Die Kitsch-Katze

[Ilka-Maria]

„Was ist denn das?“ Emily zielte mit ihrem rechten Zeigefinger, mit dem sie gerade in der Nase gebohrt hatte – eine Angewohnheit, der sie nie recht bewusst geworden war – auf meine Kaffeekanne und gluckste. „Das kann nicht wahr sein!“

Karla und Brunhild stimmten in Emilys Glucksen ein, wobei sich Karla beinahe an ihrem Kuchen verschluckt hätte. Sie begann zu husten, versuchte trotz Luftknappheit immer noch zu glucksen und musste sich schließlich die Augen reiben, weil aus ihnen Tränen der Belustigung rannen.

Die Kaffeekanne. Mir war klar, dass sie mir bei Inbetriebnahme Spott eintragen würde. Meine Kaffeekanne war eine Katze. Eine schwarze Katze mit grünen Glasaugen und einer roten Schleife um den Hals, mit einer Pfote als Ausgießer und einem Kopf als Deckel. Der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Jahrelang hatte ich sie in der Vitrine stehen lassen, diese Kaffeekannen-Katze, kein einziges Mal benutzt, was mir keine Sogen bereitet hatte, denn schließlich ist es die erste Bürgerpflicht einer Katze, nichts weiter als Dekor zu sein.

Der Teufel musste mich geritten haben, als ich ihre natürliche Berufung ignoriert und sie als ein Instrument der Gastfreundschaft für einen unwürdigen Einsatz missbraucht hatte.

„Kriegt euch wieder ein“, ermahnte ich meine in Lachtränen aufgelösten Kaffeekranz-Freundinnen. „Die Katze hat eine Vorgeschichte.“

Da waren sie gespannt, die Geschichte zu hören, wurden still und schlürften ihren Kaffee. Den ich ihnen aus der schwarzen Katze eingeschenkt hatte.

„Ich war ein Kind, und mit meinen Eltern besuchte ich manchmal ein älteres Ehepaar, mit dem wir Kaffee tranken und Kuchen aßen. Mein Vater lernte den alten Herrn in der Kriegsgefangenschaft kennen, und der Alte gab dem Jungen, der erst siebzehn Jahre alt und noch im Wachstum war, von seiner Ration ab. Es waren einfache Leute. Die Kaffeekanne, aus denen uns die Frau des ehemaligen Kriegskameraden einschenkte, war eine schwarze Katze mit grünen Augen und abnehmbaren Kopf. Und einer roten Schleife um den Hals.“

„Und weiter?“

„Später dachte ich nicht mehr an die Kaffeekannen-Katze. Andere Dinge wurden wichtiger, und irgendwann gab es auch die beiden Alten nicht mehr. Aber dann …“

Ich machte eine Pause, und meine drei Freundinnen sahen mich mit gespannten Augen an.

„Es war eine meiner USA-Reisen, als ich in New York in einen Laden kam, in dem ich nichts suchte. Es regnete nur so fürchterlich, dass mein Freund und ich irgendwo eine Weile unterkommen wollten. Also flüchteten wir in den nächstgelegenen Laden. Und da sah ich diese Katze.“

„Wie? Diese Katze?“

„Genau diese Katze aus meiner Kindheit: Pechschwarz, grüne Augen, rote Schleife, Pfotentülle und Kopf zum Abnehmen. Eins zu eins, wie ich sie aus meiner Kindheit in Erinnerung hatte. Und da habe ich sie gekauft und, gut gepolstert, damit ihr nichts geschieht, in meinen Koffer gepackt.“

Ich grinste süffisant. „Stellt euch das mal vor: Da muss man bis nach Amerika reisen, um seine Kindheit zurückzuholen.“

Alle drei sahen mich mit ernsten Augen an. Bis Karla sagte: „Sie ist leer. Mach noch mal.“

Ich nahm die Katzen-Kanne mit in die Küche und füllte sie mit einer frische Ladung Kaffee. Danach war nicht nur das Thema „Kitsch“ vom Tisch, sondern die Kaffeekannen-Katze gehörte noch einige Jahre lang zum Kränzchen-Ritual. Bis sie mir eines Tages aus den Händen glitt und in wenige, aber irreparable Stücke zersprang.