Autostopp bei Poetry.de

gummibaum · 03.06.2011, 13:29

Schon manche, liest man, ward geschändet,
weil sie ins falsche Auto stieg,
die Fahrt hat schnell im Wald geendet,
worauf das Opfer ewig schwieg.

Ich will deshalb nicht Werbung machen
für die riskante Gratisfahrt,
auf die mit seinen sieben Sachen
der Fahrgast an der Straße harrt.

Doch hatt ich oft den Daumen oben
und fand mich billig bald am Ziel,
zu Zeiten, als ich jungverwoben
noch war in den Vagantenstil.

Ich kam nach Rom so, fast verhungert
und aß mich an Maroni satt,
hab nächtelang im Park gelungert
und strolchte tags durch Markt und Stadt.

So lernte ich den Wohlstand lieben,
der mich in seinem Benz mitnahm,
wo man sich, weil nur Stunden blieben,
schichtübergreifend näher kam.

Ich lauschte, was sie so verdienen
und welche Kreuzfahrt sie gebucht,
erfuhr von ihren Freizeitspleenen
und dass sie Selbstmord schon versucht.

Am Rasthof wurd ich rausgeschmissen,
gleich von der Polizei gecheckt,
ich hatte nichts auf dem Gewissen,
nur einfach den Verdacht erweckt.

Ich rettete sogar das Leben
dem, der mich müd ins Cockpit nahm,
dass ich ihm half, den Kopf zu heben,
wenn Brummi von der Fahrbahn kam.

Genug erzählt, es ist gewesen,
heut sitze ich im Jumbojet -
was mich beschäftigt, sind die Spesen
und im First Class mein Himmelbett.

Ilka-Maria · 03.06.2011, 15:26

Ganz schön fleißig, wie unser Gummibäumchen zur Zeit produziert. Das Gedicht kommt so flockig daher, daß man den tieferen Gehalt beinahe nicht ernst nimmt.

Wie es der Zufall will, habe ich heute erstmals den Namen Daniel Kahneman gehört, Nobelpreisträger Sektor "Wirtschaftswissenschaft". Er hat nachgewiesen, daß der Mensch seine Entscheidungen zu 100 Prozent emotional trifft, daß es somit keine rationalen Entscheidungen gibt. Auch fährt er Argumente dafür auf, daß viel Geld einen Menschen nicht glücklicher macht, weil ein Glücksgefühl nicht permanent vorhanden sein kann.

Für alle, die es interessiert, hier ein Link zum Interview: "Glück durch Geld ist eine Illusion".

http://www.sueddeutsche.de/wissen/in...usion-1.593220

LG
Ilka-M.

gummibaum · 03.06.2011, 17:21

Herrn Kahneman pflichte ich bei.
Danke für eure Antworten und den Link.

LG gummibaum

gummibaum · 04.06.2011, 00:09

p.s.: habe bei dem Gedicht ein bisschen an Degenhardts Lied "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" gedacht. Von fern auch an Ingeborg Bachmanns "Das dreißigste Jahr".

Ilka-Maria · 04.06.2011, 03:04

Zitat:

Zitat von gummibaum

p.s.: habe bei dem Gedicht ein bisschen an Degenhardts Lied "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" gedacht.

Ach herrjeh, kennt das überhaupt noch jemand? Das stammt noch aus der Zeit, als man "Kindergarten" durch den gräßlichen Begriff "Kita" abgelöst hatte.

03.06.2011, 13:29	#1
gummibaum Dabei seit: 04/2010 Alter: 70 Beiträge: 10.909 Meine Gedichte	Autostopp Schon manche, liest man, ward geschändet, weil sie ins falsche Auto stieg, die Fahrt hat schnell im Wald geendet, worauf das Opfer ewig schwieg. Ich will deshalb nicht Werbung machen für die riskante Gratisfahrt, auf die mit seinen sieben Sachen der Fahrgast an der Straße harrt. Doch hatt ich oft den Daumen oben und fand mich billig bald am Ziel, zu Zeiten, als ich jungverwoben noch war in den Vagantenstil. Ich kam nach Rom so, fast verhungert und aß mich an Maroni satt, hab nächtelang im Park gelungert und strolchte tags durch Markt und Stadt. So lernte ich den Wohlstand lieben, der mich in seinem Benz mitnahm, wo man sich, weil nur Stunden blieben, schichtübergreifend näher kam. Ich lauschte, was sie so verdienen und welche Kreuzfahrt sie gebucht, erfuhr von ihren Freizeitspleenen und dass sie Selbstmord schon versucht. Am Rasthof wurd ich rausgeschmissen, gleich von der Polizei gecheckt, ich hatte nichts auf dem Gewissen, nur einfach den Verdacht erweckt. Ich rettete sogar das Leben dem, der mich müd ins Cockpit nahm, dass ich ihm half, den Kopf zu heben, wenn Brummi von der Fahrbahn kam. Genug erzählt, es ist gewesen, heut sitze ich im Jumbojet - was mich beschäftigt, sind die Spesen und im First Class mein Himmelbett.

03.06.2011, 15:26	#2
Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.115 Meine Gedichte Meine Favoriten	Ganz schön fleißig, wie unser Gummibäumchen zur Zeit produziert. Das Gedicht kommt so flockig daher, daß man den tieferen Gehalt beinahe nicht ernst nimmt. Wie es der Zufall will, habe ich heute erstmals den Namen Daniel Kahneman gehört, Nobelpreisträger Sektor "Wirtschaftswissenschaft". Er hat nachgewiesen, daß der Mensch seine Entscheidungen zu 100 Prozent emotional trifft, daß es somit keine rationalen Entscheidungen gibt. Auch fährt er Argumente dafür auf, daß viel Geld einen Menschen nicht glücklicher macht, weil ein Glücksgefühl nicht permanent vorhanden sein kann. Für alle, die es interessiert, hier ein Link zum Interview: "Glück durch Geld ist eine Illusion". http://www.sueddeutsche.de/wissen/in...usion-1.593220 LG Ilka-M.

03.06.2011, 17:21	#3
gummibaum Dabei seit: 04/2010 Alter: 70 Beiträge: 10.909 Meine Gedichte	Herrn Kahneman pflichte ich bei. Danke für eure Antworten und den Link. LG gummibaum

04.06.2011, 00:09	#4
gummibaum Dabei seit: 04/2010 Alter: 70 Beiträge: 10.909 Meine Gedichte	p.s.: habe bei dem Gedicht ein bisschen an Degenhardts Lied "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" gedacht. Von fern auch an Ingeborg Bachmanns "Das dreißigste Jahr".