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Alt 08.07.2012, 18:05   #34
männlich Brutha
 
Dabei seit: 06/2012
Ort: Wien
Alter: 37
Beiträge: 99


Servus,

sehr interessant das hier komplett am Thema bzw. Kritiken und Verbesserungen vorbei geredet wird. Wenn ihr euch über den Verfall des Lehrplanes und der deutschen Sprache unterhalten wollte, dann bitte wo anders. Es ist dem Autor gegenüber nicht fair und man sollte doch soviel Respekt vor dem Geschriebenen haben, dass man gewisse Themen nicht zu tief bespricht. Ganz gleich ob einem das Geschriebene nun zusagt oder nicht.

mfg.

Brutha
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Alt 08.07.2012, 18:06   #35
Thing
R.I.P.
 
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998


Stimmt.
Ich eröffne einen neuen Thread.
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Alt 10.07.2012, 01:55   #36
Reisender
 
Dabei seit: 12/2011
Alter: 33
Beiträge: 42


Und mal wieder ontopic.
Teil 1 überarbeitet + Teil 2
Und alles sogar ordentlich mit Absätzen

Zitat:
Zeit zu vergessen.

Schrill klingelte der Wecker. Laura schob genervt die Decke zur Seite und blickte auf die Anzeige. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?

Laura war 24 Jahre alt. Die junge Frau stand kurz davor, eine diplomierte Landschaftsarchitektin zu werden. Niemand zweifelte daran, dass sie in 3 Monaten ihr Diplom in den Händen halten würde, obgleich ihre Eltern und ihre Freunde insgeheim davon ausgingen, dass ihre Abschlussnote bestenfalls gut werden würde.

Laura war ihre Abschlussnote relativ egal. Das missverstanden ihre Freunde vielleicht als Faulheit, oder mangelnde Zielstrebigkeit. Eigentlich hatte Laura nie studieren wollen. Sie liebte Blumen und ihr gefiel der Gedanke, für andere Menschen einen Ort zu schaffen, an dem sie sich wohlfühlen konnten. Einen Ort an dem sie glücklich sein konnten.

An ihrem Studium war hauptsächlich ihre Mutter schuld. Immer wieder hatte sie ihrer Tochter vor Augen geführt, dass sie sich einen Beruf suchen sollte, der ihr Aufstiegschancen ermöglichte und der sie materiell versorgen konnte. Oft hatte es deswegen Streit gegeben. "Es muss ja auch was bei 'rum kommen", pflegte ihre Mutter dann immer zu sagen.

Es war kurz vor sieben Uhr. Laura hatte geduscht, gefrühstückt und stand nun mit ihrem schweren Rucksack beladen an der Straße und wartete auf das Taxi, dass sie zum Bahnhof bringen sollte.

Dass sie an dem ersten Tag ihrer Ferien bereits so früh auf den Beinen war, lag an ihrer besten Freundin Julia. Diese hatte sie bekniet, ihre Diplomarbeit nicht in der winzigen Dachgeschosswohnung zu schreiben, die Laura zu Beginn ihres Studiums angemietet hatte. Stattdessen hatte ihre beste Freundin ihr den Rat gegeben, irgendwo hinzufahren. Das sollte ihr einerseits die notwendige kreative Inspiration geben, andererseits sollte Laura sich erholen, was sie nach Meinung ihrer besten
Freundin bitter nötig hatte.

Laura wäre lieber zuhause geblieben. "Zuhause", das war ein merkwürdiger Gedanke. Oft hatte sie sich gefragt, ob sie die Wohnung im 4. Stock des unscheinbaren Neubaus als ihr Zuhause ansehen sollte. Zwar war es immer ein schönes Gefühl, wenn sie ihre Eltern besuchte und in ihrem alten Zimmer schlief, dass ihre Eltern seit sie ausgezogen war, so gelassen hatten, wie es ihre Tochter hinterlassen hatte, doch es war ihr altes Zimmer. Das war nicht mehr ihr Leben. Laura wusste, das sie die Zeit nicht mehr zurückdrehen konnte.

Sie sah für ihr Alter noch sehr jung aus. Ihr schulterlanges blondes Haar trug sie meist offen. Sie war weder klein und dick, noch groß und dünn. Ihre beste Freundin versicherte immer wieder, dass sie Laura wahnsinnig hübsch fand, doch das sah Laura anders. Sie war sich sicher, dass sie von den meisten Menschen nicht beachtet wurde. Sie fand, dass sie einfach ganz normal war. In jeder Hinsicht nichts besonderes.

Die junge Frau zog den Kragen ihrer Jacke noch ein Stückchen höher und die Kapuze ihrer blauen Regenjacke noch ein wenig mehr über die Stirn.
Warum nur stehe ich hier in der Kälte, im Regen, frage sie sich und nahm sich fest vor in spätestens 2 Minuten wieder ins Haus zu gehen.

Der Tag, an dem sie zum ersten mal die Universität betreten hatte, war mindestens ganuso grau und verregnet. Das riesige Gebäude flößte ihr tiefen Respekt ein, und als sie in dem großen Vorlesungssaal saß, da spürte sie eine unbestimmte Angst. Dieses Gefühl kannte sie sehr gut.

Und dann kam Julia. Der Professor hatte bereits die Tür geschlossen, als die junge Frau hektisch den Raum betrat. Unter den einen Arm hatte sie einen Stapel Bücher geklemmt. In der anderen Hand trug sie einen Becher Kaffee und einen
Rucksack, dessen Reißverschluss offensichtlich kaputt war.

Überschwänglich
entschuldigte sie sich bei dem Professor und begann zu erzählen, wie sie erst ihren Wecker überhört hatte, dann in den falschen Bus eingestiegen war und wie
schließlich ihr Rucksack kaputt gegangen war. Der Professor winkte genervt ab. "Ist ja nicht so schlimm", sagte er mit verkniffenem Blick, "Suchen sie sich einfach einen freien Platz". Damit war für ihn die Angelegenheit erledigt.

Doch Julia legte jetzt erst richtig los. Sie bedankte sich und mit einer ungeschickten Bewegung schüttete sie dem Professor eine ordentliche Portion Kaffee über dessen Sakko Entsetzt entschuldigte sie sich und versuchte verzweifelt mit einem Taschentuch die Jacke zu säubern. Der Professor war sichtlich genervt. "Danke, das mache ich dann schon sauber. Würden sie sich jetzt bitte setzten?", bat, vielmehr flehte er Julia an.

Julia hatte sich neben Laura gesetzt, obwohl es noch genug andere freie Plätze neben sehr viel cooleren Leuten gab. Doch vielleicht hatte Julia ja den besten Platz ausgewählt.

Jedenfalls waren die beiden seit diesem Tag unzertrennlich. Es war, als kannten sich die beiden schon immer. Und Laura war glücklich, so eine tolle Freundin gefunden zu haben.

Denn Julia konnte nicht nur den Clown spielen, lachen und im Mittelpunkt stehen, man konnte mit Julia reden, sie hörte zu und manchmal stellten die beiden überrascht fest, dass sie eigentlich nur mal kurz "Hallo" sagen wollten, jedoch bis zum frühen morgen telefoniert hatten.

Doch jetzt hätte Laura ihre beste Freundin umbringen können. Sie wartete auf ihr Taxi. Und es regnete in Strömen.

Laura hatte die Frau, die sich unter der Taxihotline gemeldet hatte gefragt, wie lange das Taxi brauchen würde. 10 Minuten hatte die Frau erwidert und ihre Versicherung hatte geklungen, wie das Versprechen eines Moderators in einer dieser Dauerwerbesendungen. "Mit dieser Küchenmaschine können sie schneiden, hacken, Staubsaugen, Radio hören und mit dem speziellen Spezialaufsatz, der selbstverständlich im Lieferumfang enthalten ist auch noch Rasen mähen. Fest versprochen.

Seit einer geschlagenen halben Stunde stand Laura nun im Regen und ihre Laune schwand von Minute zu Minute. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen.

Und dann kam das Taxi. Laura überlegte kurz, umzudrehen, zurück in ihre Wohnung zu gehen, sich ins Bett zu legen und darauf zu hoffen, dass das alles nur ein böser Traum war.

Das Taxi war ein Oldtimer. Am Steuer saß ein junger Mann, mit langem schwarzen Haar, dass er zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte. Das ganze Taxi war geschmückt mit bunten Teppichen und allerlei glänzendem Zeug, dessen Funktion oder tieferer Sinn für Laura ein unlösbares Rätsel blieb.

"Guten Tag, schönes Mädchen, wo bitte ich darf hinbringen", begrüßte sie der Mann überschwänglich und zeigte ihr dabei sein mit allerlei Edelmetall repariertes Gebiss.

"Zum Hauptbahnhof bitte", entgegnete Laura und hoffte, dass sich damit das Thema erledigt hatte. Doch nachdem der Mann den Rucksack im Kofferraum verstaut hatte und sich hinter das Steuer gesetzt hatte ging es erst richtig los.

Während der Fahrt, die ungefähr 25 Minuten dauerte, erfuhr Laura, dass der Man Achmut hieß, aus Usbekistan kam, drei Brüder hatte, vor 2 Jahren nach Deutschland gekommen war, dass ihm das Taxi nicht gehörte, sondern dass er nur angestellt war, und dass Achmut verheiratet war, jedoch noch nie eine so schöne Frau wie Laura gesehen hatte.

Als sie nun am Bahnsteig stand, war sie auch davon überzeugt, dass sie dringend Erholung benötigte. Sogar sehr dringend.

"Sehr geehrte Reisende, der Interregio aus Hamburg, nach Schwerin, über Hamburg Altona, Wismar, Altendorf hat eine Stunde Verspätung. Wir bitten um Entschuldigung.

"Toll", dachte Laura. "Ganz toll. Ich entschuldige nicht."

Sie wollte schon den Bahnhof verlassen, um in ihrem gemütlichen Bett noch zwei bis drei Stunden Schlaf nachzuholen, als ihr einfiel, dass sie ihre Unterkunft bereits im voraus bezahlt hatte. Also hieß es warten.

Auf der einzigen Bank auf dem Bahnsteig hatte es sich ein älterer Mann mit grauen Haaren und ebenso grauem Bart bequem gemacht. Das lautstarke Schnarchen und die drei Wodkaflaschen, die neben ihm standen deuteten darauf hin, dass er wohl nicht vor hatte zu verreisen, sondern seine aktuelle Unterkunft wohl noch eine Weile nutzen wollte. Und dabei wollte ihn Laura auf keinen Fall stören.

So beschloss die junge Frau zum Snackautomaten zu gehen und sich etwas zu essen zu kaufen.

Die Automaten, die man nicht nur an Bahnsteigen findet sind eigentlich recht einfach. Man wirft oben eine Münze ein, drückt einen Knopf, damit der Kasten weiß, was man haben möchte, dann klappert es und man kann seinen Kauf hinter einer schweren Metallklappe hervorholen, wobei man sich zumeist die Finger einklemmt. Doch immerhin muss man nun nicht mehr verhungern, oder verdursten.

Laura gehörte zu den Menschen, die nicht viel mit Technik anfangen konnte. Sie war froh, wenn ihr kleiner Computer das tat, was sie von ihm wollte, was selten genug vorkam.

Für genau solche Kunden verfügte der Automat über eine praktische Hilfe. Einen kleinen Display, der zur besseren Ablesbarkeit mit blauem Licht hinterlegt war.

"Guten Tag", stand da in weißer Schrift. "Natürlich", dachte Laura, "Sonst noch was?" "Bitte werfen Sie den Betrag passend ein und wählen Sie anschließend Ihr Produkt." Laura überlegte kurz, warf dann einen Euro in den Automaten und drückte dann eine Taste, auf der die Zahl 3 zu sehen war. Die gleiche Zahl stand auch unter einem Stapel mit Schokoriegeln, der im obersten Fach hinter dem Schaufenster des Automaten lag. Die Studentin hatte nun angenommen, dass sie den Riegel gekauft hatte. Doch weit gefehlt.

Auf dem Display erschien eine neue Meldung. "Guthaben: 0,80 Euro. Bitte zahlen Sie: 0,20 Euro." Laura blickte verwundert auf das Schild. Dort stand eindeutig "1 Euro", was eigentlich für einen Schokoriegel ziemlich teuer war. Sie hatte eine Münze in den Automaten gesteckt. Und da sie sich doch recht sicher war, dass sie in ihrem Portmonee keine 80 Cent Münze gehabt hatte, konnte hier irgendetwas nicht stimmen. Genervt holte sie eine 20 Cent Münze hervor und warf sie in den Schlitz des Automaten, über dem das Wort Einwurf zu lesen war.

Laura überlegte kurz, wie man eine Münze durch den engen Schlitz werfen konnte, entschied dann aber, dass sie diesen Gedanken zu einem späteren Zeitpunkt zu Ende denken wollte. Der Automat hatte die 20 Cent bekommen und sollte doch nun eigentlich den Riegel ausspucken. Doch eine neue Meldung erschien auf dem Display. Produkt vergriffen.
Bitte wählen Sie ein anderes Produkt.

Kurz davor zu explodieren drückte Laura völlig ruhig eine andere Taste, obwohl ihr nicht klar war, wieso der Riegel, den sie doch deutlich vor sich sah, vergriffen war.

Doch es erschien die gleiche Meldung. Sie probierte noch andere Tasten, doch immer wieder verkündete der Automat, dass das gewünschte Produkt leider vergriffen war.

Musste man sich hier die Snacks bereits im voraus reservieren, fragte sich Laura und drückte die Taste mit der Aufschrift 9. Sie hatte schon erwartet, dass auch dieses Produkt, eine Pappschachtel mit Milch, vergriffen sei, doch diesmal verkündete der Automat, dass die Mechanik defekt sei. Er bat um Entschuldigung und wollte, dass Laura den Kundendienst anrufen sollte.

Das hätte Laura vielleicht sogar getan, einfach nur um jemanden anschreien zu können. Doch der Automat behielt die Nummer des Kundendienstes für sich. Wütend trat Laura mit dem Fuß gegen den Automaten. Und staunte nicht schlecht. Plötzlich drehte sich die Spindel und etwas fiel in das Fach. Eilig befreite Laura den Snack aus seinem Gefängnis.

"Blaubeerkuchen" stand in großen grünen Buchstaben auf rotem Untergrund. "Igit", dachte Laura und verfluchte still die Maschine. Sie hasste Blaubeeren. Die nächste halbe Stunde verbrachte die Studentin damit auf dem Bahnsteig auf und ab zu gehen und sich auszumalen, wie sie ihrer besten Freundin dieses Desaster zurückzahlen würde. Schließlich beschloss sie die Blaubeeren vom Kuchen zu pulen und ein zweites Frühstück einzunehmen.

Mit einem lauten Quietschen rauschte der Zug heran. "Na, auch schon da?", dachte Laura. Der Zug hielt und Laura stieg ein. Sie suchte sich einen freien Platz in einem der letzten Abteile.

Neben ihr saßen noch vier weitere Menschen in dem Abteil. Ein Mann Mitte 30 hatte sich auf einer Bank in der Mitte des Abteil zusammengerollt und schlief, sein rotes Basecap mit dem Aufdruck Super tief in die Stirn gezogen.

Auf dem Platz an der Tür saß ein älterer Herr. Der Mann las Zeitung und blicke ernst auf, als Laura die Tür zum Abteil öffnete.

Auf einem weiteren Platz saß eine unscheinbare kleine Frau, die fortwährend aus dem Fenster stierte und Lauras Anwesenheit in keinster Weise registrierte. Neben der Frau lag ein geflochtener Korb auf dem Sitz. Der Inhalt war durch ein Tuch verdeckt und Laura fragte sich, wieso die Frau so desinteressiert war.

Den Schluss der kleine Gruppe bildete ein junges Mädchen. Sie mochte 13, vielleicht 14 Jahre alt sein. Neben sich hatte sie eine große Reisetasche gestellt. Sie wirkte verängstigt und Laura hatte das Gefühl, dass sich das Mädchen hinter der Tasche regelrecht verschanzt hatte.

Laura steuerte auf einen Platz zu, der von allen anderen ein Stück weit entfernt war. Julias Freundin verstaute ihr Gepäck in den dafür vorgesehenen Fächern. Müde blickte sie durch das Fenster auf den Bahnsteig.

Jemand schüttelte Laura. Langsam erwachte sie. Vor ihr stand ein kleiner gebückter Mann, der sie argwöhnisch ansah. „Ihre Fahrkarte bitte!“, wies er Laura unfreundlich an. Laura zog mürrisch den Fahrschein aus der Tasche, reichte diesen dem Mann und hoffte, dass er schnell weiter gehen würde.

Die folgende Stunden flogen genauso grau, eintönig und monoton dahin, wie die immer gleiche Landschaft, die an dem Zugfenster vorbeizog.

Die Ansage „Nächster Halt, Wismar, Ausstieg in Fahrtrichtung rechts“ schreckte Laura auf. Laut ihrem Zugticket sollte sie in 10 Minuten am Ziel ihrer Reise sein. Laura fragte sich, wie der Ort Altendorf wohl aussah.

Vor drei Tagen hatte Laura im Internet ihr Urlaubsquartier gebucht. Laut der Beschreibung auf der Seite eines Urlaubsportals verfügte die Pension Rand von Altendorf über 8 gemütlich eingerichtet Zimmer, lag ruhig und außerhalb vom touristischen Trubel. Das war genau das, was Laura gesucht hatte. Sie hasste es, am Strand zu liegen und anderen Leuten beim Nichtstun zuzusehen. Auch der Preis von 22€ pro Nacht inklusive dreier Mahlzeiten hatte ihr gefallen und so hatte sie die auf der Seite angegebene Telefonnummer angerufen und mit einer Frau gesprochen, die sich als Frau Brettschneider vorgestellt hatte. Sie hatte das Zimmer gebucht und vereinbart, dass sie am Tag der Anreise den Preis für 2 Wochen bezahlen würde.

Die knarrende Ansage verkündete, dass der Zug demnächst in Altendorf einfahren würde und dass die Reisenden doch bitte in Fahrtrichtung Links aussteigen mögen. Laura stand auf, zog ihre Jacke an und schulterte den Rucksack und begab sie sich an die Tür. Der ältere finster drein blickende Mann, die Frau mit ihrem Korb und das verschüchterte Mädchen folgten ihr.
Laura blickte das Mädchen an. Schüchtern lächelte es und Laura erwiderte das Lächeln.

Mit einem unangenehmen Quietschen fuhr der Zug in den Bahnhof von Altendorf ein. Laura stieg aus und sah sich um. „OK“, dachte sie. So ruhig und abgelegen hätte es dann doch nicht sein müssen.

Der Bahnhof bestand aus einem Bahnsteig und einem Fahrkartenautomaten. Ein wenig enttäuscht machte sich Laura auf den Weg. Der Ort war sehr klein. Es gab ein paar Häuser, eine Kirche und eine Gaststätte. Laura beschloss dort nach dem Weg zu fragen. Außerdem hatte sie Durst und wollte ihren Frust in einem Glas Apfelsaft ertränken.
Sie betrat das Lokal, setzte sich an einen Tisch und kurz darauf kam eine alte Frau. Die Frau trug eine fleckige Schürze und krächzte Laura entgegen, „Sie wünschen?“
Die Studentin gab ihre Bestellung auf und erkundigte sich dann, wie sie zur Pension Brettschneider käme. „Straße runter“, das war alles, was Laura verstand. Die Frau verschwand in einem Nebenraum und bald darauf brachte sie ein Glas mit einer hellbraunen Flüssigkeit. Ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen stellte sie das Glas auf den Tisch und verschwand. Laura trank das Glas schnell aus und da die Frau nirgends zu sehen war legte sie ein 2 Euro Stück auf den Tisch und verließ das Lokal.

„Ein wirklich reizender Ort“, dachte sie. „Was hatte die Frau gesagt? Die Straße runter.“ Nach ungefähr 20 Minuten erreichte sie die Küste. Die Straße machte eine scharfe Kurve und bald darauf konnte Laura ein verrostetes Schild sehen, „Pension Brettschneider“. Sie war also auf dem richtigen Weg, obgleich das Schild ein etwas mulmiges Gefühl in ihr aufsteigen ließ. Da war sie wieder, diese unbestimmte Angst.

Laura kam an eine Kreuzung. Ein weg führte zurück ins Landesinnere, der zweite Weg führte über einen etwa 100 Meter langen befestigten Damm auf eine schmale Landzunge. Nur ein Haus stand leicht erhöht, direkt am Wasser. „Das musste die Pension sein“, dachte Laura und machte sich auf den Weg.

Ihre Unterkunft bestand aus einem herrschaftlichen Haus, das seine besten Tage schon hinter sich hatte. Laura war sich nicht sicher, ob das Haus jemals bessere Tage gesehen hatte. Die Tür war nicht abgeschlossen und Laura betrat das Haus. Vor ihr lag ein langer, düsterer Flur. Rechts stand vor einem Gemälde ein hässlicher kleiner Tisch, auf dem eine Schale stand. Links befand sich eine weitere Tür. Ein Schild wies darauf hin, dass hinter der Tür die Rezeption lag.
Laura klopfte und wurde kurz darauf von Frau Brettschneider begrüßt.

Mit einem großen metallenen Schlüssel in der Hand stieg Laura die steile Holztreppe hinauf ins zweite Stockwerk. Die Inhaberin der Pension hatte ihr den Frühstücksraum gezeigt, ihr erklärt, wann die Mahlzeiten bereitstanden und darauf hingewiesen, dass am Ende des Flures in jedem Stockwerk für die Gäste ein Bad bereitstand.

Während Laura nun die Tür aufschloss, überlegte sie, ob sie nicht sofort abreisen sollte. Gruppenbadezimmer. Wo war sie hier nur gelandet? Erleichtert stellte sie fest, dass in ihrem Zimmer wenigstens nur ein Bett stand.

Sie schmiss ihren Rucksack in eine Ecke und warf sich auf das Bett. „Also, was soll 's“, dachte Laura und stand auf um ihren Rucksack auszupacken.

Eine halbe Stunde später stand ihr Laptop auf dem winzigen Tisch. Ihre Sachen hatte sie ordentlich in den Schrank geräumt. Zum Schluss nahm sie 3 dicke Bücher aus dem Rucksack. Schon das ganze Semester über hatte sich Laura vorgenommen in ihren Ferien mal wieder ein gutes Buch zu lesen. Und so hatte sie, als sie in aller Eile am Abend vor der Abreise gepackt hatte, einen Stapel Bücher in ihren Rucksack verfrachtet.

Ihr Blick fiel auf das Cover des zu oberst liegenden Buches.
„Raum- und Städteplanung – ein Überblick“. Das durfte doch nicht wahr sein.
Laura warf ein Blick auf das Cover des nächsten Buches. „Freie Räume“. „Na toll“, dachte sie, „2 Wochen Urlaub was nehme ich mit, Bücher aus dem ersten Semester“.
Laura nahm sich schon in Gedanken vor, dass sie zuhause als erstes ihren Bücherschrank aufräumen würde. Doch dann fiel ihr Blick auf das letzte Buch. „Paul&Paula“.

Laura hatte die Zeit um sich herum völlig vergessen.
Seit fast zehn Jahren hatte sie das Buch nicht mehr in den Händen gehalten und der Gedanke daran ließ ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Mit zitternden Fingern hatte sie die Seiten aufgeschlagen, hatte die Zeilen verschlungen und sich voll und ganz in die Realität der Geschichte begeben.

Laura hatte sich fest geschworen, dieses Buch nie wieder in die Hand zu nehmen. Und jetzt da es vor ihr lag war ihr, als stünde ein Henker vor ihr, der ihr im nächsten Moment den Kopf abschlagen würde. Doch selbst dieser Schmerz wäre kleiner, wäre leichter zu ertragen gewesen, als die Gefühle, die jetzt von ihr Besitz ergriffen, die sie durchfluteten und gegen die sie vollkommen machtlos war.


Reisender ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.07.2012, 03:03   #37
männlich Brutha
 
Dabei seit: 06/2012
Ort: Wien
Alter: 37
Beiträge: 99


Zitat:
Zitat von Reisender Beitrag anzeigen
Ihr Blick fiel auf das Cover des zu oberst liegenden Buches.
Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich das einfach nur genial Geschrieben finde oder es als schlechte Wahl ansehe.

Ich muss gestehen, ich komm mir vor wie in einem total verschlafenen Nest, wo Internet sicher noch nicht verbreitet und Handynetze nur begrenzt verfügbar sind. Richtig schön also.

Die Stimmung bringst du super rüber und auch den "schock" effekt, dass plötzlich erinnerungen wieder in ihr hoch kommen, klasse. Dank des Cliffhangers möchte ich natürlich wissen wie es weiter geht =) (und ich möchte nicht warten, bis das Buch erschienen ist :P)

mfg.

Brutha
Brutha ist offline   Mit Zitat antworten
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Lesezeichen für Zeit zu vergessen - Roman

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