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Alt 13.04.2012, 08:14   #1
männlich Desperado
 
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Standard Tödlicher Poker

Ich erinnere mich noch gut an zwei Spießgesellen, die da meinten, einem Desperado eine Falle stellen zu müssen.

Der eine ist ein ewiges Greenhorn, Lästermaul und hoffnungsloser Wirrkopf, der andere ein frühgealterter griesgrämiger Besserwisser und Nörgler, warum Fuchs und Kater glauben, Pinocchio ein Bein stellen und einem Wüstensohn den Garaus machen zu wollen, weiß ich nicht, und ich frage auch nicht danach.

Alles was ich tue ist Kartenspielen, ehrlich gesagt eher gleichgültig gelangweilt, und weil ich zu dieser Zeit andauernd vom Pech verfolgt bin nicht nur in Liebesdingen, habe ich eben eine ausgleichende Glückssträhne im Spiel. Irgendwie wandern sämtliche Geldscheine und Münzen fast magisch zu mir, wie magnetisch angezogen landen sie in meiner Tischecke, ich benötige nicht einmal ein besonders gutes Blatt, meine Gegenspieler pokern für mich und spielen mir in die Hände, die nur noch abzuschöpfen und scheffeln brauchen ohne abgefeimten Bluff und besonders große Anstrengung.

Was den Beiden natürlich überhaupt nicht gefällt und ihre Laune von Spiel zu Spiel tiefer in den finsteren Keller sinken lässt, weil sie sich im Gegensatz zu den übrigen vernünftigen Mitspielern verbissen trotzig weigern, rechtzeitig auszusteigen und klugerweise zu passen. Irgendwann geht es ihnen zwangsläufig folgerichtig an Hemd und Hose, nicht meine Schuld, aber die zwei Rettungslosen wollen das um die Runde nicht wahrhaben.

Irgendwann knurrt das angestaubte Greenhorn was Abfälliges über die dreckigen Squaws der stinkenden Rothäute, er weiß genau, dass er das besser lassen sollte in meiner Gegenwart, aber so wie die Dinge liegen, kann er inzwischen überhaupt nicht mehr denken, einen klaren Gedanken fassen konnte er ohnehin noch nie.
„Hä, Desperado, was meinst du, diese heißen Indsmen-Bräute sollte man schon als kleine Mädchen zureiten, sonst taugen diese bockigen Stuten später zu nichts.“ Wagt er zu sagen und lacht noch dreckig dazu.
Der Volltrottel hat gerade sein Todesurteil unterzeichnet, er weiß es nur noch nicht, vermutlich kommt er erst drauf, nachdem es ihm das gute alte Großväterchen Teufel nach seiner schnurgeraden Fahrt in die Hölle schonend beigebracht hat.

Der neunmalkluge Miesepeter scheint mein kurzes Aufflackern in den Augen bemerkt zu haben, trotz seiner abgestumpften Dumpfheit reagiert er blitzschnell und zieht die Notbremse, sprich nutzt die Gelegenheit und ergreift die Handhabe, mich gemeinsam mit seinem widerwärtigen Speichellecker ins Jenseits befördern zu können. Ruckartig springt er auf, der Stuhl fliegt polternd nach hinten, und brüllt aus vollem Halse so dass es hoffentlich alle im Saloon Anwesenden hören können:
„Mit Falschspielern machen wir hier kurzen Prozess!“

Die übrige Pokerrunde schreckt völlig verblüfft und vor den Kopf geschlagen zurück, zumal meine Jacke über der Stuhllehne hängt und ich mit hochgekrempelten Ärmeln spiele, also auch kein Ass in denselben versteckt halten und haben kann, aber das stört den blindwütigen Hornochsen überhaupt nicht und hindert ihn nicht daran, schnaubend seinen Colt aus dem Halfter zu zerren. Er weiß genau, dass er hinterher genug Holzköpfe finden wird, die ihm die Stange halten und anerkennend auf die Schulter klopfen, gut gemacht, ich hab alles genau gesehen, kannst dich auf mich verlassen, derlei anbiederndes Windfähnchengesindel gibt es immer und überall.

Einen Finger am Abzug zu krümmen dauert eine Sekunde, eine mit ihrem Colt verwachsene Hand in einem Guss mit ungehemmter Abfolge zum Einsatz zu bringen eine halbe, das wusste der verbitterte Klugschwätzer oder hätte es zumindest wissen müssen, sein Schuss landet irgendwo in der Saloondecke, als er von der Wucht meiner Kugel hintenüber geworfen wird, sein Gesinnungsgenosse kommt erst gar nicht dazu, seine gezückte Kanone abzufeuern. Zwei blankpolierte Stiefelpaare unter dem speckigen Pokertisch in ihren letzten Zuckungen, was für ein ermüdender, trostloser und unwürdiger Anblick.

Augenzeugen berichten später, sie hätten nur zwei Schüsse gehört, der seine muss wohl mit meinem zweiten zusammengefallen sein, ich habe nichts davon mitbekommen, derlei Reflexbewegungen erfolgen unabhängig von jedweder Gedankenbeteiligung. Aus derlei kurzer Entfernung erübrigt sich der Versuch, einen Kontrahenten lediglich kampfunfähig zu schießen, alles was herauskommt dabei ist ein klaffendes Loch in seiner Schulter oder sonst wo, das den in Schockstarre Gefallenen innerhalb von wenigen Minuten verbluten lässt, da ist es weitaus menschlicher, das Mündungsfeuer im Vorbeihuschen mittig zu platzieren, so was kann man nicht erlernen, das hat man entweder im Blut oder es entwickelt sich mit der Zeit ganz von selbst.

Mein Colt im Halfter raucht noch, ich stopfe mein Geld in die Taschen meiner übergeworfenen Jacke, klatsche ein paar Noten auf den Tisch und vor die erstarrten Gesichter mit einem „Sorgt dafür, dass die Beiden ein anständiges Begräbnis bekommen“, sitze im Sattel und verlasse die Stadt in gestrecktem Galopp, noch bevor die Saloontür aufgehört hat zu schwingen. Mein unbezahlbarer Luzifer, wohlweislich nicht angebunden, weiß was die Stunde geschlagen hat, wenn Schüsse aus dem Innern der verräucherten Bude zu hören sind, und wartet bereits absprungbereit vor den Stufen.

Manchmal ist das verdammte Leben nichts weiter als ein abgedroschener billiger Groschenroman, aber die Dinger lese ich seit meiner frühen Jugend nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch an den pfeifenden Vogel mit der geschwungenen Locke über dem griechischen Profil und dem Zigarettenstummel an der hängenden Unterlippe, der dir einen Ehering aus einer in die Luft geworfenen Dollarmünze schießen konnte. Zum Ende der Geschichte ritt er immer singend dem Sonnenuntergang entgegen. Haargenau dasselbe mach ich jetzt auch.

„I´m a poor lonesome desperado...“
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Alt 13.04.2012, 10:27   #2
Thing
R.I.P.
 
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Beiträge: 34.998


Ist das gut!
Zane Grey und Luis L'amour mit einem großen Spritzer Angostura -
herrlich.
Taugt zu einem Kurzfilm.
Zwei oder drei Kommafehlerchen sind meinem Adlerauge nicht entgangen, aber die liegen jetzt unter Luzifers Sattel.


LG
Thing
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Alt 13.04.2012, 11:53   #3
männlich Desperado
 
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Auweia, Thing,

da hab ich jetzt kleine Zuordnungsprobleme bzw eklatante Bildungslücken, schon schlimm, wenn ein Eklektiker wie ich noch nicht einmal weiß, woher er seine Inspirationen im Einzelnen bezieht, schön, dass es Menschen gibt wie Dich, die ihm wenigstens einige davon nennen können, und das meine ich jetzt durchaus ehrlich und keineswegs ironisch, man vergisst einfach soviel von alledem, was einem von hier oder da oder dort an Eindrücken und Vorlagen zugeflogen kommt.

Aber Hauptsache, sie gefällt Dir.

Und, bevor es hier noch zu falschen Zuweisungen und Verdächtigungen kommt- diese Kurzgeschichte entstand vor etwa einem halben Jahr.

Rainy Day, Dream Away
Desperado
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