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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 12.09.2017, 22:36   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Paranoika

Sie pressen die Ohren an alle Wände
und hören, was immer ich sage, mit,
sie strecken nach mir ihre tausend Hände
und machen mir Bange auf Schritt und Tritt.

Sie quälen mich durch die Tage und Nächte:
Nicht eine Sekunde finde ich Schlaf
beim Flüstern der konspirativen Mächte,
wie ich sie in meinen Träumen schon traf.

Sie sind überall, wohin ich auch blicke,
im Fenster, im Spiegel, im Bild an der Wand.
Ich gelte als alte, verschrobene Zicke,
doch weiß ich: Noch bin ich bei reinstem Verstand.

12.09.2017
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Alt 13.09.2017, 09:48   #2
männlich MiauKuh
 
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Hallo Ilka-Maria,

Ein intelligent geschriebenes Gedicht, dass sich für mich ließt, als würde das lyrische Ich zum einen an sich selber zweifeln, zum anderen aber wirklich echte Gründe für die vermuteten konspirativen Gedanken haben. Wenn man so denkt wie das lyrische ich, denkt man auch alle anderen sind gegen einen verschworen, das ist das Kranke daran. Paranoia .. und jeder sagte: "Noch bin ich bei reinstem Verstand."
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Alt 13.09.2017, 10:03   #3
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von MiauKuh Beitrag anzeigen
... alle anderen sind gegen einen verschworen, das ist das Kranke daran. Paranoia .. und jeder sagte: "Noch bin ich bei reinstem Verstand."
Genau so ist es, MiauKuh, und es ist grausam, einen Menschen in diese Welt tauchen zu sehen, ohne ihn aufhalten zu können. Ich könnte ein Buch darüber schreiben. Vom Sitzen im Dunkeln, weil die Fenster außer mit Gardinen und runtergelassenen Rollos noch mit Paravents "geschützt" sind, weil man sonst von den Dachdeckern in fünfhundert Metern Abstand beobachtet werden könnte, bis hin zu Tonbändern in den Wänden und von den Nachbarn abgehörtem Telefon gibt es noch mindestens ein Dutzend anderer konspirativer Aktionen. Niemandem ist zu trauen, weder dem Hausarzt noch den eigenen Kindern und schon gar nicht den ortsansässigen Handwerkern, denn die könnten sich ja mit den Nachbarn verschworen haben.

Danke für den Kommentar.
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Alt 04.10.2017, 20:33   #4
männlich Perry
 
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Standard Hallo Ilka,

Krankheiten, die man nicht wahrhaben will sind sehr schlimm, weil sie uns die Ohnmacht des Geistes zeigen.
Routiniert gut wie immer geschrieben.
LG
Perry
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Alt 04.10.2017, 22:13   #5
weiblich Ilka-Maria
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Freut mich, Perry, dass du mein kleines Gedicht entdeckt hast.

LG
Ilka
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Alt 04.10.2017, 23:20   #6
männlich Erich Kykal
 
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Hi Ilka!

Sprachlich superb, metrisch unsauber. Natürlich wirst du sagen, dass du es genau so haben wolltest und meine Abgleichungen abtun, darum spare ich mir die höchstwahrscheinlich vergebliche Mühe.

Für mich ist es eben schmerzlich zu sehen, wie deine so wundervolle lyrische Sprache durch die für mich so deutlich gefühlten Holperer an Wirkung verliert. Es ist für mich fast wie Sabotage ...

Sehr gern gelesen - der Sprachfindung wegen!

LG, eKy
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Alt 05.10.2017, 13:34   #7
männlich Ex-Poesieger
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S2V3 und 4 haben hier ein interessantes Thema besucht. So als müsste sich jedermann dem Paranoia Leben in Verbindung damit bewusst werden wie es S3V3 und 4 mit dem Hammerschlag münzt. Als wären Unterschiede dazu da den Kontrast zu erhöhen zwischen Thema und Botschaft.
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Alt 05.10.2017, 16:34   #8
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Erich Kykal Beitrag anzeigen
Natürlich wirst du sagen, dass du es genau so haben wolltest ...
Nein, Erich, so ist es nicht. Meine Gedichte sind meistens gar nicht das, was und wie ich es am Anfang haben wollte. Vielmehr übernehmen sie schon bald ein Eigenleben, dann muss ich von meinen Ursprungsgedanken ablassen und diesem Eigenleben folgen, und deshalb muss ich aufpassen, dass ein Thema, das in eine andere Richtung zu laufen beginnt, nicht in Sinnlosigkeit endet.

Aber ist es nicht so, dass ich nur auf den Inhalt und die Aussage achte, sondern ich versuche durchaus, einen Rhythmus zu halten. Ehrlich gesagt empfinde ich bei diesem Gedicht hier gar keine Holperer, denn auch beim unregelmäßigen Wechsel von Jamben zu Daktylen muss es beim Lesen nicht zwangsläufig holpern.

LG
Ilka
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Alt 05.10.2017, 17:46   #9
männlich Erich Kykal
 
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Hi Ilka!

Man kann sich inhaltlich treiben lassen, wohin man will - mit der richtigen Wortwahl kann man IMMER im Takt bleiben, wenn es einem wichtig ist (und das sollte es sein).
Also gut - hier noch einmal die ausführliche Variante:

Dein Text:

Sie pressen die Ohren an alle Wände
und hören, was immer ich sage, mit,
sie strecken nach mir ihre tausend Hände
und machen mir Bange auf Schritt und Tritt.

Sie quälen mich durch die Tage und Nächte:
Nicht eine Sekunde finde ich Schlaf
beim Flüstern der konspirativen Mächte,
wie ich sie in meinen Träumen schon traf.

Sie sind überall, wohin ich auch blicke,
im Fenster, im Spiegel, im Bild an der Wand.
Ich gelte als alte, verschrobene Zicke,
doch weiß ich: Noch bin ich bei reinstem Verstand.

xXxxXxxXxXx
xXxxXxxXxX
xXxxXxxXxXx
xXxxXxxXxX

xXxxXxXxxXx
xXxxXxXxxX
xXxxXxxXxXx
xXxXxxXxX

xXxxXxXxxXx
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX

Ich habe die Doppelsenkungen mal fett hervorgehoben, um die Unregelmäßigkeiten besser kenntlich zu machen.
Schon Z1 geht es los: Man würde erwarten, dass die letzte Senkung ebenfalls doppelt ist: xXxxXxxXxxXx.
(zB: "Sie pressen die Ohren an sämtliche Wände")
Genau da hast du aber nur eine Senkung, und dort stolperte ich zum ersten Mal.. Aber in S1 ist dieses Schema wenigstens gleichbleibend, abgesehen vom Wechsel der Kadenzen.

In S2 wandert die letzte Senkung mit dem einen "x" in Z1 und 2 plötzlich in die Zeilenmitte, Z3 hat wieder das ursprüngliche Schema von S1, und Z4 hat nun plötzlich nur noch eine einzige Doppelsenkung.

S3 wiederholt in Z1 das Schema von S2Z1, die Zeilen 2, 3 und 4 haben nun plötzlich drei Doppelsenkungen mit wechselnder Kadenz - so wie es eigentlich von vornherein hätte sein sollen. Diese letzten drei Zeilen sind metrisch korrekt.


Vorschlag einer metrisch homogenen Version mit Schema xXxxXxxXxxX(x):

Sie pressen die Ohren an sämtliche Wände
und hören, was immer ich sage, dort mit,
sie strecken nach mir ihre vieltausend Hände
und machen mir Bange auf Schritt und auf Tritt.

Sie quälen mich durch ihre Tage und Nächte:
Nicht eine Sekunde lang finde ich Schlaf
beim Flüstern der Konspirativen und Mächte,
wie ich sie in all meinen Träumen schon traf.

Sie sind überall hier, wohin ich auch blicke,
im Fenster, im Spiegel, im Bild an der Wand.
Ich gelte als alte, verschrobene Zicke,
doch weiß ich: Noch bin ich bei reinstem Verstand.

Du siehst, wie minimal die Eingriffe sind, die nötig waren, um zu einem gleichbleibenden Rhythmus zu gelangen. Wenn du dir diese Version mal laut vorliest, wirst du den Unterschied bemerken. Der Takt unterstützt den Leser und erleichtert ihm die Betonungen, weil er in jeder Zeile gleich bleibt (hier mit rhythmischem Wechsel der Kadenz, was die Sache etwas auflockert).


LG, eKy
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.10.2017, 18:12   #10
weiblich Ilka-Maria
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Aber das sind größtenteils unnötige Füllsel, die inhaltlich überhaupt keinen Gewinn bringen! Und das nur um der "sauberen" Form willen ? Außerdem leiert jetzt der Rhythmus.

Was bedeuten die "Konspirativen und Mächte"? Der ursprüngliche Sinn ist entstellt. Bei mir waren es die "konspirativen Mächte", also Inhaber der Macht, ein Individuum zu überwachen, zu manipulieren und schlimmstenfalls in den Wahnsinn zu treiben. Bei deiner Version ist überhaupt nicht mehr klar, was es mit den "Konspirativen" auf sich hat und wie die "Mächte" definiert sind. Macht kann nämlich auch positiv sein, wenn sie für andere Menschen nutzbringend eingesetzt wird.

Ich hatte mich an Gedichten etablierter Dichter gehalten, als ich meine Verse nicht auf einen Daktylus, sondern auf einen Jambus enden lies. Dies ist weder etwas Neues noch ein Mangel an Perfektion. Also was soll deiner Meinung nach daran falsch sein? Ich bin einigermaßen verwirrt.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.10.2017, 15:24   #11
männlich Erich Kykal
 
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Hi Ilka!

Es ist nicht "falsch" im wortwörtlichen Sinne (oder doch? - ich mutmaße nur), sondern für mich hört es sich falsch an. Ich habe es dir erklärt:

Bei xXxxXxxX- rechnet man eigentlich damit, dass der so gewählte Rhythmus weiter gehalten wird, also so: -xxX(x)

Bei deiner Wahl: xXxxXxxXxX hat man als Leser das Gefühl, hintenrum würden Silben fehlen, es wirkt abgehackt, verfrüht beendet, Lyrikus interruptus. So zumindest fühlt es sich für mich an, ob nach exakten lyrischen Regeln korrekt oder nicht.

Meine Version ist jetzt nicht stundenlang durchdacht - ich nahm das Erstbeste her, was mit einfiel, um den Takt gleichmäßig zu gestalten. Es steht dir natürlich frei, eine eigene Lösung zu finden, oder eine Version mit deinem Takt xXxxXxxXxX(x) zu erschaffen - Hauptsache, du hältst dieses Versmaß über drei Strophen durch.
Denn deine Abweichungen in S2 und 3 sind eindeutig nicht korrekt nach lyrischen Maßgaben, egal, wen du als Vorlage anführst.

Damit meine ich in S2Z1,2, dass der Jambus plötzlich in die Vermitte rutscht, in Z3 plötzlich wieder ist wie in S1, und in Z4 die erste Doppelsenkung auch ein Jambus ist, was alles (außer Z3) eindeutige metrische Patzer sind.

Das gilt auch für S3Z1, die den Fehler von S2Z1,2 wiederholt, und dann aber auch für die Zeilen 2-4, wenn man deinen anfänglichen Takt von xXxxXxxXxX(x) als "korrektes" Vorbild zugrunde legt, denn in diesen 3 letzten Zeilen wird nun aus dem Jambus am Ende plötzlich eine dritte daktylische Doppelsenkung.

Nach deiner Lesart wären also nur S1Z1-4 sowie S2Z3 metrisch korrekt: xXxxXxxXxX(x)

LG, eKy
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.10.2017, 15:44   #12
männlich MiauKuh
 
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Also ich finde die Diskussion über das Metrum hier interessant, weil ich der Meinung bin, dass es ebend nicht "erwartbare Regeln" gibt, die befolgt werden müssen. Ich denke es gibt nur dem Inhalt genüge tuende Regeln. Das das Formale als Technik mitsamt des Schreiberstils den Inhalt zur Geltung bringt.

Nur weil eine Zeile "xXxxXxxXxX" geht, sehe ich da gar keinen "Fehler", warum auch? Es kommt auf den Satz an der dort steht und auf die Folgesätze und darauf, was da grade ausgedrückt wird. Es ist zwar eine Kunst "klangidentische" Strophen zu bauen, ja, aber es ist nicht zwingend notwendig für ein Gedicht und auch der Rhythmus muss ja nicht in allen Strophen durchgängig sein. Sicherlich gibt es offensichtliche vermeintliche "Fehler", wenn alles ewig xXxX geht und irgendwie dann xXXx betont wird, dann klingt das schief, ja, es kann aber auch einen sehr guten Grund haben, den es zu verstehen gilt.

Um die Betonung zu verstehen, ist es natürlich auch nötig den Text mindestens 1x zu lesen, bevor er Rhythmisch verstanden ist, denn dann lässt er sich auch nach einer unerwarteten Wendung korrekt betonen, man weiß ja nun, wie es klingen sollte. Zwar kommt es auf das "Gedicht" selber an, aber grundsätzlich soll es doch nicht nur 1x funktionieren, sondern häufig.

Der Takt in einem Gedicht darf doch niemals über der Bedeutung des Gedichtes stehen (es sei denn das Gedicht selbst hat den Takt als Thema, da wird es sogar interessant). Es sind doch alles nur Mittel, um den Inhalt passend und angemessen herüber zu bringen, so sehe ich das jedenfalls. Deswegen denke ich auch, dass das "schöne" Klangbild und der Rhytmus eines Gedichts noch lange kein gutes Gedicht machen. Denn ein für mich gutes Gedicht muss mich berühren. Egal wie ihm das gelingt.

Andererseits: Ein Gedicht mag vielleicht formal vollkommen perfekt sein, das sind manche Gesetze ja auch, aber inhaltlich - bedeutungslos und das ist für mich der Punkt.

Trotzdem aber ist es ein Genuss eine wunderschöne Verbindung vom Formalen und dem Inhaltlichen im Gedicht zu sehen. Wenn der Dichter die kompositorische Einsicht hatte, die richtige Wahl zu treffen, für Rhythmus, Form, Reimspiel, Wort und Klang. Davon passiert wohl das Wenigste beim "Schreiben" mit Absicht heraus. Aber manches lässt sich ja nach und nach ja verschönern, wobei zu viel Schleifem am dichterischen Diamant ihn ja sowieso am Ende zu Staub werden lässt ...

Zitat Erich:
"Hauptsache, du hältst dieses Versmaß über drei Strophen durch."

Darum geht es, meiner Auffasung nach, nicht vorwiegend. Es kommt auf den Nutzen an, ob das gut ist, oder nicht Es ist also nicht die "Hauptsache" sondern eine Frage der "Angemessenheit".

Wie auch immer! Ich finde diese Diskussion hier sehr spannend und ich freue mich sie weiterzuverfolgen und vorallem hoffe ich, dass sich noch andere dazu äußern.

Liebe Grüße
MiauKuh ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.10.2017, 17:15   #13
gummibaum
 
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Hallo Ilka,

ja, der Verfolgungswahn. Gut beschrieben, die phantasierte Konspiration und das Beharren auf eigener analytischer Sehschschärfe.

Sehr gern gelesen.

LG g
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.10.2017, 17:22   #14
männlich Sonnenwind
 
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Zum Thema Metrum:

Meiner Meinung nach gehören Bezeichnungen wie "richtig" und "falsch" in diesem Zusammenhang, vereinfacht gesagt, abgeschafft. Das heißt nicht, dass feste Formen aufgegeben werden müssen oder sollten. Sie haben ihren eigenen Reiz.

"Schön" etwa ist ein subjektiver Begriff, "Symmetrie" nicht. Ein Jambus ist ein Jambus... Doch wie sollte jemand vorschreiben können, wann ein Jambus einem Jambus zu folgen hat? Man kann letztlich immer nur subjektiv äußern, ob es einem unpassend zu sein scheint oder nicht. Oder belanglos.

Die Dinge sind, was sie sind, egal wie wir sie benennen. Wie sie auf uns wirken, bleibt auch dann subjektiv, wenn sich eine Mehrheit finden läßt, die in einem Punkt Übereinstimmung äußert. Konventionen aber bleiben Konventionen.

LG
Sonnenwind
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Alt 06.10.2017, 18:29   #15
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von MiauKuh Beitrag anzeigen
Also ich finde die Diskussion über das Metrum hier interessant, weil ich der Meinung bin, dass es ebend nicht "erwartbare Regeln" gibt, die befolgt werden müssen.
Regeln sind durchaus nützlich, um nicht "frei Schnauze" Wörter in Verse zu zwingen, die nur durcheinanderholpern nach dem Motto: Hauptsache, es reimt sich. Erich ist ein Purist, deshalb wendet er die Regeln nicht nur selbst strikt und kompromisslos an, sondern er fordert sie auch von anderen Dichtern. Er hat auch recht, wenn er denkt, dass mein Hinweis auf anerkannte Dichter, die mit Jamben und Daktylen nicht immer "sauber" verfahren, eine faule Ausrede ist und ich mit mehr Mühe ein perfektes Gedicht hinbekäme.

Vielleicht bekäme ich es tatsächlich hin. Die Frage für mich lautet jedoch: Um welchen Preis? Und da setzt sich bei mir mein eigener Purismus durch: Ich möchte nicht mit Füllwörtern tricksen, die völlig überflüssig sind, nach Aufblähung aussehen und einen Leser ab einer gewissen Häufigkeit nerven, nur um eine strikte Regel eingehalten zu haben. Tatsache ist, dass die deutsche Sprache in der Lyrik auf viele Probleme stößt, die in einigen Fällen überhaupt nicht zu lösen sind, ohne entweder den Stil oder den Rhythmus zu brechen. Ich breche dann lieber den Rhythmus als den Stil, denn was nützt mir beim Sprachgebrauch ein fauler Kompromiss, wenn mir die Verse dann nicht mehr gefallen oder sie nicht klar das aussagen, was ich vermitteln möchte?

Ich respektiere Erichs Meinung, schätze auch seine Dichtkunst und bewundere die hohen Anforderungen, die er an sich selbst stellt. Aber sehr viele seiner Gedichte wirken auf mich steril. Sie sind meist von einer solchen Erhabenheit, dass ich die Verse mehrmals lesen muss, um ihren Sinn zu erfassen und den Kern ihrer Aussagen bloßzulegen. Das ist nicht mein Ding. Von diesem Stil habe ich mich vor längerer Zeit entfernt und mich dem möglichst knappen Ausdruck zugewandt. Vielleicht hat mich Wolf Schneider, den ich sehr verehre und dessen Bücher ich fast alle gelesen habe, für das Erhabene verdorben.

Erich hat sein eigenes Vorbild - den großen Rilke -, von daher gesehen ist sein Anspruch berechtigt.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.10.2017, 23:45   #16
männlich Erich Kykal
 
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Hi Ilka!


In einem anderen Faden sagst du mir, du fändest es sinnlos, weiter mit mir über Filme zu reden. Ich glaube dir, denn davon hast du wirklich viel mehr Ahnung als ich.
Gleichermaßen ist, denke ich, eine weitere Unterhaltung über die Präliminarien der Dichtkunst sinnlos.

Schon klar, worauf du hier hinaus willst: Hauptsache Sprachmelodie, und der Rest ist Geschmacksache! Soll sein, aber dann erwarte bitte nicht, dass der "sterile und gleichzeitig füllwortüberladene" Dichter sich weiter bemüht.

Als Puristen sehe ich mich jedenfalls nicht, dafür missachte ich zu oft zu viele Regeln, und das nicht bloß beim Sonett.

Ich bestehe NICHT auf sturem Reglemaß und auf Beibehalten eines einmal gewählten Schemas um jedem Preis.
Ein Versschema kann divergieren, kann sich abwechseln - wichtig für mich dabei ist, dass es rhythmisch und im Gleichmaß geschieht, meinethalben auch mittig gespiegelt usw.

Dein obiges Gedicht tut dies NICHT. S2 und 3 gehen eigene Wege ohne Regelmaß und zugrunde liegende Ordnung. Das holpert für den musisch begabten Leser ungemein, egal, was an Rechtfertigungslametta dagegen aufgeboten wird.

Mach wie du denkst, wenn du glaubst, dass du es besser weißt. Ich allerdings werde mir künftig die vergebliche Mühe sparen, deine Werke nachhaltig zu analysieren, um dich auf Dinge hinzuweisen, die du offenbar ohnehin nicht hören willst. Jeder nach seiner Weise ...

LG, eKy
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