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Alt 19.01.2017, 19:00   #1
männlich andaristan
 
Dabei seit: 07/2015
Ort: Aschbach-Markt, wo alle Säufer der Welt einst geboren wurden und wohin sie auch wieder zurückkehren.
Alter: 28
Beiträge: 351


Standard Schneealb

Wo er unter die Bäume trat verstummte das Getier und jegliches Geräusch von Quellgeflüster und Windsbrausen erstarb mit dem Hall seiner Schritte. Der Lauf der Sterne und jedes Maß an Zeit mochte hier an Geltung verlieren, sodass die Blätter in ihrem Fall gehemmt wirkten. Insgeheim schien der Fremde eine Stille ins Land zu bringen, die Mut in Unbehagen gewandelt hätte, Wohlleben in Verfall, Muße in Zorn. In seinem Blut jedoch pulsierte das Lied. Ob all dies eine bloße Erscheinung war, oder doch greifbar, konnte er selbst nicht sagen, es war ihm auch nicht von Belang, denn er wusste, sein Empfinden war wirklich.
Als er den Hain verließ, kreuzte sein Weg drei kümmerliche Lehmhütten, die mit Grassoden bedeckt waren. Seines Erachtens war eine davon das Haus eines Holzfällers, wie es sie in dieser Gegend zuhauf gab; vor der anderen lohte die Glut der Esse, die dritte dagegen war ein Hof. Eine Frau saß davor, sie schien die Dorfälteste zu sein. Aus ihrem halbgeschlossenen Mund ragten kaum noch Zähne hervor und ihr verfilztes Haar ragte bis zum Erdboden. Sie hatte wohl nicht wenige all der Bauernjungen aufgezogen, die sich wie Bastarde um einen faulenden Katzenkopf balgten, denn Lederbälle waren zu dieser Zeit selten geworden. Die Hunde hatten auch ihre Freude, sie schienen den Fremden nicht zu bemerken. An einem gelbblättrigen Lindenbaum hingen Füchse, Marderhunde und anderes Wild. „Die Kleinen zu bändigen scheint mir verlorene Zeit, ihre Mütter nähen schon die Pelzmützen, für einen Winter, den der dritte Teil von ihnen nicht überleben wird.“, raunte sie. Er machte keine Anstalten etwas zu sagen. „Sucht ihr Zehrung, ein frisches Strohbett, einen Humpen Bier oder gar mehrere? Ihr werdet mit dem vorliebnehmen müssen, was wir haben und es ist nicht viel. Sagt mir, wer ist dieser Mann, der hier an unseren Herd gekommen ist?“, verlangte das graue Weib von dem Fremdling zu wissen. „Nur ein Wanderer.“ „ Nur ein Wanderer…in diesen finsteren Herbsttagen kommen selten Wanderer auf unseren Wegen und nicht selten werden Höfe wie der Unsere zur Zielscheibe für Plünderer, Rossdiebe und Andersartiges.“ „Andersartiges?“ Er erhielt keine Antwort. Die Alte spie einen schwarzen Klumpen auf den Boden, vermutlich irgendein Kraut aus den umliegenden Wäldern. Seine Gesichtszüge wirkten scharf und zeitlos, er war noch jung und doch hatten seine lichtblauen Augen etwas Entsetzliches an sich. Die vorübergehenden Mägde musterten den Wanderer mit Verlegenheit, wobei deren Schritt zusehends rascher wurde. Viel konnten sie in ihrer Eile nicht ausmachen, denn ein Gutteil seines Antlitzes war vom schulterlangen rotblonden Haar und der dunkelgrünen Kapuze unkenntlich gemacht. Dessen biberfarbener Bart war zu einem mächtigen Zopf geflochten und es gab nicht wenige, die ihn darum beneidet hätten. Sein wacher Blick fiel erneut auf die Kinder. Es war ein wildes Handgemenge, mehr Rauferei als Spiel. Sie brüllten und lachten. Einer der Spieler jedoch machte dem Fremden Eindruck, er schien besonderes Temperament zu haben, Temperament, das man jedoch nicht mit Anmut gleichsetzen könnte. „Der Rote. Erzählt mir von ihm, Mütterchen.“ Bestimmt und klar formte der Fremdling die Worte aus einer Stimme wie von flüssigem Feuer und dampfendem Eis. Im Banne seiner unwirklichen Aura schien selbst die Alte verunsichert. „Ich fürchte um ihn, schlechte Runen liegen ihm vor, böse ist sein Blut. Dieser wird Schande über seinen Namen bringen, ich habe es ihnen gesagt…sie hätten ihn im Fluss ersäufen sollen…sie wollten nicht hören.“ „Worauf gründet deine Ahnung, Götterweib?“ „Die Stallmädchen sagen, als seine Mutter niederkam hätte sie einen Sohn zur Welt gebracht, dem ein Tierschweif gewachsen war. Er hat geschrien, nicht wie andere Kinder, sondern lauter, anders. Sein andauerndes Geschrei trug Zermürbung und Zerrissenheit in seiner Mutter Herz und sie ersuchte unter Tränen meinen Rat und ich riet ihr, sie solle den Balg in Eiswasser tauchen, um ihn zu beruhigen. An Wildheit und Streitlust glich ihm im Dorf keiner, so nannte sein Vater ihn Ulf, mit dem Namen des Wolfes. Nur mit Honig, Fleisch und Rinderblut war das Kind zu nähren. Ein Tier ist Ulf, hab ich ihnen gesagt, aber wer wollte schon hören?“ Grunzen und Husten. Der Fremde wirkte ungeachtet von Mütterchens Schilderungen sehr in jenes Spiel versunken. Dieser Ulf schien nun im Streit mit einem der Jungen zu liegen, welcher ihm an Wuchs und Alter weit überlegen war. Dessen Tun wurde genau beobachtet. Ungestüm drang Ulf auf den Anderen ein, dass sein Gesicht dabei vor Hass weiß wurde. Doch er war unterlegen. Seltsamerweise zogen sich die Lippen des Fremden nun zu einem seichten Lächeln, sei es durch eine menschliche Regung, sei es aus einer gewissen Ahnung heraus. Nun warf der Ältere Ulf in den Dreck. Unter den spöttischen Bemerkungen der anderen griff dieser nach dem Beil unter seinem Obergewand. Wortlos ging Ulf auf den Älteren zu und als er das erwartete Entsetzen in seinem Gesicht sehen konnte trieb er ihm das Axtblatt tief zwischen die Augen, sodass er in eine schlammige Pfütze stürzte und dort verblutete.
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Alt 20.01.2017, 03:30   #2
weiblich Unar die Weise
 
Benutzerbild von Unar die Weise
 
Dabei seit: 10/2016
Ort: in einem sagenhaften Haus
Alter: 42
Beiträge: 5.271


Bah, schreckliches Ende...
Gehts noch weiter?
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Alt 20.01.2017, 07:30   #3
männlich andaristan
 
Dabei seit: 07/2015
Ort: Aschbach-Markt, wo alle Säufer der Welt einst geboren wurden und wohin sie auch wieder zurückkehren.
Alter: 28
Beiträge: 351


Ja, geht noch weiter Das Motiv mi sich mordenden Kindern beim Fußballspielen hab ich aus der Egilssaga
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