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Alt 18.09.2016, 12:00   #1
männlich Landstreicher
 
Dabei seit: 08/2016
Ort: Strasse
Beiträge: 60

Standard Am Grabenbruch

Tagebucheintrag am Sonntag, 9. Juli 2016, 17:38


Am Flussgraben auf Sandstein, nördlich und südlich stehen die Reste alter Vulkane.
Schwalbenrufe im Wind und vielfältiges Gezwitscher, ein leichter Nordwester weht den Grabenrand hinab und füllt das Tal mit frischer Luft an.
Auf der Oberseite des Meeresluftflusses treiben zahlreiche kleine Quellwolken nach Osten dahin.
Weit darüber ziehen einzelne, zu kleinen Höheneisquellwolken zerfallende Kondensstreifen und einige dünne Eiswolken.
Auf den violett leuchtenden Disteln neben mir sind noch einige Hummeln unterwegs, die Luft riecht leicht süsslich nach Weinberg und Wald, ein bisschen nach Strasse.
Lautes Grillenzirpen ringsherum; die Grashalme, teils noch grün, teils sich in Heu gelbverwandelnd, wiegen sich in den sanften Böen, die auch Wellen über die Zweige der kürzlich verblühten Linde streichen.
Leichter Lindenblütenduft weht heran, im Tal läuten die Siebzehnuhrfünfundvierzigglocken, eine Baumaschine tönt leise im Abwind, das an- und abschwellende Rauschen der Lindenblätter, leichtes Verkehrstönen und ab und zu Stimmen die aus dem Wald erklingen, ergeben den Klangmoment.
Ein Käfer fliegt knapp an meinem Kopf vorbei und landet mit einem lauten Klacken an der Kupferregenrinne hinter mir.
Harte Käferlandung, Käferschädel gegen Metall.
Ich hoffe dem lieben Käfer geht es gut danach.
Aus dem Tal tönt ein entferntes Martinshorn, eingebettet in Taubenrufe und Gezirpe.
Trocken und sehr warm ist der Sand auf dem ich sitze.
Trocken und bewachsen mit Mäusegerste, Wegerich und Klee.
Hinter mir strecken junge Brombeerranken ihre Blätter nach der Sonne aus.
Sandboden, aus der westlichen Flanke des Bruchgrabens gewittert, zaubert rötlich warmes, mediterranes Ambiente zwischen die Pflänzchen.
Frisch rasierte Weinrebenreihen erstreckn sich ringsherum und eine zutrauliche Fliege ist auf meiner Schulter gelandet, betrachtet mich mit rubinrot leuchtenden Augen.
Weiter westlich, rechter Hand erstreckt sich die Bruchkante des Grabens, bestehend aus über einem Dutzend Waldwellen aus denen die hellgrün leuchtenden Maroniblüten strahlen.
Linker Hand der materialisterte Fluss am Boden des aufgefüllten Sandtals, bestehend aus Städten, Weinbergen, Feldern, Kirchtürmen, Auwäldern, Kraftwerken und Strassen.
Dahinter erstreckt sich die Hügelkette des östlichen Grabenrandes und verfärbt sich in der präfrontal ionisierenden Luft dunkelblau.
Darüber liegt zwei fingerbreit der gelbbraun- grünlichblaue Dunst am Talboden wo auch sonst oft eine Wettergrenze verläuft.
Hinter mir erhebt sich ein altes Gemäuer mit Säulen und Rundbögen.
Darüber werden einige wie Edelsteine aufleuchtende Flugzeuge von der Sonne bestrahlt, die sich dem westlichen Grabenrand nähert.
Das Land ist staubtrocken, Wasser gibt es hier nur unter der Erde, in den flache Quellwolken viel zu hoch und im fernen, von schlängelnden Auwäldern angedeuteten Fluss.
Kirchenglocken, Achzehn Uhr und eine Fliege ist eben auf meinem Notitzbuch gelandet.
Fliegende Edelsteine und das aufgeregte Rufen eines Vogels.
Der Weinbauer hat fertig rasiert und fährt auf seinem Rasierapparat nach Hause, leise Stimmen erkingen aus dem Kiefern- und Eichenwald am Grabenrand.
Es ist ein leichter, lichter, mediterraner Wald auf luftigem, trockenem Sandboden ohne viel Unterwuchs.
Der Flieder ist bereits verblüht, auf der Wiese hinter dem Gemäuer redet ein liebes Pärchen leise und manchmal fährt ein Eisenbahnzug leise tönend vorbei.
Das Feuer der Sonne verschwindet in meiner bräunenden Haut,
im warmen Sandboden, in den Weintrauben,
in den lila zurückleuchtenden Distelblüten.
Das Feuer der Sonne verschwindet in meinen Geist, in meine Wärme, in die Grashalme und Blätter und in die weiss leuchtenden Wolken.
Das Feuer der Sonne verschwindet manchmal auch in Schmetterlinge und in Musik.
Die fernen Ziegeldächer der alten Häuser am Talboden glühen wie Kohleglut im Sonnenlicht, die Pflanzen leuchten und glitzern und die Insekten erzeugen mit ihrem bunt metallischen Glimmen Lichter die sonst nur Sterne können.
Eine Schwebefliege steht kurz vor meinem Gesicht still in der Luft wie ein leuchtender Edelstein und strahlt mich bunt an.
Ich sitze in einer Linie von Kirchtürmen die nördlich hinter mir beginnt und sich nach Süden hin erstreckt, Gemäuer und Linde markieren den rechten Winkel einer weiteren Landschaftslinie dazu.
Die Mäusegerstehalme leuchten in den Strahlen der tiefstehenden Sonne die gelbblühende Rucola links von mir macht es ihr gleich.
Wieder ein Insektenvorbeiflug- ich sitze mitten in der Einflugschneise für die Distelblüten.
Einer Wespe diene ich als Tränke und auch der Fuchs schaut vorbei, aufflammend beschienen am Wiesenrand.
Die Erdameisen haben dieses Jahr bereits so viel geleistet und räumen schon wieder Berge von trocknenden Sand aus ihren zugespülten Kellerräumen- zum wievielten Mal diesen Sommer wohl?
Eine Krähe ruft weiter unterhalb aus den Parkbäumen, eine andere Krähe antwortet kurz.
Vier Krähen fliegen nach Süden, ein einzelner Vogel fliegt zurück und landet in einem hohen Maronibaum.
Oben am Hang bellt ein Hund im Wald und eine Autohupe anwortet aus der Stadt.
Ein Propellorflugzeug feisst sich mühsam durch die milde, weiter oben eher kühle Meeresluft und viel weiter oben schneidet ein Düsenflieger kurze Kondensstreifen in die dort trockene Luft.
Vorne, wei tüber mir, steht die fünf Tage jung Mondsichel wunderbar fein und zart und von ähnlicher Farbe wie die Unterseiten der flachen Wellenwolken aus kondensiertem Wasserdampf.
Die Sonne durchleuchtet in steilem Winkel die Weinreben- und Lindenblättter die sich vor dem schattigen Wald dahinter billiant abheben und stark grünorange leuchten.
Ein Fliegennahvorbeiflug und ein Zitronenfalter der im Sand des Trampelpfades vor mir auf einem im Boden versunkenen, leicht bewachsenen Sandstein ausruht und mich mit ausgebreiteten Flügeln anschaut, den Wind im Rücken.
Die Fliege landet neben ihm auf dem warmen Stein und tut es ihm gleich.
Der Wind flaut langsam ab und ringsum wird es stiller.
Mit Kekskrümeln beschenkt, tragen die fleissigen Erdameisen diese sogleich in ihre Vorratskeller.
Der Schmetterling fliegt mit Rückenwind den trockenen Sandpfad entlang.
Wie Sand fliesst die Meeresluft über das Land und erzeugt kleine Wellenschleppen hinter der Grabenoberkante.

*







Liebe Grüsse
Landstreicher ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.09.2016, 12:52   #2
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Farbig und rundum schön, lieber Landstreicher.
Und rundum schön!
Mit Genuß und Gewinn gelesen.



Dank sagt Dir
Thing,


der Dir auch Grüße schickt.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.09.2016, 16:03   #3
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Hallo, Landstreicher
ein mit ruhiger Hand gemaltes Bild voller Details und Liebe zur Natur. Möge es viele Leser/innen finden (was wahrscheinlich ein frommer, unerfüllter Wunsch sein dürfte). Ich würde mir diese Idylle noch einmal durchlesen, winzige Fehler eliminieren und schauen, ob das nicht zu häufig Edelsteine durch die Luft fliegen.
Alles in allem aber ein mit Muße zu lesendes, schönes Stück!
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.10.2016, 11:18   #4
männlich Landstreicher
 
Dabei seit: 08/2016
Ort: Strasse
Beiträge: 60

Danke für die Kommentare,

gibt noch genug von dem Stoff, wenn ich mal Zeit dafür hab, werd ich ein neues eiuntippen.

Liebe Grüsse
Landstreicher ist offline   Mit Zitat antworten
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