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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 20.09.2012, 18:51   #1
weiblich Poetibus
 
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Standard Pantheon

Pantheon

Die Welt gerät allmählich aus dem Lot,
denn Liebe wird durch Hass und Neid ersetzt,
wodurch die Menschheit mehr und mehr verroht.
Sagt Thanatos, der seine Sense wetzt.
Eirene flieht, von Ares fortgehetzt,
wo Krieg regiert, da kann kein Frieden sein.
Lauf weg! Du bist schon lange abgesetzt!
Der Mensch, er lebt und stirbt für sich allein,
ja, Ares siegt. Und trinkt das Lebensblut als Wein.

Gesät wird Schmerz, die Ernte ist der Tod,
wir machen uns die Erde untertan
und Haben will! ist oberstes Gebot.
Der eine frisst, was er nur fressen kann,
ein fahles Pferd, das schreitet ihm voran,
gemästet wird sich dort, wo niemand isst,
denn überall kommt er als erster an.
Sein Name? Gier. Er frisst und frisst und frisst,
weil dieser volle Bauch nicht sattzukriegen ist.

So viele Götter gab es allezeit,
mal eingeführt, mal abgesetzt, im Kult
verehrt, doch jederzeit zum Tausch bereit.
Der Zorn des einen ist des andren Huld,
nun ja, das nennt sich göttliche Geduld.
Doch sind sie nichts als reine Fantasie,
geboren aus der Angst vor Endlichkeit,
als Auserwählter stirbt man schließlich nie.
Zum Tanz ein Kalb aus Gold, zur Schicksalsmelodie.

Ein Philosoph, er sucht im Wüstensand
nach einem Hauch Vernunft, nach einem Sinn.
Er stirbt, verloren, dort im Wahnsinnsland,
das Körnchen Wahrheit rafft ihn schnell dahin.
Die Götter? Das sind wir. Der Kult? Gewinn.
Nenn Ares Hitler, der die Welt zerschlägt,
und Bacchus? Steckt da nicht ein Banker drin?
Eirene, die den Namen Gandhi trägt,
vielleicht auch Liebe? Herz? Stirbt täglich, unentwegt.


(Spenserstrophen/-stanzen)
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Alt 20.09.2012, 18:57   #2
Thing
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(Spenserstrophen/-stanzen)


Halli Hallo, poetibus -

gehen die auf Child Harold von Lord Byron zurück?
Ganz gleich:

Dein Gedicht ist großartig,
Vers für Vers, Wendung für Wendung.
Landet in meiner Favoritenliste.

Hab Dank
von
Thing
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Alt 20.09.2012, 19:20   #3
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Thing,

ganz im Gegenteil, ich habe mich bei dir für dein Lob zu bedanken, im vollen Ernst. Etwas Schöneres kann ein Autor nicht unter seinem Gedicht lesen.

Child Harold's Pilgrimage - ich kenne Byrons Frühwerk natürlich (obwohl meine leider äußerst mittelmäßigen Englischkenntnisse mir etwas Schwierigkeiten beim Lesen machen), aber im eigentlichen Sinne nahm ich eher die Form der Spenserstrophe als eine Art "Herausforderung". In meinem Gedicht gibt es auch keinen "Anti-Helden", in bewusster Absicht sogar überhaupt kein lyrisches Ich.

Ich konnte (oder durfte) immer wieder lesen, dass diese Strophenform im Deutschen schwierig ist, da ja vier "gleichlautende" Endreime gefunden werden müssen - was übrigens stimmt. Es ist nicht mein erstes Gedicht in Spenserstrophen, aber das erste, das ich selbst als einigermaßen gelungen ansehe.

Daher bedanke ich mich noch einmal herzlich für deine Anerkennung.

Hier möchte ich auch in meiner Antwort das Werk nicht "aufschlüsseln", sondern es für sich selbst sprechen lassen.

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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Alt 20.09.2012, 19:26   #4
Thing
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Es spricht ja auch mehr als deutlich!
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Alt 20.09.2012, 21:38   #5
Narziss
 
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Hallo Poetibus,

die Spenserstrophen hast du hervorragend gemeistert - ich ziehe meinen Hut. Besonders die erste Strophe, der Vergleich mit den griechischen Göttern ist gelungen.
Ich würde gerne noch mehr dazu schreiben, bin aber momentan zu müde. Vielleicht später.

Es grüßt
Narziss
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Alt 20.09.2012, 21:56   #6
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Narziss,

ich bedanke mich bei dir ebenfalls herzlich für deine Anerkennung.

Natürlich würde ich mich freuen, wenn du dich noch einmal äußerst, aber fühle dich zu nichts "verpflichtet", wenn du zu müde bist.

Jeder, auch ein kurzer Kommentar, kann einem Autoren etwas (oder sogar viel) sagen - sofern er sich nicht nur auf ein "Sch...!" oder ein "Supi!" + beschränkt.

Hier sagt mir das viel:

Zitat:
die Spenserstrophen hast du hervorragend gemeistert - ich ziehe meinen Hut. Besonders die erste Strophe, der Vergleich mit den griechischen Göttern ist gelungen.
Zum einen, dass ich (endlich!) echte Fortschritte beim Meistern schwieriger Strophenformen mache. Zum anderen, dass die erste Strophe a) wohl die gelungenste und b) die "stärkste" Strophe ist.

Solche Rückmeldungen sind sehr hilfreich, um mir zu vermitteln, "wo ich bin".

Noch einmal vielen Dank.

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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Alt 21.09.2012, 11:41   #7
männlich Martin Laut
 
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Gefällt mir, Poetibus.
Klare, deutliche Dichterei, mit ansehnlichen Bildern
und gewichtigem Inhalt (der mir den Nerv trifft).
Ungezwungen phrasiert in seiner Form.
So mein Eindruck.




Gruß,
Martin Milch
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Alt 21.09.2012, 15:09   #8
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Martin,

ich bedanke mich auch bei dir sehr herzlich.

Was ich deinem Kommentar entnehmen kann, ist für mich ebenfalls sehr hilfreich zu wissen. Zur ganz kurzen Erklärung: Als ich damit begann, ganz bestimmte Gedicht- oder Strophenformen zu verwenden, hatte das anfangs leider häufig den Effekt, dass die Form den Inhalt "überlagerte/dominierte".

Klar und deutlich - das ist, so könnte man sagen, "mein Stil". Ich bin kein "kryptischer Schreiber", das entspricht mir nicht. Versucht habe ich das natürlich (um herauszufinden, ob sich diese Art zu schreiben für mich eignet oder nicht). Die Versuche gingen prompt gründlich daneben, weshalb ich in dieser Richtung nichts mehr schreibe.

Ich arbeite ständig daran, meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Daher sagen mir

Zitat:
mit ansehnlichen Bildern
und gewichtigem Inhalt (der mir den Nerv trifft).
Zitat:
Ungezwungen phrasiert in seiner Form.
diese Eindrücke von dir eine ganze Menge. Dafür bedanke ich mich in gewisser Weise noch mehr.

Das "Ziel" (oder besser, mein Ziel) ist es, die Form mit dem Inhalt bzw. der Aussage "verschmelzen" zu lassen, so dass weder das eine noch das andere dominiert, sondern beide eine "Einheit" bilden und sich so gegenseitig "unterstützen/verstärken". Wenn ich also eine Rückmeldung bekomme, dass ich diesbezüglich Fortschritte mache, dann freut mich das sehr.

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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Alt 21.09.2012, 15:26   #9
Thing
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Zitat:
Zitat von Poetibus;231679




[B
Das "Ziel" (oder besser, mein Ziel) ist es, die Form mit dem Inhalt bzw. der Aussage "verschmelzen" zu lassen, so dass weder das eine noch das andere dominiert, sondern beide eine "Einheit" bilden und sich so gegenseitig "unterstützen/verstärken".[/B] Wenn ich also eine Rückmeldung bekomme, dass ich diesbezüglich Fortschritte mache, dann freut mich das sehr.



Poetibus
Und das ist Dir hier hervorragend gelungen!

Thing
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Alt 21.09.2012, 15:32   #10
männlich Pit Bull
 
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Hallo Poetibus!

Dein Pantheon-Werk ist Dir im besonderen Fleiß und in seiner technischen Herausforderung sehr gut gelungen.

Ein in meinen Augen würdiger Favorit.

VG Pitti
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Alt 21.09.2012, 15:43   #11
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Hallo, Thing,

diese Antwort hier (und auch die folgende für Pit Bull) erforderte es jetzt aber wirklich, mir selbst einen "Schubs" zu geben, denn - geschafft, ich bin wirklich ernsthaft verlegen!

Mir bleibt nur, mich noch einmal bei dir zu bedanken.

Freundlichen Gruß,

Poetibus



Hallo, Pit Bull,

siehe oben ...

Zitat:
Dein Pantheon-Werk ist Dir im besonderen Fleiß und in seiner technischen Herausforderung sehr gut gelungen.

Ein in meinen Augen würdiger Favorit.
Worauf Poetibus nun erst einmal Kaffee aufsetzen geht und tief durchatmet.

Herzlichen Dank, in diesem Fall besonders für die "gelungene technische Herausforderung".

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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Alt 22.09.2012, 04:02   #12
weiblich Ilka-Maria
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Sprachlich hervorragend, superb gedichtet!

Inhaltlich kann ich Dir leider nur Rote Karten zeigen: Nein, nicht einverstanden! Sollte die Welt aus dem Lot geraten, werden wir Menschen das nicht mehr erleben.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.09.2012, 10:15   #13
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Ilka-Maria,

ich bedanke mich auch bei dir herzlich für deinen Kommentar.

Wie ich bereits schrieb, ich bin froh, wenn ich auf Fehler und/oder Schwächen aufmerksam gemacht werde. Der erste Vers schwächelt hier tatsächlich. "Die Welt" steht zwar für unsere, d. h. "die Menschenwelt" und mit "allmählich" sollte ausgedrückt werden, dass sie dabei ist, das zu tun, aber noch nicht völlig aus dem Lot geraten ist.

Wenn das nicht deutlich genug erkennbar ist, dann muss ich die Formulierung ändern. Denn du hast recht - wenn die "Welt aus dem Lot geraten ist", erleben wir (die Menschheit) das nicht mehr. Nein, nicht klar genug - und ausgerechnet der "Einstieg" ins Gedicht, das geht nun gar nicht. Denn es ist ja dieser Vers, der für den Kontext sorgt, in dem der Inhalt dann "verstanden wird". Deshalb stelle ich ja meine Gedichte ins Web - mir selbst als Verfasser fällt nicht auf, was jemand anderes gleich entdeckt.

Also werde ich daran arbeiten. Das kann etwas dauern, denn durch die Gebundenheit an Versmaß und Endreim sind meine Möglichkeiten natürlich eingeschränkt. Und ich habe festgestellt, dass Änderungen generell dazu neigen, schwieriger zu sein als das Schreiben des Gedichts.

Für eventuelle Vorschläge wäre ich dankbar!

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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Alt 22.09.2012, 10:25   #14
Thing
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Unterliegt das nicht der Interpretation des stehenden Ausdruckes
"Aus dem Lot geraten"?
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Alt 22.09.2012, 11:17   #15
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Thing,

ja, du hast ebenso recht wie Ilka-Maria.
Unter anderem "arbeite" ich aber auch daran, mit meinen Gedichten, wie soll ich es am besten sagen, etwas "Bestimmtes" zu den Lesern "herüberzubringen". Sozusagen die "Botschaft" des Gedichts. Es ist immer gut, wenn ein Gedicht offen genug ist, d. h. ausreichend "Spielraum" für die Gedanken lässt. Aber ich finde, der "Einstieg" durch die ersten ein, zwei Verse ist wichtig, wenn ich beabsichtige, "etwas" zu übermitteln. Das ist wirklich schwierig zu erklären: Der Spielraum sollte vorhanden, aber dann doch nicht zu groß sein - das ist immer eine Art Gratwanderung und daher alles andere als einfach. Die ersten Verse sind gewissermaßen die "Lenker", die bestimmen sollten, in welche Richtung das Ganze geht. Daher sollten sie nicht zu vielfältig interpretierbar sein. Schwierig - ich hoffe, ich kann einigermaßen erklären, was ich meine ...

Vielen Dank, dass du dich noch einmal zu Wort gemeldet hast.

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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götter, goldenes kalb, welt

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