Verlorene Seele

[Sonja]

Kennt ihr diese Menschen, die der Meinung sind, sie könnten sich einfach alles erlauben? Für meinen Geschmack gibt es eindeutig zu viele von ihnen auf unserer Erde!
Solche Menschen zu kennen ist ein Grauen! Es ist ja schon schlimm genug zu wissen, dass sie tatsächlich existieren, aber sie dann auch noch persönlich zu kennen, ist für manch einen sicher beängstigend, und frustrierend zugleich. Ich habe einige solcher Menschen kennen gelernt, und hatte zuerst keinerlei Ahnung, wie ich mit ihnen umgehen sollte, oder wie ich es schaffen sollte ihnen begreiflich zu machen, dass es falsch ist was sie tun, wie sie denken, und sich anderen Menschen gegenüber verhalten. Niemand hat mir beigebracht nein zu sagen, weder Mutter, noch "Vater", der eigentlich niemals mein Vater war.
Egal ob jemand sich mit mir, oder ich mich mit jemandem gerangelt, oder in manchen Situationen wohl besser gesagt geprügelt habe, ich hatte nie wirklich die Kraft dazu, oder sollte man es besser den gesunden Menschenverstand nennen? Egal ob in der Schule, oder in der Freizeit, oder gar daheim mit dem eigenen "Vater", bei jedem Kampf habe ich verloren, egal ob ich körperlich unterlegen war, oder ob ich einfach wusste, dass es doch sowieso keinen wirklichen Sinn, oder gar Zweck hat mir, und auch dem anderen etwas anzutun...
Ich wollte meine Maske endlich einmal ablegen können, ich wollte nicht mehr dieses scheinbar glückliche Mädchen spielen, dass angeblich kein Wässerchen trüben kann, nein ich wollte endlich jemand sein, der sich selbst kannte, jemand der eigenverantwortlich sagen kann: "Ich habe Mist gebaut.", oder: "Ich bin verletzt worden.", beides war für mich nicht möglich.
Ich lernte mit der Zeit, meine Aggressionen zu kontrollieren, unter anderem auch, weil sich mein Stiefvater immer mehr und immer härtere Strafen hatte einfallen lassen, die dann doch tatsächlich anfingen bei mir zu funktionieren.

Im Sommer war es dann soweit, mein Stiefvater war offensichtlich der Meinung, er müsse mir doch einmal zeigen, was mit mir geschehen würde, wenn ich nicht lernen würde, wie ich mich zu verhalten hatte, oder eben nicht. Ich kam von der Schule Heim, ging in mein Zimmer, ohne auch nur einen bösen Gedanken zu haben...
Tja von jetzt auf gleich knallte meine Zimmertüre auf, und lies mich zusammenzucken. Er stand in meinem Zimmer, sagte nicht ein einziges Wort zu mir, kam schnurstracks auf mich zu, holte mit seiner großen, starken Hand aus, und schlug mir ins Gesicht, sodass ich redlich Mühe hatte mir die Tränen, und ein Schluchzen zu verkneifen, um ihn nicht noch wütender zu machen.
Er konnte es nämlich noch nie leiden, wenn ich weinte...
Schließlich packte er mich an meinem Arm, riss mich die Treppe hinunter, sodass wir beinahe runtergefallen wären, und steckte mich ohne jede Erklärung in seinen Wagen.
Ich saß völlig verdattert auf der Rückbank, blickte aus dem Fenster, und bemühte mich ihm nicht zu zeigen, was ich fühlte. Er blickte schließlich in den Rückspiegel, und begann mit mir zu sprechen: "Tja kleines, du bist wirklich selber Schuld. Ich wollte niemals soweit gehen, aber wenn alles andere nichts hilft, muss ich es eben auf diese Weise in dein Hirn kriegen!" Er hörte auf zu sprechen, und schaltete das Radio ein, aus dem gerade folgende Worte die Stille durchbrachen: "Warum? Nur für den Kick für den Augenblick? Und Warum? Du kommst niemehr zurück. Komm zurück, komm zurück, komm zurück!!!"
Ja genau diese Frage hatte ich mir gestellt... Warum war mir das nur passiert? Warum hatte er mir das angetan? Warum hatte ich es einfach so zugelassen? Warum wehrte ich mich nicht? Warum fühlte ich mich so unendlich schmutzig? Warum wollte ich in diesem Augenblick nichts anderes als sterben? Warum konnte ich nicht nein sagen?..
Es gab niemanden der ihr diese Fragen hätte beantworten können, keiner der hätte sagen können, warum es zu diesen Dingen gekommen war.

Sie suchte ununterbrochen nach dem Grund für diese Geschehnisse, sie wollte endlich wissen, was sie falsch gemacht hatte, um auf so eine schreckliche Art und Weise bestraft zu werden.
Kurz vor der Einfahrt ihres Hauses, blickte ihr Stiefvater nach hinten zu ihr, und er brauchte nicht einmal etwas zu sagen, sie wusste genau, dass sie niemandem etwas verraten durfte...
Als sie schließlich angekommen waren, rannte sie auf dem direkten Weg ins Bad, um sich von der schmutzigen Kleidung, und dem Dreck auf ihrem Körper zu befreien,
sie wusste nicht, wie lange sie unter der Dusche stand, sie hatte keine Ahnung wie viel Seife, und Shampoo sie benutzt hatte, sie weis nur, dass beides hinterher vollkommen leer war.
Doch selbst nach dieser oberflächlichen Reinigung, hatte sie trotzdem das elendige Gefühl immer noch von oben, bis unten voller Dreck zu sein, es fühlte sich schlimmer an, als in eine Schlammgrube gefallen zu sein, nein es war nicht im Geringsten mit etwas derartigem vergleichbar!
Auch Jahre später fühlte sie sich immer noch schmutzig von Kopf bis Fuß ihre Seele jedoch war wohl am meisten verschmutzt, und sie wusste zwar nicht warum, aber ihr war 100% klar, dass sie ihre Seele niemals wieder würde reinigen können!

Was war dort vorgefallen? Was hatten diese "Menschen" ihr nur angetan? Wieso hatte niemand ihr geholfen? Weshalb hörte keine Menschenseele ihre stummen Schreie?
Wer weis, vielleicht werde ich eines tages die Antwort auf all diese Fragen finden?
Tja wird sie vielleicht irgendwann, in ferner Zukunft lernen, diese Dinge zu verarbeiten.

Aber auch nur vielleicht...
© Motti´s Own World

Ich hoffe der Text gefällt euch, und ist nicht zu provokannt...

[Katerchen]

Das klingt für mich wie eine typische DB (Doppelbindung).
Das Opfer darf sich nicht als Opfer fühlen, sondern wird vom Täter
(in dem Fall der Vater) gewaltsam in eine Rolle gepresst die er
ihm vorschreibt. Er gibt ihr zu verstehen, dass er sie schlagen "musste",
dass er ihr damit nur "helfen" wollte. Helfen damit sie versteht
dass sie falsch handelte und nicht er. Das ist ein typisches Verhaltensmuster
von Gewalttätern. Auch eine Form von Macht bekommen und erhalten
über eine andere Person.

Das Oper muss erkennen dass es keinerlei
Schuld an den Geschehnissen trägt um diesen Kreis durchbrechen zu können.
Das Opfer muss sich auch als ein solches fühlen dürfen (müssen).
Das ist für die Verarbeitung eines traumatischen Erlebinsses wichtig.

[Sonja]

Recht hast du Katerchen.
Naja, versuch soetwas mal einem Opfer beizubringen.
Du wirst mit ziemlicher Sicherheit auf Wiederstand, und Unverständnis stoßen.
Ist halt alles nicht so einfach...

[drren]

...wenn man so etwas von Kindheit her immer wieder erlebt, und die Mutter vielleicht auch noch wegsieht, kann das Opfer vielleicht noch in Selbstzweifel geraten: Was mache ich falsch? Anderen passiert es nicht, nur mir...Mache ich doch etwas falsch?
Und finden sich dann irgendwie damit ab bzw.stumpfen ab... Aber die Seele ist für immer kaputt!
Traurige Geschichte!

[Sonja]

Es ist eben nicht einfach als ein solches Opfer zu "leben".
Und als ein Opfer dann auch noch zu begreifen, dass man nicht schuld daran ist, kann seeehr lange dauern, oder erst garnicht eintreten...

[drren]

Hast vollkommen Recht!
...ein einziges derartiges Erlebnis reicht ja schon, um ein Leben zu zerstören!
Und wenn man das noch öfter erlebt...

[Sonja]

Ja genau so ist es...
Wenn es dann auch noch öfter geschieht, dann kann man diese Seele wohl nicht einmal mehr ansatzweise flicken, sie ist gerissen, wenn nicht sogar vollkommen aufgelöst.
Es wird immer weh tun, und es wird immer prägen!
Was vielleicht auch irgendwo "gut" ist, denn man kann daraus lernen!
Obwohl es alles andere als einfach ist sich einzugestehen, dass es nicht die eigene Schuld war, und man es hinter sich lassen muss, weil man sonst daran zerbricht...

[Rena]

Liebe Sonja,

so schreckliche Erlebnisse kann man nie hinter sich lassen, sie sind tief in der Seele eingebrannt. Es gibt immer wieder Momente oder Träume, die einen an diese schlimme Vergangenheit erinnern.

Auch der Hass auf den Menschen, der einem so etwas furchtbares angetan hat, wird nie vergehen.

Aber dass der Peiniger Schuld hat und nie das unschuldige Kind, das begreift man mit der Zeit. Wie Du schon gesagt hast, es dauert aber lange...

Liebe Grüße von Rena

[Sonja]

Du hast Recht, Rena.
Ich wünschte zwar irgendwie den Hass begraben zu können, und vorallem dies alles zu vergseen, aber das dies nicht geht habe ich mitlerweile wohl allmählich begriffen, auch wenn es wirklich lange gedauert hat.
Aber wie heist es so schön?
Besser spät als nie...

[Ilka-Maria]

Liebe Sonja,

ich bin fast geneigt, zu vermuten, daß deine Geschichte nicht erfunden, sondern selbst erlebt ist. Oder zumindest handelt sie von jemandem, den du kennst. Du erzählst nämlich zuerst in der Ich-Form, aber dann - als ob du den Schmerz nicht mehr ertragen könntest - distanzierst du dich und schwenkst über zum auktorialen Erzählstil: " Sie suchte ununterbrochen ...". Das ist ein Stilbruch, der mich stutzig macht.

Mußt mir aber nicht darauf antworten.

LG
Ilka-M.

[Katerchen]

Ja Ilka das ist ein Gedanke der mir auch gekommen war.

[Ilka-Maria]

Bis halt ein kluges Kerlchen, Katerchen.

LG
Ilka-M.

[Katerchen]

...eher ein frecher Kater.

[Sonja]

Oh, du hast recht.
Habe ich irgendwie garnicht bemerkt, komisch...
Naja, ist halt ein wenig schwer zu erklären...
So wie eigentlich alles was ich schreibe, und geschrieben habe...

[Katerchen]

Wenn ich offen sein darf, würde ich "verlorene seele"
wieder entfernen, da es zu viel von deinem Innenleben preis gibt.
Bedenke bitte, liebe Sonja, dass dies hier ein öffentlich zugänglicher
Ort ist, der für jeden einsehbar ist. Deine Zeilen sind gut aber, wie
ich finde, auch sehr persönlich...
Entscheiden musst du das natürlich selber, in wie weit du anderen Menschen
Einblick in dein Leben gewährst. *lächel* Mir persönlich wäre es
zu privat.


Lieben Gruss vom Katerchen

[Ilka-Maria]

Katerchen, das sehe ich anders: So etwas muß man in die Öffentlichkeit hinausschreien. Undenkbar, daß so ein Kerl damit straffrei durchkommt und als angesehener Bürger durch die Landschaft stapft. Du empfiehlst ja genau das, was eigentlich angeprangert werden sollte, nämlich daß das Opfer schamhaft die Schnauze hält. Das kann's doch nicht sein!

Verbrechen sind im übrigen nie privat, und wer absichtlich wegschaut, macht sich selbst strafbar. Meiner Meinung nach ist das ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Selbst wenn der Stiefvater nicht mehr am Leben sein sollte, ist immer noch die Mutter in der Verantwortung.

LG
Ilka-M.

[Sonja]

Ich kann euch beide verstehen.
Einerseits kann ich gut nachvollziehen, dass Katerchen dies zu privat wäre, um es öffentlich zu machen.
Aber auch verständlich ist, dass du Ilka-Maria sagst, dass du es öffentlich machen würdest.
Tja wie ihr seht, ist das Ganze ziemlich kompliziert und ein ganz schöner Zwiespalt.
Ich habe auch seeeehr intensiv und lange darüber nachgedacht, ob ich es nun hier reinsetzen soll, oder nicht.
Nun ja ich war mir dessen nicht bewusst, dass mein Text so schnell offenbart, dass er naja, realistisch ist...

Um dies nur nebenbei zu erwähnen. Meine Mutter hat hiermit rein garnichts zu tun, sie kann nicht im geringsten etwas dafür!!
Und mein Stiefvater ist noch am Leben...

[Ilka-Maria]

Liebe Sonja,

es war der erwähnte Stilbruch, der dich verraten hat. Erst hast du persönlich erzählt, dann bist du aus dir hinausgetreten und hast das ganze wie aus der Sicht eines unbeteiligten Beobachters weitererzählt. Da mußte ich einfach vermuten, daß dein Text real ist und du mit der Aufarbeitung noch nicht durch bist.

Keinesfalls wollte ich deine Mutter angreifen. Ich weiß aber aus eigener Anschauung, daß es Mütter gibt, die vor solchen Verbrechen die Augen verschließen. Andererseits hast du dich ihr nicht anvertraut. Du mußt wirklich in der Klemme gesteckt haben. Natürlich hättest du die Beweislast gehabt, was auch schiefgehen kann.

Es mag zwar kein Trost für deine persönliche Situation sein, aber es gibt auch Jungens und sogar erwachsene Männer, die mißhandelt werden. Ich hatte mal im Fernsehen einen Bericht über einen Mann gesehen, der von seiner Frau jahrelang so malträtiert worden war, daß sein Gesicht einem Trümmerfeld glich. Er war völlig aggressionsfrei und somit nicht in der Lage, sich zu wehren, bis er schließlich so schwer verletzt war, daß die Behörden ihn da rausholen mußten. Schlimm, was Menschen sich alles antun.

LG
Ilka-M.

[Katerchen]

Ich denke es geht hier nicht um Schamhaftigkeit Ilka,
sondern um öffentlich zugängliche Informationen die möglicherweise
gegen Sonja verwendet werden könnten. Natürlich muss man
so etwas öfffentlich bekannt machen, allein schon deshalb, dass
der Täter entlavt wird und soetwas nicht wiederholen kann.
Aber ich bezweifle doch stark, dass das hier im Rahmen
diesen Forums möglich ist. Das Internet ist ein Tummelplatz
aller möglichen (zwielichtigen) Leute. Und diese mit
entsprechenden Posts anzulocken halte ich für keine gute Idee.
*stinrunzel*

[Sonja]

@ Ilka - Maria
Ja ich weis, was sich Menschen alles antun ist einfach nur furchtbar und unverständlich. Nunja, aber was soll man dagegen schon tun? Ich weis dies klingt jetzt sehr pessimistisch, aber ich denke kaum, dass ein einzelner etwas gegen zig andere Menschen ausrichten kann. Nur so als Beispiel, wenn die Polizei einen Mann schon nicht festnimmt, den 4! Kinder wegen sexueller Belästigung angezeigt haben, und alle ausgesagt haben, dass es noch mindestens 3! weitere Kinder gab, die in der Zeit aber schon weggezogen waren, dann verschwindet das Vetrauen in das Gesetz ganz schon!

@Katerchen
Ich kann verstehen, dass du etwas derartiges nicht im Netz vertreten würdest, aber mal ehrlich, so fällt einen erheblich leichter, weil man 1. nicht weis, ob der Text wirklich realistisch auf andere wirkt, und 2. Ist es ganz klar, dass diese Täter entlarvt werden müssen. Aber mal ehrlich, meinst du etwa es fällt einen Opfer leicht, dies zu tun? Du kannst dir garnicht vorstellen, wie sehr ich mit mir gehadert habe, diesen Text hier reinzusetzen.

[Ilka-Maria]

Ich verstehe deine Bedenken, Katerchen, aber jetzt steht es ja nun einmal hier, und Sonja kann es nicht mehr löschen. Das kann nur der Admin. Es liegt bei Sonja, darüber zu entscheiden. Jedenfalls schien es ihr ein Bedürfnis gewesen zu sein, sich zu offenbaren und Feedback zu bekommen. Künftig wird sie über heikle Themen sicherlich nicht mehr in der Ich-Form schreiben.

LG
Ilka-M.

[drren]

Hallo Sonja!
Wußte nicht, daß es Deine (wahre) Geschichte ist habe es aber geahnt, da Du ja schon ähnliche Sachen veröffentlichst hast.
Ich denke mal wenn es jemanden weiterhilft, Sachen bzw. Geschehnisse zu verarbeiten, indem er/sie es veröffentlichen, dann ist das ok.
Außerdem ist es ja anonym,solange Du kein Foto von Dir reinsetzt und Deine Straße oder Hausnummer benennst, kann da wenig passieren.

[Sonja]

Ja genauso habe ich auch gedacht.
Und auch wenn ich weniger der Mensch bin, der sich selbst in den Vordergrund stellt, bin ich doch der Meinung, dass es die Hauptsache ist, dass es mir hilft.

[drren]

Genau, es soll Dir ja helfen! Wenn es das tut, ist es doch schonmal eine gute Sache!!!

[Sonja]

Danke!
Mehr brauch ich nicht zu sagen, denke ich.