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Alt 11.10.2007, 09:08   #1
A-Moll
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 18


Standard Schweizer Sprache im Ausnahmezustand

Sehr verehrte Damen und Herren, ich begrüsse Sie zur heutigen Tagesschau-Sondersendung zum Thema „Schweizer Sprache im Ausnahmezustand“.

Wie Sie wahrscheinlich in Ihrem persönlichen Umfeld bereits festgestellt haben, hat sich der Gebrauch der Sprache in der Schweiz in den letzten 10 bis 15 Jahren massiv verändert – dies sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Ausdruck.

Dass heute Wendungen wie „Clubbing“, sprich „i Usgang ga“, oder „Hey U Sexy Bitch“, sprich „Hoi Du hübsches Meitschi“, zum gängigen Sprachgebrauch gehören, fällt wohl kaum jemandem mehr auf. Und spätestens mit dem Aufkommen der täglichen Gratiszeitungen „20-Minuten“ oder „Heute“, welche in 10‘000-er Auflagen die Schweizer Pendler allmorgendlich über die neusten Grammatik-Fehler informieren, hat auch das in Fachkreisen sogenannte „literarische littering“ weit um sich gegriffen.

Immer häufiger werden daher Expertenstimmen laut, welche die Urtümlichkeit der Schweizer Sprache bedroht sehen. Gemäss Jahresbericht der schweizerischen National-Kommission für das helvetische Wort (SchweiN-Komm), sei vor allem die dialektische Vielfalt akut gefährdet. Dies durch die zunehmende Durchsetzung der Alltagssprache mit Anglizismen und anderen Fremdwörtern. Die neuartigen Ausdrücke würden ohne Rücksicht auf jedwede Kantonsgrenze die Deutschschweiz überschwemmen. Der Fremdwort-Anteil in der Schweiz sei im Jahr 2006 bereits auf über 15 % gestiegen.

Als Reaktion auf diese Tendenzen gingen heimatlich orientierte politische Kreise bereits dazu über, die gänzliche Aus-, mhm pardon, die gänzliche Abschaffung von Fremdwörtern aus dem schweizerischen Sprachgebrauch zu fordern. Die Auswahl der abzuschaffenden Begriffe solle dabei gemäss Auskunft des zuständigen Parteisekretariats – Zitat: „selbstverständlich durch ein interdisziplinäres, synkollegiales Gremium unter objektiver Berücksichtigung der adäquaten, pragmatischen Evaluationskriterien sowohl projektorientiert als auch speditiv realisiert werden“. Auch mit den danach verbleibenden, gängigen Mundartausdrücken könne in gesprochener und geschriebener Sprache eine ausreichende Eloquenz gewährleistet werden.

Die Stellungnahme des zuständigen Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) zu diesen Forderungen gegenüber der Tagesschau lautete schlicht: VOLL KRASS MANN!

Während man im BAKOM und im Bundesrat indes noch über die offizielle Haltung von Bundesbern gegenüber der Forderung nach radikaler Abschaffung der Fremdwörter debattiert, zog die Diskussion über den Sprachgebrauch in der Schweiz weitere politische Kreise.

Bereits vor den diesjährigen Wahlen vom 21. Oktober haben Politiker der Schweizerischen Verbal-Partei, kurz SVP, eine Volksinitiative zu Stande gebracht, welche die Einführung der Mundart als offizielle Amtssprache in der gesamten Deutschschweiz fordert. Die sogenannte „Potz-Blitz-Initiative“ wird nun in der Frühlingssession im kommenden März von den eidgenössischen Räten behandelt.

Schon im Vorfeld dazu haben sprachlich engagierte Parlamentarier Vorstösse eingereicht, um ihren jeweiligen Dialekt als zukünftige Amtssprache zu profilieren.

So wies beispielsweise Sepp Truebisberger, als Vertreter des Kantons Bern, darauf hin, dass Berndeutsch eindeutig die einzig wahre Mundart-Amtssprache sein könne. Dies, da auch ein noch so ahnungsloser oder übereifriger Beamter mühelos jede Anfrage von Medien oder Privatpersonen mit einem tiefschürfenden „Äuäää“ oder einem verwunderten „öppe nid“ beantworten könne. Und dies erst noch, ohne Gefahr zu laufen, heikle Informationen oder Informationen überhaupt preiszugeben.

Florian Vor-den-Blatten hingegen, ein Parlamentarier aus dem Wallis, verwies darauf, dass mit dem Wallisser-Diitsch als Amtssprache auch weiterhin vollumfänglich gewährleistet sei, dass der grösste Teil der Schweizer Bevölkerung nicht verstünde, worüber in Bundesbern genau debattiert werde. Was wiederum allen Politikern gleichsam zu Gute kommen würde.

Was der Zürcher Kantonsvertreter Urs Wipf im Interview mit der Tagesschau als Kriterium für seinen Dialekt als neue Amtssprache ins Feld führte, können wir an dieser Stelle leider nicht im Detail wiedergeben – der sehr engagierte Herr sagte definitiv viel zu viele Worte in viel zu kurzer Zeit. Offenbar wollte er aber darauf hinweisen, dass in Zürich die Liebe zur Mundart sogar so weit gehe, dass am Radio nicht nur Fremdwörter verpönt seien, sondern nicht einmal die Hochdeutsche Sprache geduldet werde.

Egal wie sehr sich die dialektisch-patriotisch orientierten Politiker im Frühling jedoch ins Zeug legen werden, in der Schweiz wird es wohl dennoch nicht zu einer sprachlichen Revolution kommen. Nach Meinung verschiedener Experten dürfte die „Potz-Blitz-Initiative“ nämlich schlussendlich daran scheitern, dass man sich im Parlament nicht einigen kann, ob bei einer Volks-Abstimmung für eine Annahme der Initiative ein „jä!“, ein „ja“, ein „jooo“ oder doch ein nüchternes „he nu so de“ in die Urne gelegt werden müsste.

Danke für Ihr Interesse und „Uf Widerluege“.
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