Das Klassentreffen

[Ex-Lichtsohn]

Maximilian Honberg gehörte zur Oberschicht und das wollte er nicht verheimlichen. Sein protziges Haus stand im Zentrum von Grünwald, einem teuren Viertel südlich von München. Das Gemäuer war alt, aber frisch renoviert und seine kleinen, aber geschickt in Szene gesetzten Spitzdächer ragten würdevoll in den Himmel.

Honberg beteiligte sich alljährlich an vielen angekündigten Spendenaktionen im Münchner Umkreis. Zumindest an denen die eine gute Reputation versprachen, oder bei denen zumindest ein namhafter Fernsehsender zu erwarten war.

An diesem Tag schlenderte er gerade auf die imposante Eingangstür seiner Villa zu, stupste seine Lieblingsmarmorstatue ein wenig salopp und trat ein. Seine Frau Mutter war wie immer perfekt gekleidet, was bedeutete: sie sah schrecklich aus, wie jeden Tag.

„Es ist alles vorbereitet, mein Schatz“, lispelte sie in ihrer unglaublich arroganten Art, die gar nicht zu ihrem Erscheinungsbild passen wollte.
„Danke, Mutter“, sagte Honberg knapp und machte sich auf den Weg zum Salon.

Er hatte alle Einladungen verschickt, alle Antworten fein säuberlich in einen neuen Ordner eingeheftet und denselben in ein riesiges Regal gestellt. Dort standen auch die Ordner mit seinen Geschäftsunterlagen, denn er war Inhaber einer Firma für Antiquitäten An-und Verkäufe. Das war ein einträgliches Geschäft geworden, seitdem er seine Mitarbeiter zu Haushaltsauflösungen bei ausgewählten Kunden schickte, von deren finanziellen Missständen er natürlich über Freunde und Bekannte erfahren hatte.

Seine Gäste sollten sich schon im Salon befinden. Er schaute zum großen Etagenfenster neben der kleinen Empore hinaus und dachte an eine längst vergangene Zeit.

Maximilian war ein schrecklicher Schüler gewesen, faul und hässlich. Das hatten seine Klassenkameraden und Klassenkameradinnen ihm deutlich spüren lassen und es bedurfte mehr als einmal scharfer Verweise durch die Lehrerschaft. An ein besonderes Ereignis konnte er sich ganz genau und detailliert erinnern:

Klaus Obermann, ein recht stattlicher Mitschüler hatte ihn auf dem Schulhof in die Mangel genommen. Das an sich war keine Seltenheit, aber das eine Mal übertrieb der gute Klaus seine Dreistigkeiten enorm. Er riss den Gürtel von seiner Hose und schwang ihn wie ein Lasso. Mehrere Schläge trafen Maximilian, bei einem recht heftigen Schlag ging er zu Boden. Klaus sprang auf ihn drauf, löste nun Maximilians Gürtel und zog ihm die Hose runter. Mit seiner Beute lief er triumphierend weg.

Honberg schüttelte diese Erinnerung ab. Er öffnete die große Flügeltür zum Salon.

Ein wunderbarer Anblick. Sie alle waren versammelt.

„Meine lieben Freunde,“ begann er seine Rede.
„Es ist mir eine ganz besondere Ehre euch in meinem bescheidenem Heim begrüßen zu dürfen.
Schon lange wollte ich ein Klassentreffen organisieren. Ich hatte Sehnsucht nach euch, ja …
wie die Zeiten uns verwandelt haben, liebe Freunde und verehrte Klassenkameradinnen“.

Es klopfte an der Tür.
Er sagte: „Herein“.

„Mein Lieber, ich wollte nur nachschauen ob alles in Ordnung ist“, lispelte sie.
„Und ob du dich auch gut amüsierst, so allein“.

Honberg drehte sich erzürnt in Richtung der Tür und schaute seine Mutter zornig an.
Dabei berührte er versehentlich den Kopf von Klaus Obermann. Der kullerte los
und setzte eine Kettenreaktion in Gang. Es schepperte und krachte, als die zuvor
sorgfältig aufgereihten und drapierten Köpfe der Gäste den seltsamen
Tanz in die Mitte des Salons führten.

[DieSilbermöwe]

Hallo Lichtsohn,

sehr makaber und gut geschrieben!

LG DieSilbermöwe

[Ex-Lichtsohn]

Zitat von DieSilbermöwe

Hallo Lichtsohn,

sehr makaber und gut geschrieben!

LG DieSilbermöwe

Liebe Silbermöwe,

vielen lieben Dank für deine Rückmeldung.

Dieser Text stammt im Original aus einem Schulaufsatz, aber
der blieb dann bei meiner Deutschlehrerin. Sie wollte ihn einrahmen.
Ob das tatsächlich passiert ist weiß ich aber leider nicht. Sie stand
plötzlich vor der Tür zu meinem Elternhaus in Bad Goisern, Oberösterreich
und sagte: "Sie müssen ihren Sohn unbedingt auf eine Journalistenschule
schicken." Meine Eltern haben das belächelt, meine Schwester ging
schon auf die Handelsakademie und es war finanziell einfach nicht
möglich.

Als ich diese Version geschrieben habe wollte ich sie zuerst authentisch
wiedergeben, dann hab ich umgestellt und nach München verlagert,
nicht das noch einer nachschauen kommt, was sich in unserem Keller befindet.

Alles Liebe

[DieSilbermöwe]

Schade, dass es mit der Journalistenschule nicht geklappt hat. Du hättest das Talent dazu gehabt.

LG DieSilbermöwe

[Ex-Lichtsohn]

Zitat von DieSilbermöwe

Schade, dass es mit der Journalistenschule nicht geklappt hat. Du hättest das Talent dazu gehabt.

LG DieSilbermöwe

Liebe Silbermöwe,

danke für deinen Kommentar. Die Journalistenschule wäre damals eine
Möglichkeit gewesen, ja. Heute verstehe ich das anders: ich war damals
nicht reif dafür, ein ziemlicher Schlendrian, um es mal genau zu sagen.
Heute sieht es etwas anders aus und vielleicht öffnen sich Wege, die
ich noch gehen kann, dann aber bewusster und "gereifter".

Alles Liebe dir und einen zauberhaften 4. Advent wünsche ich dir.