Klassiker für Schwaben: "Das Sonett" (Goethe)

[Schreibfan]

Das Sonett - Original von Goethe

Sich in erneutem Kunstgebrauch zu üben,
Ist heilge Pflicht, die wir dir auferlegen.
Du kannst dich auch, wie wir, bestimmt bewegen
Nach Tritt und Schritt, wie es dir vorgeschrieben.
Denn eben die Beschränkung läßt sich lieben,
Wenn sich die Geister gar gewaltig regen;
Und wie sie sich denn auch gebärden mögen,
Das Werk zuletzt ist doch vollendet blieben.

So möcht ich selbst in künstlichen Sonetten,
In sprachgewandter Mühe kühnem Stolze,
Das Beste, was Gefühl mir gäbe, reimen;

Nur weiß ich hier mich nicht bequem zu betten.
Ich schneide sonst so gern aus ganzem Holze,
Und müßte nun doch auch mitunter leimen


A Soneddle

Ja woisch, a Künschdler sei des isch hald wichdig.
Du machsch des jetz, ob'd guad bisch, odr ed.
Des schaffsch, des wird beschdemmd au richdig nett.
Komm hock de na, mach's gscheit, do bisch au pflichtig.

Die Regle, des wirsch sehe, send scho richdig.
Ällweil stecksch im Gedangekabinett.
Na hilfd des äußre Förmle vom Sonedd.
Wennd fertig bisch, isch äller Ärger nichdig.


I selbschd versuch ja au ällweil Sonedde
I geb des zu, a wengerl kuendschdlich klengts,
wenn me was juckt, des dann zom reime ebbe.

I geb mr Mühe doch so rechd klappt's edde.
Beim freie Schreibe flutdschd des sonscht, jetz hängds.
Hier muss i für dr Reim a bissle bäbbe


( Ja weißt du, ein Künstler zu sein ist schon wichtig.
Du machst das jetzt, egal ob du gut bist oder nicht.
Du schaffst das, es wird bestimmt richtig nett).
Jetzt setz dich hin, mach es ordentlich, da bist du auch in der Pflicht.

Die Regeln, das wirst du sehen, sind schon wichtig.
Manchmal steckst du im Gedankenkabinett.
Da hilft die äußere Form des Sonetts.
Wenn du fertig bist, ist aller Ärger nicht der Rede wert.

Ich selbst versuch ja auch manchmal Sonette.
Ich gebe zu, ein wenig künstlich klingt es,
wenn mich etwas berührt dass dann zu reimen eben.

Ich gebe mir Mühe, doch so recht klappt es nicht.
Beim freien Schreiben flutscht das sonst, jetzt hängt es.
Hier muss ich des Reimes wegen etwas leimen.)

Hannah May, 09.07.2023

[Heinz]

Liebe Schreibfan,
oh, ich weiß, weshalb ich mich sehr selten an Sonette heran wage.
Ich nehme an, Robert Gernhardts Stoßseufzer ist Dir bekannt. Er macht Sonette runter in einem makellos geschriebenem Sonett:

Sonette find ich sowas von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut;
es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut

xXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxX

hat, heute noch so’n dumpfen Scheiß zu bauen;
allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen.
Ich hab da eine Sperre. Und die Wut

darüber, daß so’n abgefuckter Kacker
mich mittels seiner Wichserein blockiert,
schafft in mir Aggressionen auf den Macker.

Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.
Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:
Ich find Sonette unheimlich beschissen.

So eine Liebeserklärung muss man erst einmal hinkriegen. Er hält sich akkurat an die Regeln eines Sonetts (fünfhebige Jamben, Kreuzreime, abwechselnd stumpfe und klingende Kadenze,. zwei Quartette und zwei Terzette -

Wer so was kann, der zwingt mich zum Verneigen,
ich ruf Chapeau und halte mich zurück;
so schnell kann man Sonette schlicht vergeigen,
und wenn's mal klappt, dann juble ich vor Glück!

Ich scheue mich zu sehr vor den Quartetten,
vor Thesen, Antithesen habe ich
Respekt und noch mehr Angst vor den Terzetten,
deshalb, verzeiht, verkriech ich mich

in Hexameters Maß und schreibe lieber
in freien Rhythmen irgendwas hier hin,
und gehts dabei mal drunter oder drüber,

so bleibt am Ende mir der Hauptgewinn:
Von der geliebten Frau ein Lorbeerkränzchen
und hinterher mit ihr ein Freudentänzchen.

Das spontan hingeworfene Sonett soll meinen Kommentar ersetzen.
Liebe Grüße,
Heinz

[Schreibfan]

Lieber Heinz.
Dankeschön für deinen Kommentar. Ob du mein Sonett gelungen findest oder nicht bleibt bei Diesem natürlich offen. Zumindest den fuenfhebigen Jambus dürfte ich ordentlich getroffen haben (im schwäbischen betont man ja anders, aber wenn jmd da Verbesserungen hat, gerne her damit, ist mein erstes Gedicht in Mundart. Und die These/Antithese hat Goethe vorgegeben.
Gernhardts Sonett ist eins der Besten die ich kenne. Dein spontan hingeblättertes ist aber auch gelungen.
LG Schreibfan

[Heinz]

Liebe Schreibfan,
es war die Mundart, die mich zur Zurückhaltung zwang. Wenn ich trotzdem hätte kritisieren wollen, hätte ich das bestimmt getan. Doch, es gefällt mir, Dein Sonneddle, nur auswendig bekäme ich es nicht hin.

Liebe Grüße,
Heinz

[Schreibfan]

Ich weiß nicht ob ich es auswendig könnte...freut mich aber, dass es dir gefallen hat.
LG Schreibfan