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Alt 02.10.2007, 17:35   #1
Mimi
 
Dabei seit: 03/2007
Beiträge: 12

Standard Im Zweifel für die Angeklagte

Also wie ich schonmal erwähnt habe, fange ich mit dem Kurzgeschichten schreiben gerade erst an. Deswegen und weil der Geschichte definitiv noch was fehlt, stelle ich sie hier in die Schreibwerkstadt und hoffe einfach mal auf Kritik und Anregungen ;-)


Im Zweifel für die Angeklagte

„Angeklagte! Sie wurden des schweren Betrugs und vorsätzlicher Körperverletzung beschuldigt. Was haben sie zu ihrer Verteidigung vorzubringen?“
Stummes Lächeln. Keine Regung.
Der Richter schüttelt seufzend den Kopf. Er kennt diese Fälle. Zur Genüge. In Momenten wie diesen kam es nicht selten vor, dass er ernsthaft bezweifelte den richtigen Beruf gewählt zu haben. Aber was hieß Beruf? Und es war ja auch nicht so, dass er irgendeine Wahl hätte.
„Hat die Seite der Anklage Fragen an die Angeklagte?“ Spulte er routiniert die Frage runter. Wie überflüssig. Jeder Anwesende wusste die Antwort.
„Oh ja! Habe ich!“ Natürlich, was auch sonst.
Die Klägerin hatte sich erhoben, trat Auge in Auge an das Opfer ihrer aufgestauten Fragen heran. Versessen auf Antworten.
„Was soll das? Wieso tust du das? Ich habe nichts getan!“ Brach es ungehalten aus ihr hervor.
„Ich möchte die Klägerin auffordern, sich konkreter auszudrücken!“ Unterbrach der Richter leise seufzend an dieser Stelle. Sie würden es nie lernen.
Ein kurzer Moment des bebenden Schweigens auf Seiten der Anklage. Bebend vor angestauter Wut.
„Wieso hältst du mich so lange fern, von dem was ich brauche? Wieso behältst du so lange alles Wissen für dich? Es ist deine Aufgabe mich vorzubereiten, mich weiterzubilden. All sie Jahre hast du mir weiß gemacht, dass es bald soweit ist. Ich habe mich auf dich verlassen! Wir hatten eine Abmachung! Und jetzt, auf einmal zeigst du mir alles! Und willst es mir dann nicht geben! Statt mir endlich das Wissen zu geben, das mir zusteht, fällst du mir in den Rücken. Bedrohst mich! Quälst mich!
Wieso? Was hast du davon?“
Stummes Lächeln. Sanfte Stille.
„Wieso antwortest du nicht? Wieso rechtfertigst du dich nicht? Sag mir wieso!“
Keine Regung. Warme Weisheit aus unergründlichen Augen.
„Antworte!“ Die Verzweiflung teilt die Wut. Schreie weichen Schluchzen.
„Wieso zeigst du mir den Weg zum Ziel und lässt mich dann nicht durch? Wieso zeigst du mir gerade jetzt, dass es gibt, was ich gerade aufgeben wollte... und gibst es mir dann nicht? Wieso lockst du mich so heimtückisch in die Falle? Die Wunden bluten noch, sieh her! Sie heilen nicht. Nicht solange ich nicht weiß wieso! Sag es mir! Rede mit mir!“
Tränen lösen den Gerichtssaal langsam auf. Schaulustige zerfließen in Vergessen. Anwälte waren nie da. Nur der Richter bleibt. Und die Angeklagte. Noch einen Moment.
„Es ist nicht fair!“ Leise Stimme in der Leere. Als Antwort nur das alte Lächeln. Weise und stumm.
„Wieso? Wieso?“
Seufzend sieht der Richter hinunter zu ihr, die auf dem schwarzen Boden kniet. Verzweifelt nach Antwort flehend.
Er kannte dies alles nur zu gut. Er hebt den Blick, trifft auf die stumme Angeklagte, schüttelt den Kopf. Wann werden die lernen, dass diese Eine nicht anklagbar ist, egal wer es versucht. Die eine, von vielen verehrt, von eben so vielen gehasst und verachtet. Die eine, bekannt für ungekannte Grausamkeit und unmenschliche Güte.
„Wieso?“ Flüstern versinkt in Dunkelheit. Gleitet immer tiefer, weiter fort.
Der Streit ist verloren, wie immer für die Anklage. Richter und Angeklagte wechseln einen Blick, wenden sich zum gehen, verlassen den Schauplatz
„Wieso lässt du sie nicht einfach alle in Frieden?“ Fragt der Richter wie beiläufig, während sie langsam in der leere verschwinden. „Wäre dann nicht alles viel einfacher?“
Stummes Lächeln. Weises Schweigen.
Der Richter seufzt. „Jaja, im Zweifel für die Angeklagte. Im Zweifel für die Liebe.“
Mimi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.10.2007, 18:39   #2
Cado
 
Dabei seit: 09/2007
Beiträge: 17

Standard RE: Im Zweifel für die Angeklagte

Zitat:
Original von Mimi
Tränen lösen den Gerichtssaal langsam auf. Schaulustige zerfließen in Vergessen. Anwälte waren nie da. Nur der Richter bleibt. Und die Angeklagte. Noch einen Moment.
„Es ist nicht fair!“ Leise Stimme in der Leere. Als Antwort nur das alte Lächeln. Weise und stumm.“
Eventuell nur mein Eindruck, aber ist so gedacht das man die Perspektive hier vermuten soll? Das sieht für mich so aus, als ob du hier aus deiner inneren Perspektive auf die Geschichte und der Idee dahinter an sich schilderst.
Cado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.10.2007, 21:41   #3
Mimi
 
Dabei seit: 03/2007
Beiträge: 12

hallo Cado,
natürlich ist die Geschichte bis zu nem gewissen Punkt aus meiner 'Perspektive' geschrieben. Bewusst darauf gesetzt, dass das an der Stelle rauskommt habe ich nicht, aber kommt sowas nicht oft ungewollt? ;-)
Mimi ist offline   Mit Zitat antworten
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