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Alt 02.09.2012, 19:40   #1
männlich Desperado
 
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Beiträge: 1.747


Standard Brennende Hazienda

Du willst auf den Zacken des Blitzes reiten?
Du willst im kochenden Lavastrom schwimmen?
Du willst auf Sturmwolken über den Himmel jagen?

Kein Problem, alles überhaupt kein Problem und jederzeit zu machen, spielend leicht.

Glaube nicht, dass dir die Tore Babylons schmutzig erscheinen, wenn du dich ihnen näherst. Sie glänzen blitzsauber und blankpoliert wie die Gürtelschnalle des Senor und die Stiefelspitzen des Cavaliere. Dass ihre Innenseite beschmiert ist mit Dreck, Unrat, Erbrochenem und Fäkalien, siehst du erst wenn du über ihre Schwelle geritten bist, und es gibt kein Zurück mehr.

Gib dem Teufel den kleinen Finger und er zerrt dir die Hand vom Gelenk, gib ihm die Hand und er reißt sie dir aus der Schulter. Glaubst du, du kannst dir Gnade erkaufen, verdienen, erschleichen, erflehen oder erringen, wenn du dir die Ungnade zum Zeitvertreib gemacht hast? Zum billigen Unterpfand gezinkten Kartenspiels?

Du willst Gerechtigkeit, obwohl du selbst keine Rechtfertigung in der Satteltasche hast, nicht einmal für dein Pferd? Andere haben es gestriegelt und aufgezäumt, andere reiben ihm den dampfenden Schweiß von den Flanken und den Schmutz von den Fesseln. Zerfurchte Sklavenhände voller Schwielen und Narben kämmen ihm die Mähne und glätten ihm den Schweif. Deine manikürten und gepflegten weichgeölten Handteller mit geschliffenen Nägeln an den rosigen Fingerkuppen sind es, die den hart erarbeiteten Lohn ihrer Mühen in den eigenen schmerbäuchigen goldkettenbehangenen Ranzen stecken, während du sie mit hartem schimmligen Brot abspeist.

Die Schlinge um deinen unersättlichen Gierhals wird aus den Goldkordeln geflochten sein, mit denen du deine samtenen, silberbestickten, edelsteindurchwirkten Vorhänge über deinem Himmelbett zusammenbindest, nachdem du eine unberührte Jungfrau dahinter vergewaltigst und geschändet hast mit dem abscheulichen Rechtsanspruch widerwärtiger Erstbesteigung. Sie werden dir deine Diamantringe samt den Fingern von den Händen schneiden, dir die Hoden aus den Leisten und die Eingeweide aus den Lenden reißen. Deine porzellanweißen zartgliedrigen Töchter werden den grobschlächtigen Stallknechten Kinder gebären, so wie ihre buckliggeschufteten Frauen dir die deinen geboren haben im Wehenschrei der Entehrung.

Deine berstenden Vorratskammern und deine Kornspeicher, die sich biegen unter der Last ihrer Übermenge, füllen nun die zusammengeschrumpften Mägen ihrer abgemagerten Kinder und stopfen ihre verschorften zahnlosen Münder. Der Saft deiner glänzend geriebenen Äpfel und deiner platzenden Pampelmusen tropft von ihren rissigen Lippen.

Knie nieder und bete.

Stolzer Edelmann und hochmütiger Ritter, dein kostbar prunkvolles Gewand liegt zerfetzt in der Schweinesuhle, dein kühngeschwungener Säbel zerbrochen zwischen stumpfen Pflugscharen und rostigen Nägeln. Schrei zum Gott deiner willfährigen Mönche, die dir den Ablass für deine ungezählten Schandtaten auf silbernem Tablett servierten für das Kopfgeld einer gefälligen Spende. Glaubst du er wird dich hören? Ich fürchte, seine Gehöhrgänge sind verstopft von den himmelschreienden Klagen und bluttriefenden Tränen deiner Richter und Henker.

Taufe das Kind des Bettlers mit Wasser und du hast es mit Blut getauft, tauf’ es mit Blut und du hast es mit Feuer getauft, tauf’ es mit Feuer und du wirst kein Wasser mehr finden, das die Kraft hat es zu löschen. So wie keiner mehr die brennende Hazienda unten im Tal löschen kann, deren elfenbeinerne Prunksäulen aus der Balustrade stürzen wie modrige Zaunpfosten aus ihrer Stacheldrahtfassung. Kommt immer wieder mal vor so eine Leibeigenenerhebung und ist bei aller Berechtigung und allem Verständnis kein besonders erhebender Anblick.

Lachend und johlend rollen die waffenbehangenen Männer riesige Weinfässer aus den Kellern. Es wird ein rauschendes Fest geben in dieser Nacht, sie werden feiern und tanzen bis ins Morgengrauen und den Tag hinein, auf ihren Mandolinen und Schifferklavieren spielen bis ihnen die Finger abfallen, ausgelassen die Magazine ihrer Gewehre in den Nachthimmel pfeffern und den fettesten Ochsen am Spieß über loderndem Feuer drehen. Während sich die Raben und Geier an ihren am prächtig ausladenden Hofbaum gehenkten Blutsaugern und Todschindern gütlich tun.

Wie wird wohl ihr neues gewaltsam erzwungenes Leben in Freiheit weitergehen? Man wird sehen, eigentlich ist ja alles reichlich zur Genüge vorhanden, was sie zum Leben brauchen. Nur reibt sich ihr Rädelsführer, abseits im Dunkel stehend, das bärtige Kinn und krault mit verspielten Fingern den üppigen Bartwuchs im Hochgefühl gewonnener Macht. Wann kommt der Tag, an dem er seine Peitsche auf ihre geschundenen Rücken niedersausen lässt? Oder hat er vor dem Morgengrauen schon begonnen in der Mördergrube seines verfinsterten Herzens?

Wie kommt es, dass die stolze schöne Senora des brennenden Hauses mit Riemen gefesselt zu seinen Füßen liegt?

Schlaf mit dem Teufel und du musst die Zeche bezahlen, er wird dich holen, wenn Zeit und Stunde reif und bereit sind zur ewigen Bluthochzeit. Er hat alle Zeit der Welt und kennt seine Stunde, er kann warten, wie der ausgestopfte Büffelschädel im Staub es tut, der seines neuen Platzes überm offenen Kaminfeuer gewiss sein darf.

Die Mönche betrachten neugierig aus ihren Mauerritzen heraus die weithin leuchtenden Flammen und warten geduldig darauf, dass der Meuterer in Sackleinen gehüllt und barfüßig angelaufen kommt und an ihre Pforte klopft, um ihnen bußfertig seine reuige Beichte zu gesalbten Füßen zu legen. Mit einem fetten Bündel amerikanischer Dollars in der Tasche als Opfergabe für den darbenden Stock. Ihr großmütig vergebender Segen wird seine gewaltsam errungene Position zu Gottes Ratschluss erheben und festigen, ihn selbst barmherzig und seine blutgetränkten Füße gnädig auf den blutbesudelten Sockel des gestürzten Vorgängers setzen.

Doch was kümmern Blendwerk und Teufelei dieser Sorte einen alten Desperado?
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