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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 03.04.2014, 21:52   #1
weiblich Ilka-Maria
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Beiträge: 31.082

Standard Stunde Null

Ich will mein Leben wiederhaben,
mein altes, jung und ohne Schuld,
von Schmutz und Schande unbeladen
und in der Zukunft Gunst und Huld.

Ich trat es heftig mit den Füßen,
denn ich war stark und voller Saft
und dachte keinen Tag ans Büßen,
nicht an das Schwinden meiner Kraft.

Ich haute mächtig auf die Pauken,
ein jedes Laster war mir recht,
schloss vor der Konsequenz die Augen
und war schon bald der Drogen Knecht.

Ich will mein Leben wiederhaben!
Doch weiß ich nicht, wie man das macht:
Wo fang ich an, nach ihm zu graben?
Die Uhr steht längst auf Mitternacht.

3. April 2014
© Ilka-Maria

Geändert von Ilka-Maria (04.04.2014 um 00:19 Uhr)
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Alt 03.04.2014, 22:01   #2
weiblich shoshin
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sehr bedrückend, dass das li nicht erkennt, dass es kein "altes leben" gibt und um mitternacht ein neuer tag beginnt...
lg
shoshin
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Alt 03.04.2014, 22:13   #3
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von shoshin Beitrag anzeigen
sehr bedrückend, dass das li nicht erkennt, dass es kein "altes leben" gibt und um mitternacht ein neuer tag beginnt...
lg
shoshin
Das stimmt nicht ganz. Teile des "alten Lebens" können durchaus reaktiviert werden. Zwar ist verlorene Zeit nicht mehr rekonstruierbar, Freunde sind vielleicht für immer verloren, die Beziehung ist irreparabel kaputt - aber die eigenen Kräfte können für einen Neuanfang reanimiert werden.

Mein Gedicht handelt in erster Linie davon, dass ein Erkennen der misslichen Lage stattgefunden hat, das lyrische Ich aber jetzt vor dem Dilemma steht, nicht zu wissen, wo der rettende Anker liegt, während die Uhr gnadenlos abläuft.

Danke für's Lesen und Kommentieren.

LG
Ilka
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Alt 03.04.2014, 23:49   #4
weiblich Daisy
 
Dabei seit: 10/2010
Beiträge: 922

Liebe Ilka,

gekonnt und überzeugend hast du dieses ernste Thema umgesetzt und präsentierst unter Berücksichtigung aller metrischen Regeln ein beeindruckendes Gedicht.

Auch die Wahl des Titels gefällt mir sehr, denn er lässt offen, ob dem LyrIch im letzten Moment ein Neuanfang gelingen kann, oder ob doch alles den Bach runter geht.

Dein Gedicht erinnert mich an das tragische Ende der Tochter einer Bekannten, die sich, extrem alkoholabhängig, nach langem Zögern schließlich doch durchgerungen hatte sich zu einer Entziehungskur anzumelden und sehr zuversichtlich war. Kurz vor dem Antritt des geplanten Aufenthaltes in einem Therapiezentrum erlitt sie jedoch einen totalen Zusammenbruch, und wurde in ein allgemeines Krankenhaus eingeliefert. Die behandelnden Ärzte stellten fest, dass die Schädigungen durch den Alkoholmissbrauch bereits so massiv waren, dass Hilfe nicht mehr möglich war. Drei Wochen später verstarb die junge Frau an mehrfachem Organversagen. Hätte sie zu einem früheren Zeitpunkt dem Drängen der Mutter, einer Entziehung zuzustimmen, nachgegeben, hätte sie vielleicht noch eine Chance für einen Neuanfang bekommen.

In der letzten Strophe verdeutlichst du das ganze Dilemma in besonders eindringlicher Weise, toll gemacht!

LG Daisy
Daisy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.04.2014, 00:49   #5
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.082

Das ist traurig, Daisy. Alkoholsucht ist ein Tabu-Thema in Deutschland, niemand wagt einen Abhängingen auf seine Sucht anzusprechen. Das Tückische am Alkoholismus ist, dass oft nicht früh genug erkannt wird, wie stark die Sucht vorangeschritten ist, und niemand will sich eines falschen Verdachts oder der Übertreibung bezichtigen lassen. Dabei könnte den Betroffenen vielleicht geholfen werden, wenn sie rechtzeitig durch Gespräche und Mahnungen unter Druck gesetzt werden. Jede Scheu, dieses Gespräch zu suchen, ist falsch.

Auch kann Aufklärung darüber hilfreich sein, was sich im Gehirn beim Alkoholkonsum abspielt. Denn sich der Sucht hinzugeben und aus ihr wieder herauszukommen, ist eine reine Kopfsache. Wer um diese Vorgänge weiß, ist vielleicht eher bereit, sich in eine Therapie zu begeben.

Danke für Deinen ausführlichen Kommentar.

LG
Ilka
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Alt 04.04.2014, 09:09   #6
männlich Ex Jorsch
abgemeldet
 
Dabei seit: 03/2014
Beiträge: 43

Zitat:
Ich will mein Leben wiederhaben,
Guten Morgen Ilka-Maria,

leider hat man es nur 1x da hilft auch nicht das liebe Geld.

Im Gegensatz zur Aufzählung JUNG UND ALT fühle ich mich heute viel besser bei Deinem GD. Es ist offen und stellt Fragen. Die Antwort die ich mir geben mag, wäre im Heute zu suchen, doch soweit blicken wir selten!

Deiner Anregung vom 3.4. schicke ich dir folgende "Baustelle", die ich noch glätten muss.

bald fällt Schnee

bald fällt Schnee
ein kalter Wind
haucht den Winter her

einst habe ich gesät
nicht viel
weniges
was mir blieb
lieblos aufgezogen
spärliche Früchte
sind im Herbst erfroren

einsam schaue ich
den Wolken nach
zerkaue mein Leben
setzte es zusammen
und belüge mich
mit Tagträumen
warte

© Jörg Kellermann 2014

Ich gehe gleich in das Jetzt und wünsche einen schönen Tag - Joooooorsch
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Alt 04.04.2014, 09:18   #7
Thing
R.I.P.
 
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Beiträge: 34.998

Standard Hallo, Ilka-Maria -

Der Titel ist grandios,
zeugt für mich eindeutig von einem Neuanfang, wie immer der auch aussehen mag.
(Erinnert mich an einen Film),
wohingegen "Mitternacht" eher an das unumgänglich vorübergegangene fünf vor zwölf gemahnt.
Keine Hoffnung auf Rettung.

Ich pick mir lieber die positiven Aspekte aus diesem gut gemachten Gedicht heraus.


Herzlichen Gruß
von
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.04.2014, 10:14   #8
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.082

Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
wohingegen "Mitternacht" eher an das unumgänglich vorübergegangene fünf vor zwölf gemahnt.
Scharfsinnig! Genau diese Ambivalenz hatte ich beabsichtigt. Allerdings: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Danke und liebe Grüße
Ilka
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Alt 04.04.2014, 10:18   #9
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.082

Zitat:
Zitat von Jorsch Beitrag anzeigen
Deiner Anregung vom 3.4. schicke ich dir folgende "Baustelle", die ich noch glätten muss.
...
Ich gehe gleich in das Jetzt und wünsche einen schönen Tag - Joooooorsch
Ich stehe momentan auf dem Schlauch: Welche Anrregung meinst Du?

Dein Text hat Substanz, da könnte man richtig was draus machen.

Dir auch einen schönen Tag und beste Grüße aus Rhein-Main,
Ilka
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.04.2014, 10:50   #10
männlich Ex Jorsch
abgemeldet
 
Dabei seit: 03/2014
Beiträge: 43

nicht schlimm mit dem Schlauch, Du sagtest gestern:
Zitat:
Mach Du ein Gedicht über die Zwischenräume!
daher ich gleich überlegte so als alter Sozialfuzziologe ...

Was mich da noch gestern beschäftigte, war ein anderes GD ich glaube:
ALTERSLAST

Zitat:
Damit selbst mancher seltene Gast
Nicht lange will bei ihr verweilen?
Wir leben in einer Generation in der wir nicht mehr aushalten und tragen können, ich denke da immer an den DDR-Film: Einer trage des Anderen Last - Wer über seinen Schatten springt und der einsamen Frau zuhört, ist den Anderen voraus, so meine ich. So nun genug der Labberei!

Lg Jorsch
Ex Jorsch ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.04.2014, 15:00   #11
weiblich Schneehuhn
 
Dabei seit: 01/2014
Beiträge: 44

Standard Std 0

Hallo Ilka -Maria
"Die Uhr steht längst auf Mitternacht." erinnert mich an den Song mit dem Refrain "It is hard to die, when the birds are singing in the sky". Die Auseinandersetzung mit der Lebenssituation, in die man geraten ist, spricht an, stimmt nachdenklich, hat einen beliebten dramatischen Touch, wirkt aber nostalgisch, da es eben in ist, sich so schädigend zu verhalten und die andere Form als spießig abgetan wird; der Kick fehlt angeblich. Das Gedicht erscheint mir gelungen. LG SH
Schneehuhn ist offline   Mit Zitat antworten
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