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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 24.03.2015, 22:44   #1
weiblich Damiana
 
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Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 7

Standard Schatten ziehen

Schatten ziehen

Trage mich an jenen Ort
Wo ich kann die Ruhe finden
Dunkle Schatten ziehen fort
Seelenstürme schwinden

Streichel mir die sanften Hügel
Lass mich fallen, sei mein Flügel
Der mich trägt im Wind der Zeit
Fühl der Seele Schmerz befreit

Flügel wärmt mich
Trägt mich, hebt mich
Hoch dem warmen Licht entgegen
Nimm mich mit auf deinen Schwingen
Meine Schatten zu bezwingen
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Alt 27.03.2015, 22:50   #2
Stachel
 
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Dabei seit: 03/2015
Ort: Niederrhein
Beiträge: 955

Hallo Damiana,

dein Gedicht finde ich interessant und ich möchte es gerne in diesem Post ein wenig genauer betrachten.

Thema und Bilder:
S1: Das lyrische ich (LI) bittet jemanden (J), es an einen ruhigen Rückzugsort (V1,2) zu bringen, an dem es einen inneren Frieden verspürt (V4: "Seelenstürme schwinden").
S2: J soll das LI streicheln, sie fallen lassen, sie tragen, Flügel sein und die Seele erspüren.
S3: Der Flügel wird näher beschrieben in seinen Eigenschaften (wärmt, trägt, hebt hoch). J soll schließlich das LI mitnehmen und "Schatten [...] bezwingen".

Die Bilder finde ich ansprechend. J wird als Flügel verstanden, der das LI zum einen existenziell schützt und wärmt, ihr darüber hinaus aber auch eine weitere Eigenschaft verleiht: Die Fähigkeit zum (selbstständigen) Flug. Letztenendes befriedigt er auch die Seele. Der tragende Charakter des Flügels wird dabei vom ersten Wort in V1 bis zum Ende hin durchentwickelt.
Ein paar Unstimmigkeiten lösen sich dabei allerdings nicht. V8 hat für mich eine erotische Komponente; ich verstehe die Hügel als Venushügel und Brüste. Diese Komponente ist zwar einerseits reizvoll, findet andererseits aber keinen Wiederhall in irgendeinem anderen Vers. Sie steht quasi alleine da. Das "Streicheln" lässt mich an eine Feder, aber nicht so sehr an einen Flügel denken. Das Bild hinkt für mich daher ein klein wenig.
"Lass mich fallen" steht ein wenig diametral am Anfang von V9, sowohl zum Ende des Verses "sei mein Flügel", als auch zum Rest des "Tragens". Das "fang mich auf" lässt sich aber recht leicht hinzudenken. So verstehe ich diesen Vers zumindest.
Ebenfalls etwas seltsam finde ich es, dass der "Flügel" die Seele fühlen soll, bzw. ihren fehlenden Schmerz (V8). Auch klingt für mich "Fühl die Seele schmerzbefreit." hier richtiger. Meintest du das? Oder soll wirklich der die Seele verlassende Schmerz gefühlt werden?

Reimschema:
S1: Kreuzreim
S2: Paarreim
S3: (identischer) Paarreim, Waise, Paarreim
Du verwendest reine Reime, der Wechsel im Schema drängt sich nicht mit einem Grund auf, muss aber auch nicht überbewertet werden.

Metrum:
Alle Verse sind im Trochäus gefasst. Es fällt auf, dass V4 nur 3 Hebungen hat (alle anderen 4). Dadurch wird eine Kernaussagen (Beruhigung der Seele) unterstützt, zumal sich hierdurch eine ("Ruhe-")Pause bildet, die dem Leser Zeit zur Verarbeitung des Bildes ("Seelenstürme schwinden") - und S1 insgesamt - lässt.
V9 und V10 sind, dem Metrum folgend, ein zusammenhängender Vers, der aber aufgesplittet wurde. Ich nehme als Grund an, dass der Binnenreim zu einem Endreim umgewandelt werden sollte ("mich"). Die ungewöhnliche Form wirkt interessant und dabei auch sinnversteckend. Es könnte in dieser Strophe mehr Bedeutung stecken als die Worte alleine suggerieren.
Bis V12 war immer nur von einem Flügel die Rede. Jetzt soll J das LI auf seinen Schwingen (Mehrzahl) mitnehmen. Der Verssplit am Anfang von S3 könnte diese Erweiterung des Wunsches einleiten. Ein Flügel reicht halt nicht. Die Waise (V12) unterstreicht hier den Bedeutungsbruch. Das LI möchte also gar keinen Flügel zum selbst fliegen, sondern zwei Flügel (bzw. einen J, der solche hat), die es tragen und seine Seele beruhigen. Das LI möchte sich offenbar vollkommen fallen lassen, trägt das dem J aber eher scheu und vorsichtig vor, fällt nicht mit der Tür ins Haus.
Die Sprache unterstützt dieses Anliegen auch durch die beruhigenden Bilder. Ein Stück weit wird J damit natürlich aufs Kreuz gelegt und (mit Verantwortung) überladen. Man könnte hier noch den Kreuzreim in S1 als Hinweis darauf verstehen und darauf, dass J hier mit dem und für das LI ein großes Kreuz zu tragen hat.

Sonstiges:
V2 wirkt auf mich etwas schräg. Eine Umstellung ("Wo die Ruhe ich kann finden") wäre aber vermutlich allenfalls eine kleine Verbesserung.
Die Flügelbeschreibung (V9-11) würde auf mich stimmiger wirken, wenn sie in der bisherigen Form als eine Art Ansprache umgesetzt worden wäre, z.B.

Flügel, wärm mich
Trag mich, heb mich


Fazit:
Du hast hier ein ganz gut gelungenes Gedicht eingestellt. Ich hoffe, ich habe es nicht überinterpretiert, die interessanten Passstellen lassen aber auf eine gewisse Absicht schließen.
Die Beschäftigung mit deinem Werk hat mir jedenfalls viel Spaß gemacht.

Herzliche Grüße,
Stachel
Stachel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.04.2015, 20:21   #3
weiblich Damiana
 
Benutzerbild von Damiana
 
Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 7

Lieber Stachel,

Zuerst einmal vielen herzlichen Dank, für Deinen Beitrag.
Ich habe mich sehr gefreut und es ehrt mich sehr, dass Du Dich so intensiv und ausführlich mit meinem Gedicht beschäftigt hast. So etwas hätte ich in keinster Weise erwartet, da das Schreiben von Gedichten eine ganz neue Art von Emotionsausdruck für mich ist und ich mich im Grunde damit noch nie intensiver auseinandergesetzt habe. Die wenigen Gedichte, welche ich bisher geschrieben habe, sind sozusagen reine Emotionsergüsse, ich hab einfach fließen lassen, sie waren einfach da. Aber ich freue mich, werde mich mit Deiner Kritik noch einmal intensiver auseinandersetzen und noch einmal auf Dich zurückkommen.

Herzliche Grüsse

Damiana
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