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Alt 25.02.2007, 16:45   #1
lichtelbin
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 626


Standard Das Date

Ich flirtete mein Spiegelbild an, sah ihm tief in die Augen, wären ich mir mit beiden Händen das glatte Haar nach hinten gelte. Man hatte mir gesagt, es stünde mir, wenn es nass ist und glatt nach hinten gezogen. Also strich ich alles bis auf eine Strähne nach hinten und liess die eine hineinfallen, diejenige, die eh nie hielt. Ich zog mir die Lippen mit rotem Lippenstift nach und puderte mir noch einmal die Nase. Dann bleckte ich die Zähne in den Spiegel und betrachtete sie. Weiß, weiß, weiß, keine roten Flecken und auch das Stück Eckzahn, dass der Arzt wieder eingesetzt hatte, konnte man kaum sehen. Noch einmal zwinkerte ich Schneewittchen im blutroten Kleid zu und verließ endgültig mein Schlafzimmer. Als ich zur Türe hinaus in die Dunkelheit stöckelte, spürte ich ein wenig Ziehen im Bauch. Ein Gemisch aus Aufregung und Vorfreude. Lächelnd setzte ich meinen Weg fort, das Restaurant lag ganz in meiner Nähe, ich wohnte in einem Viertel, in dem es außer der leeren, für die Touris hergerichtete Kirche nur noch Nobelrestaurants, Hotels und eine Spielhölle gab, die nicht recht ins Bild passen wollte. Ein paar Autofahrer fuhren an mir vorbei. Ein Auto hielt hupend an. „Ciaaaoooo, Bella! Hai bisogno di una macchina… con due ragazzi?Übersetzt:" Hallo Schöne, brauchst du ein Auto... mit zwei Kerlen?"” Diesen Vorschlag fand ich nicht allzu verlockend und so lächelte ich nur kokett und sagte: “No, grazie, ho gia un appuntamento con un ragazzo, senza macchina, ma con cena!Übersetzung: Nein Danke, ich habe schon ein Treffen mit einem Kerl, ohne Auto, aber mit Abendessen!"” Die Kerle sahen sich nur kurz an. Es würde nicht lange dauern, und mein deutscher Akzent würde sie zu weiteren Versuchen antreiben. Also schritt ich stärker aus, an dem roten Auto vorbei. Von hinten schallten noch ein paar Pfiffe, doch dann hörte ich das Auto abfahren „Nicht umkehren, nicht umkehren, nicht umkehren“, versuchte ich es telepatisch, und es schien zu funktionieren, das Auto verschwand. Also betrat ich das Restaurant mit seinen gußeisernen Laternen und den Geranienstöcken vor den Fenstern. In Italien aß man nun mal erst so spät zu Abend, dass es dunkel war. „Biancaneve!“Schneewittchen, begrüßte mich Bernhard, ein Lächeln auf den Lippen, von unserem Tisch aus. „Rumpelstilzchen!“, wollte ich schon antworten, doch alle Leute im Gastraum starrten uns an. Also lächelte ich nur unbestimmt und ließ mir von ihm den Stuhl zurechtrücken. Ein eigenartiger Geruch ging von ihm aus. So wie Bücher, mit Staub. Doch er roch immer so, das machte mich ja auch ganz verrückt nach ihm. Es war schon seltsam, dass mein erstes Date in Italien ausgerechnet mit einem Deutschen stattfinden sollte. Ich hatte ihn, Schande über mich, in der Fremdsprachenabteilung der Bücherei unter dem Fach „Tedesco“ Deutschgefunden. Nervosität überfiel mich und ich wusste gar nicht, was ich reden sollte. Dafür zappelte ich mit den Fingern umher. „Keine Angst!“, sagte er lachend. „Ich werde bestimmt keinen Fruchtkorb mit Äpfeln bestellen.“ Er zog mich ständig damit auf, zu behaupten, ich sähe aus, wie Schneewittchen. Na ja, ein wenig vielleicht, aber die Sonne hatte das ihre getan und so hatte ich allmählich etwas bekommen, dass man als „Teint“ bezeichnen konnte. Vor 300 Jahren wäre der eine Katastrophe gewesen. Jetzt war er erwünscht. Ich hatte, nachdem ich angefangen hatte, Geschichte zu studieren, mein Herz für Modeerscheinungen der Jahrhunderte entdeckt. Deshalb arbeitete ich nun, nur zum Spaß, an einer detaillierten Sammlung mit allen variablen Möglichkeiten, so fern man diese weiß, ein paar kann man auch logisch nachvollziehen. Ich bin mir sicher, es wird etwas ganz besonderes, mit nie da gewesenen Modellen, denn ich habe da meine geheime Quelle. Der Ober kam und reichte uns „Il Menu“die Speisekarte und erklärte, er könne auch deutsch sprechen, wenn dies gewünscht sei. Bernhard winkte nur ab. So viel ich wusste, lebte er schon seit 4 Jahren in Italien. Er hatte sein Studium gleich an der Universität von Padua begonnen. Wie er sich dieses Restaurant überhaupt leisten konnte, fragte ich aus Höflichkeit nicht. Aber Papi aus Hamburg ließ offenbar einiges über die Alpen hopsen. „Woher kommst eigentlich du?“, fragte er über zwei Speisekarten hinweg, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Castra Reg…“, fing ich an und schluckte das schnell hinunter. „Regensburg“ Ich hörte von der Karte gegenüber ein Lachen. Du scheinst schon so lange Geschichte zu studieren, dass du anfängst zu schrullen. „3 Jahre“, hauchte ich. „Meinst du, dass du danach überhaupt einen Beruf bekommst?“ „Du hast gut reden!“, warf ich ein. „Archäologen hocken auch haufenweiße auf der Straße!“ Wir seufzten beide gleichzeitig. Ich konnte sowieso keinen Beruf annehmen. Jemand könnte mein Geheimnis herausbekommen. Zum Beispiel, weil ich nicht alterte. Oder weil ab und zu ein Kollege dran glauben muss. Wenn ich ihm meine spitzen Zähne in den Hals jage und das Blut langsam in meinen Mund, über meine Zunge rinnt und seinen feinen, metallischen Geschmack verbreitet, dachte ich meist gar nicht daran, dass man mich erwischen könnte. Ja, ich bin ein Vampir. Schon seit der Zeit des Heiligen Römischen Reiches. Ich werde für immer so bleiben, wie ich bin, wenn mich keiner tötet. Wenn Bernhard sich nicht beeilte, würde ich ihm dieses Schicksal wohl kaum ersparen können und mein Date würde leer ausgehen, im Wortsinne, blutleer sozusagen. Ich bestellte mir irgendetwas der mittleren Preisklasse, irgendein staubtrockenes, italienisches Stück Fleisch als Hauptgericht, der Rest im Menü wie Bernhard. Eine Weile schwiegen wir, er legte den Kopf schief und betrachtete mein Gesicht genau, eigentlich mehr meine rechte Wange, das Ohr, den Hals. Ich legte den Kopf ebenfalls schief und sah ihm in die Augen. „Magst du Filme?“, fragte er. „Klar!“, rief ich aus. „Van Helsing.“ „Echt? Ich auch! Das ist aber seltsam für ein Mädchen!“ „Ich mag alle Vampirfilme. Die sind so albern. Wenn einem jemand ein Kreuz entgegenstreckt, muss doch der Vampir sterben, in den Meisten. Aber wie soll er dann an auch nur einem handelsüblichen Fenster vorbei kommen? Oder das sie von Sonnenlicht zerfallen, Ha! Der Mond ist auch nur Sonnenlicht, das er reflektiert. Ebenso das mit dem Spiegelbild... wie wollen sich diese ganzen Vampirellas derart gut schminken, ohne einen Spiegel?!“ „Ein Freak!“, stellte er fest, es klang aber eher erfreut. „Ich merke immer, wenn etwas unlogisch ist, in Filmen.“, erklärte ich, mir plötzlich dessen bewusst, dass ich mich zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Mit diesem Thema konnte man mich eben immer aus der Reserve locken. Es war auch Nonsens, dass gebissene zu Vampiren werden. Dazu war noch etwas mehr Zufall nötig, soetwas wie schwarze Katzen, oder angeborene Veranlagungen, jemand, der mit der Eihaut auf dem Kopf zur Welt kam, oder stark behaart. Das Essen war hervorragend… nichts natürlich im Vergleich zu frischem, warmem, süßem, dickem Herzblut, so dunkel, dass es fast schwarz war… aber ich musste mich zusammenreißen, Bernhard war nichts für den Hunger. Ich konnte ihn nicht einfach verspeisen, er war viel zu lieb. Er erzählte mir mit Händen und Füßen von dem Auffinden eines Römergrabes, wo die Studenten zum ersten Mal mit herumstanden und dass er den Bestand hatte reinigen dürfen. Sie waren dafür extra nach Rom geflogen. Aber er hätte beinahe etwas fallen lassen, eine Tonscherbe, jedoch war es glücklicherweise gerade noch gut gegangen. Wir unterhielten uns köstlich, doch ab und zu erwischte ich mich dabei, seinen Hals zu betrachten. Mein Mund fühlte sich schon ganz trocken an, da konnte ich noch so viel Wasser saufen und es wurde nicht besser. Der Nachtisch war wirklich ein Fruchtkorb und Bernhard konnte es sich nicht nehmen lassen, mir die rote Hälfte eines Apfels zu geben. Dieser Spinner. Oh Verflucht, hoffentlich wollte er mich nicht nach Hause bringen! Sonst musste ich ein Haus erfinden. Er wollte mich definitiv nach Hause bringen. Langsam gingen wir nebeneinander die Straße entlang. Es war nun sehr Finster geworden und ab und zu brauste noch ein Auto mit betrunkenen Italienern vorbei. Reiß dich zusammen, befahl ich mir selbst. Finde jetzt einfach irgendein Haus. Aber das wollte nicht recht funktionieren. Ich lechzte regelrecht nach Blut. Allerdings schien es Bernhard neben mir auch nicht allzu gut zu gehen, er sah mich die ganze Zeit an, schritt ungemütlich schnell aus und versuchte, sich zu beeilen. Dann, an einem dunklen Zwischenraum passierte es dann. Ich fiel ihm um den Hals, er stieß ein entsetztes Stöhnen aus, wir stolperten zusammen in die Dunkelheit und ich konnte es nicht länger aushalten. Genussvoll bleckte ich die Zähne. Es war wirklich schade! Ich zog mich seitlich an ihm hoch und… was war das? Entsetzt sprang ich von ihm fort. Weiße Zähne glänzten mich durch die Dunkelheit an. Weiße, spitze, lange Raubtierzähne. Vampirzähne. „Va…vampir?“ Doch Bernhard schien nicht weniger überrascht. Plötzlich musste ich leise kichern. Bis wir uns lachend in den Armen lagen. Ein Auto hielt an und ein paar Leute starrten von der gegenüberliegenden Straßenseite herüber. „Ok… lass uns das klären!“, schlug ich vor. Zusammen gingen wir in die Nacht hinaus. „Aus welcher Zeit stammst du?“, fragte ich. „Oh... ich bin noch ein Westgote.“ „Du quälst arme Schülerseelen“, kommentierte ich. „Du?“ „Heilig Römisches Reich.“ Die Nacht war lang, für uns war sie so gut, wie der Tag. Kurz überlegten wir, ob wir uns Beute suchen sollten (das ging in Italien wesentlich leichter, deswegen waren wir ja hierher gekommen), ließen das dann aber bleiben. Ich weiß nicht, wie viele Jahrhunderte wir es miteinander aushalten würden, oder ob es vielleicht Jahrtausende sein könnten. Aber wir würden ein prima Team abgeben, das wusste ich.

alle schreiben Vampirgeschichten, das macht mich wahnsinnig...
aber ich hatte eben gerade lust.

engeslgruß, lichtelbin

ps: mir fiel gerade erst auf, dass hie ja nicht alle italienisch können... habs schnell übersetzt... (es können auch fehler im italienischen drin sein, weil ich nichtmehr nachgeschaut hab und das nicht gerade mein glanzfach ist)
lichtelbin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.02.2007, 17:01   #2
inkognito
 
Dabei seit: 06/2006
Beiträge: 20


bin beeindruckt.
inkognito ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.02.2007, 17:23   #3
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007




Die Überraschung mit dem zweiten Vampir ist Dir gelungen. Toll.
Hatte schon wieder eine der typischen Gruselstorys erwartet - natürlich mit Grausamkeiten aller Art. Diese unerwartet ungruslige Abwechslung war da sehr willkommen.

Zitat:
Also schritt ich stärker aus...
schritt ungemütlich schnell aus
Ich kenne den Begriff "ausschreiten" nicht in diesem Sinne. Bin mir nicht sicher, ob das so geht.

Zitat:
dass du anfängst zu Schrullen
Schrullen? (Bitte erklären)

Zitat:
Du studierst auch nichts recht viel anderes
Das klingt, als hätte sich der Sprecher nicht entscheiden können, was er sagen will.

Zitat:
Wenn ich ihm meine spitzen Zähne in den Hals jage und das Blut langsam in meinen Mund, über meine Zunge rinnt und seinen feinen, metallischen Geschmack verbreitet, dachte ich meist gar nicht daran.
Woran? (Ich kann mir denken woran, aber es wird nicht deutlich genug)

Zitat:
Dazu war noch etwas mehr Zufall nötig
Was mehr? Da wird mir eine ungewöhnliche Sichtweise vorgestellt, aber im gesamten Text bekommt man keine genaue Erklärung/Beschreibung.

Zitat:
Dann, an einem dunklen Zwischenraum passierte es dann.
Zweimal "dann" und außerdem stört mich der "Zwischenraum". Zwischenraum wovon?

Erklärungen in Klammern finde ich in einer nicht humoristischen Geschichte unpassend.

Rechtschreiblich ist es das Übliche: Oft ein "ss", wo eigentlich ein "ß" hingehört und einige Schnitzer in der Groß- und Kleinschreibung, die Du sicher selbst herausfindest.
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.02.2007, 19:46   #4
Katha
 
Dabei seit: 06/2006
Beiträge: 140


geil... die geschichte ist echt hammer. mal was anderes. ich fühl mich plötzlich wieder völlig back to venice da könnte ich mir sowas richtig gut vorstellen... allein diese friedhofsinseln, diese engen und dunklen gassen die ins nichts verlaufen... ein haufen völlig seltsamer menschen... cool. meiner meinung nach ist dir die story richtig gut gelungen
lg, katha
Katha ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.02.2007, 21:13   #5
lichtelbin
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 626


*verbeugt*
gut, struppi, ich änder das mal noch ab, schön, dass es euch gefällt, und gut, dass es was anderes ist (ich hatte schon angst)

engelsgruß, lichtel
lichtelbin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.02.2007, 21:26   #6
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Und was ist nun schrullen? Ich kenne nur eine Schrulle im Sinne einer flippigen Frau, aber als Verb?

PS: Als Verb kenne ich es auch im Sinne von "pissen". Aber das war bestimmt nicht gemeint.
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.02.2007, 17:28   #7
lichtelbin
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 626


das verb im sinn von "pissen" heißt "strullen"
nein, ich hab ein verb zu "die Schrulle" gebildet, was, wie gesagt, eine ungewöhnliche, eigenartige person ist
tut mir leid, dass ich das vergessen habe,
war meine eigene wortkreation

engelsgruß
lichtelbin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.02.2007, 17:34   #8
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Zitat:
das verb im sinn von "pissen" heißt "strullen"
Ja, das kenne ich ebenfalls. Wir (meine Familie) benutzen beide Verben - je nachdem, ob wir eher sächsisch oder brandenburgerisch gestimmt sind.

Zitat:
war meine eigene wortkreation
Aha. Alles klar.
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.02.2007, 15:58   #9
männlich Roan Eck
 
Dabei seit: 01/2007
Ort: München
Beiträge: 168


Das die Geschichet interessant ist und gut brauchte ich ja nicht zu sagen. Spannend finde ich,wie du die Klieschees der Vampire neu auslegst bzw. begründest. vor deiner Geschichte hab ich nie über Fenster nach gedacht und mir is is dato nie auf gefallen dass darin Kreuze versteckt sind (Zufall? Verschwörung?). Heute in der Schule hae ich dann überall Kreuze gefunden. (Zufall?)
Ein anderes Klischee besagt aber, dass Vampire genau spüren, wenn sie einen Artgenossen (Leidensgenossen) treffen.

Ich hab den Text gern gelesen und freue mciha uf neues von dir.
gruß roan
Roan Eck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.03.2007, 22:14   #10
lichtelbin
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 626


Naja...
vielleicht bemerkt sie ihn nicht, weil sie zu sehr darauf fixiert ist, ihm nicht gleich den Lebenssaft auszusaugen, weil sie ständig Angst haben muss, weil sie einfach nur verknallt ist?
Vielleicht ist dieses Gerücht ja aber auch nur Nonsens?

engelgsruß, lichtel
lichtelbin ist offline   Mit Zitat antworten
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