land viel zu viele Namen geben, denn es geschah und geschieht in viel zu vielen anderen Ländern "dasselbe" ...

Warum "mögen" wir Menschen Hunde? Das sieht jetzt vielleicht nach einer sonderbaren Frage aus, hat aber sehr viel mit dem Thema zu tun. Wir mögen Hunde, haben sie uns aus Wölfen herangezüchtet - weil die Sozialstrukturen sich sehr ähnlich sind, und auch das Verhalten.

Rangordnungen; Kämpfe, um den Status/Rang im Rudel zu verbessern; Revierverhalten (Eindringlinge, fremde Wölfe, werden vertrieben oder getötet); Herausforderung des Alphawolfs um dessen Platz einzunehmen (sobald er alt oder krank, verletzt oder schwach wird); der Alpha führt; er frisst als Erster; Abweichungen (z. B. eine andere Fellfarbe) werden nicht toleriert; die "Außenseiter" werden vom Rudel verstoßen (aufgrund "optischer" oder "verhaltensbedingter" Unterschiede/Auffälligkeiten); Dominanzverhalten und Unterwerfungsgesten; vertriebene Einzelgänger; "Randexistenzen", die sich am Rand des Rudels aufhalten und von dem leben, was "übrigbleibt" - und, und, und.

Eines ist klar: Der Mensch - ist auch nur ein Tier. Und in viel, viel höherem Maße von seinen Instinkten und Trieben beherrscht, als er zugeben will.

Denn, wie im Gedicht beschrieben - worum geht es denn immer? Um "Anführen", Sippenherrschaft, Rang und Status (Macht) - und "Besitz" (des größten/besten Stücks Fleisch), um genau das ...

Das wirkliche, echte Problem mit uns Menschen ist: Evolutionär betrachtet, ist unsere "Vernunft" etwas ziemlich "Neues". Und daher ständig im "Hintertreffen" hinter allem anderen, was uns "antreibt" und "motiviert". Leider wahr. Auch unser Fortpflanzungsverhalten, unsere Balzrituale - das alles wird nicht von der "Vernunft" gesteuert.

Auf der anderen Seite sind wir aber sehr soziale Tiere, mit der ausgeprägtesten Sozialstruktur des Planeten. Was dazu führt, dass wir auch die "positive" Seite davon besitzen - Beschützerinstinkte, Zusammenhalt, Familien, unsere Fähigkeit zu "Teilen", Fürsorge für die Schwachen und Kranken. Es ist die "dunkle" Seite, die dafür sorgt, dass Dinge wie in Peru geschehen. Und so lange die Evolution nicht dahingehend fortschreitet, wird das wieder geschehen. Und wieder. Und wieder. Kann einen schon fertigmachen, wenn man genauer darüber nachdenkt. Denn um daran etwas zu ändern, müsste aus dem "Tier Mensch" erst mal wirklich das werden, was wir "Mensch" nennen. Und davon sind wir noch weit, weit entfernt.

Formal gesehen, finde ich das Gedicht gut geschrieben. Mir gefallen die Formulierungen, die du gewählt hast und auch die unverbrauchten, ausdrucksstarken Worte und Metaphern, wie z. B. "Indogenen"; "Insekt, Objekt, Subjekt" (ganz besonders sogar); der "rechte Sohn" (auch, dass dieser Vers sich "nicht reimt"); "sattlächelnd" - und mehr, es würde aber eine Liste, hier alle aufzuzählen.

Das Gedicht hat mir sehr gefallen - abgesehen vom "Inhalt" ...

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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Alt 22.09.2012, 16:51   #3
Thing
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Hab Dank, Poetibus,


für diesen ausführlichen Kommentar!
Alles läßt sich reduzieren auf wenige Erkenntnisse:
Wer die Macht - wodurch auch immer - an sich gerissen hat, bestimmt.
Selbstverständlich haben in Peru die wenigen restlichen Indigenen ein Wahlrecht -
aber sie müssen zum Wahllokal einen Fußmarsch von ca 78 km hin bewältigen - und das Ganze zurück.
(Da kommt kein Bus der Wahlwerber.)
Und können sich nicht sicher darüber sein, wohin ihr Stimmzettel verschwindet.




Das gilt nicht nur für Peru.


Ich habe vor etwa 20 Jahren Gleiches über Brasilien im SPIEGEL gelesen.
Dort wurde eine brasilianische Indianerin von Weißen per Machete in der Mitte geteilt, man hatte sie zwischen zwei Bäume gehängt.
Sie wollte ihre Hütte nicht räumen.
Das Einzige, was man ihr vor der Schlachtung gestattete, war, daß sie einen Fetzen Stoff vor die Scham binden konnte.

Lachhaft zum Weinen. Grausig.
Schon Macchiavelli sagte:

Habe ich den nötigen Willen und die Mittel, überwinde ich alle Widerstände.


Aber ich werde mißtrauisch, wenn Poeten ein Land besingen, das sie "erobert" und besiegt haben und in dem sie jetzt auf Kosten der Armen leben.
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Alt 22.09.2012, 18:36   #4
weiblich Ilka-Maria
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Ich kann das Gedicht nicht kommentieren, weil mich die Länder südlich der U.S.A. nicht interessieren. Die sind von mir so weit weg wie China und Japan.
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Alt 22.09.2012, 18:59   #5
Thing
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Ich wollte, ich könnte immer so unberührt bleiben.
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Alt 26.09.2012, 05:55   #6
weiblich Ex-Nitribitto
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Standard Movimiento Etnocacerista

Liebe Thinge,

ja, da sieht man mal: Wer "Spiegel" liest, ist schlauer. Ich lese keinen "Spiegel", also bleibe ich dumm und werde immer dümmer. Mein Problem.

Deshalb weiß ich auch nicht, wer mit Ollanta gemeint ist, welche Funktion er in Peru hat, was das für ein verstruppter Kerl ist. Klar geworden ist mir nach dem Lesen deines Aufschreis aus tiefster Seele jedoch eines: dass du damit versuchst, Peru als ein Land von Halbwilden darzustellen, das die weiße Zivilisation dringend braucht. Das hatten sich auch schon die Spanier gedacht, nach ihnen die US-Amerikaner und Briten - eben die ganze zivilisierte Welt. Aber hat es geholfen?

Insofern betrachte ich deinen Beitrag als ernsthafte Hilfe für das barbarische Peru, sich endlich auf den Weg der Zivilisation zu begeben. Was du uns hier geschildert hast, beweist zutiefst, auf welchem Tiefstand menschlicher Entwicklung dieses lateinamerikanische Land immer noch dahinsiecht. Wird Zeit, dass da mal gründlich aufgeräumt wird. Das sollte sich eine gewisse Userin mal ordentlich hinter die Ohren schreiben.

Zum Text selbst: Einige Formulierungen fallen nicht nur aus dem Alltagsgebrauch der deutschen Sprache heraus und auch aus dem lyrischen Gebrauch, zum Beispiel: das ficht ihn nicht - nun heißt das Verb aber "anfichten". War sicher ein Versehen, dass das winzige "an" im Orkus deines dichterischen Eifers versunken ist. Als Ellipse jedenfalls kann man das nicht betrachten. So gibt es noch einige Stellen in diesem epochemachenden Werk, die ich hier aber nicht kritisch anführen möchte, um dein dichterisches Selbstbewusstsein nicht mutwillig anzukratzen.

Insgesamt habe ich gern mal wieder ein Gedicht aus deiner Feder gelesen, ich musste das immerhin eine Woche lang entbehren. Wie gesagt, "Spiegel"-Neuigkeiten gegenüber bin ich immer wieder sehr aufgeschlossen. Dein poetisches Wiederkäuen erspart mir zudem glatt die paar Euro.

lg Nitribitto
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Alt 26.09.2012, 07:36   #7
Thing
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Zitat:
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Zum Text selbst: Einige Formulierungen fallen nicht nur aus dem Alltagsgebrauch der deutschen Sprache heraus und auch aus dem lyrischen Gebrauch, zum Beispiel: das ficht ihn nicht - nun heißt das Verb aber "anfichten".

lg Nitribitto

Was ein Narr mir spricht, das ficht mich nicht.

Alte Weisheit.

Das Verb heißt übrigens anfechten.

LG
U.
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