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Alt 18.11.2005, 01:15   #1
a.tom.kraft.werk
 
Dabei seit: 11/2005
Beiträge: 2


Standard Helga (FSK18)

Helga

Bald fing es mächtig an zu stinken. Es lag nicht an den Büchsen Fisch, die wir einen Tag zuvor verdrückt hatten, an den Geruch hatten wir uns längst gewöhnt. Es roch irgendwie, als hätte jemand einen riesigen Haufen Hundekacke in unser Wohnzimmer getragen und die Scheiße voller Hingabe auf unserem Teppich verteilt. Wir kümmerten uns nicht weiter drum, rissen vier Fenster auf, verließen die Wohnung und schlossen die Tür ab, in dem Wissen, der Gestank würde so schnell sicher nicht verfliegen.

Wir nahmen uns ein Hotelzimmer in der Stadt. Gar nicht mal so preiswert, obwohl es nicht gerade das beste Haus am Platz war. Wir machten nichts anderes, als im Bett zu liegen; zu reden, zu trinken, zu rauchen. Und zu ficken. Immer wieder, wenn uns gerade danach war. Manchmal kamen wir tagelang nicht aus dem Bett, nur zum Pissen und Kacken (sofern wir überhaupt was gegessen hatten). Unsere Körper klebten vom Schweiß zusammen. Und unten steckten sie ineinander.

Wir kochten auf dem Zimmer mit einem kleinen Gasbrenner, den wir zuvor in einem Laden für Campingbedarf gekauft hatten. Mit dem verschwenderischen Vorrat an Konservendosen versuchten wir, den Eiffelturm nachzubauen. Und wir hatten die Etiketten entfernt. Wegen der Überraschung. Aber wenn man nicht weiß, was drin sein soll, kommt man beim besten Willen nicht drauf, was man da isst. Und wenn man dann anfängt, genauer drüber nachzudenken, kommt einem sowieso alles wieder hoch und man hängt über dem Klobecken.

An manchen Tagen schrieben wir uns gegenseitig schmalzige Gedichte und gingen dann gemeinsam zur Kloschüssel. (Wir gaben ihr den Namen Helga). Oder wir versuchten, völlig inhaltsleeren Schwachsinn ernsthaft und pathetisch vorzutragen, bis uns vor Lachen alles wehtat. Und dann fickten wir wieder. Wir fickten die ganze Zeit, bis die Kreditkarte gesperrt wurde und sie uns aus dem Hotel warfen.

Wir kehrten zurück in die Wohnung. Es stank nicht mehr so. Die Scheiße war mittlerweile festgetrocknet und glich einer breit getretenen, überlegen grinsenden Fratze. Wir rissen den Teppichboden raus und warfen ihn auf die Straße. Unten standen ein paar Passanten, oder vielleicht auch Nachbarn, und schauten zu uns hoch. Wir winkten ihnen und hielten unsere nackten Ärsche aus dem Fenster. Dann zogen wir die Vorhänge zu und gingen wieder ins Bett.
a.tom.kraft.werk ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.11.2005, 01:26   #2
weiblich ravna
 
Benutzerbild von ravna
 
Dabei seit: 04/2005
Ort: Berlin
Alter: 37
Beiträge: 732


berauscht mich nicht so wirklich. und immer nur ficken.
ravna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.11.2005, 01:32   #3
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520


Pff. Ähm. Ja. Kompromisslos. Ja. Ähm. Pff.

Ich sag mal: Das Verderbte hat seine eigene Ästhetik.
tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.11.2005, 01:32   #4
Bluestar
 
Dabei seit: 04/2005
Ort: Chicago
Alter: 42
Beiträge: 155


Ich hab sogar einmal gelacht an der Stelle, an der die Kloschüssel ihren Namen bekam.

Ansonsten...nein, mir gefällt es persönlich nicht so gut, sorry.

Blue
Bluestar ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.11.2005, 01:47   #5
a.tom.kraft.werk
 
Dabei seit: 11/2005
Beiträge: 2


Nun, Texte sind und bleiben Geschmackssache und auch ihr dürft natürlich eure (diese) Meinung(en) haben. Uns gefällt er jedenfalls, aber Eltern sehen ihre eigenen Kinder ja immer anders.

@ravna: Ja, dieses Wort mag etwas oft vorkommen, aber nicht ohne Grund. Es ist auch sicher keiner dieser Texte, die beim ersten/oberflächlichen Lesen ihre wahre und wirkliche Aussage entfalten. Das "ficken" ist in diesem Zusammenhang ein Wort von nicht zu unterschätzender Bedeutung. In anderem Gebrauch und ohne eine gewisse Tiefe und Hintergründigkeit mag eine Anhäufung überflüssig erscheinen. Wir behaupten aber, dass das hier nicht der Fall ist.

@tagedieb: Auch dieser Stil ist nur ein Mittel, das seinen Zweck kompromisslos erfüllt.

@ blue: Ja. Und die Stelle ist nicht nur zum Lachen geeignet.


Danke für eure Meinungen.
Grüße, [a.tom.kraft.werk]
a.tom.kraft.werk ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.11.2005, 01:48   #6
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520


Wobei sich die Frage stellt inwieweit wir uns durch den Inhalt vom Künstlerischen ablenken lassen. Hier gewinnt das Anti-Bürgerliche eine Dimension - Holla! A.Tom. Voran!
tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.11.2005, 07:02   #7
Latraviata
 
Dabei seit: 06/2005
Beiträge: 67


erinnert halt etwas an diese 68-Generations-Literatur, irgendwie... Naja, passt scho, is net mei Stil, aber mich stört jetzt nicht die ständige Fickerei (lol), sondern eher die durcheghende Verwendung von Fäkaliensprache... is halt nicht so ganz mein Stil...
Latraviata ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.12.2005, 16:59   #8
TobiL.
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 280


Hast du die Geschichte über mich geschrieben? 8)
TobiL. ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.01.2006, 01:01   #9
Cee
 
Dabei seit: 01/2006
Beiträge: 4


Erinnert mich irgendwie an Charles Bukowski
Ich finde, der Text ist gut und interessant geschrieben, jedoch wärs mit etwas mehr Sarkasmus und Abgedrehtheit lustiger, find ich.
Cee ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.01.2006, 01:26   #10
Alpha
 
Dabei seit: 11/2004
Beiträge: 312


@ Tobi: "WIR" heißt das ... resp. "ihr"

@ Cee: mehr ist nicht unbedingt immer besser. aber danke für deine meinung )
Alpha ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.01.2006, 16:41   #11
darkjoghurt
 
Dabei seit: 11/2005
Beiträge: 216


ich hab's ja schon mal angemerkt: rührt mich sehr.
darkjoghurt ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.03.2006, 00:34   #12
Belgarath
Gast
 
Beiträge: n/a

Standard Du hast nicht Unrecht Latraviata

die 68er Generation, zu der ich ja auch gehöre, hatte schon teilweise sehr merkwürdige Bezugspunkte in der Literatur, besonders in der Underground und Anarcho Literatur.
Auch die Anlehnung an Charles Bukowski ist nicht falsch, aber dennoch hat dieser Text keine Klasse, denn er vermittelt den Eindruck von gewolltem Fäkalspiel, wirkt zwischen den Zeilen künstlich, obwohl gute Ansätze drin sind. Dass diese Zeiten der Fäkalliteratur eines Charles Bukowski vorbei sind, ist für mich kein Argument, auch nicht, dass es nicht mein oder anderer Ding ist. Aber selbst Bukowski konnte wirklich hervorragend schreiben, war nie betrunken genug, um nicht ohne richtige Zeichensetzung zu schreiben, und mit einer Textstruktur, die dem Inhalt entsprach. ich erinnere hier nur an "Kaputt in Hollywood" und "Fuck-Maschine". Charly war zwar ein Meister des schlechten Geschmacks, aber das sehr durchdacht und stilvoll und authentisch. Wenn man ihn wie ich mal auf einer Lesung erlebt hat, dann kann man das besser beurteilen. Ich habe immer noch 3 Bücher von ihm und ihn früher viel gelesen. Auch daher kann ich etwas einschätzen, was den obigen Text betrifft.
Wahrscheinlich ist es nicht objektiv, aber auf mich wirkt dieser Text gemacht, nicht gefühlt, nicht gelebt und geschrieben...
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