Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 20.12.2010, 22:04   #1
männlich Peacefrog
 
Dabei seit: 12/2010
Alter: 33
Beiträge: 2


Standard «Mädchen im Glas»

Ich erzähle von der Liebe, vom Schmerz, unendlich, unkontrollierbar, jedoch schön wie es ein Sonnenuntergang nicht zu sein vermag.

Er hatte wieder einmal Reissaus genommen aus der Realität die ihn doch so sehr zu erdrücken schien. Wie jedesmal wenn seine Gedanken ihm Streiche spielten, versuchte er Zuflucht im Freien zu finden. Er ging seinen gewohnten Weg am kleinen aber klaren Bächlein entlang, welches irgendwo in der Ferne als blaue kleine Schleife im Blau des Himmels versank. Wie sehr erhoffte er sich, endlich aus diesem verfluchten Teufelskreis der Unzufriedenheit aussteigen zu können. Er verpasste den auffällig grossen und groben Kieselsteinen einen kleinen Stoss mit seinem rechten Fuss, sodass sie in springender Bewegung in den Bach purzelten. Dort hinterliessen sie jeweils kreisförmig, austreibende Wellen, die das Sonnenlicht glitzernd reflektierten. Diese Beschäftigung besänftigte ihn auf unnatürliche Weise. Das geheimnisvolle Glitzern. Die reibungslosen Bewegungen der Wellen. Sanft. Liebevoll.
Nach einiger Zeit sturem zu Boden starren, blickte er in das verzweigte, dunkelbraune Geäste des alten Waldes zu seiner Rechten. Die Dunkelheit die sich in die Tiefe des Waldes zurückzog lag drohend in der Ferne. Ein kleiner Schauer lief ihm den Rücken hinunter, fast so als würde eine eisige Hand in seinen Nacken greifen. In jenem Augenblick als er den Blick von dem düsteren Anblick abwenden wollte, fiel ihm ein Funkeln irgendwo in der tiefe der Dunkelheit ins Auge. Irgend etwas riss Ihn sichtlich zu dem Funkeln hin, er stolperte über die modrigen Wurzeln zu dem kleinen Schimmer hin. Er bog um die letzte gekrümmte Eberesche und sah da vor sich eine art Kuppel. Vollkommen gläsern und zerbrechlich. Die Interesse vom Glaskörper abgewandt versuchte er zu erkennen was sich in diesem «Glas» befand. Er konnte feine Umrisse erkennen. Umrisse einer jungen Frau. Er trat näher an die Glaskuppel heran. Die gestalt nahm Konturen an. Er konnte sehen wie ihr blondes Haar in geschwungenen Wellen bis zur Taille reichte. Zwei, drei hauchdünne Strähnchen leiteten seinen Blick in das wunderhübsche Gesicht des Mädchens. Zuerst fiel ihm das sanfte, herzliche Lachen auf. Sein Blick wanderte über die kleine, feine Nase zu den Augen. Sie Blickte direkt in seine Augen. Er merkte wie sein Gewissen zerrte den Blick abzuwenden. Doch da war keine Verlegenheit. Er befand sich irgendwo im tiefen Grün ihrer Augen, schimmernd. Er verlor sich vollkommen, er vergas den bedrohlichen Wald, die bedrohliche Dunkelheit, konnte nur noch an glückliche Momente denken wie, die salzige Meeresluft die den Sand aufwirbelt, helle Sterne die am Himmel funkeln, eine warme Umarmung eines liebevollen Menschen. Doch auf einmal wurde er aus dem Grün gerissen. Zurück in die Dunkelheit des Waldes, zurück vor das Glas, das Ihn von den grünen Augen trennte. Er sah wie das Mädchen, den Blick auf den Boden gerichtet, weinte. Er wollte helfen traute sich aber nicht, das zerbrechliche Glas zu berühren. Er stand nun so nahe vor dem Glas, dass sein Atem kleine weisse Wölkchen auf der glatten Oberfläche hinterliess. Der Gedanke an den Versuch das Glas einfach zu zerschlagen pochte in seinem Kopf. Immer und immer wider dachte er «versuch es einfach, tu es!» In jenem Moment da er sich entschied, einen glatten, spitzen Stein aufzuheben raschelte es unmittelbar neben seinem linken Ohr. Wie jemand der gerade bei einer grossen Dummheit erwischt wurde, suchte er nach dem geheimnisvollen Rascheln. Zuerst sah er nur einen kleinen weissen Ball der etwas dämlich aussah. Doch bei genauerem betrachten des komischen Etwas, sah er den kleinen, hackenförmigen Schnabel und die Blitzend gelben Augen einer Schneeweissen Eule. «Kleiner Vogel, du hast mich aber erschreckt», sagte er laut zu sich selbst um den Schrecken zu schlucken und wollte mit seinem Vorhaben, dem Mädchen zu helfen, fortfahren. «Du Dummer Junge» begann die Eule, «hältst du es wirklich für richtig des Mädchens einziger Schutz zu zerstören?! Was alles passieren könnte wenn du etwas falsch machen würdest! Ich möchte dir nicht sagen was du zu tun oder lassen hast. Ich bringe dir einfach die Sicht einer Aussenstehenden „Person“. Lass dich nicht verleiten von grünen Augen. Das Mädchen weiss was sie hat und was sie haben möchte. Lass dir Zeit und die Zeit selbst wird dir bringen was immer du dir ersehnst. Das soll nicht heissen, dass du warten sollst. Die Zeit zeigt dir auf was nun zu tun ist.» Mit einem leisen Glucksen steckte die Eule ihren Kopf unter den rechten Flügel und regte sich nicht mehr. Vor lauter Gewissensbissen entging ihm, dass der Wald von der feuchten Dunkelheit eingehüllt wurde. Er spürte den glatten, spitzen Stein den er immer noch in seiner Rechten hielt und begriff, dass ihn eine fiese Kälte überkam. Da, wo vor einigen Sekunden noch sein Glück, sein Leben, seine Hoffnung war, konnte er jetzt nur noch ein verkrüppelten mit Moos bewachsenen Wurzelstock erkennen. Er verfiel in Angst, blickte wild um sich in der Hoffnung einen Schimmer zu entdecken, den ihn zurück zu der Quelle der Wärme führen würde. Er sammelte sich kurz, wusste dass er sich nicht der Angst hingeben durfte. Er Atmete leise und ruhig und versuchte sich zu erinnern aus welcher Richtung er gekommen war. Sein Blick streifte die gebückte Gestalt der Eberesche an der er sich beim kommen, vorbeigedrängt hatte. Er rannte los, über Wurzeln, unter Bäumen und an dunklen Ecken vorbei bis er sich an der kleinen Uferböschung des Bächleins wiederfand. Er lag auf dem Gehweg. Arme und Beine von sich gestreckt. Er Atmete nun heftig und in grossen Zügen. Er wusste nicht, ob das, was eben geschehen war, echt sein konnte. Ein Mädchen, ganz alleine im Wald, in einem Glas, eine sprechende Eule. Doch sein Gefühl, das er bis in die Fingerspitzen trug, wenn seine Gedanken dem Mädchen galten, verriet ihm, dass das eben Erlebte wahr sein musste. Er blickte in den Wald zurück, spürte nun die warme Sonne im Nacken. Dort wo sich das helle Schimmern befand war nur noch Dunkelheit zu erkennen.

Die darauf folgenden Tage wurden zu den schlimmsten Tagen seines Lebens. Voller Sehnsucht, voller Hass auf sich selbst. Voller Trauer. Er wünschte sich von ganzem Herzen diesen Engel zu vergessen. Er gab der Eule recht. Nicht er war es, der zu bestimmen hatte ob er dem weinenden Mädchen helfen durfte oder nicht. Es lag nicht in seiner Hand.
Die einzige trostspendende Zeit war die Nacht, wenn alles still war. Nichts sich bewegte. Nur das stetige Funkeln der Sterne die Stille der Landschaft durchbrach. Er träumte. Von grünen Augen die ihn vergessen lassen was ihn bedrückte. Von fröhlichem Gelächter. Doch nie schaffte er es, sich an das Gesicht des Mädchens zu erinnern. Die grünen Augen nahmen in vollkommen ein.

Es war wieder einer dieser Tage, die in zu Boden drückten. Er war zerstört von der Sehnsucht nach diesem Gefühl, dass das Mädchen im Glas ihm geschenkt hatte. Doch diesmal war es erstaunlich leicht ertragbar. Die Gegenstände die unmittelbar vor ihm Lagen schienen scharf. Doch die Umrisse verloren an Schärfe je weiter sie sich seinem Blickfeldrand näherten. Er erhob sich aus dem weichen, dunkelblauen Sessel den sein Vater so mochte. Er ging, nein schwebte fast den geschotterten Weg am Bächlein entlang. Seine Füsse führten ihn. Er konnte die Stelle erkennen wo er in den Wald eingebogen war. Konnte fühlen wie es ihn in den Wald zog. Über Stock und Stein immer auf die Eberesche zu. Er konnte seine Aufregung spüren die ihn erzittern lies. Er sprang die letzten Meter bis er die raue Oberfläche der Eberesche mit seiner Hand berührte. Er ging um den alten Baum, voller Neugier. Doch da war nichts erleuchtendes, nur der verkrüppelte mit Moos bewachsene Wurzelstock auf der sich die kleine Schneeeule befand. Sie blickte uninteressiert in seine Richtung. Er ging zu ihr hin. Wusste nicht was Sinn und Zweck seiner Aktion war. Er hatte so fest daran geglaubt den Anblick des Mädchens zu geniessen. Doch stattdessen sass hier nur die kleine Eule die ihm nur ein mulmiges Gefühl verschaffte. Er kniete nieder um der Eule in ihre gelben Augen zu blicken. Bevor er irgendetwas sagen konnte, krächzte die Eule mit belustigter Stimme: «Und? Hast du bekommen was du ersehnst?». «Nein, ich bin nicht weiter als damals wo wir uns hier begegnet sind». Die Eule nickte kurz und gab dann zu bedenken: «Du wirst doch nicht aufgeben? Ich kann den Schmerz in deinen Augen sehen, die Sehnsucht schreit aus deinem Gesicht». Er dachte kurz nach bevor er antwortete. «Ich bin nahe daran aufzugeben. Nur in meinen Träumen erlaubt sie mir die Gefühle zu spüren die ich so vermisse. Voller Hoffnung breche ich auf um sie hier zu treffen jedoch treffe ich nur dich. Aufgeben werde ich wohl nie können! Ich würde Jahrtausende lang die Sterne durchwandern, in alle Formen mich kleiden, in alle Sprachen des Lebens, um ihr Einmal wieder zu begegnen. Aber ich denke, was sich gleich ist, findet sich irgendwann.»
Die Eule grinste: «Ich kann sehen, deine Geduld war dem Scheitern nahe, doch hast du nie aufgehört daran zu glauben, obwohl du kein Beweis hast, dass es sie überhaupt gibt. Halte durch, es wird sich lohnen!
Die Eule entfernte sich rasend schnell, die Bäume zogen an ihm vorbei. Helles licht blendete ihn.

Er schreckte auf. Wusste nicht recht wo er war. Sah um sich und konnte den blauen Sessel erkennen in dem er eingesunken lag. «Ich habe wohl geträumt?!» Es schien ihm nicht als wäre es ein Traum gewesen. Er hatte immer noch den modrigen Geruch des Waldes in der Nase. «Drehe ich langsam durch?!» Er fühlte sich mies und vom Leben gequält. Er erhob sich langsam und fühlte wie seine Gelenke noch versteift waren. Ging in die Küche, trank ein Glas kalter Saft. Er entschied sich noch eine Weile spazieren zu gehen, um über das Geträumte nachzudenken. Die Worte der Eule klangen immer noch in seinen Ohren: «Halte durch, es wird sich lohnen».
Er ging seinen gewohnten Weg am kleinen aber klaren Bächlein entlang, welches irgendwo in der Ferne als blaue kleine Schleife im Blau des Himmels versank. Wie sehr erhoffte er sich, endlich aus diesem verfluchten Teufelskreis der Unzufriedenheit aussteigen zu können. Er ging an die Stelle wo er vor einigen Tagen das Schimmern im Wald entdeckt hatte. Er stand da. Blickte ins Dunkle. Er konnte nicht anders, ging los. Fand geknickte Sträucher die er wohl beim letzten Mal niedergetrampelt hatte. Passierte die Eberesche. Alles schien normal. Eine kleine düster Lichtung, irgendwo in irgendeinem Wald, der vertraute verkrüppelte, moosige Wurzelstock. Nichts von einem Mädchen wie ein Engel, auch nichts von einer sprechenden Eule. Traurig stand er da. Tränen in den Augen. Er schluchzte ein wenig, denn er hatte das Gefühl als verlöre er eine deutliche Fussspur im Schnee, der er schon ewig folgte. Er Atmete einmal laut aus. Begriff dass er seinen Träumen nachjagte und immer und immer wider enttäuscht wurde. Er betrat die grobe Oberfläche des geschotterten Weges. Setzte sich ins hohe, langsam kaltwerdende Gras, und Blickte auf eine ruhige Stelle im Bächlein. Sah die Spiegelung der untergehenden Sonne in diesem winzigen Fleck der Welt. Er dachte über all das nach was im widerfahren ist. Ist es möglich sich so fest an etwas zu fesseln, dass man darüber das Wohl an sich selbst verliert?! Er war nicht mehr traurig, nein, mehr wütend. Auf die sich selbst und die Welt. Alles wäre so einfach, doch die Menschen neigen dazu alles ins komplizierte zu ziehen. Er schmiss einen glatten Kiesel in die ruhige spiegelnde Stelle des Bächleins. Er sah wie sich die Wellen kreisförmig ausdehnten. Doch da war etwas Neues in der Spiegelung. Er konnte zuerst nichts erkennen weil die Oberfläche noch in Bewegung war. Die Wellen legten sich. Er sah grüne Augen. Er begriff in wenigen Sekunden. Schnellte hoch... da war nichts. Ausser ihm selbst und ein paar Mücken die ihm um den Kopf schwirrten. Er traute der Realität nicht. Sie war in der Nähe, er wusste es! Er setzte zum Spurt an war in Windeseile bei der Eberesche vorbei. Auf der kleinen, dunklen Lichtung. Keine Glaskuppel. Da sass sie. Auf dem Wurzelstock. In ihrer vollkommenen Schönheit. Schöner als er sich zu erinnern vermochte. Sie zupfte die kleinen Blättchen einer Margerite aus und lies diese auf ihr weisses, seidenes Kleid fallen. Sie blickte auf. Ihr Blick traf den meinen. Ein liebevolles Lächeln streifte ihr Gesicht und sie sprach mit leiser, klarer Stimme: «Komm näher». Er trat vorsichtig näher. Er hatte angst dass sich bei jedem Schritt mit dem er sich näherte, alles wieder verschwinden würde. Sie wiederholte nochmals: «Komm näher». Er war nun ganz nah bei Ihr. Sie erhob sich. Sie war etwa eine Handbreit kleiner als er. Sie blickte mit ihren grünen Augen. Alles drehte sich in seinem Kopf. Sein Körper war erfüllt von diesem dröhnenden Gefühl des Glücks, der Freiheit... ja, sogar der Liebe. «Ich bin froh hast du gewartet» sagte sie mit derselben, leisen, klaren Stimme. «Ich muss dich wa...» Das letzte Wort ging unter in einem langen Kuss. Er konnte sich nicht erklären woher er diesen Mut nahm und die Gewissheit dies zu dürfen. Er stand da. Hielt sie fest in seinen Armen. Mit dem Gefühl der unglaublichen tiefen Wärme. Er küsste sie und jede Faser seines Körpers schien vor Freude ausser sich. Sie erwiderte seinen Kuss mit ihren honigsüssen Lippen. Sie zog ihn an sich. Neigte ihren Kopf aber in Richtung Boden. Irgend etwas versuchte das hauchdünne Gebäude aus Glück mit aller Wucht zu zerstören. Er drückte sie nochmals etwas fester an sich bis sie schliesslich zu ihm aufblickte. Er sah das runde glänzende Tränen über ihre nun feuchten Wangen kullerten. «Das darfst du nicht!» schluchzte sie mit brechender Stimme. «Was, wiso nicht?» Jetzt erst füllten sich auch seine Augen mit Tränen. Er wusste nicht wie oder was sein Glück jetzt noch zerstören könnte! So fest er es auch leugnen wollte, tief in sich wusste er, dass er dies wirklich nicht machen durfte. Sie flehte ihn nun an «lauf doch weg, schnell bevor du selbst gefangen bist!». «Nein das werde ich nicht tun. Ich will dich schützen, nur mit dir fühle ich mich vollständig. Nur mit deinen tiefen Augen kann ich Ruhe finden an Tagen die ich fast nicht zu überstehen vermag. Auf ewig möchte ich mit dir zusammensein. Dich niemals loslassen. Denn ich liebe dich...!»

Das kleine, blondhaarige Mädchen. Sitzt in einer Glaskuppel. Das Glas glänzt als wäre es ganz neu. Ein Vorbeistreichender würde Mitleid mit ihr haben. Doch nur sie kennt das Geheimnis des Glases das sie umgibt...
Peacefrog ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für «Mädchen im Glas»



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Piraten im Glas Ex-Ralfchen Lebensalltag, Natur und Universum 5 08.01.2010 21:04
Aus Glas Lady Chaos Düstere Welten und Abgründiges 5 14.08.2008 18:19
Mädchen aus Glas red.squirrel Düstere Welten und Abgründiges 3 12.02.2007 22:43
Glas H-erzlos Lebensalltag, Natur und Universum 0 21.10.2006 22:21
Gitter aus Glas Riif-Sa Gefühlte Momente und Emotionen 1 13.12.2004 18:59


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.