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Alt 12.03.2011, 09:38   #1
weiblich aelaen
 
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Standard Ein Reitpferd ohne Reiter

Ein sportliches Reitpferd, Minitou, ist die Hauptperson dieses Romans. Lange Zeit verbrachte Minitou in einem gewöhnlichen Reitstall in Deutschland als Springschulpferd. Aber seine Vergangenheit war spannend. Er war ein rein gezüchteter Hannoveranerrappe. Seine Gänge waren einst schwungvoll und raumgreifend gewesen, als Jungpferd platzierte er sich ordentlich in Vorführungen. Für die Körung reichte es ihm aber nicht ganz, da er einen sehr wilden Charakter besass. Sein 2. Besitzer war ein Reiter, der sowohl Freizeit wie auch Sport reiten wollte. Minitou lag in seinem Budget, hatte ein edles Aussehen und sprach ihn an. Er hatte das Brevet und verschiedene andere Lehrgänge abgeschlossen, arbeitete 2 Jahre aktiv in einem Ausbildungsstall mit. Die Lehre als Bereiter hat er erfolgreich abgeschlossen. All das sollte ihm bei Minitou nichts nützen, denn einen wilden 2-jährigen Hengst, ähnlich einem Vollblutaraber, konnte er nicht zähmen.

Heute ist der sonnigste und heisseste Tag im August. Herr Krüger kommt mit einem ausgelehnten Zaumzeug zu Minitous Box. Leise wiehert er und streckt ihm seinen Kopf entgegen. Herr Krüger greift in die Jackentasche und streckt ihm ein Leckerchen auf der flachen Hand entgegen. Dann schickt er Minitou zurück, er muss die Boxentür öffnen. Sanft streicht er ihm über den Kopf, um ihm das erste Mal Anziehen des Zaumzeuges zu erleichtern. Dann löst er den Sperrriemen heraus. Er hält Minitou seine Hand entgegen, greift in die Lücke zwischen den Zähnen, damit er sein Maul öffnet. Doch Minitou wehrt sich, drückt die Kruppe an die Boxenwand und reisst den Kopf hoch. Mit sanfter Stimme versucht Herr Krüger, Minitou diese Handbewegung vertraut zu machen, vergeblich. Nach fünf Versuchen gibt er auf und schaut sich nach einem Angestellten um, der ihm vielleicht behilflich sein könnte. Nur der schlanke Thomas ist hier, pfeifend mistet er eine Pensionsbox aus. Zusammen versuchen sie nun, Minitou aufzuzäumen. Thomas hat seinen Arm um Minitous Hals gelegt, damit er sich nicht entziehen kann. Herr Krüger hat die Trense heraus geklickt und zieht Minitou ohne Probleme das Zaumzeug an. Dann wird die Trense auf der einen Seite wieder eingehängt. Er gibt Minitou ein Leckerli, damit er still hält. Vorsichtig versucht Herr Krüger, Minitou die Trense auf diese Art in den Mund zu schieben. Wusch! Minitou steigt, Thomas fällt beinahe um, fasst sich aber als erster wieder und beruhigt Minitou, während er ihn am Zaumzeug fest hält. Um sein Vorderbein schnürt sich der Zügel. Erst, als Thomas sich sicher ist, dass der Hengst sich wieder beruhigt hat, schneidet er ihn vorsichtig durch.

Seit dem Tag an liess Minitou sich nicht mehr anfassen und wurde auf einem Pferdemarkt, der zwar professionell geführt wurde, aber trotzdem meistens eine Art "letzter Ausweg" für die Pferde bedeutete, verkauft. Sein nächster Besitzer war ein Mann, der zwar früher auch Sport ritt, aber Mitte 40 es gelassener nahm. Er hatte viel Zeit für ein Pferd, da er neben dem 50 % Pensum als Mechaniker keine Frau besass und den Haushalt nebenbei hinschmiess. Nach den Regeln der englischen Ausbildung und mit viel, viel Geduld, bildete er Minitou als Freizeitpferd aus. Lange Spazierritte waren an der Tagesordnung, vor allem in ewigem Trab und Galopp, gebisslos und am langen Zügel. Springen war unmöglich, da der Hengst in schnellem Tempo schnell die Bremse (d.h. die Zügel) vergass. Nach einem Jahr Ausbildung wollte der Besitzer Minitou in einen Reitstall zügeln. Er wurde, damals 3 -jährig und 4 Monate alt, gelegt. In einem Reitstall war es schwer, ein Hengst zu halten. Mit dem Reitstallbesitzer machte er schriftlich ab, dass er den Hengst mit ihm teilen wollte, 50 % von Minitou gehörte also Herrn Kuhn, dem Reitstallbesitzer. In der Zeit des Einlebens war Minitou sehr agressiv, so sehr, dass Herr Kuhn eines Tages der Geduldsfaden zerriss.


Lautes Poltern erschreckt die Pferdepflegerin Susanne. Ratlos streicht sie sich eine Strähne hinters Ohr, dann eilt sie in den 2. Stalltrakt, 7.Box. Sie hat richtig vermutet, von hier kommt der Krach. Der schwarze Wallach ist gerade dabei, grössere Beulen in die hölzerne Boxenwand zu schlagen. Sein Fell glänzt, die Augen sind weit aufgesperrt, das Maul leicht geöffnet. Alles in allem macht er einen sehr agressiven Eindruck. "Ruhig, ruhig, ruhig", flötet sie ausserhalb der Box. Der Wallach hört sie kaum mehr, zu allem Unglück ist Herr Braun, sein Besitzer, ausgerechnet für die nächste Woche verreist. Als Minitou sich nicht beruhigt, greift sie nach dem Handy und ruft Herr Kuhn an. Der kommt sofort und ahnt Böses. Als er den Wallach in seinem Zustand sieht, schreckt er erst mal zurück. "Niemand geht jetzt in die Box", befiehlt er. "Wir müssen versuchen, ihn heraus zu bringen. Bleibe hier, Susanna, ich öffne die Paddocktüre und sperre den Weg zur nächsten Koppel ab. Wenn ich laut schreie, dann komm sofort". Susanne's Gesicht wird bleich, sehr bleich. "Keine Angst, er wird nur so schnell wie möglich die Box verlassen. Aber wenn mir etwas passiert, musst du zuerst das Koppeltor schliessen. Leider sind die übrigen Angestellten noch nicht hier". Zögerlich nickt Susanne. Während Herr Kuhn draussen verschwindet, lässt sie sich an einer Boxenwand auf den Boden rutschen und hält sich die Ohren zu, ihr Herz klopft schneller. Nach einer Weile steht sie wieder auf und guckt in Minitous Box. Sie ist leer. Schnell eilt sie nach draussen, wo Herr Kuhn sich Dreck von der Hose wischt. "Alles gut gegangen, ich bin zwar gestürzt, aber mehr ist nicht passiert". Susanne's Herz pocht immer noch.

Nun war Minitou auf der Weide, aber er blieb aufgebracht. Drei Tage später entschloss sich Herr Kuhn zu einer Notlösung.

Wieder ist Susanne die erste im Stall. Seufzend mistet sie die Boxen aus, all das schreckliche mit Minitou hat sie sehr mitgenommen. In der Nacht träumt sie schlecht, am Tag getraut sie sich kaum mehr zu anderen Pferden. Immer wieder tauchen verzehrte Pferdegesichter in ihren Gedanken auf. Sie macht sich ernsthafte Sorgen, ob sie die Lehre nicht abbrechen sollte.
Mitlerweile ist auch Herr Kuhn gekommen. Er begrüsst Susanne nicht, aber sie hört seine Schritte. Er wird zuerst zu Minitou gehen, ihm Heu und Wasser vorbei bringen und sich dann erst einmal bei einem Kaffee im Reiterstübchen die Haare raufen. Aber heute ist alles anders. Nach einer Viertelstunde kommt Herr Kuhn, mit einem Schwall wüster Beschimpfungen begleitet, in den Stall geeilt. Er hält sich wütend den Arm. "Oh mein Gott!", Susanne ruft aus und eilt zu ihm. "Versorgen Sie das schnell!". Herr Kuhn beisst die Zähne zusammen, anfangs hat er den Schmerz in der Wut gar nicht gespürt. Jetzt eilt er zur Notapotheke und lässt sich von Susanne einen Verband anlegen. "Jetzt reicht es mir, ich rufe Herr Meyer an, er kann das Mistvieh noch heute abholen!". "Herr Meyer?". "Ja genau, Herr Meyer! Soll er doch mit dem Vieh fertig werden oder was weiss ich mit ihm machen!". Herr Kuhn ist immer noch aufgebracht, nur sehr selten erlebt man ihn so und meistens sind dann die Reiter schuld. Doch heute gilt seine ganze Wut einem Pferd. Scheinbar das erste Mal in seinem Leben. Susanne versteht auch nicht ganz, was Herr Kuhn mit Herr Meyer meint, doch eine Stunde versteht auch sie es.
Ein blauer, grosser Anhänger fährt direkt an Minitous Koppel. "Ist es dieses Pferd?", fragt ein älterer, hagerer Mann. "Genau, aber passen sie auf, er beisst und tritt", warnt Herr Kuhn. Der Mann ruft einem Gehilfen, beide ziehen sich dicke Handschuhe an, dann gehen sie auf die Weide und treiben Minitou in den Anhänger. Erstaunlich gut lässt er sich verladen, erst als die Klappe geschlossen ist, ertönt Gerumpel, der Wagen wackelt bedenklich. "Denken Sie, er wird den Wagen umstossen?", fragt der Portugiese seinen Chef bedenklich. "Der kippt nicht um, auch wenn ein Elephant drin wäre. Mit solchen Pferden habe ich Erfahrung, sie haben einen guten Entscheid gefasst, Herr Kuhn! An so einem Pferd sollte man nicht die Nerven und die Gesundheit riskieren". Dann fährt der Wagen ab. Ein dumpfes Gefühl beschleicht Herr Kuhn, das schlechte Gewissen. Der Wallach gehört ja gar nicht ihm, was wird Herr Braun dazu sagen? Zwei Tage später entschliesst Herr Kuhn sich, den Verkauf rückgängig zu machen. Er hatte zu schnell und, vor allem, verbotenerweise, gehandelt. Als Herr Meyer davon erfährt, wird er unwirsch und meint ärgerlich, sehr wohl hätte Herr Kuhn das Recht dazu gehabt. Trotzdem bestellt Herr Kuhn den Wallach zurück.
Am nächsten Tag wird Herr Braun zurück kehren, auf jeden Fall muss sein Pferd noch da sein, er hängt ja so an ihm. Doch Herr Braun kommt nicht, der ganze Reitstall ist ratlos, bis plötzlich ein ausgelernter Pferdepfleger schreckensbleich wird. "Was ist los?", fragt Herr Kuhn besorgt. "Ich ahne Schreckliches. Herr Kuhn, es tut mir leid", stottert er, "als ich erfuhr, dass Sie den Wallach verkauft habe, entschloss ich mich, Herr Braun anzurufen. Ich habe geahnt, dass er es nicht wusste". "Wie hat er reagiert?", fragt Herr Kuhn hastig. "Hoffentlich bin ich jetzt nicht an etwas Schlimmerem schuld", denkt er besorgt. "Sehr knapp. Er war sicher sehr bestürzt, aber er hat es nicht gezeigt". "Wir rufen sofort die Polizei in seinem Ferienort an, vielleicht hilft uns das weiter".

Von der Polizei erfuhren sie, dass ein unbekannter Mann sich von einer Autobahnbrücke gestürzt hat. Es war Herr Braun.
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Alt 12.03.2011, 09:39   #2
weiblich aelaen
 
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Die Geschichte wird noch weiter gehen
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