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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

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Alt 02.01.2022, 11:35   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Abschied auf See

Bald gehst du auf die letzte Reise,
das Schiff fährt hin zum Horizont.
Der Motor tuckert leise.
Eine Möwe schreit und schweigt dann prompt.

Das Meer zeigt sich im strahlend Blau
und gleißt im Glanz der Mittagsstunden.
Hier wehen manchmal Winde rau.
Heut' hat die Stille hergefunden.

Der Kapitän zieht sacht den Hut.
Familie spricht ein Gebet.
Wie wohl die Stille tut.
Die Urne wird versenkt.

Du warst zu Hause auf dem Meer,
dem Surfbrett und dem Blick zum Horizont.
Du wolltest hier im Tode her.
Im Licht, wo sich die Seele sonnt.
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Alt 02.01.2022, 13:17   #2
männlich Andri
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Beiträge: 425

Liebe Silbermöwe,
ein sehr schönes stimmungsvolles Gedicht. Die Szenerie ist gleich deutlich vor dem inneren Auge. Vor allem die ersten beiden Strophen nehmen einen mit
Ein wenig habe ich an der dritten Strophe zu kritisieren, wahrscheinlich hast du die Verse extra kurz gehalten um die Stille zu simulieren, aber ich finde es hat den gegenteiligen Effekt, es wird hastig, eckig und verliert die Ruhe.
Ich wollte einen Vorschlag machen finde aber auch keine schnelle Lösung.
In der letzten Strophe finde ich den Reim Meer und her nicht so glücklich.
Ich glaube es würde sich wirklich lohnen die dritte Strophe nochmal aufzumachen um ein tolles Gedicht fertig zu haben.

Liebe Grüße,
Andri
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Alt 02.01.2022, 13:42   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
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Lieber Andri,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, du hast recht, so richtig rund ist das Gedicht noch nicht - auch wenn ich selbst eher mit der vierten als mit der dritten Strophe unzufrieden war. Ich hatte auf Tipps und Anregungen gehofft vielleicht ist die dritte wirklich zu kurz. Ich wollte ein bestimmtes Bild beschreiben, von dem ich selbst (noch) nicht weiß, wie es aussehen wird.

Ich werde mal nachdenken...

LG DieSilbermöwe
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Alt 02.01.2022, 16:13   #4
weiblich C.Alvarez
 
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Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
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Ich habe an keiner Strophe was auszusetzen. Ich finde das Gedicht sehr berührend und dezent. Mit dezent meine ich, nicht so übertrieben emotional wie manche andere.

Corazon
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Alt 02.01.2022, 16:18   #5
Ex-Pennywise
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Moin Silbermöwe,

am "Moin" erkennt man denke ich auch meine Nähe und Liebe zum Meer. Ich kann mich mit der Thematik sehr gut identifizieren. Auch ich habe mir schon Gedanken gemacht, ob ich dort irgendwann mal meine letzte Ruhe finden möchte. Allerdings konnte ich mich noch nicht festlegen.
Ich schließe mich Andri an. Die ersten beiden Strophen sind absolut klasse. Auch wenn zum Beispiel in Strophe 1 die Verse 1 und 3 doch recht unterschiedlich lang sind, finde ich das trotzdem vom Klang her rund und schön. Bei Strophe 3 bin ich dann wie gesagt bei Andri, wobei mich aber noch etwas mehr der Reim von "versenkt" auf "Gebet" stört.

"Der Kapitän zieht sacht den Hut,
Familie Deiner still gedenkt.
Auf Ebbe folgt auch stets die Flut,
so wirst Du nun dem Meer geschenkt"

Das ist natürlich nur ein Vorschlag. Ich habe leider metrisch keinen Reim mit "versenkt" hinbekommen.

Mir hat das hier auf jeden Fall sehr viele Bilder in den Kopf gepflanzt. Daher habe ich mich gern etwas länger damit beschäftigt.

Gruß

Pennywise
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Alt 03.01.2022, 00:19   #6
männlich Robert Go
 
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Beiträge: 85

Ein schöner aber auch trauriger Text.
Ich finde ihn gut
Robert Go ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.01.2022, 07:52   #7
weiblich DieSilbermöwe
 
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Beiträge: 6.706

Zitat:
Zitat von C.Alvarez Beitrag anzeigen
Ich habe an keiner Strophe was auszusetzen. Ich finde das Gedicht sehr berührend und dezent. Mit dezent meine ich, nicht so übertrieben emotional wie manche andere.

Corazon
Vielen Dank, Corazon! Es freut mich, dass es dir gefällt. Dass es nicht so emotional ist, spiegelt vermutlich mein Temperament in solchen Dingen wider - es ist sehr selten, dass ich wirklich einmal sehr emotional reagiere.

Zitat:
Zitat von Pennywise Beitrag anzeigen
Moin Silbermöwe,

am "Moin" erkennt man denke ich auch meine Nähe und Liebe zum Meer. Ich kann mich mit der Thematik sehr gut identifizieren. Auch ich habe mir schon Gedanken gemacht, ob ich dort irgendwann mal meine letzte Ruhe finden möchte. Allerdings konnte ich mich noch nicht festlegen.
Ich schließe mich Andri an. Die ersten beiden Strophen sind absolut klasse. Auch wenn zum Beispiel in Strophe 1 die Verse 1 und 3 doch recht unterschiedlich lang sind, finde ich das trotzdem vom Klang her rund und schön. Bei Strophe 3 bin ich dann wie gesagt bei Andri, wobei mich aber noch etwas mehr der Reim von "versenkt" auf "Gebet" stört.

"Der Kapitän zieht sacht den Hut,
Familie Deiner still gedenkt.
Auf Ebbe folgt auch stets die Flut,
so wirst Du nun dem Meer geschenkt"

Das ist natürlich nur ein Vorschlag. Ich habe leider metrisch keinen Reim mit "versenkt" hinbekommen.

Mir hat das hier auf jeden Fall sehr viele Bilder in den Kopf gepflanzt. Daher habe ich mich gern etwas länger damit beschäftigt.

Gruß

Pennywise
Hallo Pennywise,

es geht zwar nicht um meine Bestattung, aber auch ich liebe das Meer und kann den Wunsch nach einer Seebestattung verstehen (vor allen Dingen, wenn man oft bei Wind und Wellen auf dem Surfbrett unterwegs war).

An den ersten beiden Strophen habe ich ziemlich lange gearbeitet und sie mehrmals umgeschrieben. Mit der dritten und dem schlechten Reim hast du natürlich recht - mir ist aber auch kein besserer bis jetzt eingefallen. Dein Vorschlag mit dem Wort „gedenkt" ist schon sehr gut.
Was mich selbst noch stört, ist, dass das Wort „Horizont" zweimal vorkommt - aber ich möchte, dass sich die Seele sonnt, irgendwie im Gedicht unterbringen...

Freut mich, dass du dich so ausgiebig mit dem Gedicht beschäftigt hast.

Ich hatte noch eine Strophe geschrieben, die ich dann weggelassen hatte:

„Hier warst du oft in deinem Leben,
willst hier im Tode sein.
Du hast mir viel gegeben,
wehmütig gedenk ich dein."

Ich habe sie weggelassen, weil ich dachte, es stimmt nicht mit dem Bild der Bestattung von außen überein, bei der das LI nur zusieht und bei der es um den Willen des Verstorbenen geht, nicht um die Gefühle des LI... Vielleicht schreibe ich darüber, was das LI empfindet, noch ein anderes Gedicht.

Zitat:
Zitat von Robert Go Beitrag anzeigen
Ein schöner aber auch trauriger Text.
Ich finde ihn gut
Vielen Dank, Robert Go! Ja, einerseits ist es traurig - auf der anderen Seite finde ich es schön, dass der Verstorbene die Bestattung bekommen soll, die er sich gewünscht hat.

LG DieSilbermöwe
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Alt 03.01.2022, 09:20   #8
männlich Anaximandala
 
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Guten Morgen Silbermöwe,
ich würde mich den anderen gerne anschließen, der Text gefällt mir, gerade auch durch die dezente Ausdrucksweise

Ich hab mal versucht etwas für das Horizont Problem zu finden, ich glaube nicht, dass die Optimallösung dabei ist, aber vielleicht findest du darin ja einen kleinen Anreiz, wie du es am liebsten hättest.

Dem Firmament das Schiff entgegen will
...schweigt dann still

das Schiff fährt Richtung Himmelswand/band
der Schrei einer Möwe, die promt verschwand

das Schiff, als wollt zum Firmament es steigen
ein Möwenschrei und promt ihr Schweigen

Liebe Grüße
Anaximandala
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Alt 03.01.2022, 18:11   #9
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Anaximandala,

danke für deine Überlegungen.
Zitat:
das Schiff fährt Richtung Himmelswand/band
der Schrei einer Möwe, die promt verschwand
Naja, es geht nicht darum, dass eine Möwe prompt verschwand, sondern dass sie erst schreit und dann still ist leider ist der Vorschlag deshalb nicht geeignet.

Zitat:
. das Schiff, als wollt zum Firmament es steigen
Ist mir ein wenig zu schwulstig - ich wollte ja gerade nicht in solchen Metaphern schreiben.

Ich hatte heute Mittag noch eine andere Idee für die 4. Strophe:

„Der Kapitän zieht sacht den Hut.
Familie spricht ein Gebet.
Wie gut die Stille tut.
Langsam wird es spät."

Das reimt sich zwar auf „Gebet", aber dann kommt die Urne nicht drin vor... und macht auch keinen Sinn, es ist ja Mittag.

„Der Kapitän zieht sacht den Hut.
Familie steht an der Reling, Stille.
Wie wohl die Ruhe tut.
Nun passiert der letzte Wille."

Ist aber nicht berauschend...

LG DieSilbermöwe
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Alt 03.01.2022, 18:42   #10
männlich Anaximandala
 
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Ja ich hab mir das schon gedacht, ich bin selber mit Ideen die ich vorgeschlagen habe nicht ganz glücklich gewesen...
auf promt könnte man sonst vielleicht kommt reimen, irgendwas in die Richtung das Schiff dem Firmament entgegenkommt oder so vielleicht
Ohweh die richtig schwulstigen hab ich ja weggelassen aber ja, das steigen war nicht optimal, zeigen wäre auch möglich, optimal ist es aber auch nicht :/

Die letzte Strophe klingt auf jeden Fall besser, eventuell könntest du das "steht" in Zeile zwei weglassen, in Zeile drei könnte ein "einfach" hinter die Ruhe, aber das sind nur spontane Ideen

Liebe Grüße
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Alt 14.01.2022, 14:25   #11
weiblich DieSilbermöwe
 
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Ich habe noch einen Vorschlag erhalten für S1, dann stimmt zwar die Metrik, aber irgendwie stören mich die überflüssigen Füllwörter kolossal. Der Vorschlag lautet:

„Bald gehst du auf die letzte Reise,
das Schiff fährt hin zum Horizont.
Der Motor tuckert nur ganz leise.
Ein Vogel schreit und schweigt dann prompt."

Wenn ich nun schreibe,
„Vor dir liegt die letzte Reise", sind das 8 Silben,
„Der Motor tuckert leise" sind 7.

Stimmt die Metrik dann trotzdem oder muss es auf alle Fälle die gleiche Silbenanzahl sein?

Mir gefällt der Satz ohne „nur ganz" besser.
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.01.2022, 16:07   #12
weiblich Ilka-Maria
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Hallo, Silbermöwe,

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
„Bald gehst du auf die letzte Reise,
das Schiff fährt hin zum Horizont.
Den ersten Vers besser lassen, dann stimmt das Metrum. Bei der Version "Vor dir liegt die letzte Reise" hättest du hingegen einen Wechsel vom Jambus zum Trochäus (man könnte den Versanfang sogar als Anapäst lesen), das haut also nicht hin.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
„„Der Motor tuckert leise" sind 7.
Stimmt die Metrik dann trotzdem oder muss es auf alle Fälle die gleiche Silbenanzahl sein?
Mir gefällt der Satz ohne „nur ganz" besser.
Füllwörter schwächen einen Vers fast immer. Wenn schon ein zusätzliches Adjektiv sein muss, um das Metrum einzuhalten, würde ich ein starkes, griffiges Wort wählen, z.B. "Der Motor tuckert gramvoll leise" oder etwas in dieser Art.

VG
Ilka
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 14.01.2022, 19:00   #13
weiblich DieSilbermöwe
 
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Vielen Dank für die Tipps, Ilka!
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.01.2022, 12:46   #14
weiblich DieSilbermöwe
 
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Ich habe die ersten beiden Strophen nun folgendermaßen umgedichtet (und dabei hoffentlich den Jambus durchgehalten):


Bald gehst du auf die letzte Reise,
das Schiff zieht hin zum Horizont.
Der Motor tuckert laut - dann leise.
Ein Vogel schreit und schweigt dann prompt.

Das Meer liegt da in zartem Blau.
Es gleißt im Glanz der Mittagsstunden.
Die Winde wehen manchmal rau.
Heut' hat die Stille hergefunden.
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.01.2022, 14:34   #15
männlich MonoTon
 
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Hallo Silbermöwe

Ich schaue mir deinen Text jetzt schon einige Tage immer wieder mal an weil er mich irgendwie nicht los lassen will.
Zudem sehe ich die vielen Hilfestellungen und denke, mein Senf kann da nichts mehr großes Beitragen. Ich versuche es trotzdem, denn ich bemerke, dass du in deinem Text einen Gleichbleibenden melancholischen Unterton hin und wieder unterbrichst. Ich beziehe mich da auf die Erstfassung, die Überarbeiteten ersten 2 Strophen sind dem sanften Wellengang den du beschreibst eher zugetan. Was auch ihren Unterton flüssiger werden lässt und wesentlich mehr Melancholie durchkommen lässt.

Manchmal wirken die Worte noch, als hätten sie ihren Platz noch nicht konkret gefunden was darauf beruht, das weiche und harte konsonanten einen Effekt auf das Gesamtbild eines Textes haben. zu viele t-laute oder z-laute reißen einen schnell aus der übermittelten Ruhe heraus. Anders ist es mit zbsp. w-lauten
Das ist oft ein phonetisches Problem, welches viele mit sich bringen.

Ich stelle dahingehend mal deine beiden ersten Strophen, deinen beiden überarbeiteten Gegenüber zum Vergleich.
Im Großen und Ganzen ist die Betonung annehmbar, sie wirkt nur oft sehr erzwungen wenn vermeintliche Betonte derart gebeugt werden, das eine eigentliche Betonung innerhalb der Semantik auf das Folgewort verlegt wird. Das sind keine Stolpersteine, sondern eher kleinere in Frage Stellungen der eigenen Auffassung beim Lesen.


Zitat:
Bald gehst du auf die letzte Reise,
das Schiff fährt hin zum Horizont.
Der Motor tuckert leise.
Eine Möwe schreit und schweigt dann prompt.

xXxXxXxXx
xXxXxXxX
xXxXxXx
XxXxXxXxX

Bald gehst du auf die letzte Reise,
das Schiff zieht hin zum Horizont.
Der Motor tuckert laut - dann leise.
Ein Vogel schreit und schweigt dann prompt.

xXxXxXxXx
xXxXxXxX
xXxXxX|xXx
xXxXxXxX
- Bald gehst
Der Anfang machte mir unklar welche Betonung hervortritt, da die zwei Worte um die Betonung kämpfen. Es besteht kein spondäus, aber ich habe zunächst einen Anapäst vermutet, doch das darauffolgende "du" war mir zu schwach dafür. Ich bemerkte danach durch das Gewohnheitsmetrum (und auch dank Ilkas Leseweise), dass es sich eigentlich um einen Jambus handeln soll. Vielleicht wäre ein eher simpler Einstieg ratsamer, wie zbsp:
"Du gehst schon/nun bald auf letzte Reise"? oder
"Als/Nun bald gehst du auf letzte Reise"? Wobei "als/nun bald" schon recht unschön sind und fast archaisch anmuten, haben aber als ein hingucker durchaus Wirkung.
"Du gehst nun bald auf letzte Reise" wäre die simpelste Variante. Zudem wäre es dem Aspekt des weichen/melancholischen Untertons zuträglicher. Wobei mich dann das Wort "letzte" weniger weich werdend zurück zieht.

- zieht und fährt ist klanglich ein großer Unterschied, beruhend auf dem z- und dem f-laut.
Beide Bewegungsformen sind schlüssig, aber bringen auf ihre eigene Weise leichte Unruhe in den Ton
hin zum - wirkt doppelt /An sich mag ich Doppelungen sehr gerne wenn sie das Metrum unterstützen, was hier aber problematisch ist
eine Idee aus meiner Sicht wäre:
"das Schiff befährt den Horizont"
mir ist nämlich aufgefallen, dass du unbedingt eine Betonung auf "hin" erzwingen willst aber mir wirkt das zu gedrungen.
eine andere Idee wäre:
"das/dein/mein Schiff am fernen Horizont"

- "Der Motor tuckert leise. /Der Motor tuckert laut - dann leise"
die erste Variante passte nicht ins Gesamtbild, außer man hätte dort ein neues Metrum weitergeführt/ die zweite Variante ist klanglich wesentlich besser.
Der Gedankenstrich/Auslassung wirkt wie eine zu lang gehaltene aber "beabsichtigte" Pause, es kommt hervor dass der Motor abgestellt wird, oder kurz davor steht herunter zu fahren. Symbolisch gesehen eine schöne Metapher für das langsame Ableben und das einstellen jeglichen Betriebes, das Prinzip auf "Reserve" zu laufen, oder umgangssprachlich auf "Sparflamme" zu handeln. Ein in sich gehen und herunter kommen.

- Eine Möwe/Ein Vogel
das Singular von beiden Varianten löst das eigentliche Problem nicht.
Möwen und Vögel jeglicher Art sind Gruppentiere. Wo eine ist, sind Viele.
Mit dem Wissen im Hinterkopf kann man es für sich zunutze machen.
"die Möwen kreischen, schweigen prompt"

Hmmm...der Jambus wurde bisher durchgängig gehalten, man kann ihn zum Schluss der Strophe somit gerne auch durchbrechen, womit ich sagen will, dass mir der Anfang deiner letzten Zeile in der Erstversion besser gefällt als in der überarbeiteten. Es braucht nur der Metrik folgen und sich dem Inhalt unterordnen.
So etwas würde ich aber tatsächlich immer erst zum Schluss einer Strophe einbringen oder innerhalb einer größeren Conclusio einarbeiten.


Du gehst nun bald auf schwere Reise
dein Schiff befährt den Horizont
Der Motor tuckert laut - dann leise
Möwen kreischen, schweigen prompt

xXxXxXxXx
xXxXxXxX
xXxXxX|xXx
XxXxXxX

Ein kleines metrisches Gimmick, dass die Monotonie des Jambus durchbricht und die letzte Zeile mehr in den Vordergrund rückt.
Zudem unterstützt es den Gleichlaut des leicht unsauberen Kreuzreimes (Horizont-prompt)
Man könnte auch den Gedankenstrich als Enjambement nutzen um den Satzinhalt zu verlagern, was dann wie Folgt aussähe.

Du gehst nun bald auf schwere Reise
dein Schiff befährt den Horizont
Der Motor tuckert laut - dann leise
kreischen Möwen, schweigen prompt

Aber ich vermute das wäre zu Viel und dem Inhalt nicht zuträglich.


Zitat:
Das Meer zeigt sich im strahlend Blau
und gleißt im Glanz der Mittagsstunden.
Hier wehen manchmal Winde rau.
Heut' hat die Stille hergefunden.

xXxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX
XxxXxXxXx

Das Meer liegt da in zartem Blau.
Es gleißt im Glanz der Mittagsstunden.
Die Winde wehen manchmal rau.
Heut' hat die Stille hergefunden.

xXxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX
XxxXxXxXx
- Das Meer liegt da in zartem Blau
An sich ein schönes Bild, aber blau ist nicht zart sondern eher als dunkel und kalt definiert und im Meer ist selbst bei Windstille immer eine Bewegung auszumachen was auf Unterströmungen zurückzuführen ist, anders wäre es bei See oder Teich-Oberflächen. Falls sich das "da liegen" auf den ferneren Horizont aus Strophe 1 bezieht, wird das aus dem Text nicht klar ersichtlich, man liest nur vom Meer das gerade direkt vorm Auge abspielt. Und das unmittelbar nahe Meer hat im Auge des Betrachters immer Bewegung.

- gleißt im Glanz glitzerig glühendem geglitters
alles Synonyme für ein und das selbe Wort, (Lichtbrechung) daher wirkt es auf mich etwas unschön um nicht zu sagen zu gestelzt.

- "Stille hat Heut' hergefunden. Ich mag Elisionen nicht und ich würde diese nie an einen Satzanfang stellen. Aber um ehrlich zu sein gefällt mir der ganze Satzbau nicht.
"Stille hat sich eingefunden" wäre Sinnvoller, aber für mich lassen Elisionen einen Satz abstrakt und zu künstlich erscheinen.

- Xxx Hier ist dir in beiden Varianten ein Daktylus untergekommen der sich klanglich nicht unterordnen lässt.

Alles in Allem fällt mir auf dass du eine sehr Bildliche und schöne Sprache verwendest, die es dem Leser ermöglicht mitzuziehen.
Aber das Metrum deiner Zeilen ist so unstetig wie das Meer, welches du beschreibst, die Zeilenlängen Variieren von Strophe zu Strophe und führen nie zu einem konkreten Punkt auf der selben Wellenlänge wenn ich mir die erste Version anschaue.

Deine Überarbeitung ist ein anderes Thema, hier finden die Wellen schon eher ein ausgewogenes miteinander und auch klanglich spricht der Inhalt mehr an.
Und auch wenn das jetzt wahrscheinlich viel Gemecker meinerseits war, muss ich sagen, dass ich das Gedicht sehr gerne gelesen habe. Andernfalls hätte ich mich nicht zu Wort gemeldet. Ein schönes wenn auch trauriges Thema respektvoll umgesetzt.

LG Mono
MonoTon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.01.2022, 08:09   #16
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Monoton,

vielen Dank für deinen Kommentar und die große Mühe, die du dir mit dem Gedicht gemacht hast.

Zitat:
. Manchmal wirken die Worte noch, als hätten sie ihren Platz noch nicht konkret gefunden was darauf beruht, das weiche und harte konsonanten einen Effekt auf das Gesamtbild eines Textes haben. zu viele t-laute oder z-laute reißen einen schnell aus der übermittelten Ruhe heraus. Anders ist es mit zbsp. w-lauten
Das ist oft ein phonetisches Problem, welches viele mit sich bringen.
Unter dem Aspekt habe ich das noch nicht betrachtet, aber das werde ich noch nachholen.

Zitat:
- Bald gehst
Der Anfang machte mir unklar welche Betonung hervortritt, da die zwei Worte um die Betonung kämpfen. Es besteht kein spondäus, aber ich habe zunächst einen Anapäst vermutet, doch das darauffolgende "du" war mir zu schwach dafür. Ich bemerkte danach durch das Gewohnheitsmetrum (und auch dank Ilkas Leseweise), dass es sich eigentlich um einen Jambus handeln soll. Vielleicht wäre ein eher simpler Einstieg ratsamer, wie zbsp:
"Du gehst schon/nun bald auf letzte Reise"? oder
"Als/Nun bald gehst du auf letzte Reise"? Wobei "als/nun bald" schon recht unschön sind und fast archaisch anmuten, haben aber als ein hingucker durchaus Wirkung.
"Du gehst nun bald auf letzte Reise" wäre die simpelste Variante. Zudem wäre es dem Aspekt des weichen/melancholischen Untertons zuträglicher. Wobei mich dann das Wort "letzte" weniger weich werdend zurück zieht.
Du meintest mit „spondäeus" sicher „Trochäeus". Eigentlich wollte ich das Gedicht auch im Trochäeus schreiben, aber dann habe ich erst einmal einfach geschrieben und nicht mehr darauf geachtet, welches Versmaß dabei heraus kommt, bis auf die letzte Überarbeitung.

„Du gehst nun bald auf letzte Reise" hat mit „nun" ein überflüssiges Füllwort, ansonsten hatte ich diesen Anfang schon einmal ausprobiert und dann wieder verworfen, weil er mir nicht gefiel.

Auf den Rest werde ich später noch eingehen , das wird mir sonst mit dem Handy zu unübersichtlich. Vielen Dank nochmal!

LG DieSilbermöwe
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Alt 17.01.2022, 09:56   #17
männlich ganter
 
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Auf der letzten Reise ist man nicht mehr dabei.

Es gehen dann andere, es fahren Schiffe hinaus, die Erde dreht sich weiter.

-ganter-
ganter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.01.2022, 13:28   #18
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
Zitat von ganter Beitrag anzeigen
Auf der letzten Reise ist man nicht mehr dabei.

Es gehen dann andere, es fahren Schiffe hinaus, die Erde dreht sich weiter.

-ganter-
Doch, ganter, bei einer Seebestattung ist der Tote dann schon dabei die Urne mit der Asche ist an Bord.
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Alt 17.01.2022, 13:41   #19
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Monoton,

jetzt geht es weiter:

Zitat:
Der Motor tuckert leise. /Der Motor tuckert laut - dann leise"
die erste Variante passte nicht ins Gesamtbild, außer man hätte dort ein neues Metrum weitergeführt/ die zweite Variante ist klanglich wesentlich besser.
Der Gedankenstrich/Auslassung wirkt wie eine zu lang gehaltene aber "beabsichtigte" Pause, es kommt hervor dass der Motor abgestellt wird, oder kurz davor steht herunter zu fahren. Symbolisch gesehen eine schöne Metapher für das langsame Ableben und das einstellen jeglichen Betriebes, das Prinzip auf "Reserve" zu laufen, oder umgangssprachlich auf "Sparflamme" zu handeln. Ein in sich gehen und herunter kommen.
Es war nicht als Metapher gedacht. Das ganze Gedicht ist nicht als Metapher, sondern gegenständlich gedacht.

Zitat:
- Eine Möwe/Ein Vogel
das Singular von beiden Varianten löst das eigentliche Problem nicht.
Möwen und Vögel jeglicher Art sind Gruppentiere. Wo eine ist, sind Viele.
Mit dem Wissen im Hinterkopf kann man es für sich zunutze machen.
"die Möwen kreischen, schweigen prompt"
Kann ich mir nicht vorstellen, dass Möwen im Chor kreischen und dann zusammen auf einmal still sind.

Zitat:
Hmmm...der Jambus wurde bisher durchgängig gehalten, man kann ihn zum Schluss der Strophe somit gerne auch durchbrechen
Wieso kann man das gerne? Alles was ich bis jetzt über Metrik gelernt habe, sagt, dass man das Metrum durchhalten soll.

Zitat:
"womit ich sagen will, dass mir der Anfang deiner letzten Zeile in der Erstversion besser gefällt als in der überarbeiteten. Es braucht nur der Metrik folgen und sich dem Inhalt unterordnen.
So etwas würde ich aber tatsächlich immer erst zum Schluss einer Strophe einbringen oder innerhalb einer größeren Conclusio einarbeiten"
Hm, muss ich mir überlegen...

Zitat:
"Du gehst nun bald auf schwere Reise
dein Schiff befährt den Horizont
Der Motor tuckert laut - dann leise
Möwen kreischen, schweigen prompt"
Schwere Reise gefällt mir nicht, es geht ja ins Licht (ins Licht, wo sich die Seele sonnt). Das ist keine schwere, sondern eine schöne Reise. Das Sterben davor war schwer.

Zitat:
Alles in Allem fällt mir auf dass du eine sehr Bildliche und schöne Sprache verwendest, die es dem Leser ermöglicht mitzuziehen.
Dankeschön, das freut mich.

Dass das Metrum in der ersten Version nicht stimmte, wusste ich - kam aber alleine nicht weiter.

Vielen Dank für deine ausführliche Beschäftigung mit dem Gedicht!

LG DieSilbermöwe
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Alt 18.01.2022, 20:35   #20
männlich MonoTon
 
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Hallo Silbermöwe

Zitat:
Es war nicht als Metapher gedacht. Das ganze Gedicht ist nicht als Metapher, sondern gegenständlich gedacht.
Ok unter dem Gesichtspunkt hab ich es nicht betrachtet, ich habe dann vermutlich mehr hinein gedacht als gedacht war. Mein Fehler.

Zitat:
Kann ich mir nicht vorstellen, dass Möwen im Chor kreischen und dann zusammen auf einmal still sind.
Gut dann kommunizieren Möwen eben mit sich selbst und wenn sie alleine sind wohl bis zu einem Punkt an dem es ihnen auffällt und verstummen.

Zitat:
Wieso kann man das gerne? Alles was ich bis jetzt über Metrik gelernt habe, sagt, dass man das Metrum durchhalten soll.
Es ist schön, wenn ein Metrum durchgängig eingehalten wird, es ist aber nur ein ästhetischer Aspekt. Auch das technische Hilfsmittel "Metrum" kann, insofern es ein Wendepunkt innerhalb eines Textes zulässt, einen Umschwung erfahren, denn das Metrum ist nichts anderes als der Grundton einer übertragenen Stimmung (der sogenannte Unterton/Klangfarbe) und dieser kann je nach erzielter Laune durchaus wechseln und anhand eines inhaltlichen Momentes logisch begründet werden. Sowas gehört zum Aspekt der künstlerischen Freiheit.

Zitat:
Schwere Reise gefällt mir nicht, es geht ja ins Licht (ins Licht, wo sich die Seele sonnt). Das ist keine schwere, sondern eine schöne Reise. Das Sterben davor war schwer.
Wundert mich fast, denn das entspräche einer integrierten Metapher, wo das Gedicht doch eher gegenständlicher Natur sein soll. Zudem empfinde ich jede Reise die mit dem Tod zusammenhängt als schwer. Wo Möwen sind ist oft Regen nicht weit. Oder Pommes.

Ich schaue mir noch mal dein Metrum im ganzen an.

Bald gehst du auf die letzte Reise,
das Schiff zieht hin zum Horizont.
Der Motor tuckert laut - dann leise.
Ein Vogel schreit und schweigt dann prompt.

XxXxXxXx
xXxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX

Das Meer liegt da in zartem Blau.
Es gleißt im Glanz der Mittagsstunden.
Die Winde wehen manchmal rau.
Heut' hat die Stille hergefunden.

xXxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX
XxxXxXxXx

Der Kapitän zieht sacht den Hut.
Familie spricht ein Gebet.
Wie wohl die Stille tut.
Die Urne wird versenkt.

xXxXxXxX
xXxxXxxX
xXxXxX
xXxXxX

Du warst zu Hause auf dem Meer,
dem Surfbrett und dem Blick zum Horizont.
Du wolltest hier im Tode her.
Im Licht, wo sich die Seele sonnt.

xXxXxXxX
xXXxxXxXxX
xXxXxXxX
xXxXxXxX

- Heut' - ist eine Stammsilbe, diese als Einstieg in einen Vers zu wählen ist entweder sehr Gut, um mit dem heute zu brechen und ein neues Metrum einzuleiten, oder sehr ungünstig, wenn doch versucht wird ein Metrum ins einheitliche zu bringen und gleich zu Beginn etwas mit Elision zu nutzen wirkt auf viele nicht sehr ansprechend, was aber wieder der Ästhetik geschuldet ist und eher dem meckern auf hohem Niveau entspricht.
Hier hätte ich tatsächlich fast erwartet, dass sich ein neues Metrum durchsetzt, da mit dem Schluss der zweiten Strophe eine direkte Aufforderung dazu stattfindet.
Das Metrum in Strophe 3 ändert sich zwar, versucht aber krampfhaft aus dem Schlusswort und der damit einhergehenden Vorgabe zu entkommen. Sie ist kürzer weil ein zurückfinden in das vorangehende Metrum als "nicht möglich" wahrgenommen wurde.
Um in der vierten Strophe dann wieder versucht mit Einheit zu überzeugen.

Zitat:
Wie wohl die Stille tut.
Die Urne wird versenkt.
Zudem tue ich mich schwer mich in ein plötzlich auftretendes "gedachtes" lyr.ich zu versetzen und einem plötzlich auftretenden individuellem Sinnieren des Narrators anheim zu fallen, wenn zuvor von der Familie die Rede war. Von mir als gedachtem Protagonisten war nie die Rede, es wurde immer nur das "lyr.du" im Abschiedsklang angesprochen.


- "Familie" - ist das nächste Wort, dass mich herausreißt.
Es wäre aber auch ein Wort in seiner Betonung bei dem sich die Geister scheiden, also fange ich die Diskussion besser gar nicht erst an und nehme es einfach hin. Ich hätte hier nur darauf geachtet, dass ihm kein derart prägnantes Wort wie "spricht" folgt, da das Metrum sich nicht ausschliesslich der Syntax unterstellt sondern auch vom Inhalt geleitet wird, insofern dieser sehr hervortritt.
Das einfachste im Hinblick auf die Metrik wäre es gewesen sich nicht auf das kanonartige Gebetssprechen der Familie zu verkopfen, sondern die Familie schweigen zu lassen und dafür einen Fürsprecher zu wählen. Die Familie ist phonetisch sehr laut und zu präsent in meinen Augen und durchbricht die erarbeitete Stille sehr penetrant.

Die gesamte dritte Strophe ist sehr kompakt geraten, aber an sich stört es mich nicht, denn das hier ist der eigentliche Moment des in sich gehens und Abschied nehmens, welches oft mit Schweigen begleitet wird, hier das vorher verwendete einheitliche Metrum zu "durchbrechen" macht durchaus Sinn, um ihm mehr schwere zuzusprechen.
Es käme wesentlich stärker hervor, wenn auch alle vorangehenden Strophen einen einheitlichen Trauermarsch bildeten und kein metrisches Festival feiern würden.

Ergänzend muss ich feststellen, dass du hin und wieder eine Betonung sehr erzwingen willst, wo es mir nicht möglich ist dem nachzukommen.
Das beste Beispiel dafür ist das Wort "Surfbrett" welches einem Spondäus entspricht und aus 2 zusammengefügten Stammsilben besteht, die der selben geltenden Betonung entsprechen. Manchmal ist es nicht ratsam sich auf das Gewohnheitsmetrum zu verlassen.

LG Mono
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Alt 19.01.2022, 08:05   #21
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Hallo Monoton,

Zitat:
Wo Möwen sind ist oft Regen nicht weit. Oder Pommes.
Oder die Nordsee, wo die Seebestattung stattfinden soll. Ich war schon öfters an der Nordsee, und Möwen fliegen auch bei Sonnenschein. Die wohnen schließlich da... Und wenn sie kreischen, dann kreischt auch gerne einmal eine für sich allein.

Bei einer Seebestattung ist es so, dass das Schiff zuerst aus dem Hafen rausfaehrt - kann also durchaus sein, dass Pommes nicht weit sind.

Die dritte und vierte Strophe habe ich noch nicht umgeschrieben, weil sie noch nicht fertig sind bzw. ich noch nicht wirklich damit weiter gekommen bin. Hätte ich erwähnen sollen, denn dass sie nicht gut sind, weiß ich.

Wieso sich aber einige so schwer tun, das Gedicht nicht als Metapher zu verstehen, ist mir unerklärlich, denn es steht doch klar und deutlich da:

Zitat:
Die Urne wird versenkt.
Zitat:
. Zudem tue ich mich schwer mich in ein plötzlich auftretendes "gedachtes" lyr.ich zu versetzen und einem plötzlich auftretenden individuellem Sinnieren des Narrators anheim zu fallen, wenn zuvor von der Familie die Rede war. Von mir als gedachtem Protagonisten war nie die Rede, es wurde immer nur das "lyr.du" im Abschiedsklang angesprochen.
Du bist auch nicht gemeint. Es geht um den Verstorbenen, der auf dem Surfbrett zu Hause war. Ist das echt so missverständlich... Ich wollte hier mit nichts überzeugen, sondern habe eingefügt, warum der Tote eine Seebestattung wollte, eben, weil er im Leben mit dem Meer verbunden war.

Zitat:
Das einfachste im Hinblick auf die Metrik wäre es gewesen sich nicht auf das kanonartige Gebetssprechen der Familie zu verkopfen, sondern die Familie schweigen zu lassen und dafür einen Fürsprecher zu wählen. Die Familie ist phonetisch sehr laut und zu präsent in meinen Augen und durchbricht die erarbeitete Stille sehr penetrant.
Okay, da hast du recht.

Ich stellte mir vor, wie die Seebestattung ablaufen wird und dann war das nächste Bild die Familie, die Abschied nimmt.

Zitat:
Es ist schön, wenn ein Metrum durchgängig eingehalten wird, es ist aber nur ein ästhetischer Aspekt. Auch das technische Hilfsmittel "Metrum" kann, insofern es ein Wendepunkt innerhalb eines Textes zulässt, einen Umschwung erfahren, denn das Metrum ist nichts anderes als der Grundton einer übertragenen Stimmung (der sogenannte Unterton/Klangfarbe) und dieser kann je nach erzielter Laune durchaus wechseln und anhand eines inhaltlichen Momentes logisch begründet werden. Sowas gehört zum Aspekt der künstlerischen Freiheit.
O weia - ich glaube, hier gehen wir ganz und gar nicht konform... Ich meine, ich habe nicht jahrelang mich mit Metrik beschäftigt, um dann doch alles der „künstlerischen Freiheit" unterzuordnen...Würde mich zwar interessieren, was andere dazu sagen...

Zudem wurde mir auch schon vorgeschlagen, das Gedicht streng konservativ zu halten.

Vielen Dank für deinen Kommentar.

LG DieSilbermöwe
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Alt 19.01.2022, 09:00   #22
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Zitat:
Bald gehst du auf die letzte Reise,
das Schiff zieht hin zum Horizont.
Der Motor tuckert laut - dann leise.
Ein Vogel schreit und schweigt dann prompt.

XxXxXxXx
xXxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX
Mit MonoTons Bestimmung des Metrums gehe ich nicht völlig konform. Beispielsweise lese ich den ersten Vers nicht als Trochäus, sondern als Jambus mit Auftakt.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
O weia - ich glaube, hier gehen wir ganz und gar nicht konform... Ich meine, ich habe nicht jahrelang mich mit Metrik beschäftigt, um dann doch alles der „künstlerischen Freiheit" unterzuordnen...Würde mich zwar interessieren, was andere dazu sagen ...
Es gibt Lyrik von großartigen Dichtern, die beim Metrum (und auch bei den Reimformen) Wechsel als Stilmittel einsetzen. Diese Kunst muss allerdings souverän beherrscht werden, wenn sie beim Leser die gewünschten Effekte erzielen will. Die Wechsel sind nämlich kein Selbstzweck, sondern korrespondieren mit dem Inhalt und der Stimmung eines Gedichts.

So dichtet Brecht in der "Legende vom toten Soldaten":

Und als der König im vierten Lenz
Keinen Ausblick auf Frieden bot
Da zog der Soldat die Konsequenz
Und starb den Heldentod.
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Alt 19.01.2022, 10:23   #23
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Hallo DieSilbermöwe :9

Zitat:
Ich meine, ich habe nicht jahrelang mich mit Metrik beschäftigt, um dann doch alles der „künstlerischen Freiheit" unterzuordnen...
Es ist toll dass du dich Jahrelang mit der Metrik beschäftigt hast, dafür hast du meinen ganzen Respekt. Aber darf ich fragen zu welchem Zweck du sie erlernt hast? Um sie zu erlernen und dazu zu gehören, oder um sie zu verwenden?
Es ist eine Tatsache, das man Dinge die man erlernt irgendwann nach seinen Bedürfnissen modifiziert oder abändert, oder seinem Stil anpasst. Das bringt die Erfahrung mit sich, denn auch das herkömmliche wird einem irgendwann zu herkömmlich. Man kann nicht nur mit den Worten spielen.
Ich stimme da Ilka in ihrem Kommentar zu.

Zudem ist künstlerische Freiheit nicht einfach ein Wort, man benutzt es nicht um einen gesamten Text zu rechtfertigen. Man beruft sich damit auf sein Recht, etwas grundlegendes oder herkömmliches durchbrochen zu haben. Es muss nur Sinn machen.
Ich vermute das viele Texte einen aufgrund des Argumentes "künstlerische Freiheit" für das wesentliche Nutzungsmoment des Wortes desensibilisiert haben. Künstlerische Freiheit ist ein Punkt innerhalb eines Konstruktes dessen Verwendung einer Raffinesse gleichkommt und nicht den Charakter eines Totschlagargumentes erhalten sollte.

Hallo Ilka

Zitat:
Mit MonoTons Bestimmung des Metrums gehe ich nicht völlig konform. Beispielsweise lese ich den ersten Vers nicht als Trochäus, sondern als Jambus mit Auftakt.
Zitat:
Bald gehst du auf die letzte Reise,
das Schiff zieht hin zum Horizont.
Der Motor tuckert laut - dann leise.
Ein Vogel schreit und schweigt dann prompt.

XxXxXxXx
xXxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX
Ich habe den Anfang in einen Trochäus gesetzt, weil er Inhaltlich sehr auf das "Bald" ausgelegt ist und eine klare Zeitbestimmung mit sich bringt, zudem ist es ein adverb welches meines Wissens nicht dekliniert wird.

Eine weitere Lesart die ich hätte wäre:

Bald gehst du auf die letzte Reise.
XxXxxXxXx

Ja es gibt flexible Gleichlaute, aber "Bald" ist für mich keines. Eventuell liege ich da Falsch?

LG an euch beide
Mono
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Alt 19.01.2022, 11:46   #24
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Keine Ahnung, weshalb die Wortart für das Metrum eine Rolle spielen sollte.

Wenn man den Vers umstellt, wird völlig klar, dass es ein Jambus ist, denn die Betonung liegt auf der zweiten Silbe:

Du gehst bald auf die nächste Reise ...

Stellt man "bald" voran, wird es zum Anlaut, am Jambus ändert das aber nichts.
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Alt 19.01.2022, 12:22   #25
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Ok das leuchtet ein, tut mir leid wenn ich da zu besserwisserisch war. Es erschien mir nur logisch.
Also werde ich ab jetzt nicht mehr geschriebenes als Tatsache nehmen, sondern erst im Kopf selbst Satzlaute umstellen.

Mir ging es weniger um den Wortlaut, sondern mehr um den Inhalt, nach welchem ich dem Wort "Bald" mehr Betonung und somit mehr Bedeutung zuordnete. Es ist das einzige Wort, welches den Zeitbezug ins Futur stellt, während Strophe 2 und 3 im Präsenz stehen und Strophe 4 in Vergangenheitsform spricht und das ist Auffällig. Ich habe wohlmöglich zu viel gesehen als gedacht war und schlicht Überinterpretiert.

LG Mono
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Alt 20.01.2022, 19:26   #26
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Mit MonoTons Bestimmung des Metrums gehe ich nicht völlig konform. Beispielsweise lese ich den ersten Vers nicht als Trochäus, sondern als Jambus mit Auftakt.

Es gibt Lyrik von großartigen Dichtern, die beim Metrum (und auch bei den Reimformen) Wechsel als Stilmittel einsetzen. Diese Kunst muss allerdings souverän beherrscht werden, wenn sie beim Leser die gewünschten Effekte erzielen will. Die Wechsel sind nämlich kein Selbstzweck, sondern korrespondieren mit dem Inhalt und der Stimmung eines Gedichts.

So dichtet Brecht in der "Legende vom toten Soldaten":

Und als der König im vierten Lenz
Keinen Ausblick auf Frieden bot
Da zog der Soldat die Konsequenz
Und starb den Heldentod.
Danke für die interessanten Hinweise, Ilka. Jetzt weiß ich mehr, bin allerdings selbst noch weit davon entfernt, auf diese Art zu dichten. Ich will es in diesem Gedicht aber auch gar nicht, ich will ein Gedicht mit exakt eingehaltenem Metrum schreiben.

Zitat:
Zitat von MonoTon Beitrag anzeigen
Hallo DieSilbermöwe :9
Es ist toll dass du dich Jahrelang mit der Metrik beschäftigt hast, dafür hast du meinen ganzen Respekt. Aber darf ich fragen zu welchem Zweck du sie erlernt hast? Um sie zu erlernen und dazu zu gehören, oder um sie zu verwenden?
Hallo Monoton,

gute Frage, die Antwort ist: ich wollte es einfach können (natürlich kann ich es immer noch nicht, aber immerhin besser als früher). Ich wollte es können wie die guten Dichter hier im Forum, damit ich schöne, runde Gedichte schreiben kann. Also natürlich habe ich mich mit Lyrik befasst, um sie zu verwenden. Und weil das Lernen Spaß macht.

Auf deine letzten Kommentare gehe ich noch gesondert ein, bin im Moment zu geschafft nach der Arbeit. Wollte nur nicht länger gar nicht antworten, das wäre unhöflich gewesen nach der ganzen Mühe.

LG DieSilbermöwe
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Alt 22.01.2022, 16:23   #27
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Zitat:
Zudem ist künstlerische Freiheit nicht einfach ein Wort, man benutzt es nicht um einen gesamten Text zu rechtfertigen. Man beruft sich damit auf sein Recht, etwas grundlegendes oder herkömmliches durchbrochen zu haben. Es muss nur Sinn machen.
Ich vermute das viele Texte einen aufgrund des Argumentes "künstlerische Freiheit" für das wesentliche Nutzungsmoment des Wortes desensibilisiert haben. Künstlerische Freiheit ist ein Punkt innerhalb eines Konstruktes dessen Verwendung einer Raffinesse gleichkommt und nicht den Charakter eines Totschlagargumentes erhalten sollte.
Hallo Monoton,

da hast du recht, genau deswegen habe ich zunächst auch ablehnend reagiert, weil viele User Gedichte, die das Metrum nicht einhalten, mit „künstlerischer Freiheit" rechtfertigen.
Aber so wie du es gemeint hast, finde ich es okay, auch wenn ich es nicht anwenden will.

Zitat:
Mir ging es weniger um den Wortlaut, sondern mehr um den Inhalt, nach welchem ich dem Wort "Bald" mehr Betonung und somit mehr Bedeutung zuordnete. Es ist das einzige Wort, welches den Zeitbezug ins Futur stellt, während Strophe 2 und 3 im Präsenz stehen und Strophe 4 in Vergangenheitsform spricht und das ist Auffällig. Ich habe wohlmöglich zu viel gesehen als gedacht war und schlicht Überinterpretiert.
Ja, aber die erste Strophe steht auch im Präsens, da ändert das „Bald" nichts an der Zeitform.

Nochmal zur Erklärung: Es wird eine Seebestattung stattfinden, es steht alles im Präsens, weil sich das LI das so vorstellt. Anders als z.B. im Französischen muss man im Deutschen nicht ausdrücklich in der Zukunft schreiben, („ich werde in drei Wochen segeln gehen", im Französischen, „ich gehe in drei Wochen Wochen segeln" im Deutschen), wenn man sich was in der Zukunft vorstellt.

Die letzte Strophe steht in der Vergangenheit, weil es eine Betrachtung über den Verstorbenen ist.

LG DieSilbermöwe
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