Pixi bei Poetry.de

Sateb Deis Rhi · 29.01.2007, 22:36

Pixi, der Bildschirmpixel, hatte ein erfülltes Leben hinter sich.
Einst, in jungen Tagen - frisch fabriziert - stellte er, meist schwarz, grobkörnige BIOS-Grafiken dar.
Doch bald schon kam er in den Genuß einer goldenen Jugend; sein Besitzer - im Folgenden Herrchen genannt - lernte das Internet kennen.

So durfte Pixi die ganze Bandbreite eines Pixeldaseins an sich vorbeiziehen sehen: einmal saß er (sich halb totlachend) als Pickel auf der Nase von Herrchens häßlicher Chatbekanntschaft, ein anderes Mal wieder räkelte er sich entspannt als weißer Tropfen auf der Zunge von Herrchens - hübscherer - Phantasiegespielin.

Doch bald schon kamen ödere, frustrierendere Tage, die Herrchen auf den armen Pixi abstrahlte: nun mussten Zahlenkolonnen eskortiert werden, Herrchens Versetzung war erneut ernsthaft gefährdet.

Als Herrchen dann immer mehr stärker darauf abfuhr, Pixi auf virtuellen Kugeln reiten zu lassen, mauserte dieser sich zu einem wahren Münchhausen:
natürlich war Herrchen noch normal! Nur hatte er eben viel Stress um die Ohren und musste sich abreagieren. Ist doch ganz normal.
Selbstverständlich entging Pixi seine eigene, verzerrte Reflektion in dem angsteinflößend starren und zusehends emotionsloseren Blick in Herrchens Augen nicht.

Dann, eines Morgens, es war gegen halb zehn, Herrchen hatte sich schon bei seinen Eltern verabschiedet und auch diese waren gegangen, Pixi schlief noch erschöpft
(am Nachmittag ging die Spielorgie ja schon wieder weiter, wenn Herrchen 'aus der Schule', von der er vor einigen Monaten geflogen war, kommen würde, seiner Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange gedrückt hätte, das Essen appetitlos heruntergeschlungen und dann auf sein Zimmer gestürmt käme),
knippste jemand den Bildschirm an.

Eine Stunde später verlor Pixi das Bewußtsein.

Pixis Bildschirm wurde kurz darauf verschrottet. Doch seine letzten Minuten, wohl dokumentiert in Servercache, sollten das Rätsel seines Schicksales lösen helfen - und warum Pixi und Herrchen nie wieder zueinanderfanden.

Robert Steinhäuser, Amokläufer von Erfurt, kehrte vor seiner Tat in das von seinen Eltern mittlerweile verlassene Haus zurück, spielte eine Stunde lang ein Spiel, nahm seine Waffen.
Seinen Bildschirm sah er nie wieder.

Joana · 30.01.2007, 13:23

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Sateb Deis Rhi · 30.01.2007, 13:34

Ja, danke für deine freundliche Rezeption. Das war mir in der Tat nicht klar. Joana ist die netteste Germanistikstudentin, die ich kenne, das bleibe an dieser Stelle nicht unerwähnt!

29.01.2007, 22:36	#1
Sateb Deis Rhi gesperrt Dabei seit: 12/2006 Beiträge: 327 Meine Geschichten	Pixi Pixi, der Bildschirmpixel, hatte ein erfülltes Leben hinter sich. Einst, in jungen Tagen - frisch fabriziert - stellte er, meist schwarz, grobkörnige BIOS-Grafiken dar. Doch bald schon kam er in den Genuß einer goldenen Jugend; sein Besitzer - im Folgenden Herrchen genannt - lernte das Internet kennen. So durfte Pixi die ganze Bandbreite eines Pixeldaseins an sich vorbeiziehen sehen: einmal saß er (sich halb totlachend) als Pickel auf der Nase von Herrchens häßlicher Chatbekanntschaft, ein anderes Mal wieder räkelte er sich entspannt als weißer Tropfen auf der Zunge von Herrchens - hübscherer - Phantasiegespielin. Doch bald schon kamen ödere, frustrierendere Tage, die Herrchen auf den armen Pixi abstrahlte: nun mussten Zahlenkolonnen eskortiert werden, Herrchens Versetzung war erneut ernsthaft gefährdet. Als Herrchen dann immer mehr stärker darauf abfuhr, Pixi auf virtuellen Kugeln reiten zu lassen, mauserte dieser sich zu einem wahren Münchhausen: natürlich war Herrchen noch normal! Nur hatte er eben viel Stress um die Ohren und musste sich abreagieren. Ist doch ganz normal. Selbstverständlich entging Pixi seine eigene, verzerrte Reflektion in dem angsteinflößend starren und zusehends emotionsloseren Blick in Herrchens Augen nicht. Dann, eines Morgens, es war gegen halb zehn, Herrchen hatte sich schon bei seinen Eltern verabschiedet und auch diese waren gegangen, Pixi schlief noch erschöpft (am Nachmittag ging die Spielorgie ja schon wieder weiter, wenn Herrchen 'aus der Schule', von der er vor einigen Monaten geflogen war, kommen würde, seiner Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange gedrückt hätte, das Essen appetitlos heruntergeschlungen und dann auf sein Zimmer gestürmt käme), knippste jemand den Bildschirm an. Eine Stunde später verlor Pixi das Bewußtsein. Pixis Bildschirm wurde kurz darauf verschrottet. Doch seine letzten Minuten, wohl dokumentiert in Servercache, sollten das Rätsel seines Schicksales lösen helfen - und warum Pixi und Herrchen nie wieder zueinanderfanden. Robert Steinhäuser, Amokläufer von Erfurt, kehrte vor seiner Tat in das von seinen Eltern mittlerweile verlassene Haus zurück, spielte eine Stunde lang ein Spiel, nahm seine Waffen. Seinen Bildschirm sah er nie wieder.

30.01.2007, 13:23	#2
Joana Dabei seit: 07/2006 Beiträge: 424 Meine Geschichten	-

30.01.2007, 13:34	#3
Sateb Deis Rhi gesperrt Dabei seit: 12/2006 Beiträge: 327 Meine Geschichten	Ja, danke für deine freundliche Rezeption. Das war mir in der Tat nicht klar. Joana ist die netteste Germanistikstudentin, die ich kenne, das bleibe an dieser Stelle nicht unerwähnt!