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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 30.07.2023, 09:29   #1
männlich Anaximandala
 
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Dabei seit: 05/2021
Ort: Zu Hause
Beiträge: 1.204

Standard Die Zeit entflieht?

Wohin, wieweit, entflieht die Zeit?
Das weiß ganz sicher nur der Wind ..
und scheint es auch, dass sie gerinnt,
dann nur, weil sie im Schicksalskleid
mal wieder ihre Fäden spinnt.

Selbst wenn sie aus den Uhren tropft,
und schmelzen sie im Sonnenschein.
Man sitzt zu Haus. Man ist allein.
Sie klumpt, das Stundenglas verstopft.
So wird es nicht das Ende sein.

Drum gib nur niemals einfach auf,
verliere nicht den Funken Mut,
das Schicksal weiß schon, was es tut.
Schlussendlich wird im Zeitenlauf
dann wieder alles gut.
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.07.2023, 18:37   #2
männlich Cornelius
 
Dabei seit: 05/2023
Ort: Lampertheim
Alter: 49
Beiträge: 394

Hallo Anaximandala,

ein schönes surrealistisches Reim-Gemälde. Am Anfang von Strophe 2 habe ich sogleich Dalís berühmtes Bild "Die Unbeständigkeit der Erinnerung" mit den wie Camembert zerfließenden Uhren vor Augen. Vermutlich war das auch die Anregung für dich?

Allerdings bezweifle ich, ob das Schicksal wirklich weiß, was es tut - und ob es so etwas wie "das Schicksal" überhaupt gibt...
Cornelius ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.08.2023, 01:05   #3
männlich Anaximandala
 
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Dabei seit: 05/2021
Ort: Zu Hause
Beiträge: 1.204

Hallo Cornelius,

vielen herzlichen Dank für deinen Kommentar!

Ja genau, Dalis Bild hatte ich dabei vor Augen und Kästners Gedicht "Kleines Solo"

Zitat:
Einsam bist du sehr alleine.
Aus der Wanduhr tropft die Zeit.
Stehst am Fenster. Starrst auf Steine.
Träumst von Liebe. Glaubst an keine. Kennst das Leben.
Weißt Bescheid. Einsam bist du sehr alleine -
und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.

Wünsche gehen auf die Freite.
Glück ist ein verhexter Ort.
Kommt dir nahe. Weicht zur Seite.
Sucht vor Suchenden das Weite.
Ist nie hier. Ist immer dort.
Stehst am Fenster. Starrst auf Steine.
Sehnsucht krallt sich in dein Kleid.
Einsam bist du sehr alleine -
und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.

Schenkst dich hin. Mit Haut und Haaren.
Magst nicht bleiben, wer du bist.
Liebe treibt die Welt zu Paaren.
Wirst getrieben. Musst erfahren,
dass es nicht die Liebe ist ...
Bist sogar im Kuss alleine.
Aus der Wanduhr tropft die Zeit.
Gehst ans Fenster. Starrst auf Steine.
Brauchtest Liebe. Findest keine.
Träumst vom Glück. Und lebst im Leid.
Einsam bist du sehr alleine -
und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.
Ich denke du wirst vermutlich recht haben, auch ein gutes Ende ist wohl ganz sicher nicht sicher

Aber ich glaube Terry Prstchet hat mal etwas geschrieben in die Richtung ~manche Lügen werden durch den glauben an sie ein Stück wahrer

Freut mich, dass dir mein Gedicht gefällt!

LG Delf
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.08.2023, 05:47   #4
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.111

Guten Morgen,

ich komme mit diesem Gedicht nicht zurecht. Die Zeit verläuft linear, und zwar nur in eine Richtung - mehr ist nicht. Sie spinnt nicht, sie hat mit Uhren und Stundengläsern nichts zu tun, und sie schmilzt nicht. Wenn Dali eine zerfließende Uhr gemalt hat, ist dies eine Metapher, mit der ein Mensch etwas anfangen kann; der Zeit ist sie egal. Will man die Zeit lyrisch behandeln, steht Dali im Wege. Will man Dalis schmelzende Uhr lyrisch behandeln, müsste das Gedicht anders ausformuliert werden.

Alles in ein Gedicht reinpacken zu wollen verheddert sich in Widersprüchen oder Ungereimtheiten. Die Zeit mit Zeitmessern gleichzusetzen funktioniert nicht.

LG
Ilka
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 01.08.2023, 11:45   #5
männlich dunkler Traum
 
Benutzerbild von dunkler Traum
 
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 60
Beiträge: 1.615

... die Stimmung ist erkennbar, gefällt mir, aber irgendwie ist das zusammen gemixt. Zum Glück kommt am Ende ein wenig Hoffnung auf.

Die Zeit spinnt im Schicksalskleid die Fäden??? - nee, nee, dat warn andere
... schmelzen sie im Sonnenschein. - wer jetzt, die Zeit, die Fäden?

wsT
dT
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Alt 11.08.2023, 12:22   #6
männlich Anaximandala
 
Benutzerbild von Anaximandala
 
Dabei seit: 05/2021
Ort: Zu Hause
Beiträge: 1.204

Guten Morgen,

Danke für eure Meinung, es gäbe sicherlich einige interessante Aspekte, die man diskutieren könnte

Entflieht die Zeit?
Wann ja, wann nein?
Wem mehr, wem weniger?
Was könnte es meinen, es auszusagen?
Was könnte es aussagen, wer es aussagt?
Was könnte es aussagen, worauf bezogen es ausgesagt wird?

Nur als einige Beispiele, ich bin nämlich zumindest glücklich genug mit meinem Gedicht um es gerne so zu belassen. Aber wenn sich eine interessante Diskussion ergibt, führe ich sie natürlich gerne.

Zu Dali hatte ich nicht vor ihn weiter zu erwähnen, als durch die Gegenüberstellung von Dalis Uhren, die schmelzen, Kästners Uhren, aus denen die Zeit tropft und dem Bild des Stundenglases, in dem die klumpt.

Falls es zur Frage um das warum kommen sollte, würde ich es vielleicht ja erzählen.
Falls nicht bin ich gerne bereit die Absurdität um eine gerinnende, tropfende oder klumpende Zeit stehen zu lassen.

Ähnlich ist es mit dem Kontext, vielleicht ist Zeit keine Weberin und Antipirrhema nicht die Zeit, aber dem ernsthaft interessiert Fragenden könnte ich vielleicht Gründe geben, die zumindest mir ausreichen.

LG Delf
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.08.2023, 13:23   #7
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.111

Anaximandala, das Problem ist nicht, einerseits die Zeit, andererseits das Bild einer Uhr in Metaphern zu gießen. Das Problem ist die Gleichsetzung dieser beiden Begriffe. Eine Uhr ist nicht die Zeit, sondern lediglich ein technisches Hilfsmittel für uns Menschen, sie genauer zu strukturieren, als es uns der Wechsel von Tag und Nacht und der Jahreszeiten ermöglicht. Der in den Kommentaren mehrfach erwähnte Dalì hat mit seiner zerfließenden Uhr gezeigt, was er von solchen technischen Errungenschaften hält: Auch sie unterliegen den Gesetzen der Vergänglichkeit. Die Zeit bleibt immer Sieger. Wenn in einer Sanduhr die Körner klumpen (nicht die Zeit!) und deshalb aufhören zu rieseln, bleibt die Zeit deswegen nicht stehen; und auch eine Uhr, die aufhört zu existieren, hält die Zeit nicht auf, weil sie de facto mit solchen Messinstrumenten nichts zu tun hat.
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