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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten. |
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30.12.2012, 22:38 | #1 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Der Duduk
Ich sah in Goldgepränge mich und prächtig
gekleidet folgten mir wohl tausend Pilger den Pfad bergan zur Ebne nah der Sonne. Ein Blumenteppich dämpfte unsre Schritte, und nur das Kufenknirschen eines Schlittens, das Ächzen eingeschirrter Ochsen störten die weihevolle Stille. Vor einer Stunde war die Schlucht gequert, die uns von jenem großen Steinbruch trennte, dem wir, begleitet von Gesängen, mühsam den Steinkoloss entrissen, um die Reihe gewaltiger Menhire ganz zu schließen. Noch hundert Schritte müssen wir noch gehen, erreicht ist dann der heilge Platz. Wir folgen gehorsam und murmeln nur leise Gebete. Es möge der mächtige Stein, den wir mühsam gebrochen, alsbald die bedächtig gewählte und sorgsam mit bunten, geflochtenen Bändern bezeichnete Stelle erreichen. Warum wir im oberen Drittel den Felsen durchbohrten, verraten wir erst, wenn er neben den anderen steht und selbst das Geheimnis enthüllt. Vor Jahren begannen die Mütter und Väter des Volkes auf Ratschluss der Weisen die kultige Stätte zu bauen. Ein Kranich verriet uns , auf ruhigen Fittichen schwebend, die heilige Stelle, an der majestätisch Menhire die steinernen Häuser der Priester umgeben, geruhsam der Aufgabe harrend, für ewig den Göttern zu Ehren in sphärischen Klängen zu tönen. Ich höhlte Aprikosenholz und schuf damit zehn Ellen lange runde Röhren; die steckten wir in jene schon gebohrten, geheimnisvollen, spannenweiten Löcher. Es galt nun auf den Abendwind zu warten, der wispernd erst und dann in vollen Tönen Choräle laut erklingen lässt. Der Mond beschien die Gipfel hoher Berge, ein leiser, wehmutsvoller Ton erklang, es sangen laut bald alle Megalithen, wir senkten unsre Häupter, knieten nieder und lauschten diesen Himmelsmelodien. Das künftge Leid der Hay erahnend klingt in tausend Jahren noch der Duduk. Geändert von Heinz (31.12.2012 um 03:49 Uhr) |
01.01.2013, 14:19 | #2 |
Hallo, Heinz,
was für eine gewaltige, beeindruckende Zeremonie! Gefällt mir sehr gut! Die besondere Stimmung ist von Anfang an da! Toll gemacht! lg simbaladung |
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01.01.2013, 14:41 | #3 |
R.I.P.
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Hallo Heinz!
Ich mußte mich kundig machen. Nicht, um die Schönheit des Gedichtes auf mich wirken zu lassen, sondern um das Instrument kennenzulernen. Auch über Hay mußte ich mich zuerst kundig machen. Bei den Megalithen dachte ich zuerst an Stonehenge und Carnac, aber der Bezug paßte nicht. Welch ein Gesang! Würdig eines David! Groß! Besser kann ich es nicht ausdrücken. LG Thing |
01.01.2013, 16:11 | #4 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Der Duduk
Liebe Simbaladung,
gleich zum Jahresbeginn ein solches Lob - da kann das Jahr nun beginnen. Herzlichen Dank! Mit einem Gedicht eine Stimmung zu vermitteln, ist eines meiner höchsten Ziele. Wenn es bei Dir funktioniert hat - wunderbar! Alle Gute zum neuen Jahr! Halli, hallo Thing, zuvor: Alles Liebe und Gute für das neue Jahr! Darf ich Dich noch ein bisschen kundiger machen? Dieses "armenische Stonehenge" gibt es tatsächlich (in der Nähe der Stadt Sisian im Südosten Armeniens gelegen). Ich war sehr beeindruckt, als ich inmitten dieser Megalithen stand, mehrere "Steinhäuser", oder was davon nach ca. 7000 Jahren (so alt schätzt man in Fachkreisen diese rätselhafte Anlage) entdeckte und sogar eine Tonscherbe fand, die ich mich nicht traute mitzunehmen. Viele dieser aufgerichteten Megalithen (oder Menhire) haben im oberen Drittel kreisrunde Bohrungen und keiner kann so richtig erklären, warum die da sind. Die Deutung, hier hätten die Erbauer durch die Löcher geguckt, um die Sterne zu beobachten, gefiel mir überhaupt nicht (das hätten sie einfacher haben können). Ich glaube eher an eine technische Lösung. Der Steinbruch, aus dem die Riesensteine (überirdisch bis 4 - 5 m hoch), die Menhire stammen, befindet sich jenseits einer tiefen Schlucht der Hochebene, auf der sie aufgerichtet sind. Wie gesagt, ich war sehr tief beeindruckt. Mein Erklärungsversuch war: Die haben die Löcher gebohrt, um Seile hindurch zu ziehen, um die Steinbrocken vom Steinbruch dahin zu schleppen, wo sie die haben wollten. In derselben Nacht hatte ich einen Traum, in dem sich offenbar mehrere Erlebnisse vermischten. Zum einen hatte ich im Jerewaner Museum ein Gemälde gesehen, auf dem Noah, gefolgt von vielen Menschen offensichtlich von der gelandeten Arche kommend, dem nachfolgenden Volk voran schritt. Später, auf dem Jerewaner Basar, habe ich lange einem Dudukspieler zugehört und dann kam das Bestaunen dieser Anlage, die kaum erforscht ist. Der Duduk (ist ja leicht zu googeln) ist aus Aprikosenholz gefertigt und sein Ton liegt bei der Oboe oder einer tiefen Klarinette. Wenn man weiß, dass Armenien auf armenisch "Hayastan" heißt, kommt schnell dahinter, dass der Armenier sich selbst als "Hay" bezeichnet. Als ich meinen Freunden meinen Traum erzählte, in dem in die Löcher lange Röhren gesteckt wurden, damit der Wind ähnlich wie bei einer Äolsharfe Töne erzeugt, fanden sie diese Erklärung ganz wunderbar. Für Dein überschwängliches Lob danke ich Dir sehr! Liebe Grüße Euch beiden, Heinz |
01.01.2013, 16:30 | #5 |
R.I.P.
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Das, lieber Heinz,
nur als Beispiel aus meiner Heimat: http://de.wikipedia.org/wiki/Gollenstein Alles Liebe und Gute Dir in den nächsten dreieinhalbhundert Tagen! Thing |
01.01.2013, 17:50 | #6 |
abgemeldet
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Der Duduk
Hallo Heinz,
ich habe dein schönes Gedicht sehr gern gelesen. Ich hoffe, dir reicht mein bescheidenes Lob. Lieben Gruß und ein angenehmes 2013 Nitribitto |
01.01.2013, 21:19 | #7 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe Nitribitto,
Dein "bescheidenes" Lob streichelt meine Seele. Vielen Dank und allerbeste Wünsche für das begonnene Jahr! Liebe Grüße, Heinz Lieber Thing, ich würde Dir ja auch gern ein paar Bilder aus meiner (Wahl-) Heimat schicken. Aber es auf diesem Wege zu tun, dazu bin ich zu doof. Vielleicht bringt es mir ja mal jemand bei. Ansonsten wäre eine EMail-Adresse hilfreich. Meine: heinz.koehler.1942@gmx.de |
01.01.2013, 21:49 | #8 |
R.I.P.
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Konntest Du wenigstens das Bild vom Gollenstein sehen?
Nicht nur in Kinderzeiten fragte ich mich, lieber Freund der "Zulaykah": W e r schuf das? LG Thing |
01.01.2013, 22:03 | #9 |
Hallo Heinz,
ich habe das heilige Geschehen gebannt gelesen, denn es ist wieder sehr plastisch und magisch geschrieben. In der Zeile "Noch hundert Schritte müssen wir noch gehen" stört mich das zweimalige noch ein bisschen. In der Zeile "verraten wir erst" ist das "verraten" mir zu dünn in dem gewählten kostbaren Sprachduktus. "Offenbaren" oder ähnliches passte besser. LG gummibaum |
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01.01.2013, 22:43 | #10 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Lieber Thing,
ja, das Bild habe ich gesehen - ich bin nur nicht in der Lage, selbst welche einzustellen. Deine Frage nach dem Autor der Zulaykah ist schnell beantwortet: Ich hatte über lange Zeit einen sehr intimen Briefwechsel mit einer hervorragenden Poetin. Da ich mich nicht auf eine Schlammschlacht einlassen wollte, bin ich nicht auf Sulamiths versteckten Vorwurf eingegangen. Da ich mein Werklein für recht gelungen hielt, habe ich es eingestellt (und niemand weiß, wer damit gemeint ist). Ich muss sagen: Leider habe ich die gesamte Korrespondenz gelöscht und kann den schlagenden Beweis über die Urheberschaft nicht liefern. Also bin ich darauf angewiesen, dass mir die Leser und Leserinnen glauben, dass ich der Verfasser bin. Liebe Grüße, Heinz Lieber Gummibaum, oha, da ist mir was passiert, was nicht passieren soll. Ich entdecke wieder einmal keine Änderungsfunktion und habe über "Melden" versucht das "noch" zu tauschen. Mit dem "verraten" mache ich mir noch Gedanken. Für Deinen Kommentar und Dein wachsames Auge: Vielen Dank! Heinz |
01.01.2013, 23:30 | #11 |
R.I.P.
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02.01.2013, 16:11 | #12 |
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Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Lieber Thing,
Du weißt, ich habe große Probleme damit, ein Werk mit dem Titel "Gedicht" zu versehen. Ich habe unbescheiden genug geschrieben, dass ich das "Werklein" selbst für recht gelungen hielt und halte. Für Dich lass ich aber den Scheffel gern weg und mein Licht strahlen. Liebe Grüße, Heinz |