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Alt 03.02.2007, 13:52   #1
leflo.
 
Dabei seit: 12/2006
Beiträge: 53


Standard Kleiner, kafkaesker Versuch...

Im folgenden ein kleiner Versuch etwas kafkaesk zu schreiben. Der Text integriert sich in den Rahmen meiner ersten drei Lyrik-Bände mit dem Titel "Dreamcatcher", deren dritten Band er unter dem Titel "Abgesang" abschließt und damit auf die darauf folgenden, etwas "optimistischer" angehauchten "Nebel"-Bände überleiten soll. "K." ist in diesem meinem Fall niemand anderes als ich selbst (was ein Schicksal die gleichen Initialen zu haben...), das "Werk" meint meine eigene bisherige Schreibarbeit.
Viel Spaß beim Lesen,
Gruß, leflo.
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Langsam und mit einer Trägheit, die er sonst nur bei ihm unliebsamen Aufgaben verspürte, erhob sich K. von seinem WERK. Ohne die Blätter eines letzten, vielleicht durchaus auch bei objektiver Betrachtung angemessenen Blickes zu würdigen, ging er an das einzige Fenster des nebenbei spärlich eingerichteten Zimmers und wagte einige Blicke auf die einsame Straße hinaus. Er sah die unansehliche Wirtschaft des Herren auf der anderen Seite, deren Aufwertung freilich ein ordentliches an Arbeit und Geschick verlangt hätte, aber dessen Lohn, so sagte sich K., durchaus kein geringer gewesen wäre, und rieb sich dabei von ihm unbemerkt die von der Kälte schon klammen Finger an der modernen Heizanlage. Seine Gedanken suchten sichtlich neuen Halt zu finden, und wäre er nicht alleine gewesen, so wäre es doch mindestens belustigend, seine starrenden Augen, die scheinbar durch alle Welten hindurch sahen, wenn auch nur in fehlendem Bewusstsein, zu beobachten. Im allgemeinen sah er aber keinen Grund darin, seine noch wirren Gedanken diesbezüglich zu verschwenden, er spürte nur die ungeheuren Gewalten in seinem Körper, die sich allmählich ihre rechte Position zu suchen schienen, da sie durch das WERK, scheinbar willentlich wohl in eine gewisse Unordnung geraten waren. Mit einem Seufzer, dessen Erleichterung nur einem geübten Hörer, wenigstens aber einem Freund hätte auffallen müssen, drehte sich K. vom Fenster weg, jedoch nicht ohne jetzt seine Außenhände in der neuen Wärme zu wenden. Er sah das spärliche Licht der Kerzen auf dem Tisch, dessen Aufgeräumtheit K. schon beinahe unheimlich erschien, und in dessen Mitte das WERK, dessen freilich nur äußeres Gewicht das Seinige in alle Schatten zu stellen vermochte. Als sei ihm das WERK erst durch diesen Anblick wieder gewahr geworden, flüchtete K. in einem scheinbar eiligen Schritt an das andere Ende seines Zimmers, welches sich trotz seiner nicht gerade geräumigen Größe in Ks Wahrnehmung nur schwer erreichen ließ. Seine Beine zitterten nicht unerheblich, und als wenn er den babylonischen Turm in einem Zug erstiegen hätte, fuhr ihm das Blut durch den Körper, dass sich der Schweiß in seine Augen ergoss. Unruhig tänzelnd besah sich K. nun den Tisch, in dessen Herzen noch immer die Glut seiner selbst zu brennen schien.

„Wenn es doch sinnlos wäre“,

sagte K. leise flüsternd, dessen Stimme sich zu seiner Verwunderung gleichmäßig und ruhig im Raum erhob, obgleich er sie nicht als die Seine erkannte, wohl auch deshalb, da er sie in den letzten Wochen nur selten, und dann auch nur nebenbei, zu hören bekam. Er ließ sich an der kalten Wand nieder, ließ den Kopf auf sie fallen und blickte unsicher durch das Zimmer, dessen eigentlicher Sinn, wie K. nun bemerkte, nun nach Beendigung des WERKES nicht mehr zu verteidigen wäre, obgleich sich wohl der ein oder andere Bekannte, den K. auch in dieser Zeit noch als solchen zumindest bezeichnen durfte, eiligst für so eine Räumlichkeit hätte entschließen können, mindestens aber bis zu Ks Rückkehr in einem freilich nicht allzu nennenswerten Umfang hätte bewirtschaften können. Ks Gedanken begannen sich auf einmal auf diese Idee zu fixieren, scheinbar in der Hoffnung, wieder genährt zu werden, wenngleich es bei aller natürlichen Echtheit dieses Problemes doch nur eine vergleichsweise kleine Mahlzeit war. K. dachte an diese Bekannten und auch daran, in welche Unordnung er die freilich nicht immer gegenseitige Beziehung während der Arbeit an dem WERK hatte kommen lassen, wenn er auch froh war, die Gesichter der Bekannten in eine andere Umgebung als die der letzten Wochen setzen zu können. Was aber, wenn sie sein Zimmer in Unordnung brächten? Schließlich gäbe es wenigstens nur rein freundschaftliche Gründe K. gegenüber, die offensichtliche Nutzlosigkeit zumindest in kleinen Teilen zu beheben, wenigstens bis er wiederkam. Während K. unfreiwillig die Hand zur Faust ballte, schrie seine Stimme schon von allen Ecken:

„Dann bleibe ich eben hier!“

Und als sei er vor dieser ungezähmten Gewalt selbst erschrocken, flüsterte er noch umso leiser, die Stirn schon in tiefe Falten gelegt:

„Ohne Euch.“

Die Kerzen auf dem eigentlich schlichten Tisch flackerten bei diesem Gemisch aus Zorn und Trauer, und der aufkommende Wind der durch das, wohl von K. unbemerkt geöffnete Fenster spielte mit den noch lose befindlichen Fragmenten des WERKES. Als wäre dies ein Beweis, dessen Gültigkeit selbst dem ärgsten Zweifler gewahr sein musste, stürzte K. aus seinem Versteck hervor und auf das WERK zu, hielt die Papiere mit einer fast unnötig hohen Kraft fest, stapelte sie dann und klammerte sie an seine Brust, gleich so, als ob davon sein Überleben abhinge.

„Ich habe gegen Euch gespielt und gewonnen, wisst Ihr das denn nicht?“

Und wie in einer Ohnmacht gefangen, die K. zurück zu seiner Trauer führte, fügte er hinzu:

„Aber Ihr seid kein Ziel, jedoch ob Ihr ein Zögern seid? Hätte ich Besseres mit mir anzufangen gewusst, als dieses, freilich nur äußerlich große WERK zu vollbringen? Wäre denn nicht ein Spaziergang in den Gärten, und sei es im größten Frost, für meine Befreiung ein höherer Nutzen gewesen, als mich hier wie einen Gefangenen festzuhalten, nur durch das stete Knacken der Heizanlage und der lauten Wagen, die vor mir in nie enden wollender Fahrt vorüberziehen, ein wenig erweckt? Und doch glaube ich mich, wenn auch nur in den tatsächlich produktiven Momenten, befreit zu haben von mancherlei Sorge, mindestens aber, dass sie mir nun stumm vorliegen und nicht länger in den Tiefen meines Herzens unaufhörliches Geschrei und Getanz veranstalten.“

Bei diesen Worten strich K. liebevoll über das noch immer fest an ihn gepresste WERK, und sank lautlos wieder in seinen Stuhl zurück.

„Dieses Zimmer, das durch meine Arbeit hier scheinbar tiefer und geräumiger, aber auch heller und lebhafter geworden war, soll ich jetzt verlassen? Man denke nur an die Bekannten, die hier lebten, und wie sie den Reichtum dieser Räume schändlich und entwürdigend für ihre doch so primitiven Zwecke missbrauchen, ungeachtet dessen, dass hier einst von ihrem Freund ein WERK produziert wurde, dessen allgemeiner Wert, wenn auch für niemanden sonst, dann doch mindestens für ihn von unschätzbarer Bedeutung sein könnte! Welche Schande und Grauen sich vorzustellen, sie sähen dieselben Wagen draußen vorüber fahren, ohne auch nur einen Einzigen wie sich selbst glauben kennen zu können und, beinahe ignorant, sich allenfalls widerwillig, wegen des von Ihnen als störend empfundenen Lärmes zum Fenster erheben und es zu schließen, als hätten Sie damit alle Schlachten der Welt für immer für sich entschieden!“

K. wusste in diesem Moment, dass er allein war und, sollte nicht ein Schicksal ihn ereilen, das, alle leider doch zumindest teilweise unkontrolliert gebliebenen Gewalten dieser Welt verstünde zu vereinigen, dies auch bis an das Ende seines Lebens so bleiben würde. Traurig und mit leerem Blick legte er das WERK an den Platz seiner Entstehung zurück. Er musste begreifen, dass es keinen, wie auch immer gearteten, Sinn geben werde, der ihm dazu verhelfen könnte, es an die Außenwelt weiterzuleiten oder gar noch ein wenig weiter daran zu arbeiten – die Tatsache vorausgesetzt, er würde dies wollen und nicht gar inmitten eines für ihn klingenden Wortes die Kraft verlieren, es zu einem mindestens ihm selbst gerechten Ende zu führen. Und sei es, als ob die Einsamkeit sich von Außen wie Innen durch seinen nebenbei nicht gerade gesunden Körper drängt, begann K. das Bewusstsein zu verlieren. Zunächst versuchte er noch einen Kampf dagegen, dieses, wenn auch noch nicht sicher bestimmbare, dann zumindest leicht annehmbare Unglück abzuwenden, in dem er sich immer wieder versuchte an dem Tisch aufzurichten, schließlich aber übernahm die Gewalt die Oberhand und streckte ihn leise und ohne viel Aufhebens auf seinem Stuhl nieder.


„Ich sehe Sonnenschein und höre Regen, der leise an das seit langem verwilderte Fensterbrett meines alten Hauses klopft. Wie kann das sein, dass ich hier bin? Stimmt es, oder hat das WERK mich nun vollends ergriffen und mir jeden Verstand, und sei er niemals groß genug gewesen, unabwendbar geraubt? Aber ich kann mich nicht täuschen! Es ist ja mein Haus, es sind dieselben Wiesen, die ich schon längst vergessen zu haben glaubte, dieselben Möbel die, wenn auch nicht so scharf in ihrem Detail, ganz ähnlich in mir schlummerten. Sollte ich tatsächlich geschehen sein? Dort klingt ja auch Musik aus der Maschine, die meine Eltern als eine der ersten dieser Straße erwarben, und wie prächtig sie sich immer von Stolz erfüllen konnten, wenn der ein oder andere Bekannte zu ihnen kam, um an der Magie dieser Maschine teilzuhaben. Dieser Gang führte einmal auf mein Zimmer, dass ich doch immer so gerne betreten, und nur widerwillig und bei gutem Grund verlassen habe. Wenn ich mich nur rühren könnte! Aber mir scheint, dass alles an mir gelähmt sei, wenn nicht gar gänzlich fehlte, was aber, sofern ich mindestens meinen Augen noch Glauben schenken darf, durchaus nicht richtig ist. Dennoch habe ich nicht das Gefühl eine andere Möglichkeit zu besitzen, als eben dieses sondersame Betrachten meines Hauses, das ich doch eigentlich längst vergessen und, sofern man davon überhaupt sprechen kann, bei weitem zumindest nicht wissentlich vermisst habe. Was ist bloß geschehen, dass ich an diesen Ort zurückkehre? Sollte mir gar eine höhere Macht den Befehl dazu erteilt haben, so will ich freilich meiner Aufgabe, sofern ich mir über ihre genauen Regeln bewusst werden kann, gerne und mit Fleiß erfüllen. Schließlich wird man mich nicht umsonst und zu einer Art Spaß, wie man ihn mancherorts schon einmal erlebt oder wenigstens davon gehört hat, hierher geführt haben, und weiter kann ich wohl behaupten, noch bei klarer Wahrnehmung und Verstand zu sein. Einzig beunruhigt mich das verschwundene Gefühl über die Kontrolle von Armen und Beinen, die, so sehr ich mich auch mühe, meinem Einfluss scheinbar nicht mehr unterliegen. ,Hallo? Hallo? Kann mich jemand hören? Ist jemand hier?´ Scheinbar hören sie mich nicht, denn es muss wohl jemand da sein, schließlich stehen auf dem Tisch hier zwei noch wenigstens halb volle Tassen mit Kaffee, der, soweit ich das erkenne, sogar noch ein ordentliches an Dampf in die eigentlich angenehm warme Umgebung abgibt. Weit können sie also nicht sein. Aber wer sind sie überhaupt? ,Mutter, Vater? Könnt ihr mich hören? Seid ihr hier? ´ Seht doch! Da kommt die Mutter in das Zimmer! Und wie sie gekleidet ist, ganz eingefangen in einen schwarzen Rock, der nicht einmal, wie es sonst der Mutter üblicherweise stünde, mit den ein oder anderen zwar kleinen, aber doch angenehm auffallenden goldenen Knöpfen verziert ist. Ihr Haar hängt ihr glatt und beinahe ungepflegt auf die Schultern, als sei sie in einen tollen und auch für sie überraschenden Regen geraten, und hätte sich, vielleicht aufgrund von irgendeiner bestimmten Eile, keinen Unterschlupf suchen können. Und ihre Augen! Wie in tausend Nächten nicht so entstanden, hängen sie schlaff und kraftlos an ihr wie zwei Fremdkörper, die ihren Sinn längst verloren zu haben scheinen, die, so scheint es mir erst jetzt, außerstande sind zu sehen, sonst würde sie mich doch längst erkannt haben. ,Mutter! Siehst du mich denn gar nicht? ´ Sie reagiert nicht, schaut nicht einmal, wenigstens aus einer Art fügendem Zufall heraus, in meine Richtung, obgleich ich doch weder versteckt, noch in einer dunklen Ecke sitze. Einzig wenn ich mich nur bewegen könnte. Aber noch immer scheinen Arme und Beine außerstande mir zu gehorchen, weshalb mir nur der übrigens zweifelhafte Eindruck meiner Sinne zur Wahrnehmung reichen muss. Jetzt geht sie zur Tür und sieht, beinahe wie in einem Wahn, grimmig und verstockt auf das eigentlich schöne Wetter hinaus, das, nur durch diesen eintönigen Regen ein wenig verschlechtert, doch eigentlich Grund genug für ein immerhin ausgeglichenes Gemüt geben sollte. Vielleicht braucht sie noch eine Zeit, bis sie den Regenbogen in all seiner Pracht sieht, wie er sich schon früher an solchen, leider doch schon seltenen Tagen, über den Hügeln der Dörfer sanft und in einer Ruhe, die lange ihresgleichen suchte, sich erhob. ,Siehst du denn nicht den Regenbogen und willst du nicht, freilich einem alten und lange überholten Brauch folgend, dein Kind zur Hand nehmen und mit ihm gemeinsam dessen Enden suchen, wie wir es früher immer taten? Zwar müsstest du mich tragen, was dir wohl, aufgrund meiner mittlerweile doch etwas größeren Schwere, nicht mehr so leicht wie zu meinen Kindestagen fallen dürfte, dir aber dennoch aufgrund deiner, wie ich sehe, zumindest körper-lich noch ganz guten Verfassung nicht allzu große Mühen verursachen sollte.´ Ach, sie hört mir nicht zu. Jetzt schüttet sie den doch eigentlich wohl riechenden Kaffee der einen Tasse in den Abguss, mit einem Blick, als sei er ihr Innerstes und jetzt endgültig loszuwerden, und stützt die wie ich nun erst bemerke, doch recht schwachen Arme auf die mit einem Metall verzierte Kante der Küchenanrichte. Leise schluchzt sie vor sich hin, und ich kann nichts anderes tun, als dieses Bild vor mir ergehen zu lassen, ohne auch nur wenigstens einmal, wie es doch sonst immer meine Art gewesen, tröstend auf sie einwirken zu können oder mindestens zu umsorgen, dass ihr wohl sonst nicht glücklicher Tag wenn auch nicht schneller, dann doch zumindest harmonischer verklinge. Vielleicht wenn ich versuchte, durch einen anderen, wenn auch kaum laut vernehmbaren Lärm ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen? Wenn auch nicht mit Armen und Beinen, so kann ich doch meinen Rumpf noch deutlich spüren, und kann so durch einige, wenn auch sichtbar umständliche, Bewegungen in beide Richtungen, von diesem Sitz, auf dem ich mich wohl befinde, herunterschaukeln. So denn, ich werde es versuchen, was soll mir schon passieren? Allenfalls, dass ich mir aufgrund einer doch mehr ungenügenden Bewegung die Arme oder Beine breche, so werde ich doch am Leben sein – lächerlich allein, davon nicht mit Sicherheit ausgehen zu wollen – und das wird schon ein Grund sein, der bei weitem dazu ausreichen müsste, die Mutter fröhlich zu stimmen. So denn!“

Langsam und mit einer Trägheit, die er sonst nur bei ihm geliebten Aufgaben verspürte, erhob sich K. von seinem Stuhl und rutschte, in einer scheinbar unsinnigen Bewegung hinab, und klatschte mit einem doch laut hörbaren Schlag auf den übrigens trotz seines hölzernen Belages, überraschend weichen Boden, und kam dabei sichtlich unsanft, gleich einem Ungeziefer, dass unbeholfen auf fremde Hilfe angewiesen ist, da es sich von alleine nicht zu richten weiß, auf seinem Rücken zu Liegen. K. versuchte sichtlich von Sinnen, sich wieder aufzuraffen, und schien beinahe erstaunt, als es ihm, wenn auch nach mehreren eher umständlichen Versuchen schließlich gelang. Langsam ging er auf das Fenster zu, öffnete es dann mit einem plötzlichen Ruck ganz, so dass der draußen schon früher durch gleichmäßiges Geheul hörbare Wind direkt in die kleine Stube treten konnte.

„Was für ein Wetter. Der Himmel bläst, als hätte er dem Menschen gleich jahrelang darauf gewartet, sich allen Dreck von den doch schon alten Lungen zu blasen, um sich, wider seinem besseren Wissen, noch einmal zu erholen.“

Viel zu spät bemerkte K., dass das Öffnen des Fensters und der sich im Zimmer verbreitende Sturm sein WERK völlig durcheinander brachte. Die Fragmente wehten auf dem Tisch, und es war ein Wunder, dass sie nicht sofort auf den Boden fielen. K. jedoch, der dieses Schauspiel schließlich in einem beinahe nebensächlichen und desinteressierten Blick bemerkte, zuckte nur die nebenbei recht schmalen Schultern, lächelte wie abwesend und sprach in einer Stimme, die ihn nicht einmal zu überraschen schien:

„So sei es denn auch. Es weht das Zögern seinem Sinn hinterher, der, auch nach langer und übrigens nicht schmerzfreier Suche, unauffindbar sich zu verstecken weiß. In keinem Moment war ich mir sicher, nie wusste ich es, aber jetzt bin ich dazu geneigt zu sagen, dass es besser war. Es gab keine Entscheidung, denn es gab auch nie eine Suche, auch wenn sich in manchem Moment das Bedürfnis diesbezüglich zu regen wagte, so lag doch die Lösung klar vor mir. Zu dumm, nicht früher darauf zu kommen. Vielleicht war es ja nötig, diese, doch auch in meinem Ermessen, eher lange Zeit dafür in Anspruch zu nehmen, um endlich die Lügen zu verlassen, und die Wahrheit neu zu entdecken, die sich doch die ganze Zeit vor meine leider zu trüben Augen stellen wollte. Es ist der Moment gekommen, auf besserer Spur zu fahren und sich neu zu besinnen. Nicht, dass ich meinte, es wäre völlig sinnlos und ein, wie auch immer gearteter, Spaß gewesen – nein. Aber ich weiß nun, dass es besser ist, die Suche an dieser Stelle der höchsten Bedürftigkeit zu beenden. Ich weiß die Antwort. Ich weiß, was besser ist.“

Und K. ging strahlend und mit neuer, erfrischter Kraft zum Tisch und schaute nicht ohne sein Lächeln zu verlieren auf das WERK, das sich nun schon überall im Raum zu verbreiten begann.

„So geh denn hin.“

Und wie, als hätte er sich in einer langen Diskussion dazu überwunden, nahm er seine Sachen und seinen Rock, blickte noch einmal in einer mindestens angemessenen Ruhe durch das Zimmer, blies leise und mit vorgehaltener Hand die Kerzen aus, welche, wohl aufgrund des starken Windes, schon eine eigensinnige Form anzunehmen begannen, schloss das Fenster mit einer genauen Peinlichkeit, die bei dessen Neuwertigkeit nicht einmal nötig gewesen wäre, lachte an sein WERK, und ging, kaum einen Schaden hinterlassend, hinaus.
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