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27.07.2017, 20:40 | #1 |
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Tiggi & Softie - Ein Märchen
Es war einmal ein junger Igel, dem schmeckten Regenwürmer und Schnecken nicht. Mutter Igel war ratlos, wie sie ihn zu einem nützlichen Mitglied der Igelgesellschaft machen könnte, dessen Aufgabe sein sollte, Gärten und Felder von schleimigem Getier frei zu halten.
Tiggi, wie sie ihren Racker nannte, fraß sich lieber an Salat und Rüben satt. Allmählich überkam Mutter Igel Scham, wenn ihre Nachbarinnen ihr stolz erzählten, dass sie zum Muttertag dicke, fette Nacktschnecken von ihren Nachkommen geschenkt bekamen. Dann redete sie sich darauf hinaus, dass ihr der Muttertag nichts bedeute, weil sie allein durch ihre Kinder reichlich beschenkt sei. Über ihre Töchter konnte sie nicht klagen, sie waren unbestritten die besten Jägerinnen im Revier. Aber wenn Tiggi über eine Wiese strollte und dabei auf eine Amsel stieß, die einen fetten Regenwurm aus dem Boden zupfte und bei Tiggis Anblick auf Krieg gefiedert war, ging dieser cool vorbei mit der Bemerkung: „Glaubst du, mehr zu kriegen, wenn du ihn noch mehr in die Länge ziehst?“ Danach knabberte er demonstrativ an einer Löwenzahn- oder Kleeblüte. Eines Tages begegnete er einer jungen, unerfahrenen Schnecke. Als sie Tiggi erblickte, wurden ihre Stielaugen ganz steif vor Neugier, denn so ein stacheliges Ungetüm hatte sie noch nie gesehen. „Wer bist du denn?“ „Ich heiße Tiggi. Und du?“ „Anders.“ „Hallo, Anders ...“ „Nein, so ist das nicht gemeint. Ich habe noch keinen Namen.“ Tiggi stupste die Schnecke mit der Nase an. „Du bist weich. Ich nenne dich Softie.“ Softie war erschrocken. „Du tust mir doch nichts?" „I wo. Gehst du mit mir essen? Ich kenne einen herrlichen Garten, ganz in der Nähe. Da wächst fast alles, was du dir vorstellen kannst.“ „So viele Vorstellungen habe ich noch nicht.“ „Dann lass mich dein Gastgeber sein!“ In Tiggis Garten machten sie sich über Blätter, Knospen, Beeren und Früchte her, bis ihnen fast der Bauch platzte. „Na, Softie, habe ich dir zu viel versprochen?“ „Du bist echt der Größte!“ Aus einiger Entfernung beobachteten Tiggis Eltern das traute Paar, wie es sich zu einem Verdauungsschläfchen unter einer Sonnenblume bequem gemacht hatte. Vater Igel war erbost. „Da hast du ein feines Früchtchen in die Welt gesetzt!“ „Zum Glück warst du daran nicht beteiligt.“ „Wie soll ich das verstehen?“ Mutter Igel schwieg beleidigt. „Schon gut. Ich gehe jetzt rüber und beende diesen Spuk.“ Vater Igel tippelte zur Sonnenblume, schnappte Softie mit beiden Pfoten und schickte sich an, ihr den Kopf abzubeißen. Von ihrem Geschrei wurde Tiggi im Nu wach. „Lass sie los!“ „Wie bitte?“ Tiggi ließ sich nicht auf Diskussionen ein, sondern stürzte sich auf seinen Vater und biss ihm in die Nase, so dass er Softie vor Schreck fallen ließ. „Damit du Bescheid weißt: Softie ist meine Braut. Wir werden heiraten.“ „Was?“ Vater Igel starrte Tiggi ungläubig an. Softies Stielaugen waren vor Staunen lang geworden. Auf einer Schleimspur robbte sie sich unter Tiggis Bauch in Sicherheit. Reihum im Garten waren Igel aufgetaucht, um dem Spektakel beizuwohnen. Vater Igel nahm es peinlich berührt zur Kenntnis. „Komm erst mal nach Hause, dann reden wir weiter.“ „Ich komme nicht mehr nach Hause.“ „Du brichst deiner Mutter das Herz.“ „Kann ich gar nicht. Das hast du ihr schon hundertmal mit deinen Weibergeschichten gebrochen.“ „Was fällt dir Rotzlöffel ein!“ „Gar nichts. Alles Tatsachen. Und jetzt hau ab und lass uns zufrieden.“ Tiggi sah sich um. „Und ihr könnt auch alle verschwinden und euch um euren eigenen Salat kümmern, ihr Spanner.“ Die Igel wendeten sich grunzend ab und trollten sich davon. Endlich waren Tiggi und Softie wieder allein. Sie kroch unter seinem Bauch hervor. „War das ernst gemeint?“ „Was?“ „Mich zu heiraten.“ „Na klar.“ Und er küsste Softie erst auf das linke, dann das rechte Stielauge. „Du bist das anmutigste, bezauberndste Geschöpf, das mir je begegnet ist.“ ********************************** Wenige Jahre später eine Zeitungsmeldung: „Sensationelle Entdeckung einer neuen, bisher unbekannten Spezies. Es handelt sich um ein Lebewesen der Gattung Gastropoda, das weder völlig nackt ist noch ein Haus zu seinem Schutz trägt, sondern dessen Körper mit Stacheln bewehrt ist. Biologen stehen vor dem Rätsel, ob es sich um ein Relikt aus der Urzeit oder um eine neuzeitliche Mutation handelt. Genetiker stellten Erbmaterial fest, wie man es bisher nur bei Igeln vorgefunden hat. Die Wissenschaft steht kopf.“ 27.07.2017 |
28.07.2017, 08:03 | #2 |
Liebe Ilka,
das ist ein sehr schönes Märchen und sehr unterhaltsam. Gleich zu Anfang wurde meine Neugier geweckt, wie es weitergeht. Da gibt es nichts zu meckern außer dass du dich zweimal bei den Zeiten vertan hast (Präsens statt Perfekt, "Reihum im Garten waren Igel aufgetaucht. Vater Igel nimmt es peinlich berührt zur Kenntnis" z. B.) LG DieSilbermöwe |
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28.07.2017, 08:17 | #3 | |
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Zitat:
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