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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 17.11.2019, 19:21   #1
männlich milchmirzucker
 
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Standard sonntags zumeist

sonntags zumeist. tage wie die
ungewaschenen grauen laken der
nachbarin. oder schlimmer.
jedenfalls plärrte das radio
während man schwieg. so tat als ob.
oder die eltern stritten sich.
meist zog ich die gesellschaft der
drei hunde vor. strich durch den park
der dem beton keinen einhalt gebot.
großmutter kam oder ging. sie
galt praktisch als aus und abgeschrieben.
verloren und verreist in eine welt
aus blues und alten negativabzügen.
abends zogen die filme ins haus.
western oder krimi.
selten mehr. die mutter verkroch sich.
starb einen ihrer kleinen rotwein tode
während clint eastwood gelassen
an der kippe zog. später verteilte
die schwester pralinen. sie waren klein
und schmolzen auf der zunge.
man lobte sie. nur vater meinte
sie seien bitter im abgang.
milchmirzucker ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.11.2019, 21:49   #2
männlich Pjotr
 
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Eine interessante, bukowskiöse Tonlage erzeugt dieser Text beim Lesen. Seltsam-verblüffend: Ich sehe keine Struktur, dennoch läuft in meinem Kopf eine dramatische, flüssige Musik mit. Also muss irgendein dramatischer, unchaotischer Aufbau drinstecken und ich sehe ihn nur nicht (aber höre ihn). Viele kurze Sätze. Eigentlich ist der ganze Text in einer Clint-Eastwood-Farbe getränkt. Und vielleicht deshalb läuft unbewusst Morricone oder so etwas ähnliches in meinem Hinterkopf ...
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Alt 20.11.2019, 21:54   #3
männlich MiauKuh
 
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Was du vielleicht meinst, Pjotr, ist:

dies Gedicht hat ganz eindeutig diese "Stimme-aus-dem-off"-"erzähler-stimme", meist rauh, die in einem Film mit läuft. Die Gedanken des Protagonisten.

Ich glaube, dass erst durch das Schauen vieler Filme so etwas als Lyrik gut wirkt. Wobei ich es nach wie vor weniger der Lyrik, als eher der Prosa zuordnen würde.

Das spielt aber gar keine Rolle. Für mich ist das ein Genre, welches endlich einen Namen braucht ...

Gedankenlyrik?
MiauKuh ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.11.2019, 22:03   #4
männlich Pjotr
 
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Beiträge: 633

Ja, das meine ich. Wie Frank Drebin in Nackte Kanone. Der Plot rollt und rollt und wird nicht langweilig. Am Ton allein kann das aber nicht liegen. Ich glaube, der Inhalt machts vor allem -- thematisch und stilistisch.

Über Genre-Namen mache ich mir schon lange keine Gedanken mehr. Ich nenne jeden Text einfach "Text", und jedes Bild einfach "Bild".
Pjotr ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.11.2019, 22:53   #5
männlich milchmirzucker
 
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Hallöle in die Runde

Ich antworte erstmal hier, der Rest folgt noch: dass das Gedicht sich (hoffentlich) nicht langweilig liest, liegt sicher auch daran, dass es aus sehr kurzen und knappen, vorallem aber vielen Informationen besteht. Unser Gehirn ist im höchsten Maaße darauf konditioniert, bei neuen Informationen aufmerksam zu sein, wer also viele Informationen in kurzen Sätzen vermittelt, kann am ehesten auf die Aufmerksamkeit seiner Leser hoffen.

L.G euch beiden
Patrick
milchmirzucker ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.11.2019, 23:51   #6
männlich Pjotr
 
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Zitat:
Zitat von milchmirzucker Beitrag anzeigen
... vorallem aber vielen Informationen besteht.
Faszinierend. Wieder was gelernt. Werde mal darauf achten ...
Pjotr ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.11.2019, 19:43   #7
männlich Eisenvorhang
 
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Zitat:
Zitat von milchmirzucker Beitrag anzeigen
Hallöle in die Runde

Ich antworte erstmal hier, der Rest folgt noch: dass das Gedicht sich (hoffentlich) nicht langweilig liest, liegt sicher auch daran, dass es aus sehr kurzen und knappen, vorallem aber vielen Informationen besteht. Unser Gehirn ist im höchsten Maaße darauf konditioniert, bei neuen Informationen aufmerksam zu sein, wer also viele Informationen in kurzen Sätzen vermittelt, kann am ehesten auf die Aufmerksamkeit seiner Leser hoffen.

L.G euch beiden
Patrick
Unter anderem ist das ein Merkmal vom journalistischen Schreiben. Habe mich damit die letzte Zeit befasst und muss sagen, dass es extrem interessant ist.

- Ich weiß, was genau ich sagen will
- Ich fasse mich kurz, kürzer, am kürzesten
- Jeder kann meinen Beitrag verstehen – auch Laien, Fremde, Einsteiger
- Korrektes Deutsch, gute Syntax
- Stil orientiert sich an Substantive und Prädikate
- Keine Bestimmungswörter
- Starke Verben
- Unmissverständliche Pronomen
- Keine Synonyme
- Aktiv vor passiv

Daraus lässt sich ableiten, dass der Meister im Einfachen steckt.
Schwer Schreiben kann jeder lernen, aber nicht das Einfache.
Aus den Dingen kann ich folgendes ableiten:

- Eine wichtige Information muss immer kurz gehalten werden
- Keine verschachtelten Sätze
- Keine Fremdwörter
- Keine Wortzusammensetzungen

Aber auch ergibt das Sinn im Zusammenhang mit der Latenten-Hemmung im Gehirn. Informationsschwämme oder andere Redundanzen werden automatisch vom Hirn gefiltert... Jedenfalls von jene, die eine große Hemmung besitzen.

Was mich zum nächsten Punkt führt: Die Destruktivität der Urbanisierung, weil das menschliche Gehirn für derartige Informationen nicht geschaffen ist. Und daraus resultieren dann Störungen im Bereich der Großhirnrinde...
Naja... Ich schweife vom Thema ab.

Ist ja auch egal.

vlg

EV

PS: Das durchforste ich im Moment, ist sau interessant! Und hab mir bereits erste Literatur dazu bestellt.

http://www.allpsych.uni-giessen.de/karl/teach/aka.htm
Eisenvorhang ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.11.2019, 21:03   #8
männlich milchmirzucker
 
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Das ist ein äußerst interessanter Kommentar, Risenvorhang, welche Literatur würdest du denn zu diesem Thema empfehlen?

L.G
Patrick
milchmirzucker ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.11.2019, 21:31   #9
männlich Eisenvorhang
 
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Für die Grundlagen erstmal alles von:

David G. Myers

Als philosophische Grundlage:

https://de.wikipedia.org/wiki/Monade_(Philosophie)
Eisenvorhang ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.02.2020, 20:32   #10
männlich Epilog
 
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Standard Hallo MmZ,

das kommt mir auch in vielen Andeutungen bekannt vor, auch wenn es dann wahrscheinlich 25 oder 30 Jahre weiter zurückliegt (bestimmte Dinge ändern sich dann doch nur minimal ...) Die Western mit John Wayne kamen aber meistens schon nachmittags, und abends dann wohl Edgar Wallace etc. (zu meiner Zeit).

Die lakonische Abschlusszeile ist ein echtes Juwel ...

Schönen Abend wünscht

Epilog
Epilog ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.02.2020, 01:37   #11
männlich Ex-Ralfchen
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manche texte von unserem MMZ sind erstaunlich und geradezu genial. manchmal macht er mir angst.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.02.2020, 20:41   #12
männlich milchmirzucker
 
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O Gott Ralfchen, Angst will ich dir nun wirklich nicht machen

L.G
Patrick
milchmirzucker ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.02.2020, 21:35   #13
männlich Ex-Ralfchen
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DANKE PATRICK -

du weißt was ich für ein zartes seelchen bin...

vlg
r
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.02.2020, 13:11   #14
männlich Ex-Blacksheep
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Zitat:
Zitat von milchmirzucker Beitrag anzeigen
sonntags zumeist. tage wie die
ungewaschenen grauen laken der
nachbarin. oder schlimmer.
jedenfalls plärrte das radio
während man schwieg. so tat als ob.
oder die eltern stritten sich.
meist zog ich die gesellschaft der
drei hunde vor. strich durch den park
der dem beton keinen einhalt gebot.
großmutter kam oder ging. sie
galt praktisch als aus und abgeschrieben.
verloren und verreist in eine welt
aus blues und alten negativabzügen.
abends zogen die filme ins haus.
western oder krimi.
selten mehr. die mutter verkroch sich.
starb einen ihrer kleinen rotwein tode
während clint eastwood gelassen
an der kippe zog. später verteilte
die schwester pralinen. sie waren klein
und schmolzen auf der zunge.
man lobte sie. nur vater meinte
sie seien bitter im abgang.
Tut mir Leid, dass ich das Gedicht mit meiner Beurteilung so okkupierte. Es genügt wenn ich sage, dass ich es cool fand.

Geändert von Ex-Blacksheep (16.02.2020 um 14:54 Uhr)
Ex-Blacksheep ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.02.2020, 13:49   #15
männlich Ex-Blacksheep
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Zitat:
Zitat von milchmirzucker Beitrag anzeigen
Hallöle in die Runde

Ich antworte erstmal hier, der Rest folgt noch: dass das Gedicht sich (hoffentlich) nicht langweilig liest, liegt sicher auch daran, dass es aus sehr kurzen und knappen, vorallem aber vielen Informationen besteht. Unser Gehirn ist im höchsten Maaße darauf konditioniert, bei neuen Informationen aufmerksam zu sein, wer also viele Informationen in kurzen Sätzen vermittelt, kann am ehesten auf die Aufmerksamkeit seiner Leser hoffen.

L.G euch beiden
Patrick
["...wer also viele Informationen in kurzen Sätzen vermittelt, kann am ehesten auf die Aufmerksamkeit seiner Leser hoffen."]

Da darfst du dir aber jetzt mal an die Nase fassen, du weist was ich meine .
Ex-Blacksheep ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.02.2020, 15:49   #16
weiblich DieSilbermöwe
 
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Beiträge: 6.687

Hallo milchmirzucker,

den Text finde ich gut. Formatiert hätte ich ihn anders:

"sonntags zumeist
tage wie die ungewaschenen grauen laken der nachbarin oder schlimmer
jedenfalls plärrte das radio
während man schwieg
so tat als ob
oder die eltern stritten sich
meist zog ich die gesellschaft der
drei hunde vor
strich durch den park
der dem beton keinen einhalt gebot
großmutter kam oder ging
sie galt praktisch als aus und abgeschrieben
verloren und verreist in eine welt
aus blues und alten negativabzügen
abends zogen die filme ins haus
western oder krimi
selten mehr
die mutter verkroch sich
starb einen ihrer kleinen rotwein tode
während clint eastwood gelassen
an der kippe zog
später verteilte die schwester pralinen
sie waren klein und schmolzen auf der zunge
man lobte sie
nur vater meinte
sie seien bitter im abgang"

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
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