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Alt 01.05.2017, 12:30   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Tinas Brief

Anmerkung: Die Geschichte wurde von mir auf Anregung von Ilka-Maria durch ihren Workshop-Faden geschrieben, siehe hier:
https://www.poetry.de/showthread.php...474#post456474
Danke!


Die langsam untergehende Sonne tauchte das Zimmer in ein angenehmes Licht. Auf dem Brief, der auf dem Tisch lag, verweilten die Sonnenstrahlen und malten Kringel auf den Brief, die Tina absurd vorkamen. Fast so absurd wie der Brief selbst, den sie vor zwei Stunden ihrer Brieffreundin im entfernten Osten Deutschlands, genauer gesagt in Mecklenburg-Vorpommern geschrieben hatte, gute 800 km von Tinas Wohnort entfernt. Aber eigentlich war das nicht schlecht, wenn eine Brieffreundin weit genug weg wohnte, sodass sie nicht unverhofft einen Brief in der Klasse herumzeigen konnte, falls es mal Streit zwischen ihnen gab und die auch nicht unverhofft auftauchen konnte. Für ein Tagebuch fühlte Tina sich mit ihren 17 Jahren zu alt und sie fand auch, dass eine Gymnasiastin der 12. Klasse höhere Ansprüche an einen Schriftverkehr stellen sollte als nur für sich zu schreiben. Eine Brieffreundin hatte den großen Vorteil, dass sie ihre Meinung zu bestimmen Vorfällen schreiben und manchmal sogar einen Rat geben konnte. Obwohl Tina noch nie einen Rat von ihr befolgt hatte, fand sie, dass dies ein guter Grund für eine Brieffreundschaft war.

Sie nahm den Brief noch einmal in die Hand und las ihn sorgfältig durch.

Liebe Ellen,
eigentlich habe ich mich in mein Zimmer verzogen, um für die Geschichtsprüfung am Freitag zu lernen. Zumindest habe ich meinen Eltern das erzählt und sie haben nur zustimmend genickt und hatten nichts einzuwenden, wie sonst manchmal, wenn sie sagen, dass ich eine Eigenbrötlerin bin und mir doch endlich mal richtige Freunde suchen solle, anstatt nur in meinem Zimmer herumzuhängen. Zum Glück sind sie dann zu einer sonntäglichen Autofahrt aufgebrochen und werden wohl nicht allzufrüh zurück zu sein, sodass ich nur mein Geschichtsbuch aufgeschlagen auf dem Tisch liegen lassen muss, damit es so aussieht, als hätte ich den ganzen Tag gelernt. Eigentlich wundert es mich, dass sie das dann auch noch glauben. Aber manchmal glaubt man wohl einfach das, was man gerne glauben möchte. Immerhin gibt es keinen Grund, an meinen Noten herum zu mäkeln, wie du ja auch weißt. Manchmal weiß ich selber nicht, wie ich das mache, so wenig, wie ich eigentlich lerne. Ich habe das Glück, mir manchmal nur alles durchzulesen und es bleibt hängen. Andere müssen richtig pauken.


Aber nun zu deinem letzten Brief. Du hast mich gefragt, ob ich schon einmal richtig verliebt war, so verliebt, wie du in deinen Jochen gerade bist. Ich beneide dich ein wenig darum, denn ich war noch nie verliebt, würde es aber gerne einmal sein. Die Jungen in meinen Kursen sind dafür leider überhaupt nicht geeignet, in einen von ihnen könnte ich mich nie verlieben. Lieber wäre mir da schon ein Junge aus dem Tauchunterricht, er heißt Jens und ist immer ziemlich still. Ich weiß gar nicht, ob ich auf schüchterne Jungs stehe, da mir Verliebtsein noch nie passiert ist, kann ich nicht sagen, ob mich Schüchternheit anzieht oder nicht. Ich glaube, wenn der Junge schüchtern ist, muss man als Mädchen selbst so viel machen, oder? Das stelle ich mir anstrengend vor. Aber besser ein stiller, schüchterner Typ als ein Angeber, der hintenrum damit prahlt, was er mit mir gemacht hat. Das ist Lisa aus meinem Mathekurs passiert, und sie war eine Zeitlang ganz geknickt und wollte nie wieder was mit Jungs zu tun haben. Kurze Zeit später aber habe ich sie mit Emil rumknutschen sehen. Anscheinend ist für sie die Hauptsache, sie hat einen,egal, wer es ist. Da bin ich wählerisch, vermutlich zu wählerisch, sonst wäre mir die Liebe wohl lange schon passiert. Es ist ganz lustig, dass demnächst in der Theatergruppe das Stück „Romeo und Julia“ auf dem Programm steht. Ich glaube zwar nicht, dass ich für die Rolle der Julia genommen werde, aber dabei kommt es sicher öfters dazu, dass über die Liebe geredet wird und wer sich von wem warum angezogen fühlt. Bei Romeo und Julia ging es ja schlecht aus. Ich glaube,das Stück ist nur deswegen ein solcher Renner, weil es so ein unglückliches Ende genommen hat. Stell dir mal Romeo und Julia an ihrem 50. Hochzeitstag vor, da würde kein Hahn mehr nach ihnen krähen! Aber wie auch immer, das Stück selbst gefällt mir. Vielleicht bin ich ja doch ganz versteckt eine Romantikerin, obwohl das niemand glauben würde, der mich kennt.

Jens sieht übrigens ganz gut aus, er hat blonde Haare und ist recht schlank. Aber ob das reicht, sich in ihn zu verlieben? Da muss sicher mehr passieren …. sonst wüsste ich aber niemanden hier, den ich kenne und der in Frage käme, um sich in ihn zu verlieben. Oder es kommt der große Unbekannte, der mich beeindruckt ….(nein, das war ein Witz). Meine Familie ist auch mit niemandem verfeindet, sodass mir dasselbe wie Julia nicht passieren kann. Das ist ja auch immer so ein besonderer Trick an Theaterstücken: Es muss etwas passieren, was von anderen nicht gebilligt wird oder sogar verboten ist.

Jetzt fällt mir doch noch jemand ein: Kurt aus der Theatergruppe. Das ist kein Schüler, sondern der Leiter, natürlich viel älter als ich, sozusagen ein richtiger Mann. Vielleicht wäre er der Mann, in den ich mich verlieben könnte, denn ich hätte gern jemanden, mit dem man interessante Gespräche führen kann und der gebildet und intelligent ist. Das trifft auf Kurt auf jeden Fall zu. Er hat dunkle Haare und trägt einen Vollbart. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied zu Jens, allein vom Aussehen her. Ich habe mir aber noch nie Gedanken darüber gemacht, ob ich einen Freund haben möchte, der um einiges älter ist als ich.

Eigentlich bin ich froh, dass du mich gefragt hast, denn jetzt ,wo ich soviel überlegt habe, weiß ich, auf welche Attribute ich wohl am meisten achten werde, wenn ich mich verliebe.

Ich freue mich auf deinen nächsten Brief.

Deine Tina.

Geändert von DieSilbermöwe (01.05.2017 um 14:14 Uhr) Grund: Anmerkung fehlte
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Alt 01.05.2017, 13:06   #2
weiblich Ilka-Maria
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Liebe Silbermöwe,

dir hat es ja mächtig in den Fingern gekribbelt!

Eins muss man dir lassen: Du kannst nicht nur schnell eine Geschichte erfinden, sondern sie auch flüssig runterschreiben. Welch ein Potential, das du ausbauen könntest!

Was mir an der Geschichte, die zum größeren Teil aus Tinas Brief an Ellen besteht, fehlt, ist eine stärkere Charakterisierung Tinas und die Darstellung des nagenden Konflikts, der sie dazu treibt, sich so wie ihre Freundin endlich zum erstenmal in einen Jungen zu verlieben. Tatsächlich erfährt man mehr über ihre Eltern und über einige wenige Jungs in ihrem sozialen Umfeld als über sie selbst.

Tina könnte in ihrem Brief zum Beispiel ihren Neid (nicht zu verwechseln mit Missgunst!) darüber ausdrücken, den sie beim Anblick von Ellen und ihrem Freund empfand, als sie Zärtlichkeiten austauschten; über die Aufmerksamkeit, die der Freund Ellen schenkte usw. Sie könnte sich zurückgesetzt fühlen, weil fast alle Mädchen in ihrer Klasse mit jemandem "gehen", nur sie nicht. Vielleicht, weil sie zu dick ist, oder weil sie eine Brille trägt, oder weil sie sich nicht so sexy anzieht wie andere Mädchen, sich nicht schminkt usw.? Und warum ist sie nicht selbst schon verliebt in einen Jungen, traut sich aber nicht, das offen zuzugeben, weil er ihr unerreichbar scheint oder ein anderes Mädchen bereits aggressiv um ihn wirbt?

Da gibt es so viele Möglichkeiten, Tina in tiefe Konflikte zur stürzen und sie richtig leiden zu lassen, so dass der Leser gespannt darauf ist, wie sich das Küken vielleicht doch noch zum Schwan entwickelt.

Ich hätte noch etwas zum ersten Absatz zu sagen (Meckpomm/800 km), aber ich glaube, das kann warten. Sonst wird es zu viel auf einmal.

LG
Ilka
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Alt 01.05.2017, 14:27   #3
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Liebe Ilka-Maria,

Zitat:
dir hat es ja mächtig in den Fingern gekribbelt
Stimmt ich konnte es kaum abwarten, die Geschichte zu Papier zu bringen.

Zitat:
Eins muss man dir lassen: Du kannst nicht nur schnell eine Geschichte erfinden, sondern sie auch flüssig runterschreiben. Welch ein Potential, das du ausbauen könntest!
Dankeschön

Zitat:
Was mir an der Geschichte, die zum größeren Teil aus Tinas Brief an Ellen besteht, fehlt, ist eine stärkere Charakterisierung Tinas und die Darstellung des nagenden Konflikts, der sie dazu treibt, sich so wie ihre Freundin endlich zum erstenmal in einen Jungen zu verlieben. Tatsächlich erfährt man mehr über ihre Eltern und über einige wenige Jungs in ihrem sozialen Umfeld als über sie selbst.
Da hast du wohl recht.

Zitat:
Da gibt es so viele Möglichkeiten, Tina in tiefe Konflikte zur stürzen und sie richtig leiden zu lassen, so dass der Leser gespannt darauf ist, wie sich das Küken vielleicht doch noch zum Schwan entwickelt.
Mir war bis jetzt nicht klar, dass sie leiden sollte ....
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Alt 01.05.2017, 16:39   #4
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Mir war bis jetzt nicht klar, dass sie leiden sollte ....
Das ist die Faustregel jedes Autors: Lass deine Helden Blut und Wasser schwitzen, stürze sie in die grässlichsten Konflikte und treibe ihre Seele in die dunkelste Höhle, wo der gefräßige Drache lauert. Lasse deinen Helden bzw. die Heldin so leiden, dass den Leser die Verzweiflung packt und er mitfiebern muss!
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Alt 06.08.2017, 19:04   #5
wolfgang
 
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Hallo Silbermöwe,

das ist alles anschaulich erzählt. Nur am Ende kam bei mir ein ungutes Gefühl auf: Du brichst mit dem Brief ab. Zuerst beschreibst Du das Zimmer und eine Stimmung, da hatte ich mir gedacht, so etwas in der Art käme nach dem Brief auch. War aber nicht so. Für mich klingt Dein Text unfertig. Ich meine, nach dem Brief müsste noch was kommen.

Soweit meine Eindrücke.

Bis dann!

Wolfgang
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Alt 06.08.2017, 22:17   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von wolfgang Beitrag anzeigen
Für mich klingt Dein Text unfertig.
Ist er auch. Er ist ein Teil einer Fortsetzungsgeschichte, die vor einigen Monaten begonnen hat. Wenn du den Text beurteilen willt, solltest du alle Folgen lesen.

Das ist nicht einfach, weil sie einzeln eingestellt sind und zusammengesucht werden müssen.

@Silbermöwe

Vielleicht wäre es hilfreich, bei den Fortsetzungsgeschichten immer den Link zu den vorangegangenen Teilen einzukopieren. Nur ein Vorschlag.

LG
Ilka
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Alt 07.08.2017, 07:29   #7
weiblich DieSilbermöwe
 
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Lieber wolfgang,

dein Interesse an meinen Geschichten freut mich sehr! Schön, dass du ausgerechnet diesen Text ausgegraben hast aus diesem Anfang hat sich dann die Fortsetzungsgeschichte "Tina sucht die Liebe" entwickelt, zu der Ilka-Maria und ich zusammen das Exposé entworfen haben (Ilka-Maria hat die Antwort schon teilweise vorweggenommen).
Diesen Brief hier hatte ich noch vor der eigentlichen Geschichte geschrieben, nur nach einer Idee von Ilka.

Liebe Ilka-Maria,

schreibe gerade mit dem Handy, da Links einfügen zu umständlich. Ich werde es beim nächsten Teil der Geschichte vielleicht machen. Eigentlich denke ich, wen es interessiert, der wird die Teile auch so finden - die ganze Latte der bisherigen Teile werde ich nicht immer untendrunter setzen (weil mich selbst das bei anderen Texten auch eher nervt, wenn Autoren das machen).

LG DieSilbermöwe
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