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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 19.01.2014, 11:22   #1
männlich Ex-DrKarg
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Standard Kriegsweihnacht 1914

Kriegsweihnacht 1914

©Hans Hartmut Karg
2014

Hineinschlittern in einen Krieg?
Wie kann man denn so jubelnd reisen
Und bauen auf den schnellen Sieg,
Wenn Todesengel sich festbeißen?

Wie kann man vorab darauf bauen,
Dass Kriege nicht Zerstörung bringen,
Da gar noch nach Erfolgen schauen
Und fröhlich Weihnachtslieder singen?

Die Grabenkämpfe sind hirnrissig,
Die Materialschlacht bringt nur Tod,
Flugzeuge zeigen todesbissig,
Wie man die Menschen bringt in Not.

Weihnachten aus Gulaschkanonen,
Das Christentum nur Geistschimäre,
Während zu Haus´ die Kinder wohnen,
Damit sich Ruhm im Sterben mehre.

Das Fest der Liebe, voller Frieden,
Mit Feinden bis Neujahr noch feiern
Und dann schlachtend, mit wildem Wüten
Die Großkanonen anzuleiern?

U-Boote, Flieger und Gewehre
Sind Massenwaffen, sterbensgleich,
Millionenfach in jedem Heere
Auslöschend Leben, hier und gleich.

Es tobt der schlimme Stellungskrieg,
Weihnachten ist da längst vergessen,
Vergeblich wartet man auf Sieg,
Das Leben ist längst am Verwesen.

Wie kann noch Sinn die Seele füllen,
Wenn täglich liebe Freunde sterben,
Die Frauen sich in Trauer hüllen
Und Landser nur noch Gräber erben?

*
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Alt 19.01.2014, 14:00   #2
männlich Ex Pedroburla
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Beiträge: 1.359

Standard Moin, moin ...

Deine "Verdichtungen" mit historischem Bezug sind wie immer interessant, sie machen nachdenklich - und sind außerdem sehr gut geschrieben! *

* André Malraux: "Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern."

Tränen

Ich könnte noch heute weinen
So gegenwärtig ist es mir
Und ich war damals
So selbstverständlich
In meiner kleinen Welt
Wie heute im großen Erkennen

Als sich an mir
Die Flüchtlingstrecks
Aus Sibirien heimgekehrte
Soldaten erschöpft
Vorbei schleppten
Schreien

Wenn ich mir das
Entsetzen der kleinen Kinder
Und Juden und
Sinti und Roma
Und anderer "entarteter"
Menschen vorstelle

Das Grauen angesichts
Ihres Todes
Wenn ich an das maßlos
Willkürliche Unrecht denke
Das Krieg bewirkt
Auch weinen in Gedenken

An alle die noch auf
Der Flucht geschändet
Misshandelt und
Verächtlich getötet
Von Flugzeugen und
Bomben zerfetzt wurden

Und immer noch werden
Menschen zerfetzt
Und misshandelt
Und geschändet
Verächtlich getötet
Aus ihrer Heimat vertrieben

Es ist der Tag
Zu fürchten
An dem wir nicht
Mehr weinen können:
Weil es so viele
Tränen nicht gibt ...

von Pedroburla – traurig ...


LG Dir, Hans - und allen Mitleser/innen noch einen angenehmen Sonntag! Pedro
Ex Pedroburla ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2014, 13:51   #3
männlich Ex-DrKarg
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Beiträge: 3.139

Standard Re: Kriegsweihnacht 1914

Lieber Pedroburla,
wunderschönes Parallelgedicht zu meinem! DANKE!
Herzliche Grüße H. H. Karg
Ex-DrKarg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2014, 14:10   #4
männlich Ex Pedroburla
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Beiträge: 1.359

Zitat:
Zitat von DrKarg Beitrag anzeigen
Herzliche Grüße H. H. Karg
Dir auch, Hans!
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Alt 22.01.2014, 17:45   #5
männlich kuse
 
Benutzerbild von kuse
 
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Alter: 37
Beiträge: 489

Hmmm...

mich stört etwas die Jahreszahl 1914. Eine der wichtigsten Vorgänge dieser Zeit müssen wir uns bewusst machen:
Nicht nur die meisten Staaten, sondern auch Menschen in Europa haben nicht nur im Krieg mitgemacht, sondern unterstützten diesen sogar bzw. freuten sich darauf.
Auch war 1914 noch ein Jahr, indem die Stimmung noch nicht so umgeschlagen war. Natürlich ist der Schlieffenplan da bereits gescheitert, aber es gab auch noch keine riesigen Verluste (in relativer Sicht). Der Stellungskrieg hat hier erst begonnen, es wurde (noch) kaum bis kein Gas eingesetzt, die Durchbruchsoffensiven der Franzosen fingen auf breiter Front auch erst später an.
Kriegsweihnacht 1916, das wäre etwas realistischer.

Auch geht dein Gedicht wenig auf die Gegebenheiten des ersten Weltkriegs ein, was genau diesen neben dem Stellungskrieg so 'besonders' gemacht hat, du verwendest kaum Begrifflichkeiten dieser Zeit. Im Übrigen waren Flugzeuge zu diesem Zeitpunkt kaum im Einsatz und wenn nur auf Aufklärung, todesbissig ist hier nicht korrekt.

Ich korrigiere mich:
Vielleicht solltest du jeden Verweis auf den ersten WK einfach weglassen. Kriegsweihnacht wäre passender.
kuse ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.01.2014, 12:02   #6
männlich Ex-DrKarg
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Standard Re: Kriegsweihnacht 1914

Lieber kuse,
es ging mir nicht darum, die neuen Begrifflichkeiten, wie sie die Geschichtswissenschaft erarbeitet hat, breitzutreten oder gar formal zu erörtern. Vielmehr ging es mir bei meinem Gedicht darum, diese schrecklichen Befindlichkeiten in und mit den "neuen" Kriegsmechanismen herauszustellen, denn der Leidende ist und bleibt der Mensch....
Herzliche Grüße H. H. Karg
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Alt 26.01.2014, 13:22   #7
männlich Ex Pedroburla
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Beiträge: 1.359

Zitat:
Zitat von DrKarg Beitrag anzeigen
(...) Vielmehr ging es mir bei meinem Gedicht darum, diese schrecklichen Befindlichkeiten in und mit den "neuen" Kriegsmechanismen herauszustellen - denn der Leidende ist und bleibt der Mensch ...
Und das ist dir sehr gut gelungen, Hans! *

* Im Stammbaum und in den diesbez. Urkunden meiner Familie kann man lesen, dass sowohl einige Reiter-Soldaten und -Offiziere aus der väterlichen als auch der mütterlichen (im 18.Jahrhundert konvertierte Juden, nach einem Pogrom) Linie im Ersten Weltkrieg gefallen sind oder schwer verwundet (Gas) wurden; in Friedenszeiten waren das meistens höhere Beamte > außer einem - in der Familie als "Exot" kolportierten - Schriftsteller, dessen Biografie (auch er reiste viel) ich sehr interessiert und ausgiebig recherchierte.** Mein Vater - in Stalingrad Soldat - war in russischer Gefangenschaft, in Sibirien - konnte aber nie darüber sprechen; er tötete sich selber > obwohl er in den Wirtschaftswunderjahren ein erfolgreicher und selbstständiger Malermeister war ...

** Danach las ich übrigens "Hundert Jahre Einsamkeit" von Gabriel García Márquez - der in seinem Roman auch über die sich in einer Familiengeschichte wiederholenden mentalen Eigenschaften und Präferenzen der Protagonisten erzählt. Von denen einer - der Oberst Aurelio Buendia - dieses sagt:

"Das Geheimnis eines guten Alterns ist nichts anderes als ein ehrenhafter Pakt mit der Einsamkeit."


LG Pedro

Geändert von Ex Pedroburla (26.01.2014 um 14:49 Uhr)
Ex Pedroburla ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.01.2014, 11:30   #8
männlich Ex-DrKarg
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Standard Re: Kriegsweihnacht 1914

Lieber Pedroburla,
naja, der Pakt mit der Einsamkeit kann im Altern wahrscheinlich nur dann ehrenwert bleiben, wenn man nicht ganz seiner Sinne beraubt wird....
Herzlichen Gruß
H. H. Karg
Ex-DrKarg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.01.2014, 11:46   #9
männlich kuse
 
Benutzerbild von kuse
 
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Beiträge: 489

Zitat:
Zitat von DrKarg Beitrag anzeigen
Lieber kuse,
es ging mir nicht darum, die neuen Begrifflichkeiten, wie sie die Geschichtswissenschaft erarbeitet hat, breitzutreten oder gar formal zu erörtern. Vielmehr ging es mir bei meinem Gedicht darum, diese schrecklichen Befindlichkeiten in und mit den "neuen" Kriegsmechanismen herauszustellen, denn der Leidende ist und bleibt der Mensch....
Herzliche Grüße H. H. Karg
Ich meine nicht die Begrifflichkeiten des Geschichtswissenschaft. Ich meine Begrifflichkeiten dieser Zeit.
Und da du eben ganz konkret auf einen bestimmten krieg Bezug nimmst, wirkt eben dieser Text mMn nicht authentisch.
Ich würde dir empfehlen, folgendes Buch zu lesen:
Edlef Köppen - Heeresbericht
kuse ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.01.2014, 14:11   #10
männlich Ex Pedroburla
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Zitat:
Zitat von DrKarg Beitrag anzeigen
Lieber Pedroburla - der "Pakt mit der Einsamkeit" kann im Altern wahrscheinlich nur dann ehrenwert bleiben, wenn man nicht ganz seiner Sinne beraubt wird ...
Ja.


Alter

Das aber ist des Alters Schöne,
dass es die Saiten reiner stimmt,
dass es der Lust die grellen Töne,
des Schmerzes tiefen Stachel nimmt.

Ermessen lässt sich und verstehen
die eigne mit der fremden Schuld,
und wie auch rings die Dinge gehen,
du lernst dich fassen in Geduld.

Die Ruhe kommt erfüllten Strebens,
es schwindet des Verfehlten Pein -
und also wird der Rest des Lebens
ein sanftes Rückerinnern sein ...

Ferdinand von Saar (1833 - 1906), österreichischer Schriftsteller, Novellist, Lyriker und Dramatiker


LG Pedroburla



PS: ICH verstehe das Zitat des Oberst Aurelio Buendia so > man sollte NIE sein Selbstwertgefühl verlieren - denn es gibt kein anderes Leben als dieses eine, mit all seinen Träumen und Illusionen, die "Weg & Ziel" waren ...
Ex Pedroburla ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.02.2014, 11:33   #11
männlich Ex-DrKarg
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Standard Re: Kriegsweihnacht 1914

Lieber Pedroburla,
wunderschönes Gedicht des Ferdinand von Saar. Danke dafür!
Beste Grüße H. H. Karg
Ex-DrKarg ist offline   Mit Zitat antworten
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