Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Gedichte-Forum > Gefühlte Momente und Emotionen

Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 28.07.2007, 14:04   #1
Antares
Gast
 
Beiträge: n/a

Standard Mater mundi

Am Wiesengrunde, am rauschenden Bach,
Bei Hamadryaden, unter Iuppiters Dach,
Da sitzet der Jüngling, des Lebens voll,
In kindlicher Freude, er hegt keinen Groll.

Da naht sich dem Kinde mit liebendem Blick
Die Mutter, sie kommet mit leichtem Schritt.
Sie reicht ihm die zarte, rosigte Hand,
Auf dass sie ihn führe ins andere Land.

Noch einmal blicket der Jüngling umher,
Und weiß, dass er siehet die Sonne nie mehr,
Und weiß dass er nimmer wird spielen im Hain,
Dass bald wird zergehen sein irdisches Sein.

Er blicket voll Tränen zur Mutter hinauf,
Durch Rührung zu hemmen den ewigen Lauf.
Sie streichelt ihm sanft übers Haar und spricht:
„So fürchte nicht ein strafend Gericht.“

Und er gibt der Mutter voll Hoffnung die Hand,
Damit sie nun trenne des Lebens Band.
In Liebe ummantelt er sinket nieder
Und schließet die Augen und rührt sich nie wieder.
(Versmaß: Vierhebige Verse, iambisch, anapästisch)
  Mit Zitat antworten
Alt 28.07.2007, 14:49   #2
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279

Hallo Antares,
das ist ja mal was... Es liest sich angenehm... und es kommt sehr schön altmodisch daher, was super zu der Aussage passt. Erinnert mich irgendwie an Schillers Balladen...
Mir gefällt's irgendwie. Ohne jetzt genau sage zu können, warum. Es kommt so schön harmlos daher und birgt eine bitterböse Pointe, ich glaube, das ist, was mit gefällt.
Aber was hat denn bitte der Titel damit zu tun. "Mater mundi"... Mutter der Welt. Was hat das mit einer Mutter zu tun, die ihr Kind umbringt?!?!?

Ich bitte um Erklärung...
Gruß, Isa
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.07.2007, 17:01   #3
Antares
Gast
 
Beiträge: n/a

Hallo Isa,

es freut mich sehr, wenn es Dir gefällt. :-) Ich habe es bewusst ein wenig "altmodisch" versucht.

Die Intention des Gedichts ist die folgende: An der Oberfläche sieht es so aus, als würde eine Mutter ihr Kind umbringen. Mit "mater mundi", die ich versucht habe darzustellen, ist nicht die normale Mutter des Kindes, sondern die Mutter als Naturprinzip gemeint, die Leben gibt und wieder nimmt, eine Art Weltseele also, das mütterliche Prinzip in dieser Welt. Im Faust II reist Faust zu den Müttern herab. So eine Mutter wollte ich hier darstellen.

Die "Mutter" in diesem Falle ist der Tod. Im Gegensatz zum christlichen Sensenmann, der als Tod kommt, erscheint hier die liebende Mutter mit rosigten Händen, die ihr Kind (das ist der Mensch im Allgemeinen) mit liebendem BLick ansieht, es an der Hand nimmt und in ein anderes Land (das Jenseits) führt.

Das Kind (der Mensch) empfindet Angst wegen der Befürchtung eines jüngsten Gerichts im Sinne des christlichen Glaubens. Die Mutter meint mit "So fürchte nicht ein christlich Gericht", dass es dieses nicht gibt, dass es kein Verurteilen nach dem Tode gibt, dass es keinen strafenden Gott gibt, sondern ausschließlich das Prinzip der Liebe (auch im Tod), womit folglich kein Grund zur Furcht bestehen braucht, obwohl im Tod natürlich Wehmut mitschwingt.

Liebe Grüße

Antares
  Mit Zitat antworten
Alt 28.07.2007, 23:19   #4
Jeanny
 
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 660

Standard RE: Mater mundi

Hallo Antares,
hab erst nicht so genau verstanden, wieso die liebende Mutter ihr
Kind umbringen will...
Hab dann die Kommentare gelesen und beim nochmaligen Lesen des Gedichtes habe ich dann Einfachheit und reines Sein in mir erlebt.
Der Tod gehört zum Leben dazu und Du hast es versucht in angemessene Worte zu packen.
Wie gesagt, erst hab ich es nicht verstanden...
Mittlerweile gefällt es mir gut weil es irgendwie einen altertümlichen Stil ausdrückt und ausdrückt,was es ausdrücken soll.
Liebe Grüße Jeanny
Jeanny ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.07.2007, 00:20   #5
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279

Ich bin beeindruckt... Das ist gut, wirklich gut! Und deine Hintergedanken machen das Ganze nochmal besser... Echt, jetzt verschlägt es mir die Sprache!
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.07.2007, 00:54   #6
evilsuperbitch
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 1.073

hi antares,

ich kann mich meinen vorrednern nicht anschließen. - es erinnert an die western-filme der deutschen und franzosen, die eher western zitieren, im wunsch, echte atmosphäre erzeugen zu wollen, statt, wie es gute western der amis tun, das land und die weite und die zeit erleben zu lassen. auch hier hängt das gedicht einer ästhetik an, die, als sie noch nicht altbacken war, ehrlich sein konnte und musste, gefüllt gefühlt und tatsächlich intuitiv verstanden wurde, nicht nur ein hineinversetzen, ein wieder(herauf)holen erforderte. die sprache hat sich verändert, der mensch mit ihr. der mensch, der in unserer zeit diese sprache wie einen vertrockneten leichnam wieder zum leben erwecken will, spielt nur dr. frankenstein. und erzeugt nichts lebendiges, sondern den schein davon, eine hülse, für manche ein poesie-placebo. diese ein wenig "altmodische" sprache kann nicht echt sein. somit nicht ehrlich. wenn sie nicht ironisch aufgearbeitet, gebrochen wird. das wird sie hier nicht. das scheinbar handwerklich gelungene ist hier nur großer unfug.

gruß. esb.
evilsuperbitch ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.07.2007, 01:21   #7
Antares
Gast
 
Beiträge: n/a

Hallo evilsuperbitch,

ich denke (vielmehr weiß ich es sogar), ich habe das, was ich geschrieben habe, ehrlich gemeint. Ob etwas authentisch ist oder nicht, hängt m. E. nicht mit der verwendeten Sprache zusammen. Man könnte beispielsweise völlig ehrlich gemeinte Gedichte in lateinischer Sprache schreiben. Und es gibt tatsächlich Leute, die das tun. Weil die Sprache nicht mehr gesprochen wird, wird der Autor deswegen aber nicht gleich zum Heuchler. Ich habe mich viel mit der sog "altmodischen" Dichtung vor der absoluten Metapher auseinandergesetzt. Mir gibt diese Dichtung mehr als die moderne - auch hier ist das meine persönliche Meinung, jeder darf seine eigene haben. Es kommt darauf an, dass der Autor sich in seiner Sprache zu Hause fühlt, es kommt nicht darauf an, dass er sich an einen allgemeinen Geschmack richtet. Ich fühle mich in dieser Sprache heimisch, Du in der Deinigen, was auch völlig ok ist.

Das Innere macht, denke ich, die Wahrheit eines Gedichts aus, nicht das Äußere. Es gibt verschiedene Auffassungen davon, was ein Gedicht ist, und wie die Sprache sein sollte, die ein Gedicht hat. Früher gab es Opitz, Gottsched, Boileau und wie sie alle heißen, die Dichtungsnormen vorgeschrieben haben. Diese Regeln hat man in manchen Zeiten konsequent aufgebrochen, was auch gut ist, was aber nicht heißt, dass Regelungen in der Dichtung strikt verboten wären oder völlig obsolet wären.

Ich glaube, man darf heuzutage die Moderne ein wenig überwinden und auch mal ältere Formen ausprobieren, obwohl ich weiß, dass das hier nicht so gerne gesehen ist. Erlaubt sollte aber in jedem Fall mehr sein, als abgelutschte Metaphern um ihrer selbst willen zu verwenden, die der Autor nicht einmal versteht, oder mehr erlaubt als immer nur die gleiche Sprachzertrümmerung anzuwenden. Denn manche steigern sich in ihre Metaphern und Bildern hinein und machen das Gedicht damit völlig unklar und konfus und müssten mit dem Gedicht sogleich einen Übersetzer mitliefern. Das ist mal, finde ich, interessant, aber auch das sind Trends, die manche teilen, manche wieder nicht. Und es muss auch legitim sein, manchen Trends nicht zu folgen. Es gibt ja auch Leute, die ziehen keine Levis501 an, weil die alle anhaben. Ich möchte hier nicht gegen die Metapher und die Sprachzertrümmerung reden, aber die Stilistik kennt hunderte Stilmittel, nicht nur dieses zwei. Die so gerne verwendete Sprachzertrümmerung hängt ja mit einer gewissen Welterfahrung zu einer bestimmten Zeit zusammen, die nicht jeder zu jeder Zeit so teilen muss. Man muss die Welterfahrung aus der Zeit heraus verstehen, erst dann sollte man so etwas wie Sprachzertrümmerung verwenden.

Es handelt sich ja, wie mir scheint, um eine Grundsatzfrage. Jeder hat hier eine andere Ansicht. Du hast in dieser Grundsatzfrage deine Auffassung, die ich natürlich akzeptiere, ich habe meine, auch wenn Dir mit dem Ausdruck "großer Unfug" sehr an der Provokation gelegen ist - aber das ist ok. Auch hier gilt wieder: suum cuique.

Um nachvollziehen zu können, ob jemand etwas ehrlich gemeint hat, muss man mehr sehen als nur die Worte - dem Farrellen bleibt dieser Blick jedoch verschlossen.

P.S.: Übrigens war Schiller zu seiner Zeit - auch was das Sprachliche anbelangte - auch nicht mehr ganz so "up to date". Es gab damals Tausende Leute, die Gedichte geschrieben haben, nur wenige haben eine derartige Sprache verwendet, wie z. B. Schiller das tat. Er wendet sich bewusst einer "altmodischen" Sprache zu, weil er damit etwas sagen möchte. Der Großteil der Autoren damals schrieb anders, der Großteil schrieb moderner. Aber es gibt, denke ich, kaum einen Dichter, der so ehrlich geschrieben hat, wie Schiller es tat. Auch in der Musik: Mozart hat in einer seiner Schaffensperioden wie Bach geschrieben. Er hat sich mit Bach auseinandergesetzt, in lieben gelernt und das Gefühl für dessen Kunst aufrichtig in Musik verarbeitet. Bach war zu Lebzeiten schon altmodisch und zu Mozarts Zeiten noch viel mehr. Auch Bach und Mozart haben jedoch ehrlich komponiert. (Ich möchte mich hier mit niemanden der Genannten vergleichen, mir geht es ausschließlich um die Ästhetik, die nicht so fest ist, wie mancher das meint.)

Nichts für ungut
Dr. Frankenstein.
  Mit Zitat antworten
Alt 29.07.2007, 12:34   #8
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279

Schön gesagt, Antares, ich hätte das gleiche erwidert...
Warum muss moderne Lyrik immer etwas Neues bergen?!? Was spricht gegen deinen Stil... Es kann doch nicht sein, dass Lyrik von heute nur noch aus Wortfetzen und ein paar hingeworfenen Brocken besteht... Du, esb, hast einen sehr interessanten eigenen Stil, der sich in der Tat total von Antares' unterscheidet. Wo ist denn dein Problem? Du kannst mir das mit dem nicht ernst Gemeinten irgendwie nicht verkaufen. Ich verstehe es nicht und teile deine Meinung auch nicht. Obwohl ich fasziniert von deinen Ausführungen war!

Antares, eine Frage, warum hat Mozart wie Bach geschrieben? Das wäre mir aber neu...

Gruß, Isa
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.07.2007, 14:14   #9
Arno
 
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 224

Standard RE: Mater mundi

Zitat:
Original von Antares
Und er blicket voll Tränen zur Mutter hinauf,
Um durch Rührung zu hemmen den ewigen Lauf.
Sie streichelt ihm sanft übers Haar und spricht:
„So fürchte nicht ein christlich Gericht.“

Und er gibt der Mutter voll Hoffnung die Hand,
Damit sie nun trenne des Lebens Band.
In Liebe ummantelt er sinket nieder
Und schließet die Augen und rührt sich nie wieder.

(Versmaß: Vierhebige Verse, iambisch, anapästisch)
Hallo Antares. Das Gedicht ist dir handwerklich gut gelungen.
Daher, denke ich, dass der konventionelle Inhalt auch verzeihlich ist,
wobei es mir persönlich etwas zu pathetisch klingt.

Zwei Verse sind metrisch nicht ganz korrekt:

Und er blicket voll Tränen zur Mutter hinauf,
Um durch Rührung zu hemmen den ewigen Lauf.
Sie streichelt ihm sanft übers Haar und spricht:
„So fürchte nicht ein christlich Gericht.“

In den Z. 1 u. 2 müsste das "Und" und "Um" am Anfang gestrichen werden:


Er blicket voll Tränen zur Mutter hinauf,
durch Rührung zu hemmen den ewigen Lauf.
Sie streichelt ihm sanft übers Haar und spricht:
„So fürchte nicht ein christlich Gericht.“
Arno ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.07.2007, 14:17   #10
Antares
Gast
 
Beiträge: n/a

Hallo Isa,

natürlich hat Mozart seinen eigenen Stil und unterscheidet sich eklatant von Bach. Er hat sich jedoch in den 80er Jahren mit Bach auseinandergesetzt, besonders mit der Polyphonie und seinem Kontrapunkt und war von ihm begeistert und hat einige wenige Werke im Stil Bachs geschrieben (eigene Fugen, Bearbeitungen aus dem Wohltemperierten Klavier etc.) Ansonsten hat Mozart, wie gesagt, natürlich seinen eigenen Stil.

LG

Antares


An Arno:

Danke für den Hinweis. Das waren die einzigen beiden Verse, die mit einem Anapäst beginnen, die anderen haben eine unbetonte Silbe zu Beginn. Ich habe es entsprechend Deinem Vorschlag abgeändert.
  Mit Zitat antworten
Alt 29.07.2007, 15:18   #11
Arno
 
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 224

Zitat:
Original von Antares

Danke für den Hinweis. Das waren die einzigen beiden Verse, die mit einem Anapäst beginnen, die anderen haben eine unbetonte Silbe zu Beginn. Ich habe es entsprechend Deinem Vorschlag abgeändert.
Ja, so ist es stimmiger, denn jetzt beginnt jede Zeile mit 1 unbetonten Silbe (=auftaktig), darauf folgt eine betonte S.
Arno ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.07.2007, 20:17   #12
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279

Ja, da hast du recht. Jetzt habe ich verstanden, was du meinst... Ich hatte es erst anders verstanden. In sofern ist dieses Beispiel gut, um deine (und meine) Sicht der Dinge zu unterstützen!
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Mater mundi

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche



Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.