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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 15.05.2017, 00:51   #1
männlich Peter von Glatz
 
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Beiträge: 122

Standard streifen am himmel

streifen am himmel

meine städte haben sie zerstört
meine straßen und wege zerfahren
meine brücken alle gesprengt
meine felder und wälder verwüstet
mein volk haben sie gemordet
und meine heimat mir geraubt

zwar hat man neue häuser gebaut
aber es sind nicht mehr meine alten städte
gewiß doch die fahrbahnen sind breiter und glatter erstanden
aber sie führen mich zu anderen ufern
ja ich weiß man hat die brücken alle längst ersetzt
aber meine alten verbindungen bleiben zerrissen
natürlich wachsen alle jahre bäume und früchte
aber damals litten wir hunger und froren
freilich neue völker wurden inzwischen geboren
aber meine toten liegen noch immer in ihren gräbern
ja doch ich habe ein neues heim
aber heimatlos bin ich noch immer

und jetzt zerkratzen sie mir noch meinen himmel
meinen schönen blauen himmel
der mir als einziges erbe blieb
als erinnerung an die zeit
da der himmel noch blau
die sonne noch gelb
die dächer noch rot
die bäume noch grün
die blumen noch bunt
und die erde noch braun war
bald bringen sie wieder blut und tränen
Peter von Glatz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.05.2017, 10:28   #2
weiblich Unar die Weise
 
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Beiträge: 5.271

Standard Lieber Peter,

ich lese schieres Entsetzen und Unverständnis in deinen Zeilen.

und jetzt zerkratzen sie mir noch meinen himmel
meinen schönen blauen himmel


Hier erlebe ich einen Menschen, der sich nicht dem Fortschritt verschreiben kann/will.
Ganz deutlich kommt der Appell bei mir an, Schönes zu erhalten und mit in die neue Zeit zu nehmen.
In dieser unserer schnellen Welt lässt einen die Umgestaltung keine ruhige Minute, alles verkompliziert, selbst ein gut geführter Dialog scheitert am Blick des Gegenübers aufs Mobiltelefon.

Im mittleren Abschnitt wird deutlich, wie rasant alles von statten geht.

freilich neue völker wurden inzwischen geboren
aber meine toten liegen noch immer in ihren gräbern


In ein paar Jahrzehnten, verändert sich ein Landstrich so gravierend.

zwar hat man neue häuser gebaut
aber es sind nicht mehr meine alten städte
gewiß doch die fahrbahnen sind breiter und glatter erstanden
aber sie führen mich zu anderen ufern
ja ich weiß man hat die brücken alle längst ersetzt
aber meine alten verbindungen bleiben zerrissen


Und nicht immer schafft dies Zufriedenheit.

ja doch ich habe ein neues heim
aber heimatlos bin ich noch immer


Der ertse Abschnitt fällt mir gerade erst richtig auf, da habe ich jetzt schon minutenlang über den Rest sinniert. Jetzt erst verstehe ich, nicht der Fortschritt nahm die alten Strukturen, sondern Krieg.
Trotzdem möchte ich stehenlassen, was ich zuvor schrieb, weil ich es so auch verstehen möchte.
Eine Heimat ist nicht zu ersetzen, sie setzt sich nur im Herzen fest.
Und wenn nichts mehr ist, wie es war, sucht man ewig danach.
Wenn kein Platz bleibt, an den man sich erinnern kann, fühlt man sich auch nicht zugehörig.


Ich kann dein Gedicht nachvollziehen.
Mir nahm kein Krieg meine gewohnte Umgebung, mir fehlt ein ganzer Staat.
Zu meiner Tochter sage ich immer, ich wurde in einem Land geboren, das es nicht mehr gibt.
Dann möchte sie gern dort hinreisen, dann sage ich immer, wir sind schon da, aber du kannst es nicht mehr sehen.

Unar
Unar die Weise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.05.2017, 16:54   #3
männlich Peter von Glatz
 
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Beiträge: 122

Standard streifen am himmel

Grüß Dich, weise Unar, und ein Dankeschön Deinen fleißigen Zeilen! Du hast ja recht: Ein Feind des Fortschritts, so kann man's auch lesen. Wie wär's so: Ein schöner Tag mit blauem Himmel, ein Blick hinauf: Voller Kondenzstreifen kreuz und quer! Schon rattert die Festplatte im Hirn: Sirenen, B-17, Lancaster, T-34, Sherman, bolschewistische Bestie, schikanierende und räubernde Pollacken. Und schließlich die Bilder von vorher mit der Furcht von heute. Du bist ja am Ende auch darauf gekommen und hast da schöne Gedanken entwickelt. Eine gute Zeit Dir! Servus, P v G .
Peter von Glatz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.05.2017, 00:25   #4
weiblich C.Alvarez
 
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Dabei seit: 07/2006
Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
Beiträge: 4.889

Interessant. Wenn alles andere schon klagend abgehandelt ist regt man sich eben über ein paar harmlose Kondensstreifen auf. Irgendwie albern. Als ob man sonst keine Sorgen hätte...

Zitat:
Zitat von Peter von Glatz Beitrag anzeigen
aber meine toten liegen noch immer in ihren gräbern
Na ja, ich weiss nicht, wo ich herkomme ist es üblich die Toten in ihren Gräbern ruhen zu lassen. Ich weiss nicht, was du für Wünsche bezüglich der Leichen hast. Wieder ausbuddeln? Eigenartig...
C.Alvarez ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.05.2017, 19:53   #5
männlich Peter von Glatz
 
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Beiträge: 122

Standard streifen am himmel

Auch Dir Gruß und ein Dankeschön Deinen Zeilen! Leider hast Du wohl, scheint's, mein Liedel nicht richtig verstanden. Es geht ja gar nicht um Kondensstreifen: Die lösen ihm doch bloß ungewollt böse, böse Erinnerungen aus! Und es geht auch nicht um ausgebuddelte Leichen: Die Neugeborenen können ihn halt nicht trösten, denn die Trauer über seine Toten wird durch solche Anstöße noch immer wieder gegenwärtig! Mach's gut! Servus, P v G .
Peter von Glatz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.05.2017, 00:43   #6
männlich Ex-Richard 42
abgemeldet
 
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Beiträge: 339

Hallo Peter.

Ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen.

Ich habe Dein Gedicht gerne gelesen, weil es schlau geschrieben ist. Nicht ganz mein Stil und meine Wortwahl aber - und das mag ich an Gedichten - mit einer klaren Intention, die mich zum Nachdenken und Bilder in meinen Kopf brachte.

Danke dafür.

Richard
Ex-Richard 42 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.05.2017, 15:23   #7
weiblich C.Alvarez
 
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Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
Beiträge: 4.889

Zitat:
Zitat von Peter von Glatz Beitrag anzeigen
Leider hast Du wohl, scheint's, mein Liedel nicht richtig verstanden.
Grüss Gott Peter von Glatz.
Ja, das passiert mir nicht zum erstenmal. Tut mir leid, habe wohl zu oberflächlich gelesen und zu oberflächlich gedacht.
Danke daher für deine Erläuterungen.
C.Alvarez ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.06.2017, 00:02   #8
männlich Peter von Glatz
 
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Beiträge: 122

Standard streifen am himmel

Grüß Euch, Richard 42 und Corazon d P, und ein Dankeschön Euren Zeilen! Ja, Richard, mag sein. Ich lese viel, was die Kameraden so an Neuem bringen. Immer interessant, was sich da oft auch außerhalb meines Stils so alles tummelt an Themen. Mag auch besonders klare Aussagen, denen man Zeile für Zeile gut folgen kann, weniger kryptische Gedanken, die nur aufhalten. Freut mich, daß mein Liedel bei Dir Anklang gefunden hat! Muß doch auch mal bei Dir schnuppern! Und Victim, ja, das paßt schon! Geht mir auch oft so. Ist ja so viel zu lesen, und die Zeit ist so knapp. Macht's gut, Ihr beiden! Servus, P v G .
Peter von Glatz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.06.2017, 00:02   #9
männlich Gotenkönig
 
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Ort: Sachsen
Alter: 26
Beiträge: 60

Wirklich gern gelesen und starke Intention!

Beste Grüße
GK
Gotenkönig ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.06.2017, 00:34   #10
männlich Peter von Glatz
 
Benutzerbild von Peter von Glatz
 
Dabei seit: 03/2016
Beiträge: 122

Standard streifen am himmel

Grüß Gott, Gotenkönig! Ein herzliches Dankeschön Deinen netten Zeilen! Wünsch Dir weitere schöne Entdeckungen und eine gute Zeit! Servus, P v G .
Peter von Glatz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.06.2017, 12:09   #11
weiblich C.Alvarez
 
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Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
Beiträge: 4.889

Zitat:
Zitat von Peter von Glatz Beitrag anzeigen
Und Victim, ja, das paßt schon! Geht mir auch oft so. Ist ja so viel zu lesen, und die Zeit ist so knapp.
Hallo Peter von Glatz,

danke für dein Verständnis. Gerade ist mir das wieder passiert. Ich lese den Titel und bin ganz perplex, weil ich "Steifen am Himmel" lese. Erst als ich neugierig den Text lese, bemerke ich meinen Lesefehler. Die "Streifen am Himmel" kannte ich ja schon. Peinlich, sowas.

Bei mir übrigens heute weder das eine noch das andere am Himmel
C.Alvarez ist offline   Mit Zitat antworten
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