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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 30.01.2021, 15:19   #1
männlich Ex-Ralfchen
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Standard Totleise

Totleise

Verstorbene in leichentiefem Schlummer,
in Kisten die man hölzern Särge nennt,
in Stapeln auf einander und zum Kummer,
jener, die man als Hinterblieb’ne kennt.

Kein Toter braucht ein Blumenmeer,
denn der Geruch von heißen Kerzen,
freut nur das Totenfeiergäste-Heer
und kühlt die schmerzverbrannten Herzen.

Die Erben streiten lauthals an den Särgen,
die Geldbenommenheit ist nun primär,
denn manche kriegen Geld in Bergen
und anderen bleiben die Krallen leer.

Nun steht man vor der grauen Feuerhalle,
denkt kaum an jene die gegangen.
Nach ihren Handys suchen sie nun alle,
der Leichenbrand hat schon die Luft verhangen.
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Alt 30.01.2021, 16:49   #2
weiblich Ilka-Maria
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Das kenne ich anders, trotz Corona-Regeln.

Vor zehn Tagen war ich auf der Beerdigung meiner Tante. Es gab trotz Corona keine Tiotenstille und auch keine dunkle Trauerhalle.

Der Sarg meiner Tante war umgeben von Blumenbuketts, und oberhalb des Sargs brannten hohe Kerzen, die ein warmes Licht veströmten. Die Pfarrerin hielt eine mindestens dreißigminütige Trauerrede, in der sie die Lebensgeschiche meiner Tante von A bis Z schilderte. Es gab Musik, wenn auch aus der Konserve, denn singen durfte niemand.

Die Einschränkungen:

Nur sechs Personen durften in der Trauerhalle Platz nehmen, natürlich nur mit Mund- und Nasenschutz. Da es sich um einen kleinen Raum handelte (in einem kleinen Ort mit einem kleinen Friedhof), dessen breite Front offengehalten werden konnte, hieß das im Klartext, dass die Trauernden
draußen stehen bleiben und die Rede dort mithören mussten. Das alles unter permanentem Schneeregen.

Unbeachtet des Sauwetters zog die Pfarrerin am Grab die Zeremonie durch, hielt nochmal eine Ansprache und sprach über die Anwesenden den Segen. Es war eine rundum ungemütliche Angelegenheit. Aber alles war so, wie man es sich vom letzten Geleit gewünscht hätte.

Was ich damit sagen will:

Beerdigungen werden trotz Corona immer noch mit Blumen, Kerzen, Musik, Trauerrede und Trauergästen in einem tröstlichen Rahmen durchgeführt. Von Totenstille und dunklen Räumen kann nicht die Rede sein.
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Alt 30.01.2021, 17:22   #3
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
Das kenne ich anders, trotz Corona-Regeln.
Das kann natürlich auch so ablaufen. Ich wollte ein trübes Bild zeichnen, wie ein finsteres Gemälde. in der art wie Kartenspielende Soldaten im Freien von Gerard ter Borch:

https://up.picr.de/40441682jw.jpeg
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Alt 30.01.2021, 17:39   #4
männlich Ex-Ralfchen
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mir ging es aber auch darum, die Bedeutung von Blumen und Kerzen in das richtige Licht zu stellen, denn für die Verstorbenen haben sie keine Bedeutung
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Alt 30.01.2021, 17:59   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Ralfchen Beitrag anzeigen
mir ging es aber auch darum, die Bedeutung von Blumen und Kerzen in das richtige Licht zu stellen, denn für die Verstorbenen haben sie keine Bedeutung
Das stimmt nicht. Für den Verstorbenenn hatten Blumen und Kerzen eine Bedeutung, und diese Bedeutung stribt nicht. Sie sind überhaupt die einzige Bedeutung. Lediglich für die Hinterbliebenen sind sie keine Bedeutung, denn es ist ja nicht ihr Grab. Ein Grab ist jedoch ein Lebensbuch, ein Mantel, der ein gelebtes Leben umschließt, und deshalb kein Anlass, es mit Nihilismus oder Zynismus zu übergießen.
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Alt 30.01.2021, 19:19   #6
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Das stimmt nicht. Für den Verstorbenenn hatten Blumen und Kerzen eine Bedeutung, und diese Bedeutung stribt nicht.
Wie können diese Teile einer Beerdigung also Blumen und Kerzen dem verstorbenen etwas bedeuten? Sie sehen sie nicht sie wissen nur dann wie viele Blumen und Kerzen es gibt wenn sie sich selbst dazu bemühen das vorher zu bestimmen, weil sie so wie in den USA ein Mustergrab mit Dekoration im Katalog sehen. Und ich finde keinen Nihilismus oder Zynismus von meiner Seite, sondern nur einen realen Blick
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Alt 30.01.2021, 19:25   #7
weiblich Ilka-Maria
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Sie wussten es schon vor ihremTod, Ralfchen.
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Alt 03.02.2021, 14:10   #8
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Sie wussten es schon vor ihremTod, Ralfchen.
Das würde ich dich bitten mir näher aufzuschlüsseln
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Alt 03.02.2021, 15:48   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Ralfchen Beitrag anzeigen
Das würde ich dich bitten mir näher aufzuschlüsseln
Da gibt es nichts aufzuschlüsseln, darauf kann man selbst kommen. Wer alles von A bis Z vor seinem Tod arrangiert und sogar schon seine Beerdigung oder Einäscherung im voraus bezahlt, weiß logischerweise auch schon vorher, wie es abläuft. Kann man alles so regeln, dass es niemand mehr ändern kann. Das einzige, was passieren kann, ist, dass ein paar Leute nicht zur Trauerfeier erscheinen; aber auf sie kommt es nicht an.
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Alt 03.02.2021, 16:58   #10
männlich Ex-Ralfchen
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Ja – das habe ich ja oben erwähnt. Nur wenn du verstorben bist siehst du es nichts mehr und hast nichts davon. Die Vorfreude sein Begräbnis zu schmücken, zu dekorieren kann ich mir ganz ehrlich nur mit einem großen Fragezeichen vorstellen.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.02.2021, 17:05   #11
männlich Ex-Lichtsohn
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Zitat:
Zitat von Ralfchen Beitrag anzeigen
Ja – das habe ich ja oben erwähnt. Nur wenn du verstorben bist siehst du es nichts mehr und hast nichts davon. Die Vorfreude sein Begräbnis zu schmücken, zu dekorieren kann ich mir ganz ehrlich nur mit einem großen Fragezeichen vorstellen.
ich glaube hier geht es gar nicht um die "eigene vorfreude" sondern darum alles so vorzuplanen dass die hinterbliebenen keine entscheidungen mehr fällen müssen und sich keine gedanken machen müssen ob es "so passt" oder eben nicht - in der gewissheit das alles geplant ist zu gehen erscheint irgendwie schwereloser - seltsam, nicht?

alle liebe in euren tag

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Alt 03.02.2021, 17:26   #12
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
Zitat von Lichtsohn Beitrag anzeigen
ich glaube hier geht es gar nicht um die "eigene vorfreude" sondern darum alles so vorzuplanen dass die hinterbliebenen keine entscheidungen mehr fällen müssen...
dem würde ich auf jeden Fall zustimmen. Wobei die Sache doch ein bisschen komplexer in ihrer ganzen Abwicklung und form ist. Meine geliebte Frau starb mit assistierten Selbstmord im Jahr 2013. Sie wurde in der Schweiz eingeäschert und ich übernahm die Urne danach. Wir hatten nie über irgendwelche Details für die Momente danach gesprochen. Daran war sie nicht interessiert. Ich lud dann an genau dem tag an dem wir einander 1965 kennen gelernt hatten, Familie und freunde zu einer Kommemoration im großen Barock-Saal*) des wiener Palais Daun-Kinsky ein. vor einem riesigen Foto von ihr hielt ich eine rede über sie und ihren Leidensweg. es gab Champagner und Getränke zur Begrüssung und nach meiner rede wurden Köstlichkeiten serviert. das war – So wie ich sie kannte – in ihrem sinne aber nicht von ihr geplant.



https://up.picr.de/40471770vd.jpg
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Alt 03.02.2021, 17:29   #13
männlich Ex-Lichtsohn
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ich glaube du hast dennoch nicht gegen ihren willen gehandelt sondern dein bestes gegeben und ihr ein würdiges gedenken geschenkt - ganz sicher hätte sie sich darüber gefreut und alleine das zählt doch am ende: der wille

alle liebe in deinen tag

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Alt 03.02.2021, 17:34   #14
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
Zitat von Lichtsohn Beitrag anzeigen
ich glaube du hast dennoch nicht gegen ihren willen gehandelt sondern dein bestes gegeben und ihr ein würdiges gedenken geschenkt - ganz sicher hätte sie sich darüber gefreut und alleine das zählt doch am ende: der wille
Ganz sicher mein lieber, denn Lucy und ich hatten in so vielen Dingen - welche die Fragen des Lebens und des Sterbens betroffen hatten - übereingestimmt
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2021, 03:27   #15
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat von Lichtsohn Beitrag anzeigen
in der gewissheit das alles geplant ist zu gehen erscheint irgendwie schwereloser - seltsam, nicht?

Das trifft nach meinem Ermessen und Erfahrungen doch eher darauf zu, dass man seine finanziellen Angelegenheiten ordentlich regelt. Meine geliebte Frau hatte als Stifterin nur die Erbschaften für ihre beiden Patentöchter bestimmt. das war das einzige was für sie Bedeutung hatte. Ich habe bei sämtlichen Sterbefällen innerhalb der engeren und weiteren Familie und us meinem allernächsten Freundeskreis, beziehungsweise von deren verstorbene Eltern nichts dergleichen gehört.
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