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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 21.10.2012, 14:34   #1
weiblich Poetibus
 
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Standard Es werde Dunkelheit

Es werde Dunkelheit

Die Demut garantiert uns höchste Gnade,
nun, gilt sie wirklich Göttern oder Menschen
mit Sinnesarten imposanter Meister;
ist Wahrheit nicht zu groß für jedes Buch?
Gedruckte Seiten sind der Pfad ins Licht,
vom Menschengeist erdacht, der wahre Weg.

Verblüffend ist vor allem, dass der Weg
entschieden immer lieblos ist und Gnade,
dem Einzelnen gewährt im Segenslicht,
dann Dunkelheit erzeugt für viele Menschen,
vorausgesetzt, es divergiert ihr Buch;
insofern auch für jene ohne Meister.

Ja, paradoxerweise kann ein Meister
sogar der gleiche sein, nur nicht der Weg;
genauso Gott, jedoch im falschen Buch,
identisch als Idol, stets voller Gnade.
Vernunft und Denken bräuchten alle Menschen,
erzeugt sich der Verstand autarkes Licht

wird Thesenschein zum Flackerkerzenlicht;
verwandeln Ideale, Götter, Meister,
sich rasch zurück in weiter nichts, bloß Menschen.
Sie dominieren auf dem Herrscherweg
zur Macht; sie führen Kriege frei von Gnade.
Vertrauend folgt der Gläubige dem Buch,

ergreift das Schwert mit Recht, so steht's im Buch,
bringt Nacht und spricht vom hellen Tageslicht.
Er kämpft, er tötet, sieht den Tod wie Gnade,
doch nur für sich, denn das versprach sein Meister.
Für Feinde brennt die Hölle, deren Weg
führt sowieso dahin: Verdammte Menschen!

Der Hochmut kommt daher im Demutsmenschen,
gehorsam frommt ein Braver mittels Buch,
sein Herrschaftsrecht erteilt dank Dienerweg.
Das Schlachtfeld Welt entflammt im Todeslicht.
Genährt von Blut und Leben liebt der Meister
verführte Sklaven innig, voller Gnade.

Erbarmungslos, die Gnade solcher Menschen,
ihr Meister, ihr Idol erscheint per Buch
und bringt statt Licht die Finsternis als Weg.


(Sestine)
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Alt 22.10.2012, 16:54   #2
männlich Perry
 
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Standard Hallo poetibus,

da ich mit derart formverschlungenen Gedankenwegen wenig anfangen kann, lasse ich nur eine inhaltliche Deutung da. Ich denke, es geht um die Macht der Bibel, die gerne auch dazu verwendet wird, Krieg im namen Gottes zu führen.
Nichts für ungut und LG
Perry
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Alt 22.10.2012, 19:30   #3
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Perry,

die Geschmäcker sind verschieden. Mein Geschmack umfasst, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, alle "Formen" der Lyrik. Ich schätze Einfachheit und Kompexität; antike, "klassische" und "moderne" Formen; gebundene Strukturen und freie Rhythmen - kurz, ich liebe die Vielfalt.

Dieses Gedicht, treffend ausgedrückt, geht auf "verschlungenen Pfaden", so wie das Thema ebenfalls. Ganz bewusst finden sich hier viele komplizierte Fremdworte (auch "Wortverbindungen"), ebenso das "Werkzeug" der Wiederholung - in einer Sestine stehen ja nur 6 Endreime für 6 Strophen à 6 Versen + einer abschließenden Strophe mit 3 Versen (in der alle 6 Reime verwendet werden müssen) zur Verfügung, und das auch noch in einer exakt festgelegten Reihenfolge.

Woran erinnert das? Suggestiv, "Fremdsprache", Wiederholung, festgelegte Reihenfolge, Vorschriften, Buch. Das Gedicht ist nicht auf einen "Einzelfall" fixiert - Ideologie, Religion, Sekten oder generell an "Meister", das kann auch eine "kulturelle Denkweise" sein oder eine bestimmte Person. Und das Buch? Nimm eines, das ist ebenfalls nicht festgelegt.

Es ist eine "Darstellung", eine "Berichterstattung", die auch zeitlich unabhängig ist - gestern, heute, oder vielleicht sogar eine Ahnung von morgen?

Es geht um das "Grundprinzip", das allen gemein ist, um die "übereinstimmende Vorgehensweise" und deren Folgen: Krieg. Hier, woanders. Um gehorsame, unterwürfige Anhänger; um manipulative Rhetorik und "Gehirnwäsche".

Form, Struktur, Sprachduktus und Inhalt sind eine "Einheit", dieses Gedicht erfordert "Arbeit" vom Leser, das weiß ich - es forderte auch viel Arbeit von mir. Beim einfachen Lesen erschließt es sich nicht, es bleibt unverständlich. Aha ...

Die Conclusio? "bringt" + "Licht" = Lichtbringer = Luzifer. Hier eine Metapher für "das Böse", sie erlaubt, es als "Personfikation" zu sehen oder als "abstrakten Begriff" (Meister, Idol, er"scheint" per Buch). Die Gegenüberstellung, anstelle von "Es werde Licht" - "Es werde Dunkelheit".

Ich danke dir für deinen Kommentar - aber: Wenn ich eines deiner Gedichte kommentiere, dann, weil es mir etwas "sagt" und mir gefällt. Wenn dir meine nicht so gefallen (Geschmackssache, gar kein Problem, überhaupt nicht!), fühle dich bitte zu nichts "verpflichtet", in Ordnung?

Freundlichen Gruß,

Poetibus

Geändert von Poetibus (22.10.2012 um 20:55 Uhr)
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Alt 23.10.2012, 06:59   #4
männlich Desperado
 
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Graue Haare hab ich schon genug, Poetibus...
Der Mensch ist wie ein schwarzes Loch, das selbst das Licht verschluckt.

Zu einem türkischen Jungen hab ich mal gesagt:
"Weißt du was, im Himmel sitzen Mohammed, Moses, Jesus, Shiva uns Buddha gemütlich um einen Tisch
und spielen Karten."

Schaut er mich mit großen Augen an und meint:
"Das glaub ich nicht."

Nun, war ja kein Dogma in diesem Sinne.

Tolles Gedicht!
Desperado
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Alt 23.10.2012, 09:03   #5
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Desperado,

ich bin zwar noch nicht vollständig grau (liegt an den Genen, meine Mutter ist immer noch nicht vollständig ergraut), aber es scheinen immer wieder (manchmal glaube ich sogar "sprunghaft") mehr zu werden.

Warum schreibe ich solche und andere Gedichte so, wie ich es tue? Weißt du, ich lese überall etwas, das ich "Symptombekämpfungsgedichte" nennen kann, das ist in der Hinsicht gut, dass überhaupt darüber geschrieben wird. Aber es ist wie mit der heutigen Symptommedizin. Obwohl es bei dem, was wir "Naturvölker" nennen, natürlich auch immer einiges an "Unsinn" gab, war es doch eher "Ganzheitsmedizin", es ging auch immer um die Ursache(n) einer Krankheit.

Und ich bemerkte irgendwann, dass es bei sämtlichen "Krankheiten", unter denen die Menschheit leidet, kaum Werke gibt, die die "Ursache", den "Grund" angehen. Die "Wurzel des Übels" ist der Mensch selbst, sein "Denken".

Kommunismus (nur als Beispiel) klingt auch für mich wie eine großartige Idee. Das Problem: Alles gehört Allen + Besitzdenken + Habgier + Machthunger = Chaos + Leid + Fanatismus + Krieg. Statt Kommunismus (Alles "gehört" Allen) könnte ich den Begriff "tauschen", nur das Ergebnis dieser "Rechnung" ist irgendwie immer das gleiche ...

Immer wieder Führer - egal, ob es sich um Ideologien oder Religionen handelt. Immer wieder Fanatismus, immer wieder Missbrauch, Verdrehung. Als sich damals in Rom die Bischöfe zusammensetzten, um die Bibel "festzulegen", wurde alles, was nicht in ihre manipulativen Vorstellungen passte, weggelassen. Dann nehmen wir noch Übersetzungsfehler - deshalb geht ein Kamel durch ein Nadelöhr und kein dickes Schiffstau, auch nur als Beispiel. Ganz zu schweigen davon, was wohl (dieser Überzeugung kann ich mich nicht "erwehren") alles hinzugefügt wurde. Ich könnte eine unendlich lange Liste machen.

Weißt du, dass in diesen Büchern überhaupt noch Wahrheit zu finden ist, liegt daran, dass es natürlich entsprechende "Institutionen" incl. "Hierarchien" und deren "Vertreter" gibt, die selbstverständlich als Einzige in der Lage sind, "richtig" zu verstehen und zu interpretieren und daher den Gläubigen (ja, auch Anhänger einer Ideologie sind das) sagen, was es bedeutet. Ob es das auch tut, nun ja, ich bin da oft ganz anderer Ansicht. Liegt daran, dass ich nichts "auswendig gelernt" herunterleiere und "selbst" denke, anstatt dem Denken anderer zu "folgen".

Tja, so schreibe ich nun Werke, die an die Wurzel des Übels gehen, die sind nun mal wir, da beißt die Maus keinen Faden ab, und es sind auch wir, die diese Bücher alle schreiben und drucken. Ich weiß, dass meine Gedichte das nicht ändern, aber irgendjemand sollte darüber schreiben. So viele Menschen möchten eine "bessere Welt" - ach, Leute, dafür brauchen wir keine ("Leit")Bücher, keine Götter, keine Idole. Dafür brauchen wir ganz schlicht "bessere Menschen".

Herzlichen Dank für "Tolles Gedicht" und für deinen Kommentar.

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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Alt 23.10.2012, 22:17   #6
weiblich Daisy
 
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Hallo Poetibus,

was soll ich sagen? Zuallererst: Ich bin beeindruckt!

Eine Sestine zu schaffen ist eine wahre Herausforderung und das Ergebnis ist mehr als nur überzeugend. Diese Gedichtform wirkt auf den Leser besonders eindringlich und fast schon hypnotisch.

Beim ersten Lesen empfand ich dieses bemerkenswerte Gedicht wie einen geheimnisvollen, mystischen Zauber. Mit jedem weiteren Lesen dringe ich immer tiefer in diesen Zauber ein und kann ihn schließlich nach und nach entschlüsseln.

Ich lese und lese und staune und finde es großartig!

Bewundernde Grüße

Daisy
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Alt 23.10.2012, 23:04   #7
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Daisy,

dein Kommentar bewirkt gerade, dass ich gleichzeitig hoch erfreut und zutiefst verlegen bin.

Ich schreibe noch gar nicht so lange Gedichte, versuche aber, was das Gradmaß an Können und Erfahrung bzw. Übung betrifft, mir selbst gegenüber so ehrlich und neutral wie möglich zu sein. Es ist nicht meine erste Sestine, aber ich selbst empfinde sie auch als die bisher gelungenste.

Wenn ich also einen Kommentar wie deinen bekomme, dann sehe ich, dass ich Fortschritte mache, und das freut mich sehr. Darum geht es mir, deshalb poste ich in einem Forum. Wenn ein Gedicht mir gefällt, nun ja, ich bin der Autor. Das sagt aber im Grunde genommen nichts darüber, wie es auf andere wirkt bzw. wie gut oder schlecht es eine Aussage transportiert oder was ein anderer beim Lesen empfindet. Deshalb nehme ich generell auch Kritik gerne an.

In einem anderen Gedicht, das ich heute gepostet habe, sagte mir ein Kommentar, dass ich den Umgang mit Adjektiven noch üben muss. Wenn ich sie vermehrt einsetze, neigt offenbar ein "adjektivreiches" Gedicht von mir, besonders gegen Ende, etwas zum "Schwächeln", obwohl Adjektive ja verstärken sollen - sehr wichtig für mich zu wissen, dann weiß ich, woran ich zu arbeiten habe.

Gedichte sind Zauber; Worte können "magisch" sein. Das ist die Poesie. Und ich versuche als Zauberlehrling, das "Anwenden" dieser Magie zu lernen. Die Sestine ist gewissermaßen eine "komplexere" Formel, die "Anwendung" schwierig (weshalb sie wohl auch so selten zu finden ist), aber für mich auch eine Gedichtform, deren Potential sehr unterschätzt wird - es ist die Mühe wert.

Ich bedanke mich sehr herzlich für dein großes Lob!

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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