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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 26.04.2023, 00:24   #1
weiblich Ottilie
 
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Standard Die Frau ist eine Ware…

Der Mann ist ein Verkäufer,
Verkäuferin die Frau
der eig’nen Qualitäten:
Man stellt sie aus zur Schau.

Er zeigt gern seine Muskeln,
sein Geld, die Stellung auch.
Sie Hintern, Haut und Busen
und, wenn er flach, den Bauch.

Die Frau ist eine Ware,
und wahr ist: auch der Mann.
Ein jeder schaut stets prüfend
das Angebot sich an.

Und wissen sie‘s zu schätzen,
befällt sie leicht ein Rausch.
Vergessen die Prinzipien
von Warenkauf und -tausch.

Es sind die Frau’n und Männer
recht ähnlich strukturiert:
Der Markt der Eitelkeiten
wird beidseits inszeniert.
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Alt 26.04.2023, 07:03   #2
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Ottilie,

deine Gedichte sind inhaltlich immer interessant, so auch dieses.

Aber rhythmisch poltert es etwas, gleich in S1 V2:

Zitat:
. Der Mann ist ein Verkäufer,
Verkäuferin die Frau
der eig’nen Qualitäten:
Man stellt sie aus zur Schau.
Du beginnst mit dem Jambus, V2 ist Trochaeus.

Vorschlag:

„Der Mann, er will verkaufen,
und das will auch die Frau:
es geht um Qualitäten.
Man stellt sie aus zur Schau."

LG DieSilbermöwe
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Alt 26.04.2023, 09:24   #3
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Ottilie Beitrag anzeigen
Es sind die Frau’n und Männer
recht ähnlich strukturiert:
Der Markt der Eitelkeiten
wird beidseits inszeniert.
Tolles Thema. Wie Silbermöwe schreibt, könnte man bei den Versen noch ein bisschen nachbessern.

Mich erinnert das Gedicht an einen Satz, den mein Sohn aus Enttäuschung mit seinen Liebeserfahrungen losließ: "Alle Frauen sind Huren." Davon war ich als seine Mutter natürlich ausgenommen, denn ich hatte meinen Sohn nach biblischem Vorbild vom Heiligen Geist empfangen. Ich war also sanktioniert, aber dennoch nicht lebensfremd, und deshalb setzte ich entgegen: "Und alle Männer sind Hurenböcke. Also passt zusammen, was zusammengehört."

Einen Moment lang war mein Sohn verdutzt. Dann grinste er.

LG
Ilka
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Alt 26.04.2023, 10:40   #4
männlich Heinz
 
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Hallo Ottilie,
nach bessern lässt sich immer was und bei Deinem Gedicht wäre es sogar recht einfach. Das nachbessern birgt eine Gefahr: Es werden Verschlimmbesserungen.
Was wäre an der ersten Strophe zu bemäkeln:

Der Mann ist ein Verkäufer,
xXxXxXx
Verkäuferin die Frau
xXxXxX
der eig’nen Qualitäten:
xXxXxXx
Man stellt sie aus zur Schau.
xXxXxX

Dass mit "man" beide gemeint sind, ist schon klar, verführt aber dazu, dass nur der Mann sie zur Schau ausstellt. Vielleicht:

Der Mann ist ein Verkäufer,
xXxXxXx
Verkäuferin die Frau
xXxXxX
der eig’nen Qualitäten:
xXxXxXx
Die stellen sie zur Schau.
xXxXxX

Die zweite Strophe "leidet " an dem schwergewichtigen "Er" und bringt den Jambus ins Schleudern. Vielleicht:

Er spielt mit Muskeln voller Lüste
xXxXxXxXx
und lockt mit Geld, der Stellung auch.
xXxXxXxX
Sie lenkt den Blick auf Po und Brüste
xXxXxXxXx
und, wenn er flach ist, auf den Bauch.
xXxXxXxX

Die folgenden Strophen und die Gesamtaussage sind in meinen Ohren okay und ich schließe mich Ilka-Maria an. (Toll, wie sie die Entstehung ihres Sohnes verrät!)
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 27.04.2023, 11:50   #5
weiblich Rumpelstilz
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Standard Die Frau ist eine Ware

Liebe Ottilie,

für mich geht das Gedicht ein Stück daneben, denn es geht darin lediglich um Eitelkeiten der Verkäufer. Die sind aber belanglos. Wichtig ist dabei was ganz anderes: Dass das gute Aussehen der Verkäufer quasi die Qualität der Ware erhöht, das heißt, sie selbst sind der "Beifang", sie verkaufen sich mit. Zum Beispiel Autowerbung kommt ohne eine schöne Frau nicht aus. Darüber, warum vor dem Auto immer eine schöne Frau stehen muss - noch nicht darüber nachgedacht?

Lieben Gruß, Rumpelstilz
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Alt 27.04.2023, 23:09   #6
weiblich Ottilie
 
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Beiträge: 341

Standard Die Frauen, die Männer...

Liebe Leser,

Ihr habt ja ganz recht, man könnte hier und da noch ein bisschen feilen. Ich finde die Vorschläge von Dir, liebe Silbermöwe, und auch von Dir, lieber Heinz, sehr gut. Was mir bei der "Glättung" oft etwas gegen den Strich geht, ist die sich einschleichende Gefahr des Leierns. Ich denke drüber nach...

Ilka-Maria hat die Ähnlichkeiten auf den Punkt gebracht: So dolle unterscheiden sich Mann und Frau oft nicht...

Deinen Einwand, Rumpelstilz, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Es war ja gerade mein Anliegen, die "Dreieinigkeit" von Frau und Mann als Verkäufer, Käufer und Ware zugleich zu zeigen. In der Ursprungsfassung trugen die Verse noch Überschriften, die ich jetzt als belehrend empfinde (na ja, Brecht, der alte Oberlehrer, zeigt immer noch Wirkung...) Der Text sah so aus:

1. Mann und Frau als Verkäufer

Der Mann ist ein Verkäufer,
Verkäuferin die Frau
der eig’nen Qualitäten:
Man stellt sie aus zur Schau.

Er zeigt gern seine Muskeln,
sein Geld, die Stellung auch.
Sie Hintern, Haut und Busen
und, wenn er flach, den Bauch.

2. Mann und Frau als Ware und Warenprüfer/ potentielle Käufer*innen

Die Frau ist eine Ware,
und wahr ist: auch der Mann.
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3. Mann und Frau als Konsumopfer

Und wissen sie‘s zu schätzen,
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von Warenkauf und -tausch.

4. Resümeé

Es sind die Frau’n und Männer
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Euch eine ruhige Nacht, VG Ottilie
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Alt 28.04.2023, 07:59   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Rumpelstilz Beitrag anzeigen
Darüber, warum vor dem Auto immer eine schöne Frau stehen muss - noch nicht darüber nachgedacht?
Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Werbung gesehen zu haben, bei der eine schöne Frau neben einem Auto steht - zumindest nicht in Werbefilmen, denn dort werden die Autos immer im Bewegungsmodus gezeigt. Es wäre also ziemlich sinnlos und werbeunwirksam gewesen, eine schöne Frau nach dem Start des Autos in der Pampa zurückzulassen.

Ich kann mich jedoch an eine Auto-Werbung erinnern, bei dem die in Schnee gehüllte Kiste eine zugeschneite Flugschanze hochfuhr, was die Leistunsfähigkeit zeigen sollte - das war genial gefilmt, besonders der Moment, als die Frontlichter eingeschaltet wurden und durch das Schneegewand leuchteten. Dann erinnere ich mich an eine "Karosse", die für Familien ausgelegt war, und deshalb stand keine Frau neben dem Fahrzeug, sondern sie stieg mit ihren Kindern hinein, während der Mann die Koffer im Heck verstaute. Bei einem französischen Hersteller sah ich überhaupt keinen Menschen, sondern nur das fahrende Auto, untermalt von einer sonoren Stimme: "Création d'automobile."

Skandalös war die krasse Werbung eines asiatischen Autobauers, bei dem eine Katze durch ein offenes Autodach in den Innenraum gelangen wollte, wobei sich das Schiebedach schloss und die Katze erdrückte. Oder die andere Variante: Eine Taube (also keine gehörlose, aber schöne Frau, sondern der Vogel) landete auf dem Motorhaube, die sich wie ein Kanonenschuss öffnete und das Viech derart auf den Asphalt schleuderte, dass es tot liegen blieb. Slogan: "Der will nur spielen." (Ich glaube, es handelte sich um den KIA.) Keine gute Idee, um zum Kauf eines Autos anzureizen, eher zu Stephen Kings Roman "Christine". Die Werbung war nach wenigen Wochen raus aus dem Programm.

Das Gemoser von Rumpelstilz sollte niemand ernst nehmen. Ihr Reichen-Bashing, ihr Hass auf den Westen und ihre Paranoia, was die bösen Mäche dieser Welt angeht, haben ihr einen Tunnelblick aufgesetzt.

Alle Frauen, die ihre Schönheit mit ein bisschen Positionieren verkaufen können und dabei gutes Geld verdienen, wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie diese Chance nicht nutzen würden. Das ist allemal besser, als den ganzen Tag lang Fisch oder Käse zu verkaufen und abends zweimal duschen zu müssen, um den Gestank loszuwerden. Dabei sind die Werbefrauen gar nicht alle schön, sondern von guten Maskenbildnern aufgebrezelt. Begegneten sie uns im Alltag auf der Straße, würden wir sie nicht wiedererkennen. Darüber hatte ich mal eine Reportage "vorher/nachher/wieder vorher" gelesen. Das "Model" war eine unscheinbare Frau mit blassem Teint und Sommersprossen, nach der sich niemand umgesehen hätte. Aber auf dem Titelbild einer Frauenzeitschrift sah sie großartig aus. Diese Frauen sind Profis, die in erster Linie ein Gefühl dafür haben müssen, was der Fotograf will und wie sie sich vor der Kamera zu präsentieren haben. Schönheit allein reicht vielleicht für einen Prinzen, aber nicht für die Werbebranche.

Wenn ich mir genügend Farbe ins Gesicht schmiere und die Haare nachdunkle, sehe ich locker zwanzig Jahre jünger aus, als ich bin. Kein Hexenwerk, sondern solides Handwerk. Mit regelmäßig 10 Prozent Nachlass bei Rossmann zu kaufen und in max. einer halben Stunde herstellbar. Von Romy Schneider ist bekannt, dass ihr Maskenbildner wahre Wunder vollbrachte, aus diesem alkoholgeschädigten Wrack eine Schauspielerin zu machen, die jeder Nahaufnahme standhielt. Aber um mit seinem Aussehen Geld zu verdienen, muss man auch bereit sein, sich stundenlang bei Minusgraden im Freien ablichten zu lassen und so zu tun, als sei man am Strand von Florida, denn die Sommerkollektion wird im Winter geplant.

Und mal so als Nachbemerkung:

Auch Männer verkaufen ihr Aussehen, schminken sich oder lassen sich schminken, legen Wert auf Frisur und Outfit, gehängen sich mit Schmuck und gehen in die Botox-Sprizerei.
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Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.04.2023, 22:45   #8
weiblich Ottilie
 
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Wichtig ist dabei was ganz anderes: Dass das gute Aussehen der Verkäufer quasi die Qualität der Ware erhöht, das heißt, sie selbst sind der "Beifang", sie verkaufen sich mit. Zum Beispiel Autowerbung kommt ohne eine schöne Frau nicht aus. Darüber, warum vor dem Auto immer eine schöne Frau stehen muss - noch nicht darüber nachgedacht?

Ich muss Rumpelstilz mal in Schutz nehmen: Wenn eine attraktive Frau zusammen mit einem Produkt präsentiert wird, nutzt man das Sexappeal der Frau als Mittel zur Aufwertung des beworbenen Produkts. Unser Gehirn nimmt ja nicht nur das tolle Auto wahr, sondern auch die tollen Kurven der Frau... Vermutlich verbinden sich verschiedene Eindrücke im Gehirn zu einer Gesamtheit, die einen neuen (höheren) Wert hat als das bloße nackte Produkt Auto... Der Slogan "Sex sells" gilt in allen Lebensbereichen, wobei m.E. unter "sex" alles zu subsumieren ist, was einem Ideal entspricht, dem wir hinterherhängen... Das kann durchaus auch ein alter, weißer weiser Mann sein, son Typ wie Brandt oder H. Schmidt...Die "Autos" wären in diesen Fällen die Gedanken, die Thesen, die Programme gewesen...

Zurück zum Thema: Die Wirklichkeit ist nicht eindimensional. Es gibt keine reinen Täter, diese sind auch immer Opfer; es gibt keine reinen Emotionen, es ist immer eine wilde Melange; es gibt keinen Mann und keine Frau, die nicht Ware, Käufer und Verkäufer zugleich sind, wenn sie nach Männern und Frauen suchen...

Apropos Auto: Im Design finden sich deutlich und zu allen Zeiten Anthropomorphismen, man vergleiche die Kurven...
Ottilie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.04.2023, 00:06   #9
männlich Heinz
 
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Liebe Ottilie,
mein etwas längeres Dasein als Autofahrer/-besitzer bringt es mit sich, dass ich mir schon mehrere Autos gekauft habe. Voran schicken möchte ich, dass ich ein großer Verehrer weiblicher Reize bin und meine drei hinter mir liegenden Ehen legen dafür deutliche Hinweise. Zu den Autos:
1. ein Kleinwagen, "Prinz" genannt; Kaufanreiz: Ich wohnte über 400 km von meiner Familie entfernt und diente dem deutschen Vaterland in Niedersachsen. Das Geld war knapp, der Wagen gebraucht und relativ preiswert.
2. wieder ein Kleinwagen, statt 1000 nun 12 Kubik; Kaufanreiz: Meinen NSU 1200 hatte jemand zu Schrott gefahren. Die Versicherung war großzügig und ich hatte 1500 DM zur Verfügung. Die reichten gerade aus für den 2. Gebrauchswagen.
3. Für meine Reiselust und den Transport meiner Kinder und meiner Ehefrau plus Kinderwagen war der Zwölfhunderter NSU zu klein, also her mit dem dritten Gebrauchtwagen, ein VW-Golf. Die Händler im Umkreis von 50 Kilometern hatten für meine Brieftasche eben nur diesen Golf.
4. Meine Frau fuhr den Golf zu Schrott, die Schwiegereltern halfen aus und wieder hatte ich einen Golf.
5. Vierzigster Geburtstag und vor der Tür stand ein 300ter Mercedes Diesel. Ein großzügiges geschenk meines Freundes, der seinen Nebenverdienst mit dem Ankauf von Unfallautos und deren Reparatur verdiente. Ich fuhr diesen Mercedes, bis ich durch ein Ausweichmanöver in einem metertiefen Graben landete. Nach notdürftiger Reparatur, die die tiefen Beulen an der Karosserie nicht beseitigte, kaufte mir ein Schäfer den fahrtüchtigen Schrotthaufen ab.
6. Der Verkaufspreis reichte gerade für das nächste Gebrauchsfahrzeug - ein silbergrauer Skoda, die Besitzerin war gestorben, die Tochter machte mir einen guten Preis.
7. Skoda, sehr zuverlässig, schnell und sparsam, verreckt an einem Kolbenfresser.
8. Notlösung. Ein japanisches Modell, Name vergessen, weil ich jeden Tag knapp 50 km zu meiner Arbeitsstelle fahren musste (zu unregelmäßigen Zeiten).
9. Die "Hutschefiedel" an den Händler zurück gegeben, weil er mir einen hellblauen Golf besorgt hatte. Dieser schlüpferblaue Golf wurde vom Stasi der DDR beschlagnahmt, weil ich damit Spionageaufträge erfüllt hätte.
10. Fahrzeug: Eine Vespa, Motorroller, weil meine Frau während meines Zuchthausaufenthaltes einen grünen Opel gekauft hatte, den aber häufig brauchte und ich mobil sein wollte.
11. Fahrzeug: Ein Fiat, weil mein Autohändler meine Finanzmöglichkeiten kannte. Also ein Fiat.
12. Fiat durch neue Ehe und 2 Kinder zu klein geworden, also wieder ein VW, gebraucht, 20 Jahre alt aber kaum von der Schwiegermutter gefahren, nach einem Jahr an einen Freund verschenkt.
13. Opel Astra, grün, Automatik, 25 Jahre auf dem Buckel, preiswert und wenig Spritverbrauch. Den fahre ich heute noch.
Bei allen Fahrzeugen war kein reizvoller Frauenhintern, kein verführerisches Dekollete in Sicht. Auisschlaggebend waren bei jedem Kauf 1. der Preis, 2. der Spritverbrauch, 3. die Zuverlässigkeit.
Werbung = Null, Marke = völlig gleichgültig
Und nun kommst Du.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 29.04.2023, 05:00   #10
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
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Ich muss Rumpelstilz mal in Schutz nehmen: Wenn eine attraktive Frau zusammen mit einem Produkt präsentiert wird, nutzt man das Sexappeal der Frau als Mittel zur Aufwertung des beworbenen Produkts. Unser Gehirn nimmt ja nicht nur das tolle Auto wahr, sondern auch die tollen Kurven der Frau...


Ich bin einigermaßen verblüfft. Die Autos wurden in den letzten dreißig Jahren immer hässlicher, und von Kurven im Design habe ich schon lange nichts mehr bei ihnen gesehen. Mittlerweile sind das grobschlächtige Kästen, die eher einer Festung gleichen und an die drei Tonnen wiegen. Die weibliche Idealfigur unserer Zeit konterkariert diese Automodelle: Flach muss man sein wie ein Bügelbrett, möglichst unter 50 Kilo wiegen und höchstens Kleidergröße 34 tragen. Wo sollen da noch reizvolle Kurven sein? Das sind mit Haut überspannte Skelette, im Volksmund "Hungerhaken" genannt.

Ich habe mir spaßeshalber eine "Capital" durchgesehen, ein Magazin, das vor allem Männer ansprechen soll. Dort zeigen die ersten acht Werbeseiten:

- eine halbseitige (somit wohl relativ preiswerte) Autowerbung, Bild aus der Vogelperspektive - richtig: mit einer Frau, die aus diesem Blickwinkel aber eher unscheinbar ist und nicht auf dem Auto sitzt oder daneben steht, sondern ihm beim Vorbeigehen nur einen Blick zuwirft;

- eine ganzseitige Werbung für einen Brillantring;

- eine ganzseitige Werbung für einen aufwendig verarbeiteten Lederrucksack für Männer;

- vier ganzseitige Werbeanzeigen für hochwertige Herren-Chronometer;

- wieder eine Autowerbung, diesmal ganzseitig, aber ohne Personen;

Nach diesen acht Werbeanzeigen kommt ein bisschen Werbung für die Post und die Deutsche Bahn, für ein Forschungsprojekt und für Dinge, die mit Unternehmensführung zu tun haben. Keine Frauen.

Erst auf Seite 67 gibt es wieder eine Autowerbung mit einem Zusatzbildchen unten links, das aus der Froschperspektive eine burschikos wirkende Frau im Faltenrock zeigt, die die Autotür des beworbenen SUV offenhält (von dem nur ein Bruchteil zu sehen ist, gerade mal, dass man die die halbe Frontscheibe und die Scheibe der Autotür sieht). Obendrein ist das Foto schlecht ausgeleuchtet, die Autofragmente und die Frau stehen im Halbdunkel. Auch hat man die Frau offensichtlich auf einen Sockel gestellt, denn der Bund ihres Rocks befindet sich ca. 15 cm über dem Dach des SUV. Und das soll ein Blickfang sein?

Seite 69: Wieder ein SUV, ganze Seite, ohne Personen.
Seite 73: Chronometer, ganze Seite, keine Personen.
Seite 91: AXA Versicherungen, ganze Seite, Bild mit jungem Mann.
Seite 101: Espresso-Maschine, ganze Seite, Mann und Frau, beide Durchschnittstypen.
Seite 117: Bankwerbung (Depot-Verwalter f. Wertpapiere), halbe Seite, Bild mit attraktivem, etwas älterem Mann.
Seite 119: Chronometer, ganze Seite, keine Personen.
Seite 139: Bankwerbung (Investmentbank), ganze Seite, Bild mit junger Frau.
Seite 141: Whisky, ganze Seite, keine Personen.
Seite 157: Zimmerleuchte, ganze Seite, keine Personen.
Seite 159: Kreuzfahrt, halbe Seite, Personen nur im Hintergrund und von hinten zu sehen.
Seite 161/162: FOCUS, doppelseitig, Bild mit grauhaarigem Mann.

Danach diverse Werbung für Umweltverbesserung, Männer-Shirts und Südtirol, nur Bilder mit Männern.

Anschließend wieder Werbung für einen Chronometer, ganze Seite, Bild mit zwei Männern.

Seite 173: Total Energies, Bild mit dem Heck eines Autos und dem E-Ladekabel im Ladegerät, ganze Seite, keine Personen.

Danach SIEMENS (3-D-Drucker), ganze Seite, Bild mit Mann im weißen Kittel.

Werbung von FRONIUS für E-Ladestation, ganze Seite, Bild mit dem Kopf einer Frau (Durchschnittstyp), die im Hintergrund über dem Fragment eines Autodachs sichtbar ist und nach unten schaut, vermutlich auf das Ladekabel.

Letzte Werbung: Magazin GEO, ganze Seite, Bild mit Bäumen, keine Personen.

FAZIT: Obwohl es gezielt Männern mit einem gewissen Status an den Geldbeutel gehen soll, spielen Frauen in der Werbung nur eine geringe Rolle und sind eher Durchschnittstypen. Als Statussymbole laufen die Chronometer den Autos eindeutig den Rang ab, aber nur auf einer einzigen Werbung für diese Uhren sind zwei Männer in der Begleitung einer attrativen Frau zu sehen.
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Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.04.2023, 12:56   #11
weiblich Ottilie
 
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Standard Autos und Menschen...

Hallo Heinz,

ich bin sehr berührt von der Aufzählung Deiner Autos, diese spiegeln ja irgendwie auch Deine Geschichte... Kann es sein, dass uns Autotypen vergangener Jahre ähnlich wie Gerüche an vergangene Zeiten und scheinbar verschüttete Erlebnisse erinnern?

Ilka-Maria hat sich auch viel Mühe gemacht, die Analyse ist spannend, aber wohl doch nicht repräsentativ fürs Thema. Was war das Thema? Ach ja: ich hatte flapsig etwas von Anthropomorphismen geschwafelt, die sich bei Autos finden ließen. Mir fiel nun ein älterer Text ein, er ist ca. 20 Jahre alt; ich habe ihn wieder gelesen, vielleicht taugt er als Replik:

Zwischen Dreieck und Kreis gibt es eine Menge Formen, einige davon haben für uns den Charakter von „Quasiuniversalien“. Die THV-Zahl zeigt uns die Richtung: es sind Menschenproportionen, die wir als Maß der Dinge sehen, die wir verinnerlicht haben und nach denen wir unsere gesamte Umwelt erkennen, bewerten und –

konstruieren.

Wir spiegeln uns selbst in den Produkten, die wir fertigen, wir spiegeln uns selbst in den Dingen, die gegeben sind, durch unser Urteil: Wenn die Pferde Götter hätten, sähen sie wie Pferde aus, schrieb der Vorsokratiker Xenophanes, und spöttelte damit über die Menschenähnlichkeit der griechischen Götter. In aktueller Ausdrucksweise: Wenn Designer Schöpfer spielen, entstehen Produkte mit menschlichen Proportionen.

Zum Beispiel – Autos. Geometrisch gesehen besteht ein Pkw aus Vierecken und Kreisen. Vierecke sind Dreiecke auf dem Weg zum Kreis, also gilt: die Grundelemente für die äußere Erscheinungsform sind mit Dreieck und Kreis gegeben, auch wenn Linien fließend sind oder die Räder nicht ganz rundlaufen.

Aber warum finden wir nun dieses Auto „cool“, jenes altmodisch und ein drittes „frauentauglich“? Alle lassen sich doch in die gleichen Grundelemente zerlegen? Wenn ein Raster aus einer Anzahl feststehender Grundproportionen das Unterbewusstsein des Designers steuert und alle Designer Menschen sind – müssten dann nicht die Autos zu allen Zeiten einander ähnlich sehen?

Ich denke nicht. Denn es gibt neben zeitlosen Grundproportionen auch die zeitlichen – und somit befristet als „wahr“ und „schön“ geltenden – Proportionen. Wir assoziieren aus den Formproportionen eines Autos die geltenden Werte und Eigenschaften der Zeit, in der wir leben. Wir legen Maßstäbe an, die vor allem für uns, für unser Selbstwertgefühl, für unsere Absichten, für unsere soziale Stellung und deren Verbesserung, eine Bedeutung haben. So, wie unser Blick, der sich auf Menschen richtet, immer den geeigneten Partner sucht – für Sex, für Reproduktion, für Machtspiele –, und durch den Vergleich mit erworbenen und gespeicherten Sollwerten Schlüsse für Eignung und passendes Verhalten zieht, so sucht er in den Dingen – und ein Auto ist ein Ding, auch wenn es den Eindruck eines lebendigen Wesens macht – sich selbst, sein Ideal. Dinge wie Autos erhalten vom Designer und Vermarkter die zeittypischen Eigenschaften – und also Proportionen im äußeren Erscheinungsbild –, die der Käufer erkennen kann. Um zum Urteil oder zur Kaufentscheidung zu kommen.

Jede Zeit hat ihren „Geist“, sprich: ihre spezifische Vorstellung von der Idealität bestimmter Proportionen. (Die Grenzen technologischer Umsetzbarkeit ästhetischer Vorstellungen blende ich aus, sie bestimmten in der Geschichte sehr viel stärker die Form eines technischen Produktes als heute. Auch andere Kategorien wie Gebrauchswert, Lebensdauer, Sicherheit, die ohne Zweifel unseren Blick auf und unser Urteil vom Auto und anderer Produkte mitprägen, sollen hier keine Rolle spielen.)

Aber es gilt auch: Grundsätzliche Elemente, Gedanken, Proportionen finden sich zu allen Zeiten menschlicher Kultur.

Zeitweise schien der Mensch kaum eine Rolle zu spielen, ich denke an die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, als viele Autos, vor allem in den reichen Industrieländern, die Form von aerodynamisch getunten Bodenraketen mit allerlei Flügeln, Heckflossen und überflüssigen „Turbolufteinlässen“ erhielten. Trotzdem und bei aller – zeitweiligen – Technikorientierung: Alle Formen leiten sich vom Menschen her, nicht von einem Insekt oder eklen Erdwurm. Den Erdwurm finden wir so eklig, weil er so stark zu unseren Formen differiert.
Alle zeitlich geltenden Vorstellungen von Schnittigkeit/Sportlichkeit und Modernität einschließlich ihrer Gegenteile (Plumpheit und Antiquiertheit), sind Ableitungen vom Menschenideal der Zeit, sie entsprechen ihm im Sinne von Isomorphie, oder sie widersprechen ihm.

Ein Auto zu Rembrandts Zeiten, designed für den Massenmarkt, hätte wohl ein dickes Hinterteil und volle Schweller haben müssen, um zum Verkaufsschlager zu werden, wäre man in der Lage gewesen, es zu bauen...

In der heutigen „Autopoesie“ – nicht „Autopoiesis“ – dominiert die „menschliche Seite“ in Form sexuell konnotierter Vergleiche. Autos werden bezeichnet als

- Phallussymbol
- PS-strotzendes Kraftpaket
- unermüdlicher Schwerarbeiter
- fleißiges Bienchen
- betagte Dame
- treues Mädel
- Garant für einen Geschwindigkeitsorgasmus
- lahme Ente
- alter Bock
- alte Hure etc.

Man spricht von „scharfen Kurven“ und „heißen Kanten“, schnauzt aber auch über die „glupschäugigen Scheinwerfer“ oder bemerkt, starrt man auf das Heck eines bestimmten Autos, einen „knackigen Po“. Im Folgenden einige Auszüge aus einer Dissertation (P. Rosenthal: „Attraktivität von Autos“, 1999):

Im Bereich der Schönheitswahrnehmung des Menschen existieren zudem Kriterien, die
von anderen Faktoren wie Moden, Trends oder Images unabhängig sind. So wird ein
Gesicht, das Züge einer Debilität aufweist, im allgemeinen als unattraktiv empfunden.
Dies scheint mit der Vermenschlichungswirkung von Automobilen zu korrelieren:
"'Das ist ja furchtbar', rief ich, als vor ein paar Monaten die ersten Fotos vom neuen
Ford Scorpio auf dem Redaktionstisch lagen. Da schauten glupschäugige Scheinwerfer
ratlos in die Welt, und mit seinen breiten Kühlergrill-Chromlippen schien das Auto wie
ein Fisch dümmlich nach Luft zu schnappen."

Auch die Heckpartie eines Automobils scheint bisweilen einer Vermenschlichungswirkung
zu unterliegen, wenn auch nicht in gleichem Ausmaß wie die Frontpartie. So
ist im Falle des Ferraris 355 Spider bezogen auf das Heck von einer gesteigerten
Aggressivität im Vergleich zum Vorgänger die Rede. Vermenschlichte Heckpartien
werden des öfteren als Hinterteil bezeichnet, weshalb davon auszugehen ist, daß
Wertkriterien zum vermenschlichten Hinterteil jenen des menschlichen Gesäßes
tendenziell entsprechen. Folglich dürfte ein automobiles Hinterteil, das einen
"knackigen Po" versinnbildlicht, einer positiveren Bewertung unterliegen als ein zu
ausladendes bzw. abgeflachtes Hinterteil.
Ein Kuriosum im Falle der Vermenschlichung von Automobilen stellt die Tatsache dar,
daß - wie der nachfolgend dargestellte Alfa Romeo offenbart - das Heck ebenfalls
Assoziationen zum menschlichen Gesicht hervorruft: "Ein Rücken zum Entzücken mit
trapezartig zugeschnittenem Heckfenster und ebenso angeordneten schmalen
Rückleuchten, die den Betrachter förmlich anzugrinsen scheinen." Der Ursprung
hierfür dürfte, wie dieses Zitat nahelegt, wiederum in einer Ähnlichkeit von Heckpartie
und menschlichem Gesicht aufgrund der Analogien 'Rückleuchten - Augen' sowie
'Stoßstange - Mund' bzw. 'Nummernschildeinfassung - Mund' liegen.

Zu einem Ferrari 355 wird angemerkt, daß "im Spiel der Kontraste die hinteren
Kotflügel eine Spur muskulöser wirken". Auch gegenüber dem Alfa Romeo
werden diese Vermenschlichungsanalogien von Kotflügelbereich und Muskelmasse in
Relation zur Qualität der Sportlichkeit herausgestellt: "Mit pausbäckigen Kotflügelverbreiterungen betont das Facelift hauptsächlich die breitere Spur und die voluminösere Bereifung. Nach über dreijähriger Bauzeit ist der Fiat Tipo-Ableger nun
endlich das, was die Motoren seit jeher auszeichnet: ein echter Alfa Romeo." Hier
werden nochmals die bereits in Zusammenhang mit der Vermenschlichung der Front-
partie angesprochenen Relationen von Design-Visualisierung und inhaltlichen Qualitäten
bzw. inhaltlichen Images deutlich. Im Falle des Lotus Elise wird dieser Zusammenhang besonders offensichtlich. Er wird als "spartanische Fahrmaschine" bezeichnet, die "mit seinen zahlreichen Luftschächten und Muskelausformungen wie ein potenter Racer wirkt ... Und er ist es auch".

Neben sportlich gestalteten Autos weisen vor allem Kleinwagen eine gesamtheitliche
Vermenschlichungswirkung auf, wie beispielsweise der Ausdruck "Die lieben Kleinen
auf dem Vormarsch" widerspiegelt. Das Ausmaß der Vermenschlichungsintention
der Gesamtform von Kleinwagen ist dabei derart groß, daß eine Vermenschlichung
selbst bei kantigen Modellen stattfindet, wie das zuvor thematisierte Beispiel des Seat
Marbella belegt. Der eher rundliche Kleinwagen Fiat Punto wird als "Kompaktpummelchen"
bezeichnet, was mit der engen Spur in Kombination mit einem langen
Radstand begründet wird. Da mit dem Verniedlichungsausdruck "Pummelchen" im
allgemeinen ein rundlich-dickliches, aber dennoch liebenswertes Kleinkind bezeichnet
wird, dürfte es sich hierbei um eine positive Bewertung handeln. An dieser Stelle
zeichnet sich in sozialstrukturellem Sinne eine Visualisierung einer traditionellen, auch
gegenwärtig vorherrschenden geschlechterspezifischen Rollenverteilung ab, die der
Frau die Kinderbetreuung zuschreibt. Als hauptsächlich vom weiblichen Geschlecht
genutzte Fahrzeuge werden Kleinwagen Vermenschlichungs-Symbole zugeschrieben...

Aufgrund derartiger Vermenschlichungs-Kleinkind-Analogien erhalten Kleinwagen
mutmaßlich ebenfalls den in der Gesellschaft gegenüber Kleinkindern üblichen Bonus
eines großzügigen Verzeihens von Schwächen. Diese scheinen zwar - durch kritische
Bemerkungen in Verniedlichungsform (vgl. Pummelchen) - aufgezeigt, jedoch "den
Kleinen" nicht übelgenommen zu werden. Wiederum der menschlichen Gesellschaft
entsprechend müßte eine negative Wertschätzung einer automobilen Vermenschlichungsanalogie erfolgen, wenn ein Kleinwagen betont "erwachsen" wirkt, was dem Vorwurf einer negativ besetzten "Altklugheit" den Boden bereiten könnte. Gegenüber
dem Ferrari 456 GT - einem Luxussportwagen - wie auch gegenüber dem hierarchisch
wesentlich tiefer angesiedelten sportlichen Fahrzeug Alfa Romeo Spider V6 werden
aggressive Vermenschlichungsmomente thematisiert. So heißt es zunächst zum Ferrari:
"Breit und flach kauert er auf der Straße...“

Die angriffslustige Symbolik des Alfa Romeo wird ausführlicher charakterisiert: "Die
Alfa Romeo-Designer zeichneten ... einen sprungbereiten Zweisitzer, der geduckt mit
hochgezogenen Schultern, muskulösem Nacken und der schräg nach hinten weggespannten
Ferse des winzigen Kofferraums tatendurstig über dem Asphalt kauert.
Wer den neuen Spider sieht, sagt sich im stillen: Wenn er so geht, wie er aussieht, dann
ist er ein geschmeidiger Kurvenläufer und ein eleganter Sprinter...“

Ein Sportwagen scheint in vermenschlichter Sichtweise demnach einem Sportler zu
entsprechen und speziell einem Sprintläufer in Lauerstellung. Hierbei zeichnet sich ab,
daß eine vermenschlichte Sportlichkeitsvisualisierung zum einen anhand eines engen
Bodenkontaktes sowie eines breiten Standes eines Fahrzeugs zustandekommt. Zum
anderen dürfte auch eine dynamische Linienführung dieser Anschauungsweise entsprechen,
die sich in leicht nach oben durchgebogenen Seitenschwellern sowie leicht
nach innen gewölbten Flanken widerspiegelt. Es liegt nahe, daß die Flanken sowie
Seitenschweller der menschlichen Taille entsprechend betrachtet werden, weshalb das
genannte Gestaltprinzip einer im Verhältnis zum Oberkörper relativ schmalen Taille
eines durchtrainierten Sprintsportlers entspricht. Anhand dieser Relationen deutet
sich an, daß betont sportliche Fahrzeuge aufgrund der Vermenschlichung des
Muskulös-Maskulinen einen optisch wahrnehmbaren symbolischen Gegenpart...

Das Oval wird auf bestimmte Bereiche der Karosserie und des Innenraums übertragen. So heißt es bezogen auf den Ford Fiesta: "Die Pflaume (gemeint ist das Oval; Anm. d. Verf.) des Konzernlogos prägt seine Front und setzt sich, wie schon beim Escort, als Design-Element bis in den Innenraum fort. Sogar die Hebel für den Umklappmechanismus der Vordersitze erhielten diese Rundung.“

Vor fünfzig Jahren entwarf Ford eine Riesenlimousine namens „Edsel“. Der Kühlergrill stand, im Gegensatz zu anderen Wagen der Zeit, nicht horizontal, sondern vertikal. Das Magazin „Time“ schrieb, der Wagen sehe aus „wie ein Oldsmobile, das an einer Zitrone lutscht“. Kunden verglichen den Kühler mit einem Pferdejoch oder – einer Vagina.

Vor ebenfalls ca. 50 Jahren rollte der erste Trabant vom Band. Er war „etwas“ kleiner als der „Edsel“, verbrauchte dafür aber keine 30 Liter auf 100 km. Auch er spiegelte Zeitgeist: im Namen, den Materialien wie in den Formen. Der Name bedeutet zwar nichts weiter als „treuer Begleiter“ und wurde im Rahmen einer Umfrage gefunden, wohl atmet er aber schon das Gefühl vom Durchbruch der sich anbahnenden – sowjetischen – Raumfahrt. (Die eine Erstlandung auf dem Mond sehr früh auf ihre Fahnen schrieb.)
Die – vermeintlich – zukunftsorientierten Materialien sind bekannt, die Qualität auch. Die Formen sind m.E. noch nirgend genauer analysiert. Hinsichtlich des Zeitgeistes sind die Aussagen klar: die runden Scheinwerfer vorn stehen für den allgemeinen technologischen Aufbruch, für Ratio, Vernunft, Objektivität, Wissenschaft; für das neue Maschinenzeitalter unter dem Banner des atheistisch orientierten Proletariats. Die kecken Flügelstummel hinten, in denen sich die Rück- und Blinklichter verbergen, symbolisieren – wie auch bei den Amerikanern und anderswo – den neuen Glauben an Geschwindigkeit, Fortschritt, Wohlstand, an Technik, Raketen, Ingenieurswissen – den Glauben an den Sieg der Technik über alle Widrigkeiten des Lebens...
Neben den zeitgeistigen Äquivalenten kann man, mit viel Fantasie, auch im „abgefahrenen“ Trabant 500 menschliche Formen erkennen. Das Schönheitsideal der Zeit spricht möglicherweise aus der heutigentags vielen unverständlich-fremdartigen, ein Lächeln oder lautes Lachen provozierenden Form der Plastikkarosse. Suche ich nach Vergleichen, assoziiere ich eine aufgeweckte Jungfrau mit kleinen, aber festen Brüsten und einem selbstbewusst gewölbten Hintern, die im Dreischichtrhythmus störungs- und ermüdungsfrei arbeitet, vier Kinder großzieht und fünfmal am Tag ein energisches Lied auf den Sozialismus aufheulen lässt oder zur MEGA-Gesamtausgabe hoppelt – der luftgekühlte Motor hatte seinen spezifischen Heulbojenton, die Blattfedern waren wie geschaffen für ostkopfstein’sche Straßen, verursachten allerdings ein Schwanken, Hüpfen, Hoppeln...

Wie gesagt: es gehört viel Fantasie dazu, beim 500-er Trabant solche Assoziationen zu entwickeln. Bei den runden, gefälligen Formen eines Opel Corsa fällt es sehr viel leichter, sich eine adrette, emanzipierte Lehrerin vorzustellen...

Ich schließe daraus: in den letzten Jahrzehnten hat sich eine Entwicklung im Automobilbau vollzogen, die sich von den zeitgeistbedingten technischen Formen der Fünfziger und Sechziger abwandte – Formen also, die, wie schon gesagt, stark nivellierte menschliche Proportionen enthalten –, um bei deutlich sichtbaren, nachvollziehbaren, zeitlos gültigen menschlichen Formproportionen Anfang der Neunziger anzukommen.
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Alt 29.04.2023, 15:14   #12
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Zitat:
Ilka-Maria hat sich auch viel Mühe gemacht, die Analyse ist spannend, aber wohl doch nicht repräsentativ fürs Thema. Was war das Thema? Ach ja: ich hatte flapsig etwas von Anthropomorphismen geschwafelt, die sich bei Autos finden ließen.
Danke für das "spannend". Ich war selbst von dem Ergebnis überrascht. Die Arbeit habe ich mir aber nicht gemacht, weil es mir grundsätzlich um dein Thema ging, sondern um herauszufinden, wieviel von Rumpelstilz" Behauptung stimmt, für das Bewerben von Autos setze die Branche immer attraktive Frauen ein. Das mag sicherlich bei Ausstellungen wie die IAA sein, wo man die Models live erlebt. Aber in der klassischen Werbung - Film und Foto - ist das nicht der Fall.

Dann ist noch die Frage, wie das "Beuteschema" bei einem Menschen beschaffen ist. Nicht jeder Typ, mag das Exemplar noch so mit Schönheit geschlagen sein, kommt bei jedem an. Für meinen Ex-Mann ist derzeit z.B. Helene Fischer die schönste Frau der Welt, während sie mir zu farblos ist und mich an Putzmittel-Werbung erinnert. Auch konnte ich nie die Begeisterung der Star-Fotografen für Greta Garbo teilen, die auf mich langweilig wirkt. Wäre ich ein Mann, könnte ich mir eher ein Vollblutweib wie Sophia Loren als Objekt meiner Begierde vorstellen, und das hat einen schlichten Grund: Meine Mutter ist ein sehr ähnlicher Typ, so dass ich von einer Prägung ausgehen kann.

Soweit zu meiner Analyse. Deinen langen Kommentar sehe ich mir noch gesondert an.
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Alt 29.04.2023, 16:38   #13
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Okay, jetzt zu deinen Ausführungen über die, sagen wir: Harmonie der Proportionen. Mir wäre hierzu noch da Vincis Proportionskanon eingefallen sowie der Goldene Schnitt.

Jetzt zu deiner Liste:

Zitat:
- Phallussymbol
- PS-strotzendes Kraftpaket
- unermüdlicher Schwerarbeiter
- fleißiges Bienchen
- betagte Dame
- treues Mädel
- Garant für einen Geschwindigkeitsorgasmus
- lahme Ente
- alter Bock
- alte Hure etc.
Manche dieser Begriffe habe ich auf Autos angewandt noch nie gehört, "Bock" allenfalls für Motorräder. In der Liste fehlen mir die alten Schüsseln, alten Kisten (alternativ: Rostschüssel), fahrbarer Untersatz, Straßenkreuzer, Schlitten, Straßenschiff, Bonzenlimousine, Türkenkarosse (Mercedes), Schubkarre (Autos mit zwei Auspuffrohren), Blechkiste, Fort-Ford usw.

Am meisten fehlt mir aber in der Liste das Straßeninsekt, das wie kein anderer Asphaltschrubber erfolgreich war: der VW-Käfer, im Englischen "Beetle" oder auch "Bug" genannt. Nicht gerade ein Auto, dem man früher Statussymbol beimaß. Das hatte eher der VW-Bully, dem etwas Bohèmehaftes nachgesagt wurde. Aber dieses buckelige Spießer-Auto? Das obendrein den Arschtritt von hinten brauchte und die Koffer vor sich herschob? Nee ...

Und als wäre das nicht schon schlimm genug gewesen, brachte VW Anfang der sechziger Jahre den Käfer in Pastellfarben heraus. Aber er verkaufte sich in Hellblau und Zartgrün wie warme Semmeln. Wer so etwas anschafft und fährt, braucht für diese Entscheidung keinen weiblichen Köder; für ihn ist der Käfer selbst die Braut, wie es für Freddy Quinn die Gitarre und das Meer waren.

Aber noch kurz zu deinem Gedicht:

Es stimmt natürlich, was du darin abgehandelt hast. Die meisten Menschen überlassen sich bei der Partnerwahl oder auf der Suche nach einem Partner nicht allein ihren Emotionen, sondern sie wägen ab. Dabei ist es egal, ob bewusst oder unbewusst. Es geht immer um etwas Bestimmtes, das gerade als Passend empfunden wird oder mit dem man Kompromisse schließen kann, wenn unter dem Strich genügend übrig bleibt. Partnerschaften, egal in welcher Form, sind immer eine Verhandlungssache. Ob man sie in krasser Weise mit der Werbebranche, dem Marketing und dem Markthandel in Vergleich setzen muss, sei dahingestellt. Mir ist das zu radikal, weil es nicht meinem Menschenbild entspricht. Menschen als Gebrauchs- oder Verbrauchsmaterial anzusehen ist nicht meine Welt. Leider geht die Entwicklung aber immer mehr in diese zynische Richtung, man beachte Neusprech wie "Human Resources", "Humankapital", "Lebensabschnittsgefährten", "Kollateralschäden" u.v.a.m.

Mich tangiert das nicht mehr, ich bin aufgrund meines Alters aus diesem neuzeitlichen und menschenverachtenden Mechanismus raus. Aber was da in unsere Sprache aufgenommen und gedankenlos weitergetragen wird, ist mir mehr als unbehaglich. Denn auf Worte folgen bekanntlich Taten.
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