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Alt 02.10.2007, 17:07   #1
Traumwächterin
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 112


Standard Spuren des Todes

Salziges Brennen drang in Neas Mund und ihre Nase und löste die schweflige Berührung der Luft ab. Weiter, weiter hinein ins offene Meer, dachte sie. Blinde Hoffnung hatte sie überflutet, während das Wasser versuchte ihren Kopf mit todbringender Verzweiflung zu durchspülen.
Jeder Meter, der sie von der Küste entfernte, war Nea willkommen und heilig. Selbst wenn sie spürte, dass keine Entfernung mehr ihr Leben retten könnte. Der Untergang klebte bereits wie ein sicherer Fluch an ihr.
Der Untergang. Er hatte heute Gestalt angenommen. Er hätte ein normales Unwetter sein können; mit dem verdeckten Himmel, dem Regen, den Lawinen. Nur dass keine Wolke am Himmel stand. Ein dichter, einheitlicher, mattgrauer Schatten thronte dort. Aus ihm regnete auch kein Wasser; erstickende Asche tropfte hinab, legte sich auf alles Leben, raubte die Farbe, raubte den Atem. Und die Lawinen glühten, verbrannten, verschlangen und zerschmetterten. Dieses Unwetter kam direkt aus der Unterwelt. Als hätte Hades persönlich das Todesurteil über Pompeji gesprochen.
Nea versuchte diesem Urteil nicht zu widerstehen. Sie war eine Sklavin gewesen; ein unfreies Objekt, eingesperrt in ihrem eigenen Körper, dem jeder die vielen Jahre der Arbeit ansehen konnte. Sie hatten gesagt sie sei weniger wert als ein Tier. Als sie durch die halbtoten Gassen hatte sie die ängstlichen, verendeten Gesichter der Patrizier gesehen. Vor dem Tod sind wir alle gleich, hatte sie gedacht.
Sie fürchtete das Ende nicht. Sie fürchtete nur, auch noch als unfreies Objekt sterben zu müssen. Deswegen war sie aus der todgeweihten Stadt geflohen; es kam einem Wunder gleich, dass sie nicht an der Asche oder dem Schwefel erstickt, nicht von den Gesteinsbrocken erschlagen oder von den Lawinen überrollt worden war.
War der Tod am Ende gerechter zu ihr als das Leben, fragte sie sich und merkte wie die glühenden Salzwellen sie ergriffen, sie festhielten, sie mit sich trugen. Nea hielt inne, hörte auf zu schwimmen, ließ das Meer der Freiheit über sie bestimmen.
Momente der brennenden Dunkelheit vergingen, zeitlos, wirkungslos. Bis das sandige Licht eines Strandes den schwarzen Strom vor Neas Augen ablöste. Ganz nah sah sie einen Patrizier mit vor Angst und Tod erstarrten Augen im Sand liegen. Sie zog sich an ihn heran, hustete, schaute ihn an und legte sich daneben. Sie schloss die Augen und starb in seliger Ruhe an dem schwefligen Gift in der Luft.
Die Lebenden interessierten sich später nicht für ihre Leiche. Sie war nur eine Sklavin, die in der Nähe eines Patriziers gelegen hatte. Einem berühmten sogar. Es war Plinius der Ältere gewesen, der berühmte römische Gelehrte. Die Geschichte erinnert sich bis heute an ihn.
Traumwächterin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.10.2007, 23:05   #2
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279


Hallo Traumwächterin,
nicht uninteressant, deine Geschichte... Ich selbst bin totaler Römerfan und der Vulkanausbruch des Vesuv im Jahre 79 n. Chr. hat mich schon immer interessiert. Daher weiß ich auch ziemlich gut Bescheid und habe einige historische Fehler anzumerken, aber dazu später mehr.
Mir gefällt dein Schreibstil mit seiner klaren und schnörkellosen Art. Beeindruckend fand ich auch das Ende: Dieser Gegensatz der unbeachteten Sklavin und des bekannten Plinius - das ist gut.

ABER:
Hier liegt auch eines meiner Probleme: Das Ende geht mir zu sehr von der vorherigen Art ab. Anfänglich klingt es wie eine rein historische Kurzgeschichte und dann kommt am Ende so eine Betrachtung aus heutiger Sicht. Das finde ich persönlich schwierig, allerdings nicht so dramatisch, wenn du dafür einen guten Grund hast. Im Moment klingt es für mich ein bisschen so, als wenn du keine Lust mehr hattest (nicht falsch vestehen!) und schnell ein Ende brauchtest. Das ist dann allerdings ziemlich knackig geworden für ein "Notende"...

Nun zu den versprochenen historischen Problemen die ich habe:
1.
Zitat:
Dieses Unwetter kam direkt aus der Hölle. Als hätte der Teufel persönlich das Todesurteil über Pompeji gesprochen.
Stilistisch gefällt mir hier der Begriff "Unwetter" überhaupt nicht, weil ein Vulkanausbruch wohl kaum eines ist, sondern eher eine Naturkatastrophe. Historisch gesehen stört mich, dass du hier von "Hölle" und "Teufel" sprichst. Das sind christliche Begriffe, für meinen Geschmack. Es gab damals zwar schon Christen im römischen Reich, nachweislich auch in Pompeji. Allerdings glaube ich nicht, dass deine Sklavin Nea unbedingt Christin ist. Und auch die meisten Bürger Pompejis dürften eher all die verschiedenen römischen Götter geglaubt haben... Daher unschön!

2. Du sprichst vor allem von Patriziern. Viele Bürger in Pompeji sind Patrizier gewesen, das ist richtig. Allerdings klingt mir das zu plakativ. Es gab genug andere am Golf von Neapel, die keine Patrizier waren. Mir leuchtet es ein, dass es dir um den Gegensatz von Reich und Arm, also hier Patrizier und Sklavin, geht, allerdings wird alles dazwischen ausgeblendet und das missfällt mir etwas!

3. Plinius der Ältere starb zwar beim Vulkanausbruch, allerdings etwas anders: Plinius war Flottenkommandant in Misenum und fuhr beim Vulkanausbruch nach Stabiae und nicht wie bei dir nach Pompeji. Des Weiteren starb er am Strand von Stabiae und nicht in einem Boot... Das beides ist also schlichtweg falsch recherchiert, aber (wenn du das denn möchtest) leicht zu verbessern, oder?

Ich hoffe, dir hat meine Kritik geholfen. Entschuldige, wenn sie etwas zu harsch ausgefallen sein mag an einigen Stellen...

Ganz liebe Grüße und (wie der Lateiner sagt): Vale!
Isa
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.10.2007, 08:34   #3
Traumwächterin
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 112


huhu Fussballerin :-)


also, wirklich, man kann sich ja echt mal anstellen, bist du vielleicht pingelig!

*lach*
ach, was Scherz, war sogar sehr froh über deine Kritik; fand sie auch gar nicht zu harsch. Da waren ja auch einige verbesserungswürdige Stellen in der Geschichte und ich bin dankbar, dass du mich darauf hingewiesen hast. Ich meine mit so einer Kritik kann ich wenigstens, was anfangen, als wenn du jetzt nur gesagt hättest "tolle Geschichte" - bringt mich ja nicht weiter. Hab dahin gehend jetzt Verbesserungen vorgenommen.

1. Habe die Hölle gestrichen - und den Teufel auch. Heißt jetzt "Unterwelt" und "Hades", was vl. historisch etwas mehr in den Rahmen passt.

2. Jaaa, das mit den Patriziern habe ich gelassen. Liegt daran, dass es ja ein personeller Erzähler ist. Die Geschichte ist ja aus der Sicht Neas geschildert, insofern blendet sie schon alle anderen Leute aus, als die, die sie sehen will. Wenn ich mich so in sie hineindenke, kann ich mir das recht gut vorstellen. Ich meine, sie wird schon eine Art von Gerechtigkeit gespürt haben, als sie gesehen hat, wie selbst die Reichen auf diesselbe Art untergehen müssen wie sie. Insofern hat sie natürlich diese besonders im Blick gehabt; zumal sie ja auch einen gewissen Hass gegen sie gehabt haben wird. Deswegen finde ich es nicht schlimm, dass wenn sich ihr Blick auf diese konzentriert hat, sich auch die Erzählung/der Blickwinkel danach richtet.
Ist aber Geschmackssache, schätze ich.

3. Das Ende hab ich ganz geändert. Hatte das etwas falsch interpretiert. Da stand, dass Plinius zum Golf gefahren ist, oder so. Da hab ich ein Boot angenommen, hab aber noch mal recherchiert und mir den Brief von Plinius dem Jüngeren durchgelesen. Habs jetzt korrigiert. Jetzt muss Nea eben auch bei Stabiae sterben *mag Stabiae nicht (beinhaltet doofe Villen, die gemeiner Weise zu hatten und mich von einer zur nächsten haben laufen lassen, sowas hinterhältiges)*
Hätte nicht gedacht, dass jemand mit so historisch fundiertem Wissen die Geschichte lesen würde *g*

5. Ich hoffe die Geschichte gefällt dir jetzt besser :-)


lieber Gruß
Traumi
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Alt 05.10.2007, 09:36   #4
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279


Ja, das gefällt mir gleich viel besser... Jetzt ist eine runde Sache daraus geworden! Herzlichen Glückwunsch!
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