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Alt 13.07.2010, 22:58   #1
weiblich Aquaria
 
Dabei seit: 02/2010
Alter: 42
Beiträge: 521


Standard Busfahrt (Teil 2)

Nach einer fürchterlichen Nacht fühle ich mich wie erschlagen. Er muss raus hier! Heute noch! Ich weiß nicht, wo er her kommt, ich weiß nicht, ob er dort in einem Federbett schlafen durfte und vor allem weiß ich nicht, warum er sich die ganze Zeit kratzt. Das macht mich wahnsinnig. Ich würde gerne ausgiebig duschen, aber das Bad ist der einzige Ort, an den er mir nicht auf dem Fuße folgt. Nicht zu wissen, was er treibt, ist noch schlimmer, als ihn im Zwanzig-Minuten-Takt aus meinem Bett rauszujagen.
Schwer vorstellbar, dass den irgendwer vermisst, trotzdem wähle ich entnervt die Nummer vom Fundbüro. „Nein“, sagt eine gelangweilte Frauenstimme, „hier hat sich niemand gemeldet, der einen Hund verloren hätte. Wie sieht er denn aus und wo ist er ihnen zugelaufen?“ „Im Bus, Linie 15.“, sage ich wahrheitsgetreu. „Er ist hinter mir ausgestiegen und lief mir einfach nach.“ Die Frau schreibt sich das auf. „Beschreibung?“ Ich schaue zu meinem Sessel, den er für seinen hält. „Er ist braun, ziemlich groß, zottelig mit Schlappohren und sein linker Fuß ist beigefarben.“ Wieder schrappt ein Schreiber. „Rasse?“ „Weiß ich nicht, keine Ahnung…“ Der Beschriebene lenkt mich ab, er steht vor der Wohnungstür und kratzt daran herum. Ich meine zu wissen, was das heißt und will jetzt schnell auflegen. „Kann ich ihn denn bei ihnen abliefern?“, frage ich noch fahrig und suche dabei schon hektisch meine Schlüssel. „Das soll wohl ein Witz sein?“ Arrogante Schnepfe… Ich lege auf und reiße die Tür auf. Er stürmt raus, ich hinterher. Wieso eigentlich, ich könnte die Tür wieder schließen, in Ruhe duschen und pünktlich zur Arbeit kommen. Stattdessen hetze ich keuchend hinter ihm her und hole erst auf, als er stehenbleibt und mitten auf dem Bürgersteig einen grotesk großen Haufen macht. Ungläubig beobachtet ein älterer Mann mit Hut die Szenerie, schaut erst den entspannt auf dem Gehweg hockenden Hund an, dann mich, wie ich abgehetzt um die Ecke biege und nach Luft ringend neben ihm stehenbleibe. „Das ist ja wohl die Höhe!“, legt er wie erwartet los, „Ihr Hund gehört an die Leine! So eine Schweinerei hab ich ja schon lange nicht mehr gesehen! Räumen sie das gefälligst vom Gehweg weg!“ Mir reicht es jetzt. Ich habe es satt zu erklären, dass das nicht mein Hund ist. Geschenkt auch, dass ich natürlich weder Leine noch Tüte habe und erst recht keine Zeit mehr, wenn ich meinen Job behalten will. Mir ist scheißegal, wer diesen Haufen wegräumt, ich werde es nicht tun.
Dem Mann erwidere ich gar nichts, wende mich einfach ab und sprinte wieder los. Begleitet von begeistertem Freudengebell stürme ich um die Ecke. Hinter mir höre ich ihn noch zetern, vielleicht folgt er uns sogar. Aber ich bin schnell und mein pietätloses Monster rast mit wehenden Schlappohren vor mir her. Irgendwie löst sich die Spannung und ich lache prustend los, bin nach ein paar hundert Metern völlig außer Atem und finde mich vor einer kleinen Bäckerei wieder, wo ich zwei Laugenbrötchen kaufe. Mit einem Happs ist seins verschwunden. Sind Brötchen schädlich für Hunde? Keine Ahnung. Vielleicht doch besser Hundefutter. Ein Blick auf die Uhr lässt mich wieder losrasen. Neben meiner Wohnung ist ein kleiner Kiosk, da stürmen wir rein und verlangen Hundefutter. Hat er natürlich nicht. Nur Wiskas in winzigen Dosen für gewaltige Preise. „Magst du das?“, frage ich den Hund und halte ihm eine Dose vor die feuchte Nase. Er schnüffelt kurz daran, legt den Kopf schief und schaut mich fragend an. Er weiß wohl auch nicht. Ich kaufe vier Dosen.
Wieder zu Hause, rufe ich resigniert auf der Arbeit an und melde mich krank. „Ja ja, Grippe. Geht jetzt um. Kann man nix machen. Jetzt erst mal Wochenende und bis Montag dann.“ Während das Monster geräuschvoll Katzenfutter aus einem Blumentopf mampft, diskutiere ich mit dem Tierheim herum. Die sind voll bis unters Dach, ob ich ihn nicht behalten könne, bis der Besitzer sich meldet. Als ich das rigoros ablehne, gibt man schließlich nach und eine Stunde später stehe ich mit dem an einen Winterschal geleinten Hund auf der Matte. Der Mann, der mich empfängt ist freundlich und führt mich bereitwillig herum. Hier war ich noch nie. Es ist eng und laut. Obwohl das Tierheim einen gepflegten Eindruck macht und alle Zwinger halb im Freien liegen, bedrückt mich der Anblick. Mein Monster trabt die ganze Zeit an meiner Seite. Ich habe ihm den durchgekauten Winterschal abgenommen. Hier stört sich niemand daran. Der nette Pfleger erklärt mir, dass er den Hund erst mal dem Tierarzt vorstellen will, ob ich denn dabei sein wolle. Weil ich ja offiziell auch krank bin und Zeit habe, komme ich also mit. Auch der Tierarzt ist sehr nett und bei der Untersuchung halte ich dem winselnden Monster symbolträchtig die Pfote. Das Ergebnis ist allerdings erschreckend. Milben und Flöhe hat er. „Die Flöhe springen auch auf Menschen über“, erklärt der Tierarzt, „Haben sie das Tier denn mit in ihre Wohnung genommen?“ Ich denke an mein wunderschönes Doppelbett und will jetzt nur noch wissen, wie ich die Biester wieder los werden kann. Der Tierarzt gibt mir ein Spray und empfiehlt mir, alles Waschbare zu kochen. Als es Zeit wird sich zu verabschieden heult mein Monster los, sobald ich aus seinem Blickfeld bin. Der Tierarzt hält ihn zurück, aber er spielt weiter verrückt und will nicht nachgeben. Bis zum Wagen verfolgt mich das Gebell. Erst als ich den Motor starte, kann ich es nicht mehr hören. Das war’s dann also?
Die Dusche zu Hause ist mehr als notwendig. Nach dem dritten Waschgang läuft immer noch gräulicher Schaum aus den langen Haaren. Entsetzt steht Monster zitternd in der Wanne und lässt die Prozedur über sich ergehen. Mein Hund ist auf bezaubernde Weise wasserscheu und jetzt sehr kleinlaut. Gerade waren wie einkaufen. Folgende Ding haben wir erstanden: Eine knallrote Hundeleine mit Halsband, eine Rolle Frischhaltetüten, eine Vorratspackung Babyshampoo, Trockenfutter in riesigen Papptüten, ein Flohhalsband und eine bronzefarbene Plakette, die ich gravieren lassen will, damit Monster sich in Zukunft ausweisen kann.
Nach dem Bad sitzen wir gemütlich in unserem Sessel und lesen meinen Mietvertrag. Haustiere sind nicht gestattet, außerdem darf ich keine Papageien halten und nicht Trompete spielen. Von flohverseuchten Monstern immerhin steht explizit nichts. Achselzuckend lege ich das Dokument beiseite und kraule weiter Monsters Ohren trocken.
Aquaria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.03.2011, 00:20   #2
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909


Hallo Aquaria,

die amüsante Geschichte geht aus, wie ich mir das gewünscht habe. Bei den Anschaffungen fehlen vielleicht Requisten, die weiche Haufen (bei Diarrhoe) rückstandsfrei in die Frischhaltebeutel zu überführen. Wegen der zimperlichen Zeter-Opas...
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.03.2011, 22:26   #3
weiblich Aquaria
 
Dabei seit: 02/2010
Alter: 42
Beiträge: 521


Also gummibaum, ich muss doch sehr darum bitten, dass jetzt nicht du auch noch mit der Fäkalsprache anfängst.
Ich habe hier wohl einen schlechten Einfluss...
Aquaria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.03.2011, 23:22   #4
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909


Sei unbesorgt. Mein Gedicht "Oh, Koteslust" (8.4.10) zeigt, dass du schuldlos bist. Ich bin autark. LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
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