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Alt 04.04.2013, 12:26   #1
Alive93
 
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Standard Rückenwind

Das kann ja wohl nicht wahr sein! Das soll meine Klausur sein!? Mein Gott, hätte ich doch bloß eine andere Matrikelnummer draufgeschrieben. Ich glaube mein Schwein pfeift! Ich habe keine Lust mehr, obwohl Lüsternheit im Unialltag sowieso nichts bringen würde. Mit einer Traurigkeit beinhaltenden Wut trete ich die Tür auf und verschwinde.
Bevor ich aber nach Hause fahre und in meinen leeren Kühlschrank gucke, in dem auch nachts das Licht brennt, mache ich mich lieber noch auf den Weg nach Subway. Dort angekommen stehen vor mir zwei Frauen mit Latzhose in der Schlange. Sie geben ihre Bestellung auf und bei der Frage, was denn an Salat mit drauf dürfte antworten sie:,, Es kann ruhig alles drauf, außer Gurken, Tomaten, Paprika, Zwiebeln, Oliven, Salat und Peperoni“. Als Sauce bestellen beide Pfeffer und Salz. Ich bin beruhigt, dass es doch noch blödere Leute gibt als mich. Als ich mein Zeugs bekommen habe mache ich mich mit dem Auto auf den Weg nach Hause und beiße bei jeder roten Ampel etwas ab und bin mit dem Essen auch fertig, bevor ich die Stadt verlassen habe.
Zu Hause angekommen bemerke ich sofort den Beginn der Ferien, denn ich weiß nicht, was ich überhaupt zu Hause soll. Im nächsten Moment sitze ich schon wieder im Auto auf dem Weg zum Flughafen, denn dort ist immer was los. Ich mache das Radio an und eine volle Ladung Volksmusik dröhnt mir aus den Lautsprechern entgegen. Bei solch einer Musik lohnt es sich eigentlich immer, das Cabriodach aufzumachen oder mit offenen Fenstern und einer coolen Sonnenbrille auf der Nase in der Stadt Vollgas zu geben, um die Augen der 70-jährigen Frauen auf sich zu ziehen. Wie geht noch die eine Zeile in einem dieser Volksverdummungslieder: Ein Stern, der deinen Namen trägt, vom Himmel runter fällt und auf die Erde kracht!....oder so ähnlich zumindest. Furchtbar! Zum Glück habe ich noch meine Schallplatten von Elvis mit dabei. Das ist schon besser! Man muss ja schließlich ein bisschen mit der Zeit gehen.
Auf der Autobahn ist wie immer der Teufel los. Eine Baustelle folgt der anderen und nach einem grinsenden Smiley folgt nach zehn Kilometern freier Fahrt schon wieder ein trauriger Smiley. Nur etwas ist heute anders: Die Geschwindigkeitsbegrenzungen wurden allesamt aufgehoben und am Straßenrand stehen Schilder mit Bildern, die die Geburt eines Menschen zeigen. Was hat das denn zu bedeuten? Ein Blick auf die Tankanzeige verrät mir, dass das Auto schon wieder Durst hat. An der nächsten Autobahnraststätte fahre ich mit einem nach links gesetzten Blinker runter und gebe meinem Auto was zu trinken aus der Pistole. Anschließend zahle ich den Betrag an gezapften Litern und sage noch gut gemeint:“ Hier, der Rest ist für Sie!“. Der Mann hinter der Kasse bemerkt meinen Trick gar nicht. Bei so einem Verkäufer würden bestimmt auch Grundschulkinder eine Flasche Wodka bekommen. Zurück im Auto gebe ich wieder Vollgas und fahre zur Feier des Tages mit 80 auf der Autobahn weiter Richtung Flughafen. Dort angekommen macht sich ein leichter Kerosingeruch aus den Belüftungsschächten im Auto breit. Ich fahre ins Parkhaus und parke aus Versehen auf einem Behindertenparkplatz, wo normalerweise nur Rollstühle abgestellt werden dürfen. Naja, es wird ja wohl keinem auffallen, dass ich gar nicht behindert bin. Außerdem bleibe ich ja auch nicht lange.
Ich gehe in den Flughafen und schaue auf die Anzeigetafel. Hinter sämtlichen Flügen steht die Abkürzung „agst“ . Die habe ich noch nie gesehen. Was bedeutet sie wohl? Ich mache mich auf den Weg zur Aussichtsterasse, um den Metallvögeln etwas zuzusehen. Komischerweise gibt es selbst vor der Aussichtsterasse eine Kontrollstation. Es wird von mir verlangt, meine vollgerotzten Taschentücher aus der Hosentasche auf das Band zu legen und selbst meine Schuhe muss ich ausziehen, denn ich könnte ja Drogen oder Sprengstoff darin versteckt haben. Als mir das Ganze zu viel wird mache ich den Vorschlag, nackt auf die Terasse zu gehen oder mich vorher mit auf das Band zu setzen und mich durchleuchten zu lassen, aber komischerweise wird dies dankend abgelehnt. Ich dachte, ich tue der Frau damit einen Gefallen, nachdem sie schon von mir verlangte, meinen Gürtel von der Hose abzumachen, obwohl es dort gar nicht gepiept hat. So kann man sich irren!
Auf der Aussichtsterasse wird mir auch klar, was die Abkürzung agst. zu bedeuten hat. Auf der Landebahn ist die Flughafenfeuerwehr schon zu Gange, Rasierschaum zu verteilen und am Himmel sehe ich schon einen rauchenden Metallvogel, der sich nähert. Er schlägt unsanft auf der Landebahn auf, aber dank des Rasierschaums ist die haarscharfe Landung noch mal glatt gegangen. Wie ich schon sagte, am Flughafen ist immer etwas los. Nach einer Weile wird mir die Rettungsaktion aber zu langweilig und ich mache mich wieder auf den Weg zum Auto. Eine Gruppe von humpelnden Flugbegleitern mit Platzwunden im Gesicht begegnen mir. Agst! Zum Glück fliege ich dieses Jahr nicht in den Urlaub, denn das Reiseziel wo ich dann wahrscheinlich hinkommen würde soll nicht so schön sein. Es nennt sich Koma!

Zurück im Parkhaus geht es ans Bezahlen. Ich füttere den Automaten mit meinen kopierten Geldmünzen. Es stört den Automaten gar nicht, dass die Münzen nur aus Papier sind. Bei so einem Automaten würden auch Grundschulkinder eine Wodkaflasche bekommen! Ich gehe zum Behindertenparkplatz, steige ins Auto und fahre im dritten Gang durchs Parkhaus zur Schranke. Anstatt den Chip in den Schlitz zu stecken erlaube ich mir noch einen Scherz. Ich drücke auf den Notknopf und als eine Stimme sich meldet sage ich :“ Ich hätte gerne zwei Big Mac, eine mittlere Pommes und eine kleine Cola!!!“ Der Mann hat den gleichen Sinn für Unsinn und fragt zurück, ob er ein Menü daraus machen soll und öffnet mir die Schranke. Den Chip nehme ich als Andenken an diesen Gag noch mit nach Hause.
Mensch, war das ein ereignisreicher Tag. Er hatte beschissen angefangen und doch noch ein gutes Ende genommen. Abend gut, alles gut! Mir ist jetzt irgendwie nach einem schönen Schnulzenfilm. Ich mache mir noch einen doppelten Espresso, damit ich später besser schlafen kann, lege die DVD ein und mich unter die Decke. Romantische Schnulzenfilme sind bei manchen Leuten ja deswegen so beliebt, weil die Geschichten zu schön sind, um wahr zu sein und einen vielleicht etwas zeigen, was man gerne selbst erleben will. Wer will denn nicht mal mit seinem/seiner Liebsten eine Kreuzfahrt machen und dann später gegen einen Eisberg fahren, untergehen und im Eiswasser die ewige Liebe schwören bevor man dann absäuft? Es kann doch nichts Schöneres geben!
Ein paar Stunden später will mir die Müdigkeit die Augen schließen und ich mache mich auf den Weg aufs Klo und nicht nur das gesamte Papier, sondern auch ich bin von der Rolle, denn ich versuche aus unerklärlichen Gründen mit der Zahnbürste die Kloschüssel und mit der Klobürste mir die Zähne zu putzen. Das darf man gar keinem erzählen, also mache ich das hier auch nicht. Anschließend lege ich mich ins Bett und warte bis der Schlaf mich holt und mich irgendwo mit hinnimmt.

Der nächste Morgen kommt und die Sonne kräht und der Hahn geht auf. Was war das nur für ein merkwürdiger Traum in der Nacht. Ich habe geträumt, ich wäre mit vielen anderen ins Arbeitsamt gegangen und wäre dort auf Dieter Bohlen und seine DSDS-Jury gestoßen. Alle, die wie ich nicht singen konnten, wären auf ewig arbeitslos nach Hause geschickt worden. Das gibt einem schon zu denken.
Nach einem Frühstück aus dem leeren Kühlschrank beschließe ich meiner Langeweile mit einem kleinen aber doch längeren Spaziergang entgegenzuwirken. Ich habe keinen Plan wohin ich gehen soll, aber meine Beine führen mich letztendlich zur Grundschule. Ich klettere über das Geländer und schaue mich etwas auf dem Gelände um. Sofort schießen mir schöne Erinnerungen durch den Kopf, z.B. wie ich damals meiner Sitznachbarin eine gescheuert habe, nachdem sie einen Tag vorher meine Hefte geklaut und den Tisch mit Nagellack voll gemalt hatte oder wie ich fast jeden Abend meine Haare waschen musste, nachdem ich in der Schule Sand auf meinen Kopf geschmissen bekam. Ja, damals in der Kindheit war noch alles einfach und schön! Wenn ich doch bloß heute wieder gemobbt werden würde und anderen eine in die Fresse hauen könnte, dann wäre alles in Ordnung, so wie früher!
Ich erinnere mich auch noch an die erste Klassenfahrt nach Norderney damals in der Grundschule und wie ich mit meinem Kuscheltier rumgehauen habe, als ich abends schlafen wollte oder wie ich in der Turnhalle vom Seil gefallen bin als ich wie Tarzan mit Anlauf draufspringen wollte. Dieser Stunt war natürlich ein paar Lacher wert und auch ich lachte vor Schmerzen mit und vor allem auch über meine eigene Blödheit, denn dafür ist sie doch da. Ja, die Grundschulzeit war schon sehr prägend. Wir waren immerhin damals noch nicht auf die Idee gekommen, eine Wodkaflasche zu kaufen oder zu Rauchen, wie es die Grundschüler heute machen. Heute muss man denen ja schon auf die Tische im Klassenzimmer Aschenbecher stellen, in denen sie ihre Kippen ausdrücken können, während sie das Alphabet lernen. Das war zu unserer Zeit noch anders. Da gab es noch einen Unterschied zwischen einer Kinderlunge und einer Straße! Ich klettere wieder über das Geländer und mache mich langsam auf den Weg zurück. Den Rest des Tages verbringe ich im Bett unter der Decke, bis mir irgendwann die Decke auf den Kopf fällt. Irgendwie ist mir einfach danach.

Es ist mitten in der Nacht, als ich wach werde. Wahrscheinlich hat mich das Geklappere der Rolläden geweckt, denn draußen wütet ein starker Sturm. Es kann nicht mehr lange dauern, bis unsere Straße sich mitten im Auge der Windrose befindet und die ersten Autos und Dächer durch die Gegend fliegen. Im Haus ist es still, es ist ja auch keiner hier außer mir. Ich höre den Regen, wie er die Regenrinne am Dach entlangläuft, etwas Verkehr und in der Ferne einen Zug fahren. Dann höre ich das Läuten der Kirchturmuhr. Sie läutet drei mal, es ist viertel vor irgendwas. An der Zimmerdecke sehe ich Licht und Schattenflecken entlangwandern, die die Scheinwerfer eines Autos erzeugt haben, welches gerade unsere Straße entlanggefahren ist. Ich drehe mich wieder zur Seite und versuche wieder einzuschlafen, aber irgendetwas stimmt nicht. Ich mache das Licht an, steige aus dem Bett, gehe in den Keller und klimpere am Klavier irgendetwas vor mich hin. Es ist wie in einem Trance-Zustand. Nach einer halben Stunde gehe ich wieder nach oben, da fällt es mir plötzlich ein. Ich habe vergessen einzukaufen! Sofort springe ich in meine Klamotten, schnappe mir den Schlüssel und mache mich auf den Weg zum 24-Stunden-Edeka. Warum soll man nicht mal mitten in der Nacht einkaufen gehen? Das hat doch was, und ich glaube die Leute, die dies tun, auch. Im Auto höre ich im Radio den Wetterbericht. Die Windrose war nur 5km weit entfernt. Anschließend bringen sie noch ein Video, welches irgendein sensationsgeiler lebensmüder Idiot unbedingt wieder drehen musste.
Angekommen bei Edeka steige ich aus dem Auto und will in den Laden gehen, da höre ich von der anderen Seite des Parkplatzes eine Flasche am Boden zerbrechen. Anschließend schreit jemand:“ Fick dir doch ins Knie du Missgeburt von einer Dorfschlampe!“. Aha! Da ist mal wieder einer von der wahren Liebe enttäuscht wurden. Der arme Kerl! Er hat es sicherlich immer nur gut mir ihr gemeint. Im Laden ist für die ungewöhnliche Uhrzeit noch einiges los. Sämtliche Senioren und Eltern mit ihren Kindern kaufen tatsächlich noch ein. Wahrscheinlich müssen die Kinder heute zur Strafe später ins Bett. Ich kaufe mir noch etwas streichzartes Brot, Butter aus dem Tiefkühlfach und vor allem Klopapier und eine neue Zahnbürste. Zu guter Letzt fahre ich zur Kasse, aber die Kassiererinnen schlafen alle. Sowas nennt sich nun Nachtschicht! Ich will sie möglichst behutsam wecken, also stecke ich einer von ihnen meine Butter aus dem Tiefkühlfach in den Nacken. Als sie zu sich gekommen ist, lüge ich sie an und sage:“ Ich möchte gerne bezahlen!“
Wieder draußen auf dem Parkplatz höre ich den Mann wieder schreien:“ Du dreckiges unhygienisches Stück Scheiße! Wegen dir habe ich jetzt Flöhe am Sack!“ Das soll aber nicht mein Problem sein und schon bin ich mit dem Auto wieder unterwegs nach Hause. Ich mache aber noch einen kleinen Abstecher und schaue mir die Verwüstungen der Windrose an. Tatsächlich, da liegen die Hausdächer auf der Straße und die Autos stehen auf den Häusern. Gut, das so was bei uns noch nie passiert ist. Jetzt ist aber Schluss mit der Rundfahrt durch die Nacht.
Wieder zu Hause angekommen lege ich mich wieder ins Bett. Die Kirchturmglocke läutet ein Mal, es ist viertel nach irgendwas. Ich schlafe ein.



Nächster Morgen:

Man, was war das denn schon wieder für ein Traum. Ich habe geträumt, ich wäre in einem Puff gewesen, bei Antonia, Stella und Sylvia. Stella hätte mich dann mit auf ihr Zimmer genommen und ihre Pre-Show abgezogen. Ihr viel zu lockeres und kleines Gewand auf ihrem Oberkörper hat sie mit zu mir vorgebeugten Schultern ausgezogen und dabei ihre Zunge auf ihren Lippen hin und her gleiten lassen. Danach hat sie ihre schwarzen Haare zurückgeworfen und mit viel zu viel Luft in ihrer flüsternden Stimme auf mich eingeredet. Irgendwann hatte sie nur noch ihren Tanga an und dann noch nicht einmal mehr den. Mich brauche ich in dieser Situation ja wohl nicht beschreiben. Auf jeden Fall bin ich mit einem lauten Stöhnen aufgewacht. Jetzt ist mir irgendwie total schlecht. Diese Träume geben einem wirklich zu denken: erst Dieter Bohlen im Arbeitsamt und jetzt auch noch das Rotlichtmillieu.

Ich bin den ganzen Morgen die Übelkeit nicht los geworden und habe mich jetzt dazu entschlossen, ins Blaulichtmillieu zu fahren, also ins Krankenhaus. Das letzte Mal war ich im Krankenhaus, als ich in der dritten Klasse war. Eigentlich ist es immer richtig schön im Krankenhaus; das Essen ist, außer dass es nicht schmeckt, eigentlich ganz lecker und die Krankenschwestern sind, außer dass sie ziemlich genervt sind, ganz nett. Die meisten von ihnen können sogar mit einer Spritze so gut stechen, dass es danach riesige blaue Flecken gibt. Da kann ja wirklich jeder Diabeteskranke besser stechen! Heute werde ich mal meinen Magen durchchecken lassen. Ich schildere meine Beschwerden und anschließend wird eine Ultraschalluntersuchung an meinem Bauch gemacht. Auf dem Bildschirm sieht man einen Fötus, der mit angezogenen Beinen auf dem Rücken liegt. Was soll das denn? Der Arzt entschuldigt sich mit errötetem Gesicht. Es wäre nur sein Bildschirmschoner gewesen, denn seine Frau würde demnächst werfen.
Der Arzt kann nichts Besonderes feststellen, schiebt mir aber vorsichtshalber noch 100ml Abführmittel in den Arsch. Nach einer viertel Stunde ist alles erledigt und ich trete den Heimweg an. Dabei fällt mir ein, ich könnte mal wieder ins Fitnessstudio gehen. Zu Hause packe ich meine Sachen und los geht’s.
Kaum habe ich einen Fuß in der Tür des Fitnessstudios, kommt mir schon das Gestöhne von menschlichen Schränken zu Ohren, bei denen die Adern an den Armen und der Brust herausquillen und die wohl kurz davor stehen, zu platzen. Im hinteren Raum sehe ich die Krankengymnastik, direkt neben mir fällt einer keuchend vom Laufband und vorm Spiegel hat sich einer überschätzt und lässt sich die Hantelstange ins Gesicht fallen. Das muss doch nicht sein. Ich komme lieber ein anderes Mal wieder hier her, am besten dann, wenn der Laden geschlossen ist. Die Ferien neigen sich dem Ende zu, aber zum Schluss habe ich noch eine Tour nach Hamburg vor, die Stadt der Brücken. …….



Die Nacht war mal wieder sehr merkwürdig. Diesmal habe ich geträumt, VW wäre kurz davor, Pleite zu gehen und könne sich nur noch mit der Produktion von Currywurst über Wasser halten. Diese würden dann vor der Servierung in den großen Türmen der Autostadt gelagert. Ich glaube so langsam, irgendetwas stimmt mit mir nicht, weil mit der Welt ist doch eigentlich alles in Ordnung. Heute soll es also noch nach Hamburg gehen. Es ist eine sehr schöne Stadt, vor allem die Reeperbahn mit ihren Läden wie die Kondomerie oder ihren Shows ist immer einen Besuch wert. Da dieses Themengebiet aber schon auf den vorherigen Seiten abgehandelt wurde, werde ich nicht weiter im einzelnen darauf eingehen.
Auf dem Weg nach Hamburg halte ich wieder an einer Autobahnraststätte an und esse erst einmal ein Stück Kuchen für 200 Euro. Draußen auf dem Parkplatz treffen Busse mit Schülern ein, die wohl eine Klassenfahrt machen. Die Kinder steigen aus und stürzen sofort nach McDonalds, einem ziemlich unbekannten Fastfood-Laden aus dem Land der begrenzten Möglichkeiten, wo jeder Millionär Tellerwäscher werden kann. Auch die Fitnesskette McFett kommt wohl daher. Da die Kinder sich nicht an die abgemachte Uhrzeit zur Weiterfahrt zu halten scheinen, schließt der Busfahrer die Tür und fährt ohne die Schüler weiter. Jetzt müssen sie wohl alle per Anhalter ihr Glück versuchen, aber wir leben ja nicht mehr in der Hippie-Zeit und das Vertrauen in das Gute in anderen Menschen ist ja so stark, dass die meisten Leute mit Kugelsicheren Autos durch die Gegend fahren um sich vor Angriffen von Anhaltern zu beschützen. Wahrscheinlich müssen die Kinder doch ihre Eltern anrufen, die sich schon darauf gefreut haben, endlich mal etwas ohne ihre Blagen unternehmen zu können.
Ich gehe zum Auto und fahre wieder weiter. Schade, ich bin schon zu spät dran, sonst hätte ich noch zum Hamburger Fischmarkt gehen können, wo der Nudel-Franscesco, der Wurst-Willi und der Käse-Klaus sich immer gegenseitig anbrüllen mit Sprüchen wie „ Deine Pasta die du hast da in deinem Laster ist scheiße du Bastard!“ oder „ Deine Wurst ist doch den Leuten Wurst“ oder „Meine These ist, dass wenn ich verwese es genauso riecht wie dein Käse!“. So mache ich es mir noch etwas am Hafen schön. Warum denn nicht mal eine Hafenrundfahrt machen?
Ich gehe an Bord und die Fahrt geht los. Der Kapitän meldet sich:“ Herzlich Willkommen an Bord unserer SMS Flaschenpost. Ich werde im Verlaufe dieser Kreuzfahrt mit meiner Stimme etwas für Unterhaltung sorgen, damit auch unsere blinden Passagiere etwas von der Fahrt haben! Auf der Backbordseite befindet sich der Industriehafen, wo die ganzen Güter ankommen, zum Beispiel Vogelspinnen zwischen denen sich auch hin und wieder mal eine Banane verirrt hat und auf der Steuerbordseite sehen sie das Trockendock mit undichten Schiffen, die von Kapitänen gefahren wurden, die nicht mehr ganz dicht waren. Wir haben momentan eine Geschwindigkeit von 7 Schleifen, drehen aber gleich einen Knoten und fahren zurück zum Kreuzfahrthafen, wo sich auch die Aida-Schiffe befinden, deren Bug mit Lippenstift lackiert wurden sind.“

Nach der Fahrt mache ich mir noch einen letzten gemütlichen Abend, bevor morgen dann die Ferien vorbei sind. Die Sonne geht unter und taucht rot in das Hafenwasser ein. Ich schländere an den Piers entlang und schweife gedanklich in weite Fernen. Fantasie ist schon etwas Eigenartiges. Sie kann einen entführen, ohne dass man jemals den Ort verlässt und eine Grenzenlosigkeit herbeiführen, die zwar Bodenlos ist, aber dennoch existiert. Ich schaue quer über den Hafen. Die orangene Beleuchtung spiegelt sich im Wasser. Neben mir steht ein Windrichtungspfeil. Er zeigt in Richtung Zukunft. Ich spüre eine warme Windböe in meinem Rücken und jeder Atemzug bringt etwas erfüllendes mit sich. Hinter mir schimpft eine Mutter mit ihrem Kind und sagt, morgen wehe wieder ein anderer Wind. Ich wünschte, es würde immer so sein wie genau jetzt, aber das kann ja wohl nicht wahr sein.
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