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Alt 27.12.2011, 04:03   #1
Reisender
 
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Standard Schicksalsnacht

Halli Hallo,
ich habe vor einigen Tagen meinen dritten Roman begonnen und bin heute auf dieses Forum gestoßen. Und da musste ich mich gleich registrieren.
Ich poste mal den Anfang und hoffe auf viele kritische Meinungen (sowohl positiv, hoffentlich gibts da was, als auch negativ). Die Geschichte wird dann jeden Tag erweitert.

Euch allen noch einen wunderschönen Abend.

LG

der Reisende

Zitat:
Schicksalsnacht


Gefangen
Sanft fielen die ersten Flocken vom Himmel. Kleinen Tänzerinnen gleich vollführten sie kühne Drehungen und Pirouetten, schmiegten sich aneinander um im nächsten Moment auseinander zu fahren. Schließlich fand ihr Auftritt auf den grauen Dächern und Wegen sein Ende. Für einen Augenblick blieben die Flocken liegen als wollten sie sich nach einer gelungenen Darbietung verbeugen. Doch dann verschwanden sie so schnell und unscheinbar, wie sie gekommen waren. Julia stand am Fenster und beobachtete neugierig das Treiben. Wie gerne wäre sie eine dieser kleinen Tänzerinnen und würde einfach davon schweben. Doch sie war gefangen. Gefangen in einem kargen Zimmer mit weißgetünchten Wänden, einem Fernseher, einem Bett und einem Fenster. Verträumt blickte das Mädchen in den kleinen Hinterhof. Vor einigen Tagen konnte sie wenigstens noch in den Hof gehen. Doch nun war es zu kalt und zu ungemütlich. Die drehte sich um und wollte wieder ins Bett gehen, als sich die Tür öffnete. „Schatz, was machst du denn? Du sollst doch liegen bleiben. Du darfst dich doch nicht anstrengen“. Ihre Mutter blickte sie entsetzt und ein wenig vorwurfsvoll an. Im selben Moment aber bereute sie das, was sie gesagt hatte. Nur zu gut konnte sie ihre Tochter verstehen. Es musste die Hölle für Julia sein, den ganzen Tag im Bett zu liegen und ihre Freundinnen nicht sehen zu können. Es war vor gut einem dreiviertel Jahr. Julias Mutter erinnerte sich noch sehr genau an den Tag. Ihre Tochter war früher aus der Schule gekommen und hatte über Kopfschmerzen geklagt. Sie hatte sich erst nicht fiel dabei gedacht und ihrer Tochter geraten, sich einfach eine Stunde ins Bett zu legen. Doch die Kopfschmerzen wurden stärker. Eigentlich war Julias Mutter der Meinung, dass man eigentlich nicht bei jeder Kleinigkeit Medikamente nehmen sollte. Doch als sie merkte, dass es ihrer Tochter immer schlechter ging, griff sie zur Kopfschmerzmittelpackung. Doch leider half das Mittel nicht. Es passierte mitten in der Nacht und ohne Vorwarnung. Von einer Sekunde auf die andere hörte das Leben von Julias Familie einfach auf. Ihre Eltern saßen vor dem Fernseher, als sie plötzlich ihre Tochter rufen hören. Julias Vater stand auf. „Lass nur Süße. Ich geh schon.“ Er fand seine Tochter in ihrem Zimmer im Bett liegend vor. Das Mädchen zitterte am ganzen Körper. Ihr Vater schüttelte sie, doch Julia war bereits bewusstlos. Ein Rettungswagen brachte sie ins Krankenhaus und schnell stand fest, dass es sehr ernst war. Die Ärzte entdeckten in Julias Kopf einen Tumor. Von nun an musste Julia in dem kleinen Zimmer mit den weißgetünchten Fenstern bleiben. Aber auch für Ihre Eltern und ihren Bruder war das Leben plötzlich nicht mehr wie vorher. Julias Mutter kündigte ihren Job um soviel Zeit wie möglich bei Ihrer Tochter verbringen zu können. Und Julias Vater versuchte verzweifelt das Geld für Julias Behandlung zu verdienen und nebenbei dafür zu sorgen, dass die Familie nicht auseinander fiel. Und dann war da noch Max. Julia liebte ihren älteren Bruder. Der Junge tat alles für seine kleine Schwester. Obwohl er nur ein Jahr älter war als sie, hatte er eine Art Beschützer Rolle eingenommen. Max verzichtete, damit seine Schwester mehr bekam. „Ist alles in Ordnung“, frage die Mutter Julia. „Aber klar Mami.“ Julia lächelte und legte sich ins Bett. Ihre Mutter trat näher heran und deckte ihre Tochter liebevoll zu. „Soll ich das Kissen aufschütteln“, fragte sie und griff auch schon zu dem selben. „Möchtest du vielleicht was trinken?“ Sie blickte auf die leere Wasserflasche, die auf dem Nachttisch stand. „Warte, ich geh schnell eine neue holen“. „Ich hab keinen Durst.“, Julia lächelte, „Wie geht es den anderen?“. Das Mädchen lehnte sich entspannt zurück. „Papa geht’s gut. Seine Firma hat einen neuen Auftrag. Bekommen. Die bauen jetzt ein riesiges Einkaufszentrum. Aber das kann er dir ja nachher selber erzählen. Er kommt nach der Arbeit vorbei. Und Max geht es auch gut.“ Julia wusste, dass das nicht stimmte. Max litt. Wahrscheinlich sogar noch mehr, als sie. Der Junge sah seine Mutter nur noch zwischen Tür und Angel oder im Krankenhaus. Und während seine Freunde draußen spielten, verbrachte Max viele Stunden am Bett seiner Schwester. Max war genauso gefangen, wie Julia. „Heute kam eine Lehrerin zu mir, die hat mir erklärt, dass es hier im Krankenhaus eine Schule gibt. Sie hat mich gefragt, ob ich auch kommen will“. Das Mädchen sah die Mutter bittend an. „Aber Maus“, Julias Mutter hatte Schwierigkeiten, eine passende Antwort zu finden, „Du... du musst doch erst mal wieder richtig gesund werden.“. „Aber Mama, wenn ich nicht in die Schule gehe, dann verpasse ich doch alles, was die anderen lernen. Und überhaupt was soll ich denn die ganze Zeit machen?“ Julia war verzweifel. Sie wollte nicht länger in diesem Bett liegen. Sie wollte endlich raus und etwas tun. Einfach nur mal raus. Natürlich war ihrer Mutter klar, wie recht sie hatte. Das machte es unendlich schwer, ihrer Tochter diesen Wunsch zu verwehren. Eine Schwester kam herein und brachte Julia zu einer Reihe von Untersuchungen. Ihre Mutter ließ sich erleichtert auf den Stuhl sinken. Was hätte sie ihrer Tochter antworten sollen? Sie schloss die Augen. Frau Cornely war 32 Jahre alt. Bis vor einem halben Jahr hatte sie als Verkäuferin in einer Blumenhandlung gearbeitet. Doch das war einmal. Tiefe Sorgenfalten hatten sich in das hübsche Gesicht gegraben und längst hatte sie aufgegeben, ihre Augenringe zu verbergen. Selbst wenn sie die Augenringe unter Händen von Makeup begraben hätte, so würde dennoch jeder sehen können, wie es ihr ging. Und vor allem, es würde nichts an der Situation ändern. Sie verließ den Raum um ins Nebenzimmer zu gehen. Die Stationsleitung hatte ihr erlaubt, in dem kleinen Raum zu schlafen, damit sie immer in der Nähe ihrer Tochter sein konnte. Todmüde ließ sie sich auf das Bett sinken. Mit einer Hand fuhr sie sich durch das schulterlange dunkelbraune Haar. Wie sollte es nur weitergehen? Vor Erschöpfung fielen ihr die Augen zu. Sie wusste einfach nicht mehr weiter. Es klopfte an der Tür. Erschrocken setzte sich auf. Mit beiden Händen fuhr sie sich durch das Gesicht und versuchte dann ihrer Stimme einen festen Klag zu geben. „Ja bitte“. Die Tür wurde geöffnet und ihr Mann kam herein. „Hey Süße, wie geht es dir?“. Sie sah ihn aus müden Augen an. „Ach du bist es. Die kleine ist bei einer Untersuchung. Wie war es auf der Arbeit?“. „Gut“, erwiderte er gelassen. Nächste Woche setzen wir uns mit dem Architekturbüro zusammen und besprechen die ersten Entwürfe für das Einkaufszentrum“. Manchmal bewunderte Sie ihren Mann. Doch auch wenn man ihm nie ansah, wie verzweifelt er war, sie wusste genau, dass er am Ende war. Sie hatte Klaus vor 12 Jahren kennengelernt. Eigentlich war es ein purer Zufall gewesen. Es war ein sonniger Montag im August. Sie hatte im Nachrückeverfahren ihren Ausbildungsplatz zur Floristin bekommen und war mit ihren beiden besten Freundinnen um die Häuser gezogen um diese Nachricht zu feiern. In einer kleinen Bar mit dem Namen Golden Globe waren sie versackt. Kurz vor Mitternacht wurde sie von Ihren Freundinnen losgeschickt um an der Bar frische Getränke zu holen. Mit drei Gläsern beladen wollte sie zurück zu ihrem Tisch gehen. Und da passierte es. Sie stolperte und kippte ihm den Cocktail auf sein weißes Hemd. Bestürzt entschuldigte sie sich vielmals und beteuerte, dass sie das nie wieder gut machen könne. Er lächelte sie nur an und erwiderte, „Wenn ich dich morgen auf einen Kaffee einladen darf, dann ist das schon OK.“ Sie stand einfach nur da und sah ihn an. Erst Sekunden später realisierte sie, dass er bereits gegangen war und im selben Moment spürte sie den Zettel, mit seiner Nummer, in ihrer Hand. 6 Monate später hatten sie geheiratet und ein Jahr später wurde Max geboren. Und vor 10 Jahren dann Julia.
Alles war perfekt, bis zu dieser einen verhängnisvollen Nacht. Sie ließ sich in die Arme ihres Mannes sinken und schluchzte verzweifelt. Klaus hielt sie einfach nur fest. Er selbst musste mit den Tränen kämpfen. Doch er durfte sich nichts anmerken lassen. Er wollte seiner Familie alle Kraft geben, die sie brauchten, um irgendwann wieder zur Normalität zurückzukehren. Doch das war wahnsinnig schwierig. Julia benötigte eine Spezialbehandlung, die von der Krankenkasse nur zum Teil übernommen wurde. Um die vielen Rechnungen bezahlen zu können arbeitete Herr Cornely beinahe rund um die Uhr. Und um seine Tochter musste er sich auch kümmern. Der gelernte Bauleiter wusste nicht mehr, wann er das letzte mal richtig geschlafen hatte. Abends, und das hieß um drei bis vier Uhr, nahm er eine Tablette, die er zusammen mit seinen Sorgen in einem großen Glas Whisky ertränkte. Um kurz nach sechs holte ihn der Wecker zurück ins Leben und jeden Morgen brachte er alle Sorgen mit, die Klaus am Abend zuvor zurückgelassen hatte. Um in Schwung zu kommen nahm er eine Tablette und versuchte dann den Tag mit fünf bis sechs Kannen Kaffee durchzustehen. Nach der Arbeit fuhr er sofort ins Krankenhaus zu seiner Tochter. Glücklicherweise hatte er flexible Arbeitszeiten. So konnte er die Mittagspause durcharbeiten. Meist bestellte er sich irgendetwas vom Chinesen um die Ecke oder vom Pizzaservice. Im Handschuhfach seines Wagens stapelten sich Schokoriegel. Lange würde er das nicht mehr durchhalten. Und das Schlimme war, er konnte nichts aber auch gar nichts ändern.
Neulich an der Ecke
Benni blickte konzentriert an die Tafel. Es war die letzte Stunde. Auf dem Stundenplan stand Mathematik. Das war Bennis Lieblingsfach. Vor drei Tagen war er 10 Jahre alt geworden. Der Junge freute sich auf das Wochenende. Freitags bekamen sie keine Hausaufgaben auf. So hatte er den ganzen Nachmittag Zeit, mit seinen Geburtstagsgeschenken zu spielen. Und am Samstag würde er dann mit seinen Freunden feiern. Sein Blick fiel auf den freien Platz an der Tür und sein Herz begann schneller zu schlagen. Julias Platz. Seit einem halben Jahr war sie nun schon nicht mehr da. Alle anderen schienen sie allmählich zu vergessen. Doch Benni vermisste sie sehr.






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Alt 28.12.2011, 03:35   #2
Reisender
 
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Und weiter gehts
Ich bin gespannt auf Resonanzen!
LG
Zitat:
Dabei kannte er Julia erst wenige Monate. Nach den Sommerferien war sie in Bennis Klasse gekommen. Julia war eigentlich nie die Außenseiterin. Schnell fand sie viele Freunde. Das lag daran, dass sie unglaublich lieb war. An ihrem ersten Tag hatte sie Schokolade mitgebracht und in der Pause hatte sie sich einfach keck zu ihren Klassenkameraden gesetzt und mit ihnen geredet. Aber Julia konnte vor allem gut zuhören. Deshalb lernten ihre Mitschüler sie schnell schätzen. Und Julia war immer für alle da. Es passierte an einem frühen Nachmittag im April. Benni fuhr mit dem Fahrrad nach Hause. Er wusste nicht, dass Julia an diesem Tag ebenfalls mit dem Fahrrad unterwegs sein würde. Hinter sich vernahm er das Klingeln einer Fahrradklingel. Er fuhr langsamer. „Hallo“, grüßte ihn Julia freundlich. Die beiden unterhielten sich und Benni vergaß, dass er eigentlich längst einen anderen Weg hätte nehmen müssen. Die beiden fuhren nebeneinander und irgendwann fielen die ersten Tropfen. Eigentlich nicht ungewöhnlich im April doch da am Morgen die Sonne noch mit aller Kraft ihre Strahlen zur Erde geschickt hatte, trugen die beiden nur T-Shirts und dünne wasserdurchlässige Jacken. Erst wollten die beiden noch weiterfahren, doch der Regen wurde immer stärker und so stiegen sie vom Rad um sich unter dem Vordach eines Geschäfts unterzustellen und den Schauer abzuwarten. Julia zitterte. „Ist dir kalt“, fragte Benni, „Du zitterst ja“, fügte er bestürzt hinzu und zog eine Jacke aus. „Hier“. Er wickelte das Mädchen in die Jacke. „Aber jetzt frierst du ja.“ Julia sah ihn dankbar an. „Das macht nichts“, entgegnete der Junge, „Außerdem friere ich nicht.“ Der Regen hörte so schnell auf, wie er gekommen war die warmen Strahlen der Sonne zeichneten einen wunderschönen Regenbogen an den Himmel. Die beiden fuhren weiter. Benni brachte Julia nach Hause. Zum Abschied lächelte. „Du bist lieb. Wir sehen uns morgen in der Schule.“ Benni fuhr vergnügt nach Hause. Seine Mutter schimpfte mit ihm, weil sein T-Shirt vom Regen ganz nass war. Doch das störte den Jungen nicht. Der Tag konnte nicht schnell genug vergehen. Er fieberte dem Augenblick entgegen. Dem Wiedersehen mit Julia. Am nächsten Tag war Benni fiel zu früh in der Schule. Er hatte sich sein neues Hemd angezogen, seine Haare ordentlich zurück gekämmt, festgestellt, dass das viel zu „streberhaft“ war und schließlich mit einer gekonnten Handbewegung seinen Haaren einen lässigen Abenteurertouch gegeben. Als er in die Klasse kam, saß Julia bereits an ihrem Platz. Er merkte, dass es ihr nicht gut ging. Benni setzte sich. Er packte die Hefte und Bücher aus seiner Tasche, die er gleich brauchen würde. Wie jeden morgen wollte er alles in dem kleinen Korb verstauen, der unter dem Tisch angebracht war. Er stutzte. Dort lag bereits etwas. Verwundert holte er den Gegenstand hervor. Er ließ das Armband durch seine Hand gleiten. Es war aus bunten Fäden geknüpft. Benni legte das Armband vorsichtig auf den Tisch und räumte seine Bücher in den Korb. Da lag doch noch etwas. Er beförderte einen kleinen weißen Zettel hervor. „Für meinen Retter.“, stand da in schwarzer Schreibschrift geschrieben. Hinter dem Satz hatte der Verfasser der geheimnisvollen Botschaft ein rotes Herz gemalt. Benni sah Julia an und sie erwiderte seinen Blick. Das Mädchen lächelte verlegen und er wusste, wer ihm dieses Geschenk gemacht hatte.
Es war jener Abend, als Benni noch zu später Stunde an seinem Schreibtisch saß und nach Papier suchte. Das einfach, linierte Papier seines Schreibheftes erschien ihn um Welten unangemessen. Schließlich schlich er sich in das Erdgeschoss. Er hörte den Fernseher aus dem Wohnzimmer. Also waren seine Eltern noch wach und saßen vor dem Fenster. Seine Füße tappten über den Fußboden. Vorsichtig setzte er einen Schritt hinter den anderen. Jetzt bloß kein Geräusch verursachen. Millimeter um Millimeter drückte er die Klinke zum Büro seines Vaters herunter. Glück gehabt. Schnell ging er zum Schreibtisch, der sich in der Mitte des Raumes befand. Er nahm einen Bogen Briefpapier, dass sein Vater ordentlich neben dem Computer gestapelt hatte. Flink schlich er zurück in sein Zimmer. Was sollte er schreiben. Er überlegte lange. Schließlich riss er 3 Blätter aus seinem Heft. Er nahm das erste, griff zum Stift und begann: „Hallo Julia“. Er zerknüllte den Zettel. Das klang blöd. Also noch einen Versuch. „Liebe Julia, ich muss dir ganz dringend etwas sagen.“ Wütend zerknüllte er den Zettel. Das war viel zu aufdringlich. Sollte er überhaupt. Er war sich nicht mehr sicher. Doch dann griff er entschlossen zum letzten Blatt.
„Liebe Julia,
willst du mit mir gehen?
Ja () Nein () Vielleicht ()
dein Benni.“
Er zögerte. Über einen wichtigen Punkt seines Planes hatte er sich bis jetzt noch gar keine Gedanken gemacht. Wie sollte der Zettel zu Julia gelangen. Er konnte ihr ja schlecht den Zettel vor den Augen der anderen geben. Und wenn er unter den den Brief „dein Benni schrieb“, dann konnte er den Brief ja auch nicht einfach auf ihren Tisch legen. Schließlich saß neben Julia Marianne. Und wenn die den Zettel in die Finger bekäme... Das wollte sich Benni lieber nicht ausmalen. Er drehte den teuren Briefbogen seines Vaters nervös auf dem Tisch herum. Das Papier war schwer und hatte ein Wasserzeichen. Es zeigte einen kleinen Engel. Benni wusste, dass sein Vater alle Büroutensilien von einer Firma „Büroartikel Engel&Sohn“ bekam. Er fand das blöd. Doch plötzlich wusste er, was er schreiben würde.
„Liebe Julia,
willst du mit mir gehen?
Ja() Nein() Vielleicht()
dein Retter“
Er faltete das Papier in der Mitte. Zögerlich nahm er den Stift. „An meinen Engel.“, schrieb er außen auf den Papierbogen. Sorgfältig verstaute er den Brief in seiner Schultasche und schlief mit dem festen Vorsatz ein, den Brief morgen in den Korb unter Julias Tisch zu legen. Doch es sollte anders kommen. Am nächsten morgen war Julia nicht da. Auch am Tag darauf kam sie nicht. Schließlich fragte Benni die Lehrerin. Abwehrend erwiderte diese, dass Julia krank sei. Anscheinend sollte sich der Junge damit zufrieden geben. Die Tage vergingen und vergingen. Und jeden Tag hoffte Benni, seinen Brief loszuwerden. Doch jeden Tag ging er nach Hause, ohne eine Antwort auf seine Frage zu bekommen. Es verging eine Woche. Schließlich hielt es der Junge nicht mehr aus. Nach dem Unterricht fuhr er zu Julia nach Hause. Immer wieder sprach er vor sich her, was er sagen wollte. „Guten Tag. Mein Name ist Benjamin Wagner. Ich bin ein Klassenkamerad von Julia und wollte sie besuchen.“ Seine Hände zitterten, als er an der Tür klingelte. Er klingelte einmal. Nichts. Er klingelte ein weiteres mal. Nichts. Und ein drittes mal. Nichts. Nach dem fünften mal gab er schließlich auf und ging enttäuscht nach Hause. Alle anderen schienen Julia zu vergessen. Es war wie nach einem kühlen Sommerregen. Jeder genießt die Abkühlung, doch wer erinnert sich schon an die Regenwolke. Benni griff an sein Handgelenk. Seine Hand fuhr über den handgeknüpften Stoff. Nein, er würde Julia niemals vergessen. Die Mathestunde wollte und wollte nicht verstreichen. Benni musste immer wieder zu dem Tisch am Fenster blicken. Manchmal fragte er sich, ob Julia jemals wieder kommen würde. Als endlich die Klingel das Ende der Stunde verkündete, hielt es Benni nicht mehr aus. Während die anderen voller Eile und Vorfreude auf das Wochenende ihre Sachen in die Taschen warfen, ging Benni vor zum Lehrertisch. Frau Gruber unterrichtete Mathematik und war die Klassenlehrerin von Bennis Klasse. „Frau Gruber“, began der Junge mutig und ohne Umschweif. „Ja Benni“, erwiderte die Lehrerin und packte eilig ihre Tasche. Augenscheinlich hatte sie es eilig ins Wochenende zu kommen. „Wann kommt eigentlich Julia wieder?“ Die Lehrerin hielt inne, ließ langsam ihre Tasche auf das Pult sinken und blickte den Jungen ernst an. „Julias Eltern geben jede Woche eine Krankschreibung ab. Es ist also ungewiss, wann Julia wiederkommt. Tut mir leid“. Benni merkte, dass ihm die Lehrerin etwas verschwieg. Und das schien offenbar etwas ernstes zu sein. Doch er traute sich nicht nachzufragen. So bedankte er sich und verließ nachdenklich die Schule. Nach dem Mittagessen saß Benni alleine in seinem Zimmer. Eigentlich wollte er ja das neue Spielzeug ausprobieren. Doch irgendwie wollte ihm nichts so richtig Spaß machen. Er vermisste sie so sehr.
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Alt 28.12.2011, 04:07   #3
weiblich Ex-WUI
 
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Klasse dein Roman, lieber Reisender. Tolle bewegende Geschichte. Aus dem Leben gegriffen und zum mitfiebern. Sympathische Charaktere... tapfer, aufopfernd, liebevoll... und eine böse Krankheit die zwischen allem Glück steht. Sehr gern gelesen.

Was will man mehr?
Natürlich will man wissen wie es weiter geht!

Ab und zu haben sich kleine Fehlerchen eingeschlichen. Sie sind eigentlich schnurz aber vielleicht willst du sie in deiner Originalversion ja noch verändern. Deshalb schicke ich ein paar, über die ich beim Lesen gestolpert bin, einfach in dieser Nachricht mit.

Liebe nächtliche Grüße
von der beeindruckten Irren

Zitat:
Gefangen in einem kargen Zimmer mit weißgetünchten Wänden, einem Fernseher, einem Bett und einem Fenster.

Eigentlich war Julias Mutter der Meinung, dass man eigentlich nicht bei jeder Kleinigkeit Medikamente nehmen sollte.

Julia war verzweifel.

Nachrückeverfahren ihren Ausbildungsplatz zur Floristin bekommen

Am nächsten Tag war Benni fiel zu früh in der Schule.

Das einfach, linierte Papier seines Schreibheftes erschien ihn um Welten unangemessen.

„Frau Gruber“, began der Junge mutig und ohne Umschweif.
Ach so. Fast vergessen. Herzlich willkommen bei uns
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Alt 28.12.2011, 14:42   #4
weiblich Ex-WUI
 
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Zitat:
Gefangen in einem kargen Zimmer mit weißgetünchten Wänden, einem Fernseher, einem Bett und einem Fenster.
Huch! Da ist kein Fehler. Der ist nur ausversehen mit reingeraten...
War schon spät
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Alt 29.12.2011, 04:14   #5
Reisender
 
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Guten Morgen liebe Fremde,
(Als Gentleman konnte ich einfach nicht schreiben "Guten Morgen liebe Irre. )
Nein im Ernst, vielen Dank für deine lieben Worte. Das hat mich sehr motiviert, gleich weiterzuschreiben. Jedes Fehlerchen ist mir natürlich willkommen. (Hab ich auch schon in der Orginaldatei geändert.) Unter anderem deshalb stelle ich das ja auch ins Netz. Wenn man um die Uhrzeit schreibt, dann wird man irgendwann Betriebsblind. Da ist ein zweites paar frischer Augen schon sehr hilfreich. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend/Morgen und natürlich viel Spaß bei Teil 3.

besonders liebe Grüße

vom Reisenden

P.s.: Ich hoffe auf viele weitere Hinweise und Kritiken.

Zitat:
Gewissheit
Sie hatte es immer gewusst. Seit ihre Tochter vor einem halben Jahr ins Krankenhaus gekommen war, hatte Frau Cornely befürchtet, dass irgendwann dieser Augenblick kommen würde. Doch obwohl sie schon oft daran gedacht hatte, war sie kein bisschen vorbereitet. Sie saß in dem kleinen stickigen Raum im Krankenhaus auf dem Bett. Ihr Mann war kurz gegangen, um frische Sachen für Julia zu holen. Es klopfte an der Tür. „Herein“, hörte sie sich sagen. Doktor Weiß betrat zusammen mit einer Schwester den Raum. Der Arzt hatte sich, seit Julia ins Krankenhaus gekommen war, engagiert um das Mädchen und ihre Familie gekümmert und auch die Bereitstellung des Zimmers veranlasst. Als der untersetze Mann nun den Raum betrat und sich durch das schüttere weiße Haar fuhr, war ihr sofort klar, was das bedeutete. Er musste es ihr nicht sagen. All die Angst, die Verzweiflung, die Trauer, die Wut, all das brach aus ihr heraus. Aus der ferne hörte sie die dumpfen Worte des Arztes. „Es tut mir leid.“ Herr Cornely öffnete schwungvoll die schwere Tür zur Station. In der einen Hand hielt er eine abgewetzte Sporttasche mit den neuen Sachen für Julia. In der anderen Hand hielt er ein kleines Plüschkamel. Er hatte das Kuscheltier in dem kleinen Laden im Foyer des Krankenhauses gekauft. Julia würde sich bestimmt freuen. Plötzlich stutze der Bauleiter. Auf dem Gang kamen ihm Schwestern entgegen und ihre Blicke verhießen nichts gutes. Herr Cornely hatte immer versucht, seine Angst zu verbergen. Er dachte, wenn er seine Angst zeige, würde das seine Familie anstecken und das wollte er um jeden Preis vermeiden. Doch jetzt wollte die Angst die harte Schale durchbrechen. Hastig, panisch lief er los. Er rutschte, stolperte um eine Ecke. Und dann sah er es. Ein Stein fiel ihm vom Herzen. Durch die halb geöffnete Tür sah er seine Tochter. Eine Schwester war bei ihr. Als sie ihn sah lächelte Julia und winkte ihm vergnügt zu. Wieso war Susanne nicht bei ihr fuhr es ihm durch den Kopf. Er erwiderte den Gruß seiner Tochter und machte dann eine Geste, die ihr zu verstehen geben sollte, dass er kurz nach seiner Frau sehen wollte. Er öffnete die Tür und fuhr erschrocken zurück. Seine Frau lag auf dem Bett in ihrer Ellenbeuge steckte die kalte Nadel einer Infusion. Was war hier los. Herr Cornely wollte sich schon umdrehen um jemanden zu suchen, der ihm das alles erklären konnte, doch da kam Doktor Weiß zur Tür herein. „Herr Cornely“, begrüßte er ihn und Klaus wusste, dass etwas furchtbares passiert sein musste, „Ihre Frau hatte einen Nervenzusammenbruch. Wir haben ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Kommen sie, lassen sie uns in mein Büro gehen“.
Herr Cornely folgte dem Arzt. „Nehmen sie doch Platz“, sagte Doktor Weiß und seine Stimme klang heiser und belegt. Julias Vater setzte sich zögerlich. „Wie sie ja wissen haben wir heute bei ihrer Tochter ein weiteres mal ein CT durchgeführt“ , begann der Arzt zögerlich und Julias Vater schluckte. Wie oft hatte er sich in den letzten Tagen und Wochen diesen Moment ausgemalt. Nun war er gekommen und er spürte fast so etwas wie Erleichterung. „Dabei kam leider nichts Gutes heraus“. Der Arzt rutschte unruhig auf seinem Stuhl auf und ab. „Nun sagen sie es schon“, fuhr ihn Julias Vater an. Er wollte zu seiner Tochter. „Wir haben ein Aneurysma ganz nah bei dem Tumor entdeckt. Das macht es leider unmöglich den Tumor operativ zu entfernen“. „Und was heißt das“, fragte Herr Cornely und seine Stimme zitterte. „Ihre Tochter wird sterben. Sie hat vielleicht noch ein oder zwei Wochen. Es tut mir unendlich leid.“ Julias Vater stand auf. Um ihn herum drehte sich alles. Er taumelte aus dem Büro, hörte entfernt den Arzt, der ihm nachdrücklich ein Beruhigungsmittel anbot. Er hatte mit aller Kraft gekämpft und nun hatte er alles verloren. Einfach alles.
Der Umzug
Julia merkte, dass etwas nicht stimmte. Sie sah ihrer Mutter sofort an, dass sie geweint hatte und auch ihr Vater schien am Ende seiner Kräfte. „Was ist denn los?“, fragte sie zaghaft. Ihr Vater war der erste, der sich aus seiner Erstarrung löste. „Alles in Ordnung“. Julia wusste das er log. Ihr Vater gab ihr das Kuscheltier und Julia freute sich. Doch es machte ihr Angst, dass ihre Eltern ihr nicht sagten, was los war. Am nächsten Tag erfuhr Julia, dass sie verlegt werden würde. Sie begriff nicht, was die Schwester meinte und so fragte sie ihre Mutter. Frau Cornely meinte nur, dass sie alle zusammen in einen kleinen Ort namens Frankenberg fahren würden. Dort befände sich eine Einrichtung, in der man sich besser um Julia kümmern könnte. Richtig verunsichert war Julia erst, als ihre Mutter meinte, dass es ihr dort gefallen würde. Am Freitag ging es los. Ihre Eltern und auch ihr Bruder waren gekommen. Julia fand es schrecklich, dass sie ihre Tasche nicht selbst packen durfte. Ein Pfleger brachte Julia zu einem Krankentransportwagen. Ihre Eltern verabschiedeten sich von Doktor Weiß. Das machte Julia zum ersten mal stutzig. Dieses Händeschütteln und dieser übertriebene Dank... Der Abschied wirkte bedrückend endgültig. Frau Cornely hielt während der gesamten Fahrt die Hand ihrer Tochter. Der Transporter hielt vor einem großen bunt gestrichenen Haus über dessen Tür ein großes Holzschild mit der Aufschrift „Sternenland“ hing. Die Pfleger brachten Julia in ein hübsch eingerichtetes Zimmer. Ganz anders als das Zimmer im Krankenhaus. Julia fühlte sich vom ersten Moment an wohl in dem hellen Raum. Es gab keine weißgetünchten Wände mehr. Aus einem großen Fenster konnte sie in den verschneiten Garten sehen und auf dem Tisch stand ein Adventskranz. Julia gefiel dieser Ort. Aber wieso nur war sie hier. Sie begriff nicht, wieso sie hier war. Als Julias Mutter erwacht war, lag sie alleine in dem kleinen stickigen Raum im Krankenhaus. Niemand war bei ihr. Sofort schoss ihr der Gedanke wieder in den Kopf. Ihre Tochter würde sterben. Sie wollte zu ihrer Tochter. Mit aller Kraft riss sie sich die Nadel aus dem Arm und stand auf. Sie öffnete die Tür und blickte in das kreideweiße Gesicht ihres Mannes. Julias Eltern nahmen sich in den Arm und Susanne hoffte so sehr, dass ihr Mann etwas sagen würde. Nur ein Wort, ein Satz, der ihr Mut machen würde. Doch Herr Cornely konnte nicht mehr kämpfen. Sie gingen zu ihrer Tochter und Herr Cornely gab ihr das Kuscheltier. Julia freute sich sehr und schlief bald darauf mit ihrem neuen Freund im Arm ein. „Wie soll es jetzt nur weitergehen“, fragte Frau Cornely als die beiden draußen auf dem Flur angekommen waren. Sie wusste, dass ihr Mann ihr darauf keine Antwort geben konnte, doch sie ertrug die Stille nicht länger. Doktor weiß kam in Begleitung eines großen hageren Mannes auf die beiden zu. Der Arzt stellte seinen Begleiter als Pfarrer Schmid vor. Die Cornelys waren dankbar dafür, dass sie nicht alleine gelassen wurden. Und der Pfarrer war es auch, der vorschlug, dass man Julia in ein spezielles Kinderhospiz verlegen sollte um ihr das Krankenhaus zu ersparen und ihr die letzten Tage so angenehm wie möglich zu machen. Julias Eltern willigten ein und der Pfarrer versprach sich um alles zu kümmern. Er war auch dabei, als Frau Cornely ihrem Sohn Max erklärte, dass seine Schwester sterben würde. Max wollte am liebsten sofort zu seiner Schwester. Seine Eltern erklärten ihm, dass Julia in ein Hospiz gebracht würde und dass die Eltern sie begleiten würden. Das hieß, dass Max ebenfalls mitkommen würde. Der Junge hätte seine kleine Schwester auch nie alleine gelassen. Per SMS informierte er alle seine Freunde darüber, dass er am Montag nicht in der Schule sein würde und Frau Cornely rief die Klassenlehrerin ihres Sohnes an um ihn für unbestimmte Zeit zu entschuldigen. Julia gefiel dieser bunte, helle und freundliche Ort. Zumindest zu Beginn. Doch sie begriff nicht, wieso sich plötzlich alle nur noch um sie kümmerten. Sicherlich, sie war krank. Das wusste sie. Und sie wollte auch, dass man sich um sie kümmerte. Aber ihr Bruder und ihre Eltern waren doch genauso wichtig. Julia verbrachte viel Zeit in dem wunderschönen Garten. Man hatte ihr einen Rollstuhl bereitgestellt und eingepackt in eine warme Winterjacke und eine Decke durfte sie zweimal am Tag für eine halbe Stunde in den Garten. Sie genoss diese Minuten. Das erinnerte sie an zuhause. Julia liebte Blumen und obwohl zu dieser Jahreszeit natürlich keine Blumen mehr blühten, genoss sie es sich vorzustellen, wie der Garten im Frühling aussehen würde. Es gab viel zu entdecken an diesem Ort. Es gab eine Leseecke, es gab einen Spielplatz. Es gab einen bunt angemalten Speiseraum. Es gab tolle Angebote. So kam eines morgens eine freundliche Frau und lud Julia zum Töpfern ein. Und es gab die anderen Kinder. Doch es war ein trauriger Ort. Während die Kinder spielten haftete an den Unterhaltungen der Erwachsenen Furcht und Angst. Julia spielte gerne und sie hörte auch gerne zu, wenn man ihr Geschichten vorlas und sie las auch selbst gerne, doch etwas wichtiges fehlte ihr. Sie wollte wieder in die Schule gehen. Das spielen, die Geschenke, das alles machte nur wirklich Spaß, wenn man es sich auch verdiente. So dachte Julia. Im Krankenhaus hatte sie sich immer bemüht schnell wieder auf die Beine zu kommen. Sie hatte immer das gemacht, was die Ärzte und Schwestern ihr gesagt hatten. Doch hier war das anders. Es fühlte sich nicht richtig an, dass sie bastelte und lachte, während ihre Klasse in der Schule saß und möglicherweise eine Arbeit schrieb. Das war nicht gerecht. Und so kam es, dass sie eines morgens beim Frühstück ihre Eltern fragte, wann sie wieder in die Schule gehen dürfte. Ihre Mutter, die gerade von ihrem Brötchen abgebissen hatte, bekam einen heftigen Hustenanfall. Wie sagt man seinem Kind, dass es in sieben bis zehn Tagen sterben wird. Julias Mutter versuchte mit aller Kraft die Tränen zurückzuhalten und es gelang ihr. „Ich frage gleich nach dem Frühstück einen Arzt. Versprochen“. Julia freute sich und ihre Mutter war erleichtert, dass sie noch einmal um die Antwort herumgekommen war. Als sie an diesem Abend mit ihrem Mann zusammen saß, kamen sie darauf zu sprechen, dass es unausweichlich war, Julia zu sagen, was passieren würde. Sie war alt genug und hatte ein Recht darauf. Doch wie sollten sie es Julia sagen? Oder wäre es vielleicht gar besser, Julia gar nichts zu sagen. So könnte sie unbeschwert weiterleben, bis das unausweichliche passieren würden. Julias Eltern beschlossen am nächsten Tag mit dem Pfarrer darüber zu sprechen. Klaus legte seinen Arm um seine Frau. Zum ersten mal seit langem hatten sie einen Augenblick für sich.
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Alt 29.12.2011, 05:24   #6
weiblich Ex-WUI
 
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Beiträge: 1.057


Hallo zurück, lieber Reisender.

Wer mich nicht irre nennen möchte, kann mich auch WUI nennen. Aber ich habe nichts gegen "Fremde" einzuwenden. Es ist ja treffend.

Zitat:
„Wir haben ein Aneurysma ganz nah bei dem Tumor entdeckt. Das macht es leider unmöglich den Tumor operativ zu entfernen“. „Und was heißt das“, fragte Herr Cornely und seine Stimme zitterte. „Ihre Tochter wird sterben. Sie hat vielleicht noch ein oder zwei Wochen. Es tut mir unendlich leid.“
Hier habe ich eine Inhaltsfrage: Der Tumor soll wegen dem Aneurysma nicht herausoperiert werden, weil (nehme ich an) die Gefahr einer nicht zu kontrollierenden Hirnblutung besteht, irreparable Schäden durch die Einblutungen oder ein Verbluten mögliche Folgen wären. (Was allerdings alles auch jederzeit ohne OP passieren könnte) Wenn das Mädchen ohne die OP dem Tod geweiht ist, müsste da der Arzt diesen risikoreichen Eingriff nicht dennoch durchführen? Wenn nein, warum nicht? Es handelt sich ja um die einzig mögliche lebenserhaltende Maßnahme.

Hierzu würde ich mir noch ein paar Details wünschen.

Zitat:
Julia wusste das er log
Julia wusste, dass er log.

Hier ist dir ein Fehler im Ablauf unterlaufen:
Es sind bereits Tage vergangen.

Zitat:
Ein Pfleger brachte Julia zu einem Krankentransportwagen. Ihre Eltern verabschiedeten sich von Doktor Weiß.
Dann bekommt Julia ein neues Zimmer. Sie befindet sich schon in Frankenberg.
Jetzt aber (und das ist verwirrend) folgt die Szene mit Julias Mutter: (die immernoch die Infusionsnadel im Arm hat)

Zitat:
Als Julias Mutter erwacht war, lag sie alleine in dem kleinen stickigen Raum im Krankenhaus. Niemand war bei ihr. Sofort schoss ihr der Gedanke wieder in den Kopf. Ihre Tochter würde sterben. Sie wollte zu ihrer Tochter. Mit aller Kraft riss sie sich die Nadel aus dem Arm und stand auf. Sie öffnete die Tür und blickte in das kreideweiße Gesicht ihres Mannes. Julias Eltern nahmen sich in den Arm und Susanne hoffte so sehr, dass ihr Mann etwas sagen würde. Nur ein Wort, ein Satz, der ihr Mut machen würde. Doch Herr Cornely konnte nicht mehr kämpfen. Sie gingen zu ihrer Tochter und Herr Cornely gab ihr das Kuscheltier. Julia freute sich sehr und schlief bald darauf mit ihrem neuen Freund im Arm ein.
Aber das geht nicht. Julia ist bereits in Frankenberg und die Mutter noch im Krankenhaus. Entweder ich hab n Knick in der Optik (um diese Uhrzeit durchaus möglich) oder da ist was schief gelaufen.

Hier und da hätte man eventuell ein Fragezeichen mehr setzen können.

Alles in allem bleibt es spannend und ich freue mich auf deine Fortsetzung.
Dir auch noch einen schönen Morgen.

Ganz liebe Grüße zurück
die Irre, Wui, die fremde Nachteule... however
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Alt 29.12.2011, 12:52   #7
Reisender
 
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Gleich nochmal einen guten Morgen, oder vielleicht ehr Mittag, liebe Fremde



Zitat:
Zitat von WeiblichUndIrre Beitrag anzeigen
Hier habe ich eine Inhaltsfrage: Der Tumor soll wegen dem Aneurysma nicht herausoperiert werden, weil (nehme ich an) die Gefahr einer nicht zu kontrollierenden Hirnblutung besteht, irreparable Schäden durch die Einblutungen oder ein Verbluten mögliche Folgen wären. (Was allerdings alles auch jederzeit ohne OP passieren könnte) Wenn das Mädchen ohne die OP dem Tod geweiht ist, müsste da der Arzt diesen risikoreichen Eingriff nicht dennoch durchführen? Wenn nein, warum nicht? Es handelt sich ja um die einzig mögliche lebenserhaltende Maßnahme.

Hierzu würde ich mir noch ein paar Details wünschen.
Da hast du schon recht. Es musste einfach ein Grund her, warum Julia in ein Hospiz kommt. Auf dem OP Tisch darf sie nämlich auf keinen Fall sterben. Aber das wird noch deutlicher. In Episode #4 baue ich noch ein paar Detals ein, weil das ist wirklich so nicht logisch.

Zitat:
Zitat von WeiblichUndIrre Beitrag anzeigen
Hier ist dir ein Fehler im Ablauf unterlaufen:
Es sind bereits Tage vergangen.



Dann bekommt Julia ein neues Zimmer. Sie befindet sich schon in Frankenberg.
Jetzt aber (und das ist verwirrend) folgt die Szene mit Julias Mutter: (die immernoch die Infusionsnadel im Arm hat)



Aber das geht nicht. Julia ist bereits in Frankenberg und die Mutter noch im Krankenhaus. Entweder ich hab n Knick in der Optik (um diese Uhrzeit durchaus möglich) oder da ist was schief gelaufen.

Hier und da hätte man eventuell ein Fragezeichen mehr setzen können.
Das mit dem Zeitsprung war schon so beabsichtigt. Der Leser erfährt zuerst, dass Julia verlegt wird und dann wird erklärt, wie es dazu kam. Der Hintergrund war der, dass ich die Dramatik nicht rausnehmen wollte. Ich meine, die Eltern erfahren, dass ihr Kind sterben wird. Das würde dann ja doch etwas gleichgültigt rüberkommen, wenn ich zwei Sätze weiter schreiben würde, dass sich die Eltern dann um die Unterbringung kümmern. Du hast aber auf alle Fälle Recht. Beim zweiten Lesen ist mir das mit dem Zeitsprung auch aufgefallen. Ich setze den Teil jetzt ein wenig vom Fließtext ab, damit man besser erkennt, dass die Handlung dort asynchron läuft. Und dann guck ich mir gleich mal die Interpunktion an. Weil ein fehlendes Fragezeichen ist ja schnell ergänzt. Und wenn das dann den Lesefluß stört, ist das ja auch nicht so richtig optimal.


Ich danke dir fürs Lesen und für die wertvollen Ratschläge. Spätestens morgen früh geht es weiter.

ganz besonders liebe Grüße

sendet der Reisende
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Alt 29.12.2011, 14:48   #8
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Halli Hallo

Zitat:
Ich meine, die Eltern erfahren, dass ihr Kind sterben wird. Das würde dann ja doch etwas gleichgültigt rüberkommen, wenn ich zwei Sätze weiter schreiben würde, dass sich die Eltern dann um die Unterbringung kümmern.
Da hast du wohl recht.

Zitat:
Ich setze den Teil jetzt ein wenig vom Fließtext ab, damit man besser erkennt, dass die Handlung dort asynchron läuft.
Gute Idee. Dann wird es beim lesen einleuchtender und man stolpert nicht mehr.

Gerne. Ganz liebe Grüße zurück, lieber Reisender
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Alt 29.12.2011, 22:27   #9
weiblich KleinerSpecht
 
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Lieber Reisender,

Bis jetzt habe ich nur den Teil "Gefangen" gelesen. Und heute schaffe ich es nicht mehr weiter zu lesen. Gerne ein andern Mal.

Der Anfang mit den Schneeflocken hat mir sehr gut gefallen. Danach wurde es eher mäßig. Aber Übung macht ja bekanntlich den Meister.

Was mir fehlt, sind die Absätze.
Deine Geschichte braucht dringend Absätze.

Mir scheint auch du hast manchmal Probleme mit den Vergangenheitsformen.
Ich habe, nachfolgend, nicht alle Fehler dahingehend korrigiert, aber ein Paar.

Ansonsten hier noch einige weitere Verbesserungsvorschläge
und immer schön dranbleiben:


Zitat:
Eigentlich war Julias Mutter der Meinung, dass man eigentlich nicht bei jeder Kleinigkeit Medikamente nehmen sollte.
Zwei Eigentlichs in einem Satz, ist mindestens eines zu viel.


Zitat:
griff sie zur Kopfschmerzmittelpackung. Doch leider half das Mittel nicht.
Zweimal Mittel. Klingt nicht gut. Ich würde den zweiten Satz so schreiben:

Doch es half nichts.

Klingt auch theatralischer. "Leider" klingt nach nichts. Nicht nach einer "Schicksalsnacht".


Desweiteren denke ich solltest du einbauen, dass Julia immer in letzter Zeit immer häufiger über Kopfschmerzen geklagt hatte.
Soweit ich weiß macht sich ein Tumor nicht so plotzlich so stark bemerkbar.


Zitat:
Es war ein sonniger Montag im August.
gewesen.

Zitat:
Alles war perfek,
gewesen.
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Alt 29.12.2011, 23:15   #10
Reisender
 
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Hallo KleinerSpecht,
erst einmal vielen Dank fürs Lesen und die vielen Anregungen.
Natürlich kriegt dieGeschichte noch eine Anständige Formatierung. Aber das mache ich immer erst hinterher. Wenn ich die Absätze gleich Sätzen würde, dann würde das meinen Schreibfluss stören und die eine oder andere gute Idee würde verloren gehen.
Mit der Wortwiederholung hast du schon recht. (Hab ich nach dem Beitrag der Fremden schon umgebaut.) Es ging mir an der Stelle darum, dass eben zu dieser Zeit niemand erkannte, wie schlimm die Nacht sein wird. Ich meine, das Kind klagt über Kopfschmerzen. Mein Gott. Das passiert schon mal. Und dann überlegt sich die Mutter, es wird nicht besser, gebe ich halt ein Mittel. Hier ging es mir um eine gewisse Gleichgültigkeit. Das mit dem Tumor hab ich gründlich recherchiert. Es ist so, dass der Tumor alleine natürlich üblicherweise nicht zu einem spontanen derart häftigen Anfall führt. Aber in Verbindung mit einer Aterienerweiterung ist das dann schon kritisch. Ob Julia schon vorher stärkere Kopfschmerzen hat, das überlasse ich der Fantasie der Leser. Sie ist ja ein tapferes Mädchen, das niemals klagt.
Plusquamperfekttechnisch muss ich da wirklich nochmal drüberschauen. Weil das haut an der ein oder anderen Stelle tatsächlich nicht hin.
Dann mach ich mich jetzt mal ans werkeln. Ich danke nochmal herzlich für die Tipps. Etwas gegen 3 wird Teil 4 onlinegestellt. Schauen wir mal, ob Julia die Nacht überlebt.

Ich wünsche noch einen schönen Abend.

LG

Geändert von Reisender (30.12.2011 um 03:46 Uhr)
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Alt 30.12.2011, 03:48   #11
Reisender
 
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Einen wunderschönen guten Morgen euch allen.
Hier kommt der nächste Teil. Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen noch Absätze einzufügen, aber der Reisende macht sich jetzt auf die Reise in das Traumland. Viel Spaß beim Lesen!

Zitat:
Frau Cornely sah zuerst nach Julia und dann nach Max. Sie lächelte. Zum ersten mal seit langer Zeit. Dann legte sie sich zu ihrem Mann. Zum ersten mal schlief sie einfach ein. Nicht aus völliger Erschöpfung, sondern weil sie wusste, dass in dieser Nacht nichts schlimmes passieren würde. Am nächsten morgen, als die Familie beim Frühstück zusammensaß war beinahe alles so wie immer. Herr Cornely las in der Zeitung. Die Kinder alberten herum und Frau Cornely saß einfach nur da und sah ihrer Familie zu. Sie war glücklich. Für einen Moment schien es, als würde alles gut werden. Doch die Nadel in Julias Arm erinnerte sie daran, dass das ein Trugschluss war. Julia würde sterben. Das war unausweichlich und jetzt ging es nur noch darum ihr die Tage, die ihr noch blieben, so angenehm wie möglich zu machen. Nach dem Frühstück wurden Julia und Max zu einem Puppentheaterstück abgeholt. Die Eltern wollten die Zeit nutzen, um mit dem Pfarrer zu reden.
Die Liste
Julia hatte sich in den letzten Tagen oft die gleiche Frage gestellt, wieso war sie hier. Doch die Frage hatte von Tag zu Tag an Bedeutung verloren. Jeden Tag gab es etwas zu erleben. So auch an diesem Tag. Als sie am morgen erwachte konnte sie es schon nicht mehr erwachen. Sie liebte Puppentheater und an diesem Tag gab es eine Vorstellung. Nach dem Frühstück ging sie zusammen mit ihrem Bruder in den großen Aufenthaltsraum. Die Vorstellung sollte in 10 Minuten beginnen. Julia fiel etwas auf. „Ich komme gleich wieder“, sagte sie an ihren Bruder gewandt. Sie stand auf und ging zurück in das Apartment. Bei der Vorstellung durfte Lili, das Stoffkamel und Schnuffel, ihr Teddybär nicht fehlen. Sie nahm ihre Kuscheltiere vom Bett und wollte sich schon wieder auf den Weg machen, um nichts zu verpassen, als sie die Stimmen ihrer Eltern aus dem Wohnzimmer hörte. Ihre Eltern sprachen mit jemandem. Julia wusste selbst nicht wieso, doch schlich sie beinahe automatisch an die halb geöffnete Holztür und lauschte. „In ihrem Alter hat ihre Tochter bereits eine sehr genau Vorstellung vom Tod“. Julia zuckte zurück. Sie kannte die Stimme nicht, aber was der unbekannte man da sagte machte ihr furchtbare Angst. „Also denken sie, dass wir es ihr sagen sollten?“,fragte ihre Mutter. „Sie sollten ihr die Chance geben, sich vorzubereiten. Seien sie für sie da.“ Julia wandte sich ab. Sie hatte genug gehört. Währen sie zurück in den Aufenthaltsraum ging, versuchte sie das, was sie gehört hatte so gut es ging von sich wegzuschieben. Sie kam gerade noch rechtzeitig. Der Kasperle hatte bereits den Vorhang der kleinen Bühne geöffnet. Alle Kinder lachten, jubelten und klatschten. Als Julia an diesem Abend im Bett lag, konnte sie lange nicht einschlafen. Sie vor einem halben Jahr ins Krankenhaus gekommen war, hatte sie sich immer schlechter gefühlt. Im Grunde hatte sie keine Angst vor dem Tod. Sie dachte an ihre Oma. Vor einem Jahr hatte sie sie das letzte mal gesehen. Ihre Oma war schon sehr alt und Julia war sich sicher, dass alles, was ihre Oma sagte stimmte. Schließlich war sie ja schon über hundert Jahre alt. Ihre Oma hatte ihr erzählt, dass der Tod ein fernes Land sei und dass jeder Mensch irgendwann in dieses Land reisen würde. In diesem Land sei es wunderschön. Überall würden Blumen wachsen und in diesem Land gelte es viele Abenteuer zu bestehen. Julia bedauerte nur, dass sie alleine in dieses Land reisen musste. Sie würde viel lieber mit ihrer Familie zusammen reisen. Julias Augen wurden schwer und schwerer. Doch bevor sie einschlief nahm sie sich vor, am nächsten Tag eine Liste zu erstellen, mit den Dingen, die sie für Ihre Reise vorbereiten wollte. Am nächsten morgen erwachte Julia schon sehr früh. Noch ehe ihre Eltern etwas merken konnten, öffnete Julia den Schrank und kramte aus ihrer Tasche eine kleine Blechkiste mit Stiften und einen Block mit Papier. Ach dem Frühstück brach die Familie zu einem kleinen Ausflug auf. Der Tag war recht warm, bedachte man, dass es mitten im Dezember war. Nach einem kleinen Spaziergang im Park besuchte die Familie einen Streichelzoo in der Nähe. Julia und Max freuten sich sehr. Nach dem Ausflug aß die Familie zu Mittag. Sie saßen alle um den großen Holztisch im Wohnzimmer. Alle waren glücklich und auch ein wenig müde von dem ereignisreichen Vormittag. Nach dem Essen kam eine Schwester, die Julias Infusion wechseln wollte. Danach sollte sich Julia etwas hinlegen. Kaum hatte sich die Tür hinter ihrer Mutter geschlossen, griff Julia unter das Kopfkissen und holte den Block und die Stifte hervor. Was musste man vorbereiten um in dem geheimnisvollen Land viele Abenteuer zu bestehen. Eine Tasche musste man packen. Das wichtigste, was auf gar keinen Fall fehlen durfte, war Schnuffel, ihr Teddybär. Und Lili, das Stoffkamel musste auch mit. Vielleicht war es in diesem Land ja auch manchmal kalt. Ihre Schmusedecke würde ihr dort bestimmt sehr nützlich sein. Und dann brauchte sie natürlich auch noch Sachen zum Anziehen und Proviant. Vielleicht gab es ja in diesem Land auch Telefone. Zumindest musste es doch eine Post geben. Also würde sie auch etwas Geld mitnehmen, damit sie ihre Familie anrufen, oder einen Brief schreiben konnte. Und dann brauchte sie unbedingt ein Buch. Falls es mal keine Abenteuer zu bestehen gab, würde ihr so wenigstens nicht langweilig werden. Und eine Taschenlampe brauchte sie auch. Julia las gerne unter der Bettdecke und da war eine Taschenlampe einfach Pflicht. Julia legte den Stift zur Seite. Erschöpft schlief sie ein. Julias Eltern hatten den ganzen Tag über versucht eine Gelegenheit zu finden. Doch es ging einfach nicht. Den beiden waren einfach nicht die richtigen Worte eingefallen. Schlussendlich hatte Julia aber einen wunderschönen Vormittag verbracht und war glücklich. Und das war doch die Hauptsache. Als Julia erwachte war sie alleine. Schnell griff sie zu ihrem Block und den Stiften. Ihre Tasche hatte sie gepackt. Zumindest hatte sie aufgeschrieben, was sie mitnehmen wollte. Doch so einfach abreisen wollte sie nicht. Doch wie konnte sie sich verabschieden? Schließlich wusste sie ja nicht genau, wann ihre Reise beginnen sollte. Schließlich kam ihr eine Idee. Sie beschloss Briefe zu schreiben. Zuerst auf jeden Fall ihrer Mutter und ihrem Vater. Und natürlich Max. Auch ihren besten Freundinnen wollte sie schreiben. Maike und Lena würden sich bestimmt freuen. Ihrer Klassenlehrerin würde Julia nicht schreiben. Die war blöd. Julia konnte Frau Gruber nicht leiden. Aber Frau Maier würde Julia einen Brief schreiben. Frau Maier war so etwas wie der gute Geist der Schule. Sie unterrichtete Englisch und in den Pause verkaufe die alte Dame kleine Snacks und Süßigkeiten. Frau Maier hatte immer ein offenes Ohr für die Schüler. Egal ob jemand ein Problem mit den Hausaufgaben hatte, oder zu Hause Streit hatte. Frau Maier kümmerte sich. Plötzlich begann Julias Herz schneller zu schlagen. „Benni“, schoss es ihr in den Kopf. Benni durfte sie auf keinen Fall vergessen. Aus den Augenwinkeln sah Julia, wie sich die Tür öffnet. Blitzschnell versteckte sie den Block und die Stifte unter der Decke. „Hallo mein Schatz“, Frau Cornely lächelte, „Hast du gut geschlafen?“. Julia nickte und gähnte. „Was machen wir heute Nachmittag“, fragte sie und stand dabei auf, bei jeder Bewegung darauf bedacht, die Decke möglichst wenig zu bewegen. In diesem Moment kam ihr Bruder in das Zimmer gestürmt. Max hatte seinen Wunschzettel für den Weihnachtsmann geschrieben und wollte wissen, ob sich Julia auch schon überlegt habe, was sie sich wünschen würde. Frau Cornely schluckte. Ihr wurde schlagartig klar, dass sie keine Zeit mehr hatte. In 10 Tagen war Heiligabend. Wie sollte sie ihrem Sohn erklären, dass Julia Weihnachten vielleicht nicht mehr erleben würde. Wie sollte sie Julia erklären, dass jeder Wunsch, den sie hatte, und sei er noch so klein, möglicherweise nie mehr in Erfüllung gehen konnte. Sie ließ sich nichts anmerken, meinte zu Max, dass er seine Schwester doch erst mal aufstehen lassen sollte und schickte Max aus dem Raum. Sie half ihrer Tochter und bald darauf saß die Familie um den großen Holztisch und spielte Monopoly. Max gewann und Julia war glücklich und freute sich für ihre Bruder. Nach dem Abendbrot badete Julia und ging früh ins Bett. Ihr Vater las ihr eine Gute-Nacht-Geschichte vor und ihre Mutter gab ihren einen Gute-Nacht-Kuss. Kaum hatte die Mutter die Tür geschlossen, schaltete Julia die Nachttischlampe ein und kramte den Block und die Stifte hervor. Was sollte sie ihrer Mutter zum Abschied schreiben?
Liebste Mama,
wenn du diesen Brief liest, bin ich auf die Reise gegangen, in das geheimnisvolle Land, von dem Oma gesprochen hat. Sie sagte, dass es dort wunderschön sei. Hoffentlich hat Oma recht. Doch so schön, wie bei dir, wird es dort niemals sein. Du warst immer für mich da. Als es mir schlecht ging bist du nie von meiner Seite gewichen und ich wusste, dass mir nichts passieren konnte, solange du bei mir bist. Das war bestimmt nicht immer leicht für dich. Jeder muss einmal auf die Reise gehen. Oma sagte, dass es ihr an dem Ort, zu dem sie aufbrach besser gehen würde. Mir wird es dort bestimmt auch gut gehen. Schade, dass du mich nicht begleiten kannst. Ich vermisse dich jetzt schon. Aber du sollst wissen, dass ich keine Angst habe. In diesem fernen Land warten viele Abenteuer und vielleicht treffe ich ja einen Prinzen. Den heirate ich und dann hole ich dich, Papa und Max auf mein Schloss. Mach dir keine Sorgen um mich. Mir wird es gut gehen. Und ich hoffe euch auch. Vergesst mich nicht. Für die Reise habe ich eine große Tasche gepackt. Ein Buch, damit mir nicht langweilig wird. Und ja Mama, auch etwas warmes zum anziehen. Proviant habe ich auch dabei und Schnuffel wird schon auf mich aufpassen.
Leb wohl Mama. Ich habe dich sehr lieb.

Deine Julia.
Julia lies den Stift sinken und begann schrecklich zu weinen.
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie schon bald ganz alleine sein würde. Mit einem Zipfel ihres Nachthemdes wischte sie sich die Tränen weg. Sie musste unbedingt auch ein Foto ihrer Eltern und eines von Max mitnehmen. Das schrieb sie noch auf die Liste, stopfte dann den Block und die Stifte in die Ritze zwischen dem Bett und der Matratze und schlief bald darauf, eng an ihren alten Teddybären gekuschelt, ein.
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Alt 30.12.2011, 19:37   #12
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Hallo lieber Reisender

Ich verfolge aufmerksam deine Geschichte. Ein paar Dinge sind mir wieder aufgefallen.

Zitat:
Zum ersten mal seit langer Zeit. Dann legte sie sich zu ihrem Mann. Zum ersten mal schlief sie einfach ein.

Zitat:
Am nächsten morgen,
Zitat:
Als sie am morgen erwachte, konnte sie es schon nicht mehr erwachen.
Ihre Oma hatte ihr erzählt, dass der Tod ein fernes Land sei und dass jeder Mensch irgendwann in dieses Land reisen würde.
Wahrscheinlich eher "erwarten" und das das (welches Fett markiert ist) braucht nur ein s.

Zitat:
Am nächsten morgen erwachte Julia schon sehr früh.
Der Morgen. Substantiv.

Zitat:
Julia legte den Stift zur Seite. Erschöpft schlief sie ein.
Julias Eltern hatten den ganzen Tag über versucht eine Gelegenheit zu finden. Doch es ging einfach nicht. Den beiden waren einfach nicht die richtigen Worte eingefallen.
Hier würde ich noch einmal genau erwähnen, dass die Eltern versucht waren Julia zu erklären, dass sie sterben müsse. Sonst ist dieser Satz eventuell nicht jedem gleich klar.

Julias Brief klingt in einigen Abschnitten noch nicht so richtig "lebendig" und altersgemäß für mich.

Ich freue mich auf eine Weiterführung deiner Geschichte und sende dir

freundliche Grüße
WUI
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Alt 30.12.2011, 20:16   #13
Reisender
 
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Hallo liebe WUI ,
vielen Dank fürs Lesen.
Jaja, diese Wortwiderholungen. Werden sofort entfernt.
War eine gute Idee, das Ding online zu stellen. Weil ich hätte mir das vermutlich 100 mal durchlesen können. Das wär mir wahrscheinlich nicht aufgefallen.
Zitat:
Als sie am morgen erwachte, konnte sie es schon nicht mehr erwachen.
Das tut natürlich weh. Muss natürlich erwarten heißen
Aber wieso braucht das Das, das fett markiert wurde, nur ein s?
Für die Eltern denke ich mir noch ein paar Sätze aus. Das wird so wirklich nicht richtig klar.
So zu guter letzt noch ein Wort zu dem Brief. Dass der nicht altersgemäß geschrieben wurde ist beabsichtigt. Das wird auch noch deutlich. Ich kann nur soviel verraten, in Episode 5 oder 6 geht es in dieses geheimnissvolle Land.
Aber in wieweit ist der Brief nicht lebendig? Weil der Brief ist ja ein zentraler Punkt der Geschichte. Den will ich natürlich richtig gut schreiben.

Ich danke auf jeden Fall fürs lesen. Die Fortsetzung gibt's wie immer morgen früh

Ich wünsche noch einen wunderschönen Abend.

Liebe Grüße

vom Reisenden
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Alt 30.12.2011, 21:00   #14
weiblich Ex-WUI
 
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Hallo zurück lieber Reisender,

Zitat:
Aber wieso braucht das Das, das fett markiert wurde, nur ein s?
Hm. Ich weiß nicht. Klang irgendwie komisch. "Dass" kommt doch immer nur nach nem Komma oder am Satzanfang, wenn es nicht durch dieses, jenes, welches ersetzt werden kann...?! Aber "und" ist auch nur ein Bindewort... Also doch mit zwei "s"? Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher. Vielleicht meldet sich da ja noch jemand anders zu Wort.

Zitat:
Dass der nicht altersgemäß geschrieben wurde ist beabsichtigt.
Zitat:
Aber in wieweit ist der Brief nicht lebendig?
Nur durch das altersgemäße. Ich hätte mich gern noch ein wenig mehr in Julias Situation beim Schreiben eingefühlt. Da es für sie ja ein Abschiedsbrief ist und dieser doch sehr besonnen klingt.

Aber Julia ist halt tapfer
Ich freu mich aufs weiterlesen.

Liebe Grüße zurück
WUI
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Alt 30.12.2011, 22:06   #15
Reisender
 
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Hey liebe WUI,
ich darf schonmal veraten, dass Julias Brief überhaupt kein Abschiedsbrief ist
So, der Reisende packt die Schreibmaschine aus und tippt gleich weiter. Bis morgen früh.

Liebe Grüße

vom Reisenden
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Alt 31.12.2011, 04:18   #16
Reisender
 
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Hey ho, weiter gehts mit Teil 5 glaube ich.
Ich wünsche ganz viel Spaß beim Lesen.
Die Wortwiderholungen habe ich in der Orginaldatei entfernt.
Und dann habe ich da noch einen bösen Schnitzer korregiert. Bitte fragt mich nicht wieso, aber ich habe "Morgen" beinahe überall klein geschrieben. Ohoh.
Zum besseren Verständniss, was Julias Eltern einfach nicht hinbekamen habe ich noch folgenden Satz angefügt:
Zitat:
Julias Eltern hatten den ganzen Tag über versucht eine Gelegenheit zu finden. Doch es ging nicht. Den beiden waren einfach nicht die richtigen Worte eingefallen. Sie konnten doch nicht einfach zu ihrer Tochter gehen und sagen, „Hey Schatz, in 7-10 Tagen wirst du sterben“.
Dann will ich euch nicht länger auf die Folter spannen.
Bühne frei für Teil fünf. Ich bitte weiterhin um viele Anregungen.
Der Reisende sagt gute Nacht

Ganz liebe Grüße an alle

P.s.: Ich habe gerade erfreut festgestellt, dass mein Manuskript schon 39 Buchseiten umfasst. Das ist doch schon ziemlich motivierend.

Zitat:
Der nächste morgen kam und als Julia ihre Augen öffnet und aus dem Fenster blickte war sie wieder voller Zuversicht. Mit einer Hand tastet sie nach ihrem Block. Erleichtert stellte sie fest, dass der Brief noch dort lag, wo sie ihn am Abend zu vor versteckt hatte. Das Mädchen blickte auf seine Armbanduhr und stellte fest, dass es nicht mehr viel Zeit hatte. Gerade rechtzeitig, bevor ihre Mutter hereinkam, hatte sie den Brief an ihren Vater beendet. Nach dem Frühstück gingen Julia, Max und ihr Vater in das Spielzimmer um eine lange Dominostein- Reihe aufzubauen. Frau Cornely hingegen wollte noch einmal mit dem Pfarrer sprechen. Sie hatte die ganze Nacht über die Frage nachgedacht, wie sie das Weihnachtsfest gestalten sollte. Einerseits musste Julia die Chance bekommen ihre Wünsche aufzuschreiben. Schließlich war Weihnachten ohne Geschenke unvorstellbar. Aber was, was wenn Julia das Weihnachtsfest gar nicht mehr erlebte. Susanne verdrängte den Gedanken mit aller Kraft. Das durfte einfach nicht passieren. Das Gespräch mit dem Pfarrer brachte ihr neue Hoffnung. Der Geistliche hatte ihr dazu geraten, ihre Tochter wie jedes Jahr daran zu erinnern, an die Wunschliste für den Weihnachtsmann zu denken. Das würde Julia Kraft geben und auch für Max würde es wichtig sein, dass das Weihnachtsfest so normal wie möglich ablief. Der Pfarrer legte Frau Cornely erneut ans Herz, Julia über ihren Zustand nicht im Dunklen zu lassen. Frau Cornely wusste genau, dass er recht hatte. Doch sie konnte ihrer Tochter einfach nicht sagen, dass sie so bald sterben würde. Frau Cornely war klar, dass sie sich belog, doch sie wollte einfach noch ein paar Tage gemeinsam mit ihrer Tochter verbringen, bevor... Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und lächelte, als sie sah wie vertieft ihr Mann in das Spiel mit den Kindern war. Sie schloss die Tür zum Spielzimmer wieder und setzte sich an den großen Holztisch im Wohnzimmer. Sie atmete einmal tief durch, dann nahm sie einen Stift und einen Zettel und begann eine lange Einkaufsliste zu schreiben. Das Weihnachtsfest würde so ablaufen wie immer. Das schwor sie sich.
In den nächsten beiden Tagen hatte Julia fiel Zeit, ihre Briefe zu schreiben. Immer wieder fuhren ihre Eltern für einige Stunden weg um eine große Überraschung vorzubereiten. Über eine wichtige Sache hatte sich Julia noch keine Gedanken gemacht. Sie lag im Bett und ihre Mutter hatte ihr eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Als die Mutter fertig war, erinnerte sie ihre Tochter daran, dass in einer Woche Heiligabend sei und dass Julia an den Wunschzettel denken solle. Julia lag noch lange wach. Was sollte sie sich wünschen. Sie griff nach ihrem Block und blätterte zur ersten Seite. Ihre Liste. Der Reihe nach kreuzte sie ab, was sie schon erledigt hatte. Ihre Tasche stand fertig gepackt im Schrank. Die Briefe an ihre Eltern und ihren Bruder lagen fertig geschrieben in ihrem Block. Der Brief an ihre Lieblingslehrerin war auch schon fertig. Nur ein Brief fehlte noch. Benni. Sie lächelte und ihr Herz schlug schneller. Sie griff packte alle bereits fertig beschriebenen Blätter beiseite setzte sich auf und griff zu ihrem Füller.

Liebster Benni,
bald ist Heiligabend. Jedes Jahr gibt es an diesem Tag Geschenke. Meistens gehen die großen und kleinen Wünsche, die man sich über das Jahr aufgehoben hat, in Erfüllung. Doch dieses Jahr wird das anders sein. Ich habe nur einen ganz kleinen Wunsch. Ich würde dich gerne noch einmal wiedersehen. Nur ein einziges mal. Doch das geht leider nicht. Meine Oma sagte einmal, jeder Mensch muss irgendwann auf die Reise gehen. Ich werde bald aufbrechen, in ein weit entferntes wunderschönes Land. Doch bevor ich gehe muss ich dir noch etwas sagen. Seit dem Tag, als wir in diesen scheußlichen Regen gekommen sind und du mir deine Jacke geliehen hast, seit diesem Tag gab es keinen Moment, an dem ich nicht an dich gedacht habe. Wenn ich auf die Reise gehe, so gehe ich mit vielen kleinen Schmetterlingen im Bauch und ich gehe mit dir. Dir gehört der schönste Platz in meinem Herzen. Für immer! Ich liebe dich, Benni!

Deine Julia

Sie lies den Stift sinken. Wie gerne würde sie Benni wiedersehen. Sie schloss die Augen und träumte von dem Tag, als sie durch den strömenden Regen geradelt waren. Und sie sah Benni, der wartete, bis sie sicher im Haus angekommen war.
Als Julia erwachte war er fort. Die Familie frühstückte gemeinsam und dann fragte der Vater etwas, worauf Julia nur gewartet hatte. Herr Cornely wollte wissen, worauf Julia an diesem Tag Lust hätte. Julia erwiderte, dass sie gerne in die Bibliothek gehen würde, um sich ein neues Buch auszusuchen. Der Vater wollte seine Tochter begleiten, während Frau Cornely mit Max in die Stadt fahren wollte. Einerseits hatte sie noch einige Vorbereitungen für das Weihnachtsfest zu erledigen, anderseits wollte sie, dass Max raus kam. Sie bewunderte was der Junge leistete. Er verbrachte den gesamten Tag mit seiner Schwester und seinen Eltern und musste jeden Tag auf viele Dinge verzichten. Doch Max klagte nicht ein einziges mal. Sie hätte verstanden, wenn der Junge wütend auf sie, auf seinen Vater oder gar auf Julia gewesen wäre. Doch das war Max nicht. Der Junge hatte längst begriffen, wie es um seine Schwester stand und so war es auch nicht verwunderlich, dass er an erste Stelle auf seinen Wunschzettel geschrieben hatte, dass Julia schnell wieder gesund werden solle. Danach war ihm jeder weitere Wunsch unsagbar schwer gefallen. Julia musste wieder gesund werden. Alles andere war ihm egal. Mehr wünschte er sich gar nicht.
Julia und ihr Vater waren indes in der Bibliothek angekommen. Julia lauerte auf den richtigen Moment. Sie hatte nicht vor, ein neues Buch zu entleihen. Sie suchte etwas ganz anderes. Am Eingang der Bibliothek stand ein hölzernes Regal. Wie das große Plastikschild, dass über dem Regal angebracht worden war, verriet, waren die in dem Regal lagernden Broschüren zum kostenlosen Mitnehmen gedacht. Bei ihrem letzten Besuch hatte Julia eine Broschüre mit einer Karte vom Gebäude und der Umgebung entdeckt. Als ihr Vater ihr kurz den Rücken zu wandte griff Julia blitzschnell in das Regal und verbarg den Flyer unter ihrem Pullover. Danach suchte sie sich das erst beste Buch aus, gab vor, dass ihr dieses Buch besonders gut gefiele. Nach dem Mittagessen wurde Julia von ihrer Mutter ins Bett gebracht. Kaum hatte sich die Tür geschlossen, holte Julia den Flyer hervor. Auf der Übersichtskarte war das Gebäude gut zu erkennen. Julia versuchte sich zu orientieren. Im Norden lag der Park. Im Südosten führe die Straße vorbei. Erfreut stellte sie fest, dass ihre Hoffnungen berechtigt waren. Gleich vor dem Haupteingang befand sich ein Kiosk. Und die Legende verriet ihr, dass in dem Kiosk auch eine Postfiliale untergebracht war. Nun musste sie nur noch eine günstige Gelegenheit finde, um die Briefe abzuschicken. Doch nun wollte sie erst einmal schlafen. Sie nahm Schnuffel in den Arm und bald darauf fielen Julia die Augen zu. Am nächsten Tag ergab sich eine gute Gelegenheit. In weiser Voraussicht hatte Julia Geld in die eine und die Briefe in die andere Jackentasche gesteckt. Nach dem Mittagsschlaf machte Julia mit ihrem Bruder und ihren Eltern einen Spaziergang. Julia schlug vor den Weg diesmal nicht durch den Park sondern um das Gebäude herum zu wählen. Die Eltern und auch Max hatten nichts einzuwenden. Bei einer Bank machten die vier Halt und setzten sich. Julia blickte zum Kiosk und hatte plötzlich eine Idee. Zum Mittagessen hatte es Grünkohleintopf gegeben. Den Eltern hatte es geschmeckt und sie hatten mit großem Appetit gegessen. Julia und Max hassten Grünkohl. Max hatte bestimmt noch genauso großen Hunger wie sie. Auf einer Tafel, die an der Seitenwand des Kiosks angebracht war, stand mit weißer Schrift Pommes mit Ketchup oder Majonäse 1,60€. Das war ein verlockendes Angebot und so wies Julia beiläufig auf das Kiosk hin. Und fügte hinzu, dass sie wahnsinnig großen Hunger hätte. Ihr Bruder ergänzte, dass er sich ebenfalls über einen kleinen Imbiss freuen würde. Und da der Kiosk nur ungefähr 40 Meter entfernt war und der Weg dorthin eben und asphaltiert war, erlaubten Julias Eltern ihrer Tochter, dass sie die Pommes holen durfte. Herr Cornely gab seiner Tochter Geld und Julia fuhr mit ihrem Rollstuhl los. Vor ihr wurde noch ein anderer Kunde bedient. Ein älterer Herr mit Bierbauch. Julia griff in ihre Jackentasche und holte die Briefe heraus. Die freundliche Frau hinter dem Tresen nahm Julias Bestellung auf und versprach mit einem verschmitzten Lächeln, Julias Briefe zu frankieren. Zufrieden kehrte Julia zu der Bank zurück und lies sich zusammen mit ihrem Bruder die Pommes schmecken. Sie war froh, dass sie die Briefe losgeschickt hatte.
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Alt 31.12.2011, 16:22   #17
weiblich Ex-WUI
 
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Huhu, lieber Reisender.

Da bin ich wieder und habe natürlich fleißig weitergelesen.

Dies ist mir aufgefallen:

Zitat:
Der nächste morgen kam
das Wort magst du oder?

Zitat:
In den nächsten beiden Tagen hatte Julia fiel Zeit, ihre Briefe zu schreiben
Zitat:
Wie das große Plastikschild, dass über dem Regal angebracht worden war, verriet, waren die in dem Regal lagernden Broschüren zum kostenlosen Mitnehmen gedacht.
Den könntest du einfacher machen, dann gruselt sich das "verriet" da nicht, so alleine zwischen den Kommas. Aber das ist Geschmackssache.
Also: Wie das große Plastikschild verriet, das (denn man kann es durch "welches" ersetzen)...

Zitat:
Im Südosten führe die Straße vorbei.
Zitat:
Nun musste sie nur noch eine günstige Gelegenheit finde, um die Briefe abzuschicken.
Bis morgen.
Ganz liebe Grüße und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Wünscht WUI
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Alt 01.01.2012, 04:30   #18
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Hey liebe Fremde,
dir natürlich auch ein wunderschönes Jahr 2012.
Morgen oder vielmehr nachdem ich geschlafen habe geht die Geschichte weiter.
Aber jetzt bin ich echt zu müde.

besonders liebe Grüße

vom Reisenden
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Alt 02.01.2012, 03:26   #19
Reisender
 
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Hey ho,
es geht weiter.
Hier kommt der nächste Teil.
Diesmal etwas länger.
Viel Spass beim Lesen.

liebe Grüße

vom Reisenden

Zitat:
Als Julia an diesem Abend in ihrem Bett lag, dachte sie zum ersten mal darüber nach, wie es wohl sein würde in dem geheimnisvollen Land. Sie stellte sich einen märchenhaft schönen Wald vor, mit wunderschönen Blumen und einem Schloss. Sie stellte sich vor, dass sie schöne Kleider tragen würde und wie sie jeden Sonntag ihre Freunde zu einer großen Feier einladen würde. Ihre Freunde. Lena, Maike. Mit den Gedanken an ihre Freunde schlief das Mädchen ein. Julia wollte ihre Freunde wiedersehen. Sie wollte ihr Leben wieder haben.
Vierzehn Tage und der Tag danach
Julia hatte ihre Liste abgearbeitet. Die Tasche war gepackt. Alle Briefe waren geschrieben. Jetzt freute sie sich einfach nur noch auf Weihnachten. Aber was sollte sie sich wünschen? Etwas, das ihr auf der Reise nützlich sein würde? Aber was? Julia überlegte lange, was sie sich wünschen sollte. Schließlich hatte sie eine Idee. Sie wünschte sich einen Tag Sommer.
Herr und Frau Cornely saßen bei einer Flasche Rotwein im Wohnzimmer. Zwar hatten sie die gemeinsamen Momente, die sie in den letzten Tagen des öfteren verlebt hatten, genossen, doch sie waren sich darüber im klaren, dass sie eine wichtige Frage dringend klären mussten. Aber wie konnten sie ihrer Tochter sagen, dass sie nicht gesund würde. Darauf wusste wohl niemand eine passende Antwort. Die beiden saßen zusammen und jeder hing seinen Gedanken nach. Am nächsten Tag fand Frau Cornely den Wunschzettel ihrer Tochter, der auf dem Fensterbrett zur Abholung durch den Weihnachtsmann bereit lag. Unauffällig steckte sie das Papier in ihre Hosentasche um es bei nächste Gelegenheit zu studieren. Julia und Max gingen vor dem Mittagessen zusammen mit ihrem Vater in den Park. Frau Cornely blieb in der Wohnung um nachzusehen, was sich Julia wünschte. Sie setzte sich an den schweren Holztisch und faltete das Blatt auseinander. „Lieber Weihnachtsmann, ich habe in diesem Jahr nur einen einzigen Wunsch. Ich würde gerne einen Tag Sommer mit meiner Familie verbringen. Julia“. Frau Cornely lies den Zettel sinken. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und schluckte. Julias Mutter war so geschockt, dass sie nicht einmal mehr weinen konnte. Das hätte vielleicht etwas Erleichterung gebracht, doch so überkam sie der blanke, kalte Schmerz. Bis spät in die Nach berieten sich Julias Eltern und schließlich hatte Herr Cornely eine Idee.
In den folgenden Tagen verschwand Herr Cornely öfter mal für ein oder zwei Stunden. Julia und Max rätselten, was die Eltern planten, doch sie fanden es nicht heraus. Und dann war er da, der heilige Abend. Julia und Max schlugen sich die Bäuche mit Süßigkeiten voll und die Eltern waren einfach nur glücklich. Und dann nahte die Bescherung. Die Eltern waren sprachlos, als sie sahen, dass Julia für jeden ein Geschenk gebastelt hatte. Frau Cornely hatte Tränen in den Augen, so glücklich war sie. Auch Julias Wunsch wurde erfüllt. In ihrem Geschenk befand sich ein Gutschein für einen Tag Sommer. Julia war verwirrt. Draußen lag Schnee und morgen sollte ein Tag Sommer sein. Das ging doch gar nicht. Natürlich hatte der Weihnachtsmann auch an Julias Bruder gedacht. Doch ob sich Max größter Wunsch erfüllen sollte, das würde sich erst noch zeigen. Max hoffte es sehr.
Am nächsten Tag, nach dem Frühstück, war es soweit. Max durfte den Rollstuhl seiner Schwester schieben. Herr Cornely half Julia in den Kleintransporter. Die Fahrt dauerte ungefähr 20 Minuten. Die ganze Zeit über löcherten Julia und Max ihre Eltern. Sie wollten wissen, wo sie hinführen, doch die Eltern verrieten nichts. Vor einer riesigen Halle machte der Transporter halt. Die Familie stieg aus und Herr Cornely half seiner Tochter in den Rollstuhl. Julias blick verharrte auf dem Gebäude, das vor ihr lag. Es war halb Lagerhalle, halb Zelt und halb Luftballon. Sehr eigenartig. Sie gingen zu, Eingangshäuschen, das neben dem Gebäude winzig wirkte. Frau Cornely holte aus ihrer Jackentasche die Eintrittskarten und gab sie der jungen Frau die hinter der Glasscheibe saß. Diese versah alle Karten mit einem Loch und wünschte viel Spaß. Als sie die riesige Halle betrat blieb Julia der Mund offen stehen. Fassungslos blickte sie in jede Richtung und konnte sich nicht entscheiden, was sie toller finden sollte. Der Sommertag lag vor ihr. In der Halle war es warm, regelrecht heiß. Überall wuchsen Palmen und andere exotische Pflanzen, von der Decke knallte sie Sonne und in mitten der Halle lud ein tropischer Fluss zum Baden ein. Julia konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte mal so einen unglaublich tollen Tag verbracht hatte. Doch nicht nur Julia und Max waren überglücklich. Auch die Eltern freuten sich sehr. Und während die Familie in Fluss badete, herumtollte und schließlich im Restaurant Pommes mit Ketchup und Cola zu sich nahm, währenddessen war die unheilvolle Krankheit wie weggeblasen. Sie waren eine ganz normale Familie. Das Gefühl hielt auch noch an, als sie längst wieder auf dem Rückweg waren. Jeder ließ die farbenfrohen Momente, von denen es an diesem traumhaften Tag jede Menge gegeben hatte, vor seine, inneren Auge Revue passieren. Doch als der Transporter abbog, auf die Seitenstraße und als sie an dem Schild „Kinderhospiz Sternenland“, kam diese unbestimmte Angst zurück. Doch die Angst war noch weit weg und ein seltsames Gefühl der Sicherheit erfüllte die Herzen der vier. Zwar wussten die Eltern genau, dass diese Sicherheit schlichte Illusion war. Sie wussten, dass sie sich geschickt mit einem schönen Tag darüber hinweggetäuscht hatten, dass das Unvermeidbare eben unvermeidbar war. Doch das war ihnen egal. Für den Moment wollten alle einfach nur glücklich sein. Die Eltern brachten ihre Kinder ins Bett und bald schließen alle friedlich ein.
Am nächsten Morgen jedoch wurde den Eltern klar, dass sie einen schlimmen Fehler gemacht hatten. Es war der sechsundzwanzigste Dezember. Genau vor zwei Wochen hatte Doktor weiß davon gesprochen, dass Julia vielleicht noch eine oder zwei Wochen blieben. Doch es war seltsam. Zwar hatten es alle gehofft, doch hatte es niemand für möglich gehalten. Julia ging es besser und besser. Die Tage zogen sich hin und die Angst verschwand mehr und mehr. Schließlich wollte Herr Cornely Gewissheit. Wütend fuhr Herr Cornely in die Stadt. Schwungvoll stoppte er den Wagen vor dem Krankenhaus und machte sich mit schnellen Schritten auf den Weg zu dem Büro von Doktor Weiß. Julias Vater klopfte und musste nicht lange warten. Der grauhaarige Arzt öffnet sofort und wirkte noch gebückter als vor zwei Wochen. Doktor Weiß erkannte Julias Vater sofort und er war einigermaßen verunsichert. Trotzdem bot er Herrn Cornely einen Stuhl an. Nachdem Julias Vater dem Arzt berichtet hatte, dass es Julia besser und besser ginge war der Arzt sehr nervös. Er nahm die Brille ab und poliert sie hektisch an seinem Kittel. Dann setzte er die Brille wieder auf und blickte Julias Vater entschlossen an. „Herr Cornely, ich verstehe ihre Euphorie, jedoch kann ich ihnen leider wenig Hoffnungen machen. Der Befund ist eindeutig. Der Tumor im Kopf ihrer Tochter wächst stetig. Und er drückt genau auf die schwächste Stelle der Hauptschlagader. Ihre Tochter ist stark. Das zögert das Unvermeidbare hinaus. Aber es ändert doch nichts.“ Herr Cornely starrte den Arzt wütend an. Er konnte es nicht mehr hören. Unvermeidbar... Unvermeidbar... Nichts war unvermeidbar. Er rannte aus dem Büro, knallte wütend die Tür hinter sich zu und stieg in sein Auto. Julias Vater fuhr eine Weile ziellos durch die Stadt. Er musste den Kopf frei kriegen. Er musste einen klaren Gedanken fassen. Schließlich lenkte er den Wagen in die Innenstadt. Dort, in einem vornehmen Büroturm hatte Peter Braun seine Kanzlei. Die beiden waren zusammen zur Schule gegangen und hatten sich, obwohl Peter zum Jurastudium in eine andere Stadt gezogen war, nie aus den Augen verloren. Peter nahm sich sofort Zeit für seinen alten Freund, als er hörte, worum es ging. Die beiden sprachen über zwei Stunden miteinander und schließlich verließ Herr Cornely das Gebäude in dem festen Glauben, dass nun alles gut würde. Als er nach in die Wohnung kam spielte seine Frau mit den Kindern Mensch Ärger dich nicht. Herr Cornely lächelte, nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und setzte sich zu den dreien.l Er wollte das Spiel nicht unterbrechen obwohl er dringend mit seiner Frau sprechen wollte. Eine Gelegenheit, Susanne von dem Gespräch mit dem Arzt und der anschließenden Unterredung mit dem Anwalt zu erzählen, ergab sich erst am späten Abend, nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht hatten. Julias Mutter brach in Tränen aus. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie wochenlang Achterbahn gefahren. Um sie drehte sich alles. Julia würde leben. Nach dem, was ihr Mann erzählt hatte, bestand für sie kein Zweifel. Obwohl sie sich unsagbar freute, stieg in ihr Wut auf. Sie hatte unsagbare Ängste ausgestanden. Und nun sollte sich herausstellen, dass das alles falscher Alarm war. Julias Eltern zogen den Pfarrer ins Vertrauen und dieser Sprach mit dem Hospizarzt. Es dauerte zwei Tage, bis Herr Cornely den Zettel mit der Nummer einer Spezialklinik in den Händen hielt. Sein Freund hatte ihm geraten, eine zweite Meinung eines Spezialisten einzuholen. Das wollte Herr Cornely tun. Er rief die Nummer, die ihm der Pfarrer aufgeschrieben hatte an und sprach zunächst mit dem Sekretariat eines Professor Doktor Doktor Brettschneider, dann mit dem Arzt selbst. Der Professor hörte sich in Ruhe an, was ihm Julias Vater erzählte und schließlich kam man überein, dass es das beste sei, Julia im neuen Jahr erneut zu untersuchen. Der Professor wollte die Arbeit seines Kollegen überprüfen und gegebenen Falls eine Behandlung übernehmen. Zwar machte er Julias Vater keine Hoffnungen, doch waren die Eltern erleichtert. Nun würde alles gut werden. Da waren sie sich sicher.
Schmerzlicher Aufbruch
Als Julia an jenem Sommerabend im Bett lag fasste sie einen Plan. Sie wollte noch nicht auf die Reise gehen. Noch war sie nicht soweit. Ihr war klar, dass sie ihr altes Leben nur wiederbekam, wenn sie den Rollstuhl verließ. So schwach wie sie war, konnte sie unmöglich alleine mit dem Rad zur Schule fahren. Mit dem Rad zu Schule fahren. Bei diesem wunderbaren Gedanken glitzerten Julias Augen und wie so oft in den einsamen Tagen, die hinter ihr lagen, dachte sie an Benni. Nein sie war viel zu schwach. Und so beschloss sie wieder gesund zu werden. Das schien auch zu gelingen. Tag für Tag wurde sie immer kräftiger und schließlich war der Moment gekommen. Julia war mit ihrer Mutter im Park unterwegs. Auf einer Bank wollten die beiden eine kleine Pause machen. Erstarrt blickte Frau Cornely ihre Tochter an, die wie selbstverständlich aus dem Rollstuhl aufstand und die paar Schritte zur Bank völlig sicher hinter sich brachte und sich grinsend neben ihre Mutter setze. Nun war sich Frau Cornely endgültig sicher. Dieser hässliche Tunnel hatte einen Ausgang. Julia ging es von Tag zu Tag besser und auf den immer ausgedehnteren Spaziergängen blühte das Mädchen regelrecht auf. Die Tage zogen dahin, wie im Flug und irgendwann lag Julia in ihrem Bett und wusste, es war der letzte Tag. Der letzte Tag den sie an diesem hellen, bunten und schönen Ort verbrachte. Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass sie in einem anderen Krankenhaus untersucht werden solle. Julia freute sich darauf, bald ihre Freundinnen wiederzusehen. Und Benni. Etwas wehmütig dachte sie an den Jungen. Ob er sich überhaupt noch an sie erinnerte. Doch das war alles gar nicht mehr so wichtig. Hauptsache sie würde bald ihr altes Leben zurück kriegen.
Es war ein grauer, eisiger Tag. Schon seit dem frühen morgen hatte es in Strömen geregnet. Herr Cornely hatte die Koffer und Taschen in dem Kofferraum seines Wagens verstaut. Dann hatte sich die Familie von den Mitarbeitern des Hospiz verabschiedet und ihnen für die schöne Zeit gedankt. Julia war froh, als die Fahrt endlich losging. Die Klinik entpuppte sich als ein grauer Betonklotz. Die Familie ging zur Anmeldung und eine freundliche Schwester meinte, dass sie sich um Julia kümmern würde. Da die Untersuchungen einige Zeit dauern würden, schlug sie vor, dass die Eltern doch in der Zwischenzeit nach Hause fahren sollten. Nur widerwillig lies Frau Cornely ihre Tochter alleine. Doch bei der gemütlichen älteren Frau war Julia anscheinend in guten Händen. Außerdem freute sich Frau Cornely auf zuhause. So begleitete die Schwester Julia durch die langen weißgetünchten Gänge zu einem Zimmer, das genauso weiß und unfreundlich war, wie wohl jedes Krankenhauszimmer. Julia wurde in eine lange Röhre geschoben. Die Schwester erklärte ihr dreimal, dass sie keine Angst haben müsse und dass sie, sollte sie die Röhre verlassen wollen, einfach nur den Knopf drücken müsste, den sie ihr in die Hand gab. Julia kannte den Ablauf dieser Untersuchung zur Genüge. Nach etwa einer Stunde wurde Julia in ein Zimmer gebracht, in dem sie warten sollte, bis es Mittagessen gäbe. Das Zimmer kam Julia nur zu bekannt vor. Weißgetünchte Wände, drei Bilder, die nichts aussagten, geschweige denn schön gewesen wären und zu allem Überfluss ein Fernseher an der Wand.
Julia setzte sich auf das Bett. Sie wollte gerade die Füße ausstrecken und den Fernseher einschalten um sich etwas abzulenken, als es an der Tür klopfte. Ein hochgewachsener Mann Mitte vierzig kam gefolgt von zwei Schwestern in das Zimmer. Der Mann stellte sich als Professor Brettschneider vor. Ohne Umschweife kam er sofort zu Sache. Bei der Untersuchung habe er keinen Anhalt für ein Aneurysma erkennen können. Er sehe kein Problem darin den Tumor zu entfernen. Julia sah ihn wortlos an. Sie hatte sich so sehr auf Zuhause, auf ihr altes Leben und ihre Freunde gefreut. Fern hörte sie ihre Stimme fragen, Wie es nun weitergehe. „Nun“, erwiderte der Arzt, „sobald deine Eltern zurück sind, werde ich alles weitere mit ihnen besprechen. Ich denke in drei bis vier Wochen können wir operieren und wenn es dann keine Komplikationen gibt, dann kannst du in zwölf bis fünfzehn Wochen nach Hause.“ Der Anruf kam um kurz nach Vier. Frau Cornely nahm den Hörer ab und erfuhr von einer Schwester, dass sie sofort ins Krankenhaus kommen sollten. Es sei äußerst dringend. Panisch stürzte sie zu ihrem Mann und wenige Minuten später raste der graue Kombi los. Herr Cornely saß am Steuer. Er war bleich. Jede Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. An der Anmeldung erkundigte sich Frau Cornely, wo man ihre Tochter hingebracht hatte. Hastig liefen Max und seine Eltern zur Intensivstation... Wie wild klingelte Julias Vater an der Tür. Der Professor öffnete selbst. Mit regungsloser Mine teilte der Arzt den Eltern mit, dass Julia vor ihrem Zimmer zusammengebrochen sei. Man habe noch versucht sie wiederzubeleben, aber man konnte nichts mehr tun. Es tue ihm leid, fügte er beiläufig hinzu. Julia war Tod. Es war vorbei. Wie in Trance steuerte die Familie auf eine Bank zu, setzte sich und versuchte das Unfassbare irgendwie verständlich zu machen. Wie sollte es nur weitergehen, ohne Julia?
Empfänger unbekannt verzogen.
Frau Cornely wollte ihre Tochter noch einmal sehen. Herr Cornely begleitete seine Frau. Max blieb vor der Station sitzen. Draußen war es längst dunkel, als die Cornelys zuhause ankamen. Niemand sprach ein Wort. Weder die Eltern noch Max wussten, wie es weitergehen soll. Eigentlich war Herrn Cornely im Augenblick nichts so egal, wie der Inhalt des Briefkastens. Man sah deutlich, dass er bis zum Rand gefüllt war und Julias Vater hatte keinerlei Lust Werbeprospekte zu lesen. Doch da waren drei Briefe. Die Umschläge lugten einige Zentimeter aus dem Einwurfschlitz. Herr Cornely wusste nicht, wieso er die Briefe aus dem Briefkasten holte. Er war schon im Begriff die Umschläge wegzuwerfen, als sein Blick auf die Adresse fiel. Er erkannte die Handschrift. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken runter. Mit zitternden Händen öffnete der die Tür. Er lies sich auf den Stuhl sinken und starrte die Briefe an. „Was ist denn los“, fragte Max. Herr Cornely war unfähig auch nur ein Wort herauszubringen. Er gab Max den Brief, auf dem Sein Name stand. Die Familie öffnete die Briefe und alle drei mussten erst weinen, doch dann nahmen sie sich in den Arm und waren erleichtert. „Sie hat es die ganze Zeit gewusst“, sagte Frau Cornely und ihre Stimme zitterte. „Aber sie hat keine Angst gehabt. Und dort wo sie jetzt ist, da geht es ihr besser.“, erwiderte ihr Mann. Max sagte gar nichts. Seine Schwester war Tod. Das konnte niemand mehr ändern. Er hoffte, dass es ihr wenigstens gut ging. Er vermisste sie.
An einem kalten Sonntag im Januar verabschiedeten sich Julias Eltern von ihrer Tochter. Max hatte sich geweigert mit auf den Friedhof zu kommen. In dem Brief, hatte Julia ihn darum gebeten nicht zur Beerdigung zu gehen. Stattdessen wollte sie, dass er sie so in Erinnerung behielt, wie sie war. Während die Eltern zu Beerdigung gingen, sollte Max in das Zimmer seiner Schwester gehen und den zweiten Zettel lesen, der viermal gefaltet in dem Umschlag gelegen hatte. Erst dann. Auf keinen Fall früher. Das hatte Julia betont. Kaum waren seine Eltern aus dem aus nahm Max den gefalteten Zettel und ging in das Zimmer seiner Schwester. Langsam faltete der das Papier auseinander.
„Hey großer Bruder,
hier ist deine kleine Schwester. Ich kann mir denken, wie du dich gerade fühlst. Du musst entsetzlich wütend sein. Deine kleine Schwester zieht los, ohne dir bescheid zu sagen und ohne dich mitzunehmen... Tut mir wirklich leid. Aber es ging nicht anders. Ich danke dir für alles, was du für mich getan hast. Ich werde dich nie vergessen. Du mich hoffentlich auch nicht.
Und jetzt liebes Mäxchen, schau mal unter mein Bett in die Blechdose. Aber lass mir was übrig. Ich hab dich lieb.
Bis bald
deine Julia.
Max lächelte. Das war seine kleine Schwester. Er schaute unter das Bett und fand die Blechdose. Julias Süßigkeitenvorart. Nein, er würde Julia nie vergessen. Er schloss den Deckel der Dose und schob sie zurück an ihren Platz.
Frau Maier staunte nicht schlecht, als sie gleich zwei Briefe von Julia Cornely bekam. Was konnte Julia von ihr wollen. Die Lehrerin hoffte, dass nichts passiert war. Sie wusste, dass Julia vor einem dreiviertel Jahr ins Krankenhaus gekommen war. Sie öffnete den ersten Umschlag und schluckte. Doch dann lächelte. Hoffentlich ging es der kleinen gut, dort wo sie nun war. Frau Maier beschloss statt eines Kranzes eine Tulpe zu schicken. Das waren Julias Lieblingsblumen. Darüber würde sich die kleine bestimmt freuen. Sie öffnete den anderen Umschlag und lächelte. Julia bat sie den Brief an Benni aus ihrer Klasse zu schicken. Sie griff zu nach ihrem Lehrerkalender. Dort hatte sie alle Namen und Adressen ihrer Schüler notiert. Sie blätterte, bis sie Benni gefunden hatte. Er wohnte in der Goethestraße 183. Sie schlug das Buch zu, nahm einen Umschlag aus ihrem Sekretär und schrieb „An Benjamin Wagner, Goethestraße 138, 04199 Bruchleben – Kreis Göppingen“ sorgsam steckte sie den gefalteten Brief in das Kuvert und klebte eine Marke auf den Umschlag. Sie zog ihre Jacke an und machte sich auf den Weg zum Briefkasten.
Maike und Lena hatten indes ebenfalls Post bekommen. Die beiden trafen sich bei Maike. Deren Vater hatte für die Gang, wie sich Julia, Maike und Lena immer genannt hatten, ein Baumhaus gebaut. Ihre Basis. Sie öffneten ihre Briefe und waren geschockt. Julia war Tod. Aber dort wo sie jetzt war, dort ging es ihr besser. Maike ging ins Haus und holte das Familienalbum und eine Schere. Lena war zum nahegelegenen Blumengeschäft gelaufen und hatte die drei schönsten Tulpen besorgt. Zehn Minuten später später saßen sie wieder in ihrem Baumhaus. Sie Schnitten Fotos aus und klebten sie an die Wand. Davor stellten sie die Blumen. Lena ging in das Haus und holte Kerzen und Streichhölzer. Vor dem improvisierten Altar schworen sich die beiden, dass sie ihre beste Freundin niemals vergessen würden. Julia war immer noch bei Ihnen. Tief in ihnen lebte Julia für immer weiter. Lange saßen die beiden noch zusammen. Es war schon dunkel, als sich die beiden verabschiedeten.
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Alt 02.01.2012, 04:37   #20
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Und gleich noch ein Teil hinterher. Damit bin ich jetzt wieder im Zeitplan. HIHI!
Zitat:
Der letzte Tag
Als Benni erwachte trommelte Regen an die Scheiben. Am liebsten wäre er einfach nicht aufgestanden. Ein Tag der schon so grau und hässlich begann, der konnte doch so wieso nichts mehr werden. Doch seine Mutter scheuchte ihn aus dem Bett und um kurz nach sieben kam er durch gefroren und nass im Klassenzimmer an. Alles war wie immer. Die Klingel kündigte an, dass der Unterricht beginnen würde. Alle Schüler setzten sich auf ihre Plätze. Die Klassenlehrerin betrat den Raum. Das wunderte die Schüler. Auf dem Stundenplan stand Erdkunde, das Herr Marx unterrichtete. Die Kinder hofften schon, dass die Stunde ausfallen würde. Doch die sorgenvolle Mine der Lehrerin verriet den Kindern, dass es sich um etwas ernstes handeln musste. Etwas, das weitaus schlimmer war, als ein erkrankter Lehrer. Frau Gruber setzte sich, stand dann wieder hektisch auf und räusperte sich. „Hört ihr mir bitte zu?“ Diese bitte zeigte kaum Wirkung. Doch als Frau Gruber laut „Ruhe“ schrie, verstummten die Gespräche der Kinder. „Ich muss euch leider eine traurige Mitteilung überbringen.“ Man sah der Lehrerin an, dass sie verzweifelt um Fassung rang. „Eure Mitschülerin Julia ist gestern verstorben. Es tut mir leid. Wir werden morgen um Zehn Uhr eine Trauerfeier für Julia abhalten.“ Unter Benni brach der Boden zusammen. Die Worte der Lehrerin dröhnten in seinem Kopf. „Julia ist verstorben.“ „Verstorben.“ „Verstorben.“ Er spürte, wie die Tränen in ihm aufstiegen. Benni sprang auf und stürzte aus dem Raum. Er ließ sich zu Boden sinken und begann furchtbar zu weinen. Julia Tod... Der Gedanke wollte einfach nicht in seinen Kopf. Frau Maier hatte, nachdem sie Julias Brief bekommen hatte, ahnungsvoll eine Kollegin gebeten, sie in den ersten beiden Stunden zu vertreten. Kurz nachdem die erste Stunde begonnen hatte, verließ sie das Lehrerzimmer. Sie fand den Jungen unweit von seinem Klassenzimmer. Sie setzte sich neben ihm auf den Boden und starrte auf die gegenüberliegende Wand. Es dauerte einige Zeit, bis Benni sie bemerkte. Er wollte alleine sein, mit niemandem Sprechen. Er wollte seine Gefühle nicht teilen. Zu groß war der Schmerz. Er wollte aufspringen und wegrennen. Aber Frau Maier hielt ihn vorsichtig zurück. „Bleib hier“, sagte sie ruhig und bestimmt. „Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst“, fuhr sie genauso ruhig fort. „Das können sie nicht“, schrie Benni sie an. „Leider nur zu gut“, erwiderte Frau Maier. „Vor fünf Jahren ist mein Mann gestorben. Er wurde überfahren, als er die Straße überquert hat. Ich konnte mich nie von ihm verabschieden“. Benni sah die Lehrerin mit großen Augen an. „Und wie sind sie damit fertig geworden“, fragte Benni zaghaft. „Überhaupt nicht“, erwiderte Frau Maier und obwohl sie sich bemühte ruhig zu klinge, ihre Stimme nahm einen unsicheren Tonfall an. Ihre eigenen Wunden waren gerade erst vernarbt. „Damit kann man nicht fertig werden“, fuhr sie fort, „Aber man lernt irgendwann damit umzugehen. Das Leben geht einfach weiter. Du warst in Julia verknallt?“ Benni nickt langsam. „Es tut mir so leid“. Frau Maier nahm ihn den Arm und er schluchzte. Nachdem sich der Junge einigermaßen beruhigt hatte, klopfte Frau Maier an der Klassenzimmertür und trat ein, nachdem sie ein „herein“ vernommen hatte. Ihre Kollegin kam zur Tür und flüsternd teilte sie ihr mit, dass sie bei Benni bliebe und ihn nachher nach hause fahren würde. Frau Gruber war erst nicht einverstanden. Doch in ihrer ruhigen Art meinte Frau Maier einfach nur, dass sie nicht länger Stören wolle und verließ den Raum. Sie ging mit Benni in das Lehrerzimmer und kochte eine Kanne Kakao. Dann setzte sie sich an den Tisch. Sie war sich sicher, dass Benni, wenn er soweit alles erzählen würde. Und so kam es. Es dauerte eine Weile, doch dann erzählte der Junge seiner Lehrerin alles. Angefangen bei dem Regenschauer. Er erzählte ihr von dem Freundschaftsband und von dem Brief, den er geschrieben hat. Die erfahrene Lehrerin wusste, dass Benni keine Sprüche halfen würden. So war sie einfach nur für ihn da und hörte zu. Schließlich rief sie Bennis Eltern an und fuhr den Jungen nach Hause.
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Alt 03.01.2012, 04:18   #21
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So hier kommt der letzte Teil von "Willst du mit mir gehen?"
Ich habe mich gerade von "Schicksalsnacht" verabschiedet.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen.
(Und hoffe natürlich auf reichlich Hinweise.)

ganz liebe Grüße

vom Reisenden

P.s.: Allen, den die Geschichte gefallen hat, verspreche ich, dass sie nicht lange auf die nächste warten müssen

Zitat:
Grausam und Erbarmungslos
Die erfahrene Pädagogin sollte Recht behalten. Das Leben ging einfach weiter und niemand konnte sich dagegen wären oder etwas daran ändern.
Sanft fielen die ersten Flocken vom Himmel. Kleinen Tänzerinnen gleich vollführten sie kühne Drehungen und Pirouetten, schmiegten sich aneinander um im nächsten Moment auseinander zu fahren. Doch die der Tanz war nur von kurzer Dauer. Hart schlugen sie auf den Dächern und Wegen auf und schmolzen dahin. Zurück blieb eine eklige braune Brühe, die die ganze Welt zu überziehen schien. Benjamin Wagner blickte aus dem Fenster seiner Kanzlei. Der junge Anwalt hatte die vor einem Jahr die Kanzlei seines Vaters übernommen. Schon früh im Studium hatte er sich genau zu diesem Zweck auf das Fachgebiet Wirtschaftsrecht spezialisiert. Er hasste den Winter. Es war kalt und grau und das machte sich jedes Jahr auf neue bemerkbar. Missmutig setzte er sich wieder an den Schreibtisch. Er rief im Computer das E-Mailprogramm auf. Ein Mandant hatte ihn um eine persönliche Unterredung gebeten und ihm per Mail eine Wegbeschreibung zukommen lassen. Benjamin druckte das Dokument und schaltete dann den Computer aus.
Ihm war der Termin nur recht gewesen. Zuhause wartete niemand auf ihn. Das war nicht ganz wahr. Seine Frau Marianne wartete bestimmt. Die beiden hatten vor zwei Jahren geheiratet. Doch von Anfang an hatten sie nebeneinander her gelebt. Benjamin wusste, dass er an dem Scheitern ihrer Beziehung durchaus mitschuldig war. Doch der Gedanke, dass er Marianne verlieren könnte machte ihm keine Angst. Er fühlte gar nichts mehr. Sein Leben glich dem Dasein einer Maschine. Er funktionierte. Wenn er vor Gericht stand um die Ansprüche eines Mandanten durchzusetzen gab er sich Mühe, gewann meistens, freute sich darüber aber selten. Jeden Sonntag fuhr er mit seiner Frau zum Essen zu seinen Schwiegereltern. Er lächelte, obwohl er dabei nichts fühlte. Seine Frau war ihm egal. Er tolerierte sie neben sich. Das war alles. Benjamin verließ den Fahrstuhl und öffnete die Tür zur Tiefgarage. Er schloss seinen uralten Bentley auf und startete den Motor. Der Schnee wurde immer dichter und Benjamin hatte Mühe die Straße zu erkennen. Sein Handy klingelte. Hastig griff er in die Tasche seines Mantels, der auf dem Beifahrersitz lag. Das Handy fiel in den Fußraum. Fluchend bückte sich Benjamin. Als er wieder auf die Straße blickte, wurde er von dem Fernlicht eines großen Wagens geblendet. Instinktiv kniff er die Augen zusammen um etwas zu erkennen. Was um alles in der Welt wollte dieser Idiot von ihm. Er spürte einen heftigen Aufprall. Sein Kopf knallte in den Airbag des Wagens. Dann wurde ihm schwarz vor Augen. Als er wieder zu sich kam spürte er, wie ihn etwas in den Rücken stach. Langsam öffnete er die Augen wollte sofort aufstehen. Doch ihm war schwindlig und so blieb er liegen. Langsam nahm er die Details um sich herum wahr. Er lag auf Heu Ballen. Eine Scheune. Wie war er hier hergekommen. Knarrend wurde das Eingangstor geöffnet. Eine junge Frau kam auf ihn zu. „Oh du bist wach.“, begrüßte sie ihn freundlich, „Wir hatten uns schon Sorgen gemacht“. „Wo, wo bin ich und wie lange war ich ohnmächtig“, fragte der Anwalt und hielt sich schmerzerfüllt den Kopf. „Bleib liegen. Du warst zwei Tage lang bewusstlos. Später werde ich dir alles zeigen. Aber jetzt musst du dich noch etwas ausruhen“. Die junge Frau drehte sich um und wollte gehen. Benjamin nahm ihren Arm und hielt sie fest. „Wer, wer bist du?“ Das Mädchen lächelte ihn an. „Annemarie“, erwiderte sie keck und verließ die Scheune. Benjamin ließ sich zurück ins Heu sinken und schlief erschöpft ein. Er erwachte erst wieder am späten Nachmittag. Zwar tat sein Kopf immer noch weh und seine Schulter fühlte sich an, als wäre er unter eine Dampfwalze geraten, doch der Anwalt fühlte sich stark genug aufzustehen. Als er die Scheune verließ wurde er von grellem Sonnenlicht geblendet. Vor der Scheune lag ein großer Hof. Gegenüber der Scheune befand sich ein herrschaftliches Haus. Ein alter Mann trat aus dem Gebäude. „Oh, sie sind wacht“, begrüßte er Benjamin überschwänglich. „Sonst könnte ich hier ja nicht herumlaufen du Trottel“, dachte der Anwalt, erwiderte dann aber ebenso freundlich, „Entschuldigen sie, aber gibt es hier ein Telefon?“ Der Mann lächelte und fischte aus der Tasche seines fleckigen Hemdes ein Mobiltelefon. Wortlos reichte er es dem Anwalt und ging dann ins Haus. Benjamin wählte die Nummer seiner Kanzlei. Nach zweimaligem Tuten meldete sich eine Computerstimme „Kein Anschluss unter dieser Nummer“. Der Anwalt stutze und wählte die Nummer erneut. Das Ergebnis war das gleiche. Was war hier los. Die Nummer seiner Kanzlei kannte er in und auswendig. Er ging auf das Haus zu. Vor dem Eingang lagen Matten und er trat sich die Schuhe ab. Dann betätigte er den schweren Messing Klopfer. Die junge Frau, die sich als Annemarie vorgestellt hatte, öffnete. „Oh, du bist wach. Komm doch rein“. Er betrat den Flur. Benjamin fragte Annemarie, wo der alte Mann sei. Er wolle ihm das Handy zurück geben. Das Mädchen sah ihn verdutzt an. „Welcher alte Mann?“ „Gerade vor zwei Minuten kam ein alter grauhaariger Mann aus dem Haus. Ich hab ihn nach einem Telefon gefragt und er hat mir dieses Handy gegeben. Das wollte ich ihm zurückgeben.“ „Das Mädchen schien ihn nicht zu verstehen. „Hier wohnt kein alter Mann“, beteuerte sie. Irgendetwas stimmte hier nicht. War er auf den Kopf gefallen? Bildete er sich das alles ein? Doch in seiner Hand befand sich der untrügliche Beweis. Das Handy. Da ihn Annemarie anscheinend nicht sagen wollte, wo der alte Mann war, legte Benjamin das Handy auf den Schrank im Flur und betrachtete die Angelegenheit damit als erledigt. Annemarie lud ihn zum Abendessen ein und meinte, dass er die kleine Dachkammer haben könne. Gerade heute sei ein anderer Gast abgereist. Somit hätte man jetzt wieder Platz. Benjamin willigte ein, in dem festen Vorsatz am nächsten Tag gleich bei Tagesanbruch aufzubrechen und sein Auto zu suchen. Dieser Ort gefiel ihm ganz und gar nicht. Beim Essen lernte er auch die anderen Bewohner des Hauses kennen. Neben Annemarie gab es da noch das Ehepaar Forster, einen kräftigen Mann Mitte Dreißig, der sich als Timmy Franks vorstellte, sowie Natascha, eine junge Frau in seinem Alter. Nach dem Essen zeigte Annemarie Benjamin den Hof. Die beiden verstanden sich gut. Doch schließlich spürte der Rechtsanwalt, dass er immer noch etwas schwach war und so brachte ihn das Mädchen in die Dachkammer. Der Raum war winzig und hatte ein kleines Fenster, dass sich nur mit roher Gewalt öffnen lies. In dem Raum befand sich nicht mehr, als ein aufgelegenes Holzbett und eine abgewetzte Holztruhe. Benjamin dankte der jungen Frau für ihre Mühen und war bald darauf eingeschlafen. Als er am nächsten Morgen erwachte fühlte er sich bedeutend besser er stieg die steile Treppe hinunter und wünschte dem Ehepaar Forster einen guten Morgen. Frau Forster wollte wissen, ob Benjamin mit ihnen frühstückte und der Anwalt willigte ein. Ein gutes Frühstück würde sicherlich nicht schaden. Und ob er jetzt gleich aufbrach oder erst in einer Stunde, zu spät war er in jedem Fall. Außerdem wollte er sich von Annemarie verabschieden. „Ist Annemarie schon wach“, frage er beiläufig das Ehepaar.“ „Wer?“ erwiderte Herr Forster irritiert. „Annemarie, die junge Frau. Sie wissen schon. Die gestern mit uns zu Abend gegessen hatte.“ „Da müssen sie sich irren. Wir waren zu viert gestern. Sie, Herr Franks, meine Frau und ich. Von einer Annemarie weiß ich nichts.“ Benjamin stand auf. „Wollen sie mich für dumm verkaufen? Sie wissen genau wer Annemarie ist.“ Der Mann schien im nicht zuzuhören. Er verließ wortlos den Raum. Benjamin folgte ihm. Als er um eine Ecke trat war der Mann verschwunden. An sich war der junge Anwalt ein äußerst rational denkender Mensch. So schnell brachte ihn nichts aus der Ruhe. Doch das war nun anders. Hastig verließ er das Gebäude und ging schnellen Schrittes in eine Richtung. Seinen Plan, das Auto wiederzufinden und die Fahrt dann fortzusetzen, hatte er mittlerweile begraben. Er wollte nur noch weg von hier. Er erreichte einen Waldweg und fühlte sich sicher. Der Weg führte schnurgerade durch dichten Nadelwald. Er frohlockte, als er durch die Bäume die schemenhaften Umrisse eines Gebäudes erkannte. Doch als er aus dem Wald trat und das Gebäude erkannte, fuhr er bis ins Mark erschrocken zurück. Das konnte doch nicht wahr sein. Er war im Kreis gelaufen. Er drehte um und ging wieder in den Wald. Doch es half nichts. Egal welchen Weg er nahm, er landete immer wieder bei dem Anwesen. Schließlich ging er sogar abseits der Wege. Doch das änderte nichts. Als es dunkelte gab er wütend auf. Als er das Haus betrat war es still. Er war alleine. Hier stimmte nichts. In der Küche fand er ein langes Messer. Das nahm er an sich und verkroch sich dann in der Dachkammer. Er versperrte die Tür und schob die schwere Truhe davor. Eigentlich hatte er sich vorgenommen die ganze Nacht wach zu bleiben. Doch gegen halb drei fielen ihm die Augen zu. Von lauten Stimmen geweckt fuhr er hoch. Er sprang aus dem Bett und stürzte zum Fenster. Vier Jugendliche standen auf dem Hof. Drei Jungen und ein Mädchen. „Sollen wir nicht lieber gehen“, hörte Benjamin das Mädchen sagen. „Komm schon, die haben hier bestimmt ein Telefon.“, erwiderte einer der Jungen. Der Anwalt hörte, wie der schwere Klopfer betätigt wurde. Er steckte das Messer an seinen Gürtel und verbarg es unter seiner Jacke. Dann öffnete er vorsichtig die Tür. Die Jugendlichen stellten sich vor, erklärten, dass sie sich verirrt hätten und fragten, ob Benjamin ein Telefon hätte. Der Anwalt blickte auf den Schrank im Flur. Das Handy war weg. „Nein, tut mir leid“, antwortete er schnell, lud die vier dann aber ein, dass sie sich gerne im Haus ein wenig ausruhen könnten. Er würde indes etwas zu essen machen. Die Jugendlichen willigte ein. Was ging hier nur vor. Benjamin ging in die Küche und bereitete ein Tablett mit Sandwichs und Limonade zu. „Was zum Teufel machen sie in meiner Küche?“ Benjamin ließ das Messer fallen und drehte sich abrupt um. „Annemarie?“ Das Mädchen sah ihn bestürzt an. „Wie kann das sein?“, fragte sie. Die Frage galt nicht dem Anwalt, doch Benjamin fand die Frage äußerst treffend. „Was um alles in der Welt geht hier vor?“. Annemarie starrte ihn mit offenen Augen an. „Komm mit“, sagte sie energisch und zog Benni aus dem Haus. Wortlos führte sie ihn auf den Wald zu. Auf einem umgekippten Baum setzten sich die beiden. „Also“, fragte Benjamin. „Ok“, begann Annemarie. „Das hier, das ist ein Ort des Übergangs. Hier her gelangen Menschen, die weiterziehen wollen. Oder eben nicht. Aber wenn sie einmal weg sind, dann kommen sie nicht wieder“. Das Mädchen sah Benni an und ihr Blick verriet, dass viel mehr dahinterstecken musste. „Häh“, fuhr er sie an. „Kannst du mal Klartext sprechen? Ich verstehe kein Wort“. „Man du bist Tod!“ Benni sah das Mädchen erstarrt an. Dann lachte er. „Genau! Und du bist der Teufel?“ Er stand auf und ging. Im Gehen warf er ihr noch einen verächtlichen Blick zu. „Du spinnst doch.“ Sie folgte ihm hastig. Im Haus rief Benni die Namen der Jugendlichen. „Sie werden schon weg sein. Sie waren 6 Tage im Wald unterwegs.“ Benni sah Annemarie kalt an. Hastig lief er über den Gang und riss die erstbeste Tür auf. Hinter der Tür lag ein größerer Raum mit drei Betten. Die drei Jungen waren dabei ihre Taschen auszupacken. Als die Tür aufflog sahen sie auf. „Eh, das Essen ist fertig“, sagte Benni. „Vielen Dank“, erwiderten die Jungen, „Wir kommen sofort“. Der Anwalt schloss die Tür wieder. „Siehst du. Niemand ist Tod. So ein Unsinn“. Er wollte Annemarie beweisen, dass auch das junge Mädchen, dass sich als Celine vorgestellt hatte noch da war. So ging er weiter über den Flur und öffnete das nächste Zimmer. Hinter der Tür lag ein Schlafzimmer. Es war kleiner als das Zimmer der drei Jungen. Auf dem Bett lag Celines Rucksack. „Siehst du“, sagte Annemarie und klang fast triumphierend, „Was habe ich gesagt?“ „Das gibt es doch nicht“. Sicher, Annemarie als Lügnerin zu entlarven öffnete er Tür um Tür. Da er im Erdgeschoss Celine nicht finden konnte, lief er mit schnellen Schritten die Treppe hinauf. „Warte“, rief ihm Annemarie nach und als der Anwalt keine Anstalten machte, auf sie zu hören, lief ihm das Mädchen nach. „Halt“, rief sie, doch Benni hörte nicht. Im ersten Stock des Hauses gab es drei Räume. Benni ging zielstrebig auf den ersten zu. Seine Hand berührte die Türklinke. „Das würde ich nicht tun“, sagte Annemarie und ihre Stimme klang ernst. Doch Benni war stur. Er war davon überzeugt, dass er sich in dem Haus einer Wahnsinnigen befand. Mit einer schnellen Bewegung riss er die Tür auf. Celine schrie. Offenbar war dies das Badezimmer. An der rechten Wand war ein Waschbecken angebracht. Direkt unter dem Fenster stand eine große Metallbadewanne. An der Decke angebrachte Metallringe deuteten darauf hin, dass einst ein Vorhang die Person in der Badewanne vor neugierigen Blicken schützte. Doch anscheinend hatte sich der Vorhang während der Jahre aufgelöst. „Hätten sie vielleicht die Güte, sich umzudrehen?“ Celine funkelte Benni wütend an. „Natürlich natürlich, Entschuldigung“, stammelte er und drehte sich zur Wand. „Wieso hast du nichts gesagt“, raunte er Annemarie zu. Doch diese reagierte nicht. Erst jetzt fiel Benni etwas auf. Genau in seinem Blickfeld befand sich der Spiegel. Und obwohl er augenscheinlich schon länger nicht mehr geputzt worden war, sah man deutlich das Spiegelbild der Badewanne. Hastig drehte er sich um. Im selben Moment fuhr er erschrocken zurück. Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu. „Wo, wo, wo, ist die hin“, stotterte er. Verstehst du jetzt, fragte Annemarie. Die beiden gingen wortlos in das Wohnzimmer. Die Jungen waren verschwunden. Benni war käseweiß. „Du brauchst keine Angst zu haben“, meinte Annemarie. „Wieso bist du zurückgekommen“, fragte sie. „Das hat es bis jetzt nämlich nur einmal gegeben.“ „Ich wollte meinen Wagen suchen“, begann Benni zu erzählen. Doch ich bin immer wieder hier gelandet. Erschrocken hielt sich das Mädchen die Hand vor den Mund. „Oh nein“, schrie sie erschrocken. „Vergiss, was ich dir erzählt habe. Das ist alles gar nicht war.“ „Anscheinend ja doch“, erwiderte der Anwalt.“ „Du darfst niemandem davon erzählen“, bat das Mädchen. „Das musst du mir versprechen.“ „Wenn du mir dafür sagst, wie ich von hier wegkomme“, entgegnete Benni. „Es gibt keinen Weg von hier.“ Du wirst in 4 Tagen hinüber gehen.“ „Aber vorher hast du gesagt“, dass nicht alle gehen würden“, warf Benni verzweifelt ein. Bein Wagen ist in eine Schlucht gestürzt und völlig verbrannt. Tut mir leid, aber dein Weg führt nur an einen Ort. Benni schluckte. In 4 Tagen würde er sterben. Benni hatte schon immer große Angst vor dem Tod gehabt. Seit damals, seit diesem verhängnisvollen Tag im Januar hatte er diese Angst mit sich herumgetragen. Er war nicht religiös. Als Anwalt hatte er sich der Logik verschrieben. Und diese lies nur einen Schluss zu. In 4 Tagen würde er und alles was ihn ausmachte einfach aufhören zu existieren. Einen schlimmeren Albtraum konnte er sich nicht vorstellen. Verzweifel suchte er nach einem Ausweg. Drei Tage lang lief er jeden Fleck im Wald ab, streute zum Schluss sogar Kieselsteine aus um sicherzustellen, dass er nicht im Kreis lief. Doch es half nichts. Am Abend des dritten Tages saß er in der kleinen Dachkammer. Er hatte Angst. Große Angst. Panisch versuchte er wach zu bleiben. Er öffnete die Truhe. In ihr lag nichts, außer einem zerfledderten Groschenroman. „Toll“, dachte er. Vor ihm lagen seine letzten Stunden, die er mit „Der Wald und Wiesen Doktor – Folge 324“ verbringen würde.
Das Schicksal besiegt
Als Benni am nächsten Tag erwachte, war alles wie immer. Er stand auf und ging hinunter in die Küche. Dort stand Annemarie an der Spüle und wusch Geschirr. Als sie ihn sah, fielen ihr vor Schreck die Teller aus der Hand. „Wieso bist du noch hier“, fragte sie ihn und ihre Stimme klag beinahe vorwurfsvoll. „Oh danke“, entgegnete Benni, „Das nenne ich Gastfreundschaft. Dir auch einen schönen guten Morgen, liebe Annemarie“. „Entschuldige“, entgegnete das Mädchen, „Aber wie ist das nur möglich?“ „Du hast erzählt, dass alle, die hier herkommen nach sieben Tagen weg sind“, fragte Benni und seine Stimme war vollkommen ruhig. „Genau“, stimmte Annemarie zu. „Alle bis auf einen.“, vervollständigte er sie.
Sie nickte. „Würdest du mich zu ihr bringen?“
Nach dem Frühstück brachen die beiden auf. Der Weg führte kreuz und quer durch den Wald. Benni war es schleierhaft, wie sich das Mädchen orientieren konnte. Nach beinahe einer Stunde kamen sie an einem See an. An dessen gegenüberliegendem Ufer befand sich ein einfaches Holzhaus. „Wieso lebt er soweit abgeschieden“, wollte Benni wissen. „Um die Anderen, die an diesen Ort kommen nicht zu verunsichern. Übrigens, er ist eine sie. Und sie hat sich freiwillig entschieden. Es ist sehr schwer, zuzusehen, wie die Menschen kommen und gehen.“ „Und die hältst du das aus“, fragte Benni. „Ich tröste mich damit, dass ich den Menschen helfen kann. Dieser Teil des Lebens ist nicht einfach. Vielen fällt es schwer zu akzeptieren, dass ihr altes Leben Vergangenheit ist.“ „Mir nicht“, entgegnete Benni gedankenverloren, „Überall ist es besser, als in meinem alten Leben“. Das Mädchen legte eine Hand auf seine Schulter. „Wir sind da“, sagte sie, „Nimm den Weg dort drüben“. Im selben Moment war sie spurlos verschwunden. Mit weichen Knien ging Benni auf das Haus zu. Von nahem wirkte es noch kleiner als aus der Ferne. Es war genau betrachtet ein einzelner Raum mit aufgesetztem Dach. Zaghaft klopfte er an der Tür. Niemand antwortete ihm. Als er noch einmal klopfte, merkte er, dass die Tür unverschlossen war. Vorsichtig öffnete er die Tür. Das Haus war tatsächlich nur ein größerer Raum. In einer Ecke stand ein einfacher Herd. An einer Wand ein Schrank. Unter dem Fenster stand ein Bett. Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Beim Bett angelangt hielt er inne. Auf der Decke lag ein dickes Buch. Er wusste selbst nicht wieso, doch er griff danach und schlug es auf.

Lieber Benni,

jeden Tag schreibe ich dir, so auch heute. Die Leute hier sind sehr nett zu mir. Mir fehlt es an nichts. Nein, das stimmt nicht. Du fehlst mir. Wie gerne wäre ich jetzt bei dir. Wie geht es dir? Ich hoffe sehr, dass du mich nicht vergessen hast.
Morgen schreibe ich dir mehr, aber jetzt fehlt mir die Kraft dazu.
Ich bin immer bei dir. Das verspreche ich dir.
In ewiger Liebe,

deine Julia.

Bennis Herz raste. Wie angewurzelt bleib er stehen und starrte ins Nichts. „Hey, was machen sie hier? Wer hat ihnen erlaubt, das Buch zu nehmen?“ Die Stimme klang vertraut. Langsam drehte sich Benni um und blickte in Julias Augen. „Benni?“ „Benni!“ Wie war das nur möglich? Doch das war überhaupt nicht wichtig. Die beiden fielen sich in die Arme und zärtlich streichelte Benni seiner Freundin über die Wange. Eine Dicke träne kullerte über ihr Gesicht. „Ich hab dich so vermisst“, schluchzte sie. Sie berührte seinen Arm und spürte den weichen Stoff des Armbandes. „Du trägst ja noch das Freundschaftsband, das ich dir gemacht habe.“, stellte sie überrascht fest. „Ich habe es jeden Tag getragen“, entgegnete Benni und grinste verlegen. An diesem Abend saßen die beiden lange auf der Bank vor dem Holzhaus. Sie hatten sich viel zu erzählen. Aber was das wichtigste war, sie hatten sich endlich wiedergefunden. Der Mond spiegelte sich im See und Benni blickte seine Julia gedankenverloren an. Diese bemerkte seinen Blick. „Was ist los“, fragte sie und kuschelte sich noch etwas dichter an ihm. „Seit langem trage ich einen Brief mit mir herum“, Benni sah sie ernst an. „An dem Tag als du ins Krankenhaus gekommen bist wollte ich ihn dir geben.“ Er nahm das abgegriffene, vergilbte Blatt Papier aus seiner Jackentasche. Sein Herz schlug wie wild, als Julia die Zeilen las.
„Liebe Julia,
willst du mit mir gehen?
Ja () Nein () Vielleicht ()
dein Benni.“
Julia lächelte. „Ich will mit dir gehen. Bis ans Ende der Welt. Ich liebe dich Benni.“
„Ich liebe dich auch“ entgegnete er. Seine Hand berührte ihre Wange. Dann küssten sie sich lange.
Als Benni am nächsten morgen die Augen aufschlug blickte er in ihr Gesicht. Julia schlief noch und er blieb einfach liegen und sah sie an. Er war unendlich glücklich seinen Engel wiedergefunden zu haben.
Die beiden lebten lange und glücklich an diesem geheimnisvollen Ort.
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Alt 03.01.2012, 04:19   #22
Reisender
 
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Beitrag Nummer 14! Ich kann ja nicht Schlafen gehen, während da eine 13 neben meinem Namen steht. Nicht das Mein Roman noch verloren geht :-)

LG
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Alt 03.01.2012, 23:22   #23
Reisender
 
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Beiträge: 42


"Willst du mit mir gehen?" hat jetzt eine ISBN *freu.
In etwa 14 Tagen kann es über Amazon bestellt werden.

LG
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Alt 04.01.2012, 02:43   #24
weiblich Ex-WUI
 
Dabei seit: 09/2018
Beiträge: 1.057


Hallo lieber Reisender,

ich habe deinen Roman bereits bis zum Ende verfolgt, nur diesmal noch nicht nach Fehlern gesucht. Er hat mir insgesamt gut gefallen. Auch das Ende finde ich gelungen. Sehr gern gelesen

Ganz liebe Grüße
WUI
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