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Alt 21.07.2018, 20:18   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
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Standard Cher Tom!

Cher Tom!

Ich muss dir einiges mitteilen; ich mache es schriftlich, denn du bist so selten zu Hause, und wenn doch, bist du meist beschäftigt - mit Besuch, mit Telefonaten, mit seltsamen Aufträgen - oder was immer es ist - du teilst dich mir nicht mit. Ich weiß nicht, was du dir unter einer Ehe vorgestellt hast? Nun, getrennte Schlafzimmer haben ihren Reiz, ich mag die fiebrige Erwartung, wenn wir unvorhergesehenen Besuch haben und du nachts an meine Tür klopfst, weil dein Besuch in deinem Zimmer schläft - ich bin zwar schon 28, also kein junges Mädchen mehr, doch mein Herz klopft wie das eines Teenagers, weil mein Mann Einlass begehrt (ich denke, du weißt mit diesem Wortspiel etwas anzufangen, mein Lieber). Wahrscheinlich führen die meisten Leute andere Ehen als wir - nun, ich habe dich geheiratet, weil ich wusste, dass du anders bist als andere. Dich umgibt ein Geheimnis, das ich vermutlich in diesem Leben nicht mehr auflösen werde.
Meine Freundin Nöelle entblödete sich doch tatsächlich nicht, neulich zu fragen, ob du nicht homosexuelle Abenteuer suchen würdest und ich nur deine Alibi-Frau sei. Ich antwortete ihr mit einem überlegenen Lächeln und dem Satz, dass du selbstverständlich keine wie auch immer gearteten Ambitionen in der Hinsicht hegtest, nicht ohne zu betonen, dass ich keineswegs homophob sei. Doch warum sollte ich eine Homosexualität an dir verteidigen, die du schließlich nicht im geringsten aufweist?
Manchmal frage ich mich allerdings, warum du mich geheiratet hast. Es kann doch nicht nur das Geld meiner Eltern gewesen sein. Du hast nie gesagt, dass du mich liebst, bevor wir geheiratet haben, wenn ich mich recht erinnere. Aber damals spielte das für mich keine große Rolle - jetzt aber wäre ich gerne mehr in deinem Leben als nur eine hübsche Staffage.
Jetzt bist du wieder einmal unterwegs und ich allein mit unserer Haushälterin auf B. O. Ich hoffe, dass du heil zurück kommst und wir vielleicht noch eine Ehe führen können, wie ich sie mir vorstelle.
Cher Tom, ich erwarte dich in den nächsten Tagen - auf B. O., wo es uns gut geht und das Geld niemals ausgeht (auch wenn weder du noch ich dafür arbeiten).
Kummer macht mir nur eines: dass ich nicht das Wichtigste in deinem Leben bin. Aber das sollte ich in einer guten Ehe doch sein?
Komm bald zurück

Deine H.
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