J.W. v. Goethe: Geschätzt oder überschätzt?

[Ilka-Maria]

Zitat von marlenja

[I]Und noch zum Schluss: Freunde, ich wollte nicht mit euch streiten. Konnte es nicht einmal. Ihr habt ja nicht mitgemacht. Spielverderber. Dabei wollte ich einen heftigen Streit vom Zaune reissen um euch damit zu zeigen wie sinnlos es ist zu streiten. Jetzt ist es mir hald nicht gelungen. Um so schöner. Küsschen verteilend bin ich wieder die ich bin und die ich sein will .

Jetzt versuch bloß nicht, Dich rauszureden, weil Du gemerkt hast, daß Du nicht gewinnen kannst.

Das Gedicht beginnt nicht nur beim Abschied, sondern es ist von vorne bis hinten ein einziger Abschied. Es klingt, als wäre jemand zu den Waffen gerufen worden und wüßte nicht, ob er alles, was er liebt, jemals wiedersehen wird. Und wenn der Krieg ruft, spürt jeder, daß er ein schlagendes Herz hat, auch wenn er sich dessen vorher nicht bewußt war.

Es gibt zu diesem Bild ein Pendant im Film "Vom Winde verweht", da rennen die Männer auch zu ihren Gäulen, nachdem sie im letzten Moment ihren Angebeteten das Heiratsversprechen abgenommen hatten, um sich danach im Sezessionskrieg zerfetzen zu lassen.

[Thing]

Zitat von marlenja

Thing, Du willst mir das Gedicht erklären und erzählst einen blödsinn.

Blödsinn???

Zitat von marlenja

Die Geschichte fängt nicht mit dem Abschied an.

Lies das Gedicht n o c h einmal!

Später mehr,
LG
Thing

[ZychoyZ]

'Willkommen und Abschied' (genau wie 'der Zauberlehrling') hat mir schon immer gefallen, aber es gibt von ihm durchaus auch noch besseres (Der Werther, Prometheus).
der größte Kritikpunkt mit dem man bei Goethe ansetzen kann, ist dass er durch das Geheimratsein seine eigenen Ideale verraten hat.

[Ilka-Maria]

Zitat von ZychoyZ

dass er durch das eheimratsein seine eigenen ideale verraten hat.

Das ist mir neu. Erstens ist niemandem etwas über Goethes Ideale bekannt, weil er wahrscheinlich keine hatte. Zweitens hatte er sich Zwängen entzogen und sich gegen die Erwartungen der "Gesellschaft" gestellt, indem er z.B. sich auf die Italienreise begab, ohne die hochverehrte Frau von Stein vorher darüber zu informieren, oder indem er jahrelang mit Christiane Vulpius in wilder Ehe zusammelebte. Wenn er überhaupt ein Ideal hatte, dann das der Liberalität.

Verraten hatte Goethe seine Überzeugungen nur ein einziges Mal, als er nämlich Christiane heiratete, um sie abzusichern und vor dem Mob zu beschützen. Beschämend genug, daß das nötig war, aber das geschah aus purer Ratio. Dabei hätte er es sich das schenken können, denn er hatte sie ja überlebt. Aber wenigstens waren seine Kinder legitim. Das sind Dinge, über die wir heute lachen. Goethe war uns da wohl um einiges voraus.

[ZychoyZ]

aber es ist doch kein geheimnis, dass er als er jung war nicht für die herrschende klasse sprach. dagegen gegen ende ihr sogar diente. (meine ansicht.)

[Thing]

Nochmals an marlenja:

ausgerechnet Du, die Du immer Frieden predigst, wolltest einen Streit vom Zaun brechen?
Ich fange an, an Dir zu zweifeln.

Nochmals:

Willkommen und Abschied

Aus welchem Grund auch immer er schnell zu Pferde muß:
Er reitet zu ihr, die ihn willkommen heißt.
Er nimmt Abschied, reitet weiter.
Sein Herz singt. Übervoll.

Simpler kann ich es nicht erklären.

S o schön hat das seither kein Dichter mehr in Verse gefaßt.


Und jetzt erkläre m i r den von Dir gesehenen Telegramm-Stil!

Thing


In meinen Augen wird Goethe weit unterschätzt.
Er w a r ein Universalgenie.
Aber der Dichter gilt (hier, wie so oft) nichts im eignen Land.

[marlenja]

Bitte lass uns hier aufhören. Es wird nicht mehr besser.
Wir reden ununterbrochen aneinander vorbei. Leider.

Der Dichter soll auf dem Sterbebett gesagt haben:
Mehr Licht!

[Thing]

Ja. Seine Augen waren sowieso nicht die besten.
Die retinale Durchblutungsstörung während seiner Agonie ließ ihn glauben, daß es um ihn dunkel sei.

I c h habe den Friedenthal (zusätzlich) gelesen.

Jetzt plötzlich willst Du aufhören?
Wird es Dir zu unbequem?

Schreibe mir offen und ehrlich, w a s Du von Goethes Werk gelesen hast.

Ansonsten zitiere ich Wittgenstein:

Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen.“

LG
Thing

[marlenja]

Zitat von Thing

Jetzt plötzlich willst Du aufhören?

Noch mein ganzes Leben lang wollte ich gerne mit Dir reden, über alles was Du reden willst. Das aufhören bezieht sich nicht auf das Gedicht und nicht auf den Dichter. Nur auf Dich, weil ich mich von Dir überhaupt nicht wahrgenommen fühle. Es kommt mir vor, Du erzähltest einfach grad was Dir in den Sinn kommt ohne verstanden zu haben um was es mir geht. Und das jetzt in diesem Faden mehreremal. Es ist natürlich auch möglich, sogar sehr gut möglich, dass es an mir liegt. An meinem unvermögen mich so auszudrücken das Du weisst wovon ich rede. Jetzt ist alles so verwickelt das ich den Faden nicht mehr finde wo wir noch anknüpfen könnten um ihn zu entwirren. Es gäba natürlich schon eine Lösung aber die ist anstrengend und ich weiss nicht ob Du auf so was lust verspürst. Wir könnten an den Anfang gehen und anschauen wo der erste Knopf entstand. Ob Du das willst? Eine andere Möglichkeit wäre noch, dass ich mir von heute an Mühe gebe grad sofort Dir zu sagen wo der Schuh drückt....Mir scheint diese die Beste oder jedenfalls die einfachste.

[Thing]

Halli Hallo, marlenja -


dann zeig mir doch bitte, wo im Faden ich Dich mißverstanden oder gar gekränkt habe.
Ich bin mir nämlich keiner Schuld bewußt.

LG
Thing

[marlenja]

Gut. Ich hatte mir Gedanken gemacht. Und diese folgendermassen ausgedrückt:

Das Herz schlug dem Verliebten schnell, rasend war seine Liebe.
Er möchte es vergleichen mit der Geschwindigkeit von Pferden.

In meinen Adern welches Feuer!
In meinen Herzen welche Glut!

Er hat kein Feuer in seinen Adern und keine Glut in seinem Herzen.
Und kein Pferd trieb sein Herz an und raste desshalb so geschwind.

Alles Bildersprache.

Gedanken einer Laien, vielleicht sogar einer Stümperin.

So könnte man es lesen und es so verstehen, dass er
geschwind zu Pferde unterwegs war.

Nur was für einen Sinn machte es, am Anfang eines
Gedichtes zu schreiben, dass das Herz schlägt.
Das ist doch das banalste das es gibt, dass ein
Herz schlägt.

Und auf das alles kam nur die Frage ob mein Herz noch nie heftig geschlagen habe.

Wenn ich es jetzt lese meine Worte, so sind sie schon etwas konfus, das geb ich zu und kann auch verstehen dass Du zu dem allem nichts anderes hast sagen wollen als das was Du gesagt hast.

1:0 für Dich.

Nach dem Essen schaun wir weiter...

[Thing]

Ich weiß gar nicht, was Dich so ins Harnisch gebracht hat.
Kann das leider nicht nachvollziehen.

Wenn ein Dichter schreibt,
daß ihm vor Leid das Herz zerbrach, dann ist das anatomische cor immer noch intakt.
Du mußt Gefühle vom rein Körperlichen unterscheiden (können).

LG
Thing

[marlenja]

Zitat von Thing

Ich weiß gar nicht, was Dich so ins Harnisch gebracht hat.
Kann das leider nicht nachvollziehen.

Es war dieses ständige Hickhack hier im Forum.

Wollte ich demonstrieren das ich auch so könnte wenn ich wollte?

Um danach zu beweisen wie sinnlos, fruchtlos und freudlos es ist?

Eine Frage möchte ich Dir stellen: Findest Du die erste Zeile gut verständlich?
Hat man sich früher so ausgedrückt? Desshalb sprach ich vom Telegrammstil.
Nach meinem Empfinden ist das kein richtiger Satz. Oder ist es doch Kunst?
Auf so abgehackte Weise das dramatische hervorzuheben?

[Ex-Ralfchen]

die erste zeile ist nicht in ordnung. und der rest? teils zutiefst fragwürdig.

[Thing]

Halli Hallo, marlenja -

wenn ich schrieb, daß dies mein Lieblingsgedicht ist, so meine ich damit gleichzeitig, daß ich es für allerhöchste Kunst halte.


LG
Thing

[Ilka-Maria]

Zitat von Ralfchen

die erste zeile ist nicht in ordnung. und der rest? teils zutiefst fragwürdig.

Die erste Zeile ist absolut in Ordnung. Dort steht nämlich nicht: "Mein Herz schlug", sondern "Es schlug mein Herz". Also wurde das Herz durch etwas angeregt, das außerhalb des Üblichen lag. Zu dem Ausdruck "zu Pferde" ist bereits alles gesagt.

Ich weiß wirklich nicht, was daran nicht verständlich oder falsch sein soll.

Auch ist mir nicht klar, weshalb man sich ein einem einzelnen Vers von Goethe derart aufhängt, der doch ganze Schubladen voll von sprachlich großartigen Werken geschaffen hat. Das ist ja gerade so, als wolle man den Dichter "wulffen". Früher sagte man dazu: "Die Rübe runter."

[Ex-Ralfchen]

es schlug?

damit meinst der alte sagte ein ES schlug sein herz? ne art herzschlag also?

[Thing]

es überrascht mich nicht, daß Du Dich absichtlich dumm stellst!

Bei uns gibt es heute Abend Rotwein zu trinken.

[Thing]

Heutzutage würde man wohl schreiben:

Ich bin so aufgeregt!
Schnell in den Porsche
und zu Elke geflitzt!

[marlenja]

Gut gesagt, so war es wohl vor ein paar Jahren.

Heute würde man SMSlen:

Muss dich treffen, S-Bahn kommt um 17.39 an.

[Ex-Ralfchen]

Zitat von Thing

Heutzutage würde man wohl schreiben:

Ich bin so aufgeregt!
Schnell in den Porsche
und zu Elke geflitzt!

Und umen 100er abgespritzt

[Ilka-Maria]

Wieso begreift niemand, daß das Herz hier eine Stellvertretung einnimmt, z.B. für eine Uhr, eine späte Stunde, einen Antrieb - sonst wäre der Herzschlag ja wirklich keiner Erwähnung wert. Aber ist es nicht gerade der poetischste Weg, sein Tun auf das zurückzuführen, was das Herz einem geraten bzw. gerade geschlagen hat?

Es ist doch wie mit der Uhr: Ich kann darauf blicken und die Zeit ablesen, wie sie ohnehin vor sich hin tuckert und dessen ich mir bewußt bin. Ich kann aber auch aufschrecken und erkennen: "Holla, nur noch fünf Minuten, jetzt aber hurtig!"

Vielleicht ist es aber gerade das, was Goethe so groß macht, daß ihn nämlich keiner verstehen will. Er ist und bleibt eine Herausforderung für Menschen des Mittelmaßes, die den Mut nicht aufbringen, ein Gefühl niederzuschreiben vor lauter Sorge, ihr Satz könnte zu banal klingen.

[Ex-Ralfchen]

lieber mensch - wenn man bei jedem gedicht soviel nachdenken muss und mit querverweisen erst hinterfrägt, was der dichter meint, ,dann muss man es erst gar nicht lesen.

[Ilka-Maria]

Zitat von Ralfchen

lieber mensch - wenn man bei jedem gedicht soviel nachdenken muss und mit querverweisen erst hinterfrägt, was der dichter meint, ,dann muss man es erst gar nicht lesen.

Und woher weißt Du das, wenn Du es nicht gelesen hast?

Wenn ich etwas lese, stellt sich ein Gefühl ein und/oder es entstehen Bilder in meinem Kopf, die mich verstehen lassen. Ich brauche dazu keine Verweise, Fußnoten, Anmerkungen oder sonstige Erklärungen.

[Ex-Ralfchen]

guter mensch -

ich kannte diese lyrik nicht. erst unsere bezaubernde ROMINEtta liess mich den text urgieren.

ich war nie ein großer GÖTHE-fan, obschon wir den von HARTMANN inszenierten mehrstündigen (monumentalen) FAUST am BURGTHEATER mit MORETTI und leider ohne VOSS sehr genossen.

[Ilka-Maria]

Ich neige auch eher Schiller zu, weil er leidenschaftlicher ist als Goethe (obwohl letzterer wiederum besser zu meinem eigenen Wesen paßt). Moretti ist mir ein Begriff - hat der nicht auch Brecht gespielt?

Aber wer ist Voss?

[Thing]

Gert Voss ist einer der besten lebenden Bühnenschauspieler.
Großartiger Shakespeare-Protagonist.

[marlenja]

Zitat von Ilka-Maria

Er ist und bleibt eine Herausforderung für Menschen des Mittelmaßes...

Erst recht für solche darunter.

Vielleicht gar müssen sie einst sterben,
ohne jemals den Herzpferdesatz zu verstehen.

[Thing]

Dann sind sie nicht allein.

[Thing]

Wittgenstein:

"wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen.“

[Ex-Ralfchen]

dein neues lieblingszitat? war lange zeit meine sigline. isses auch noch im literataurforum.at.

[Thing]

Eines meiner Lieblingszitate.
Aber hier nicht unbedingt auf Dich gemünzt, sondern auf Jemanden, der nicht locker läßt und weiterhin seine Enge des Begriffsvermögen unter Beweis stellt.

[Ilka-Maria]

Zitat von Thing

Wittgenstein:

"wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen.“

Aber woher weiß man denn in jeder Lebenslage, daß man über etwas nicht genügend weiß? Uns wurde z.B. früher in der Schule so mancher Unsinn verzapft, der längst überholt ist - aber nicht jeder hat das mitbekommen.