Träume der Brut
Träume der Brut
Nach einem schwülen Nachmittag, den sie in den Sümpfen des Umlands verbrachte, ging sie wie gewohnt Heim. Das alte Fachwerkhaus stand da wie immer und es knarrten exakt die gleichen Dielen wie sonst auch, als sie die Treppe erklomm. Ebenso wie das weiche Bett verlieh ihr der kühle Hauch der Nacht ein Gefühl der Schwerelosigkeit, ein Gefühl, das sie in ferne Länder zu führen schien. In den Träumen, die sie hatte, wandelte sie als gleiche unter gleichen, ein perfektes Zahnrad im Dienste aller. Zwar hatte sie sechs Beine, grässlich entstelle Fühler auf Kopf und ein Augenpaar, das reich an Facette, jedoch arm an Tiefblick und Schärfe war – doch niemand störte sich hieran, denn jeder war auf die gleiche Weise verunstaltet.
Die Träume der Brut, welche zu unglaublicher Zahl auftraten, verfolgten sie selbst in den Wachzustand. Besser gesagt hatte sie das gleiche Gefühl, als wäre sie wach, als wäre ihre ganze Existenz schon immer in Käferform gefristet. So schwang sie mit Leichtigkeit die Decke von ihrem Körper, indem sie zwei ihrer Beine dafür in Bewegung setzte. Ob sie noch von der Brut träumte, wusste sie nicht mehr. Für sie war es gleich, ob sie wach war oder schlief, denn nur ihr Gefühl für Realität schuf in ihren Gedanken auch ihr Sein.
Was sie jedoch bemerkte, war die eklatante Veränderung, die das Knarren der Dielen mit sich brachte, als sie mehrbeinig herunter schritt. Nichts von der bisherigen Gleichheit schien in dieses Bild zu passen und doch – trotz dieses Unterschiedes schritten sechs Beine zielsicher weiter die Treppe hinab.
Ein merkwürdig vertrautes Orange eröffnete den Blick ins Wohnzimmer. Malkavianische Farbenspiele schmeichelten ihren deformierten Fühlern und sie wurde der Zukunft gewahr.
Sie sah die Flammen. Sie sah die Asche. Sie sah die Maschinen und sie sah die geflügelten Wesen, die sich brennend aus der Asche erhoben. Die Gestalten wuchsen und wuchsen, und obwohl sie alle als Individuen sich zeigten, waren sie wesensgleich. So verschmolzen sie bildlich; ihre Flügel, zuvor mächtig emporgestreckt gen Himmel, flossen zusammen und bildeten insektenartige Gebilde, gleich denen, welche die Brut und sie selbst auf dem Rücken trugen. So verschmolzen alle Phönixe zu einem gewaltigen, mächtigen Käfer, der auch nur ein gleiches, aber perfektes Zahnrad darstellte.
Er hob seinen riesigen Kiefer und blies die Flammen der Umwelt auf die unheilbringenden Metallkolosse, die nun ihrerseits auch zu zerschmelzen begannen.
Bei diesem Anblick schreckte sie auf und fragte sich mit hämmernden Kopfschmerzen, wo nur ihre Fühler geblieben seien…
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