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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 22.04.2024, 03:06   #1
männlich Anaximandala
 
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Standard 1812

Die größte Streitmacht, die der Kontinent
Europa je gesehen, es marschiert
die Grande Armee, die niemals ja verliert,
erreicht die Tore Moskaus - doch bald brennt

die Hauptstadt Russlands, darum abgetrennt
von Nahrungsmitteln ist es dann passiert -
auf ihrem Rückzug grausam dezimiert
von einem Feind, der keine Gnade kennt.

Die Grande Armee, die Ungeschlag'ne, sieht
sich aufgerieben, ihrem Untergang
erschreckend nah, es donnert und es kracht

das Feuer der Kanonen und so zieht
Napoleon, im Rücken Glockenklang,
zurück, am Horizont die Völkerschlacht!
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Alt 28.04.2024, 22:33   #2
männlich Nordasche
 
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Ort: Berlin
Beiträge: 49

Standard Hallo Anaximandala,

wo ist der aktuelle Bezug, Macrons Bodentruppen?

Oder Deutschlands nicht ganz freiwillige Unterstützung der internationalen Koalition für Freiheit und Menschenrechte?

Friedliche Grüße
Nordasche
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Alt 29.04.2024, 00:00   #3
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.118

Zitat:
Zitat von Anaximandala Beitrag anzeigen
Die Grande Armee, die Ungeschlag'ne, sieht
sich aufgerieben, ihrem Untergang
erschreckend nah, es donnert und es kracht

das Feuer der Kanonen und so zieht
Napoleon, im Rücken Glockenklang,
zurück, am Horizont die Völkerschlacht!
Hallo, Anaximandala,

Napoleons Russland-Feldzug ist ein schwieriges Thema, das bis heute kein Historiker richtig und vollständig in den Griff bekommen konnte. Der Hergang und die Gründe für diesen Krieg wurden seit damals mehrfach unter den wechselnden Machthabern und den Ideologien ihrer Systeme umgeschrieben. Bei jeder Neufassung, die mitunter ihren Vorgängern sogar widersprechen, ist nicht eindeutig nachweisbar, inwieweit sie Tatsachen wahrheitsgemäß darstellen.

Vor dem Hintergrund dieses Krieges, wie ihn der Historiker Adam Zamoiyski in seinem Buch "1812 - Napoleons Feldzug in Russland" (dtv München, 2004) geschildert hat, mutet der Text deines Gedichts harmlos an. Mir war beim Lesen des Buchs das kalte Grausen gekommen, obwohl ich aufgrund des bekannten Verlaufs des Russlandfeldzugs der deutschen Wehrmacht - insbesondere betreffend Stalingrad - geglaubt hatte, auf das Schlimmste gefasst zu sein. Ich war es nicht, denn es war gar nicht möglich gewesen.

Napoleons Armee war nicht von den Russen geschlagen worden, die Waffen der Landesverteidiger waren bei dem erzwungenen Rückzug der Franzosen ihr geringstes Problem gewesen. Auch handelte es sich nicht um eine einzige, geschlossene Streitmacht, sondern um viele Sektionen unter verschiedenen Generälen, die in allen möglichen Landesteilen unterwegs waren, so dass die Koordination äußerst schwierig war. Die eigentlichen Probleme der französischen Soldaten waren: kein Essen, keine warme Kleidung, keine ärztliche Versorgung der Verwundeten und Kranken und auch sonst Mangel an allem, z.B. Material, um Feuer in der eisigen Kälte zu machen. Sie nahmen nicht nur den toten, sondern bereits den sterbenden Kameraden die Kleider vom Leib und schnitten den Pferden bei lebendigem Leib Fleisch aus dem Gesäß, ließen sie also so lange wie möglich am Leben, um sie nicht zurücklassen zu müssen und noch lange von ihnen zehren zu können. Die Pferdeleiber waren von der Kälte so taub, dass die Tiere den Schmerz nicht spürten. Man weiß das aus Briefen der Soldaten und von bildlichen Darstellungen.

Als die Soldaten die Beresina überqueren mussten, bauten sie Holzbrücken, wobei sie in das eisige Wasser steigen mussten, und zwar im Wechsel von höchstens 15 Minuten, weil sie sonst erfroren wären. Als sie fertig waren, brach der erste Bau zusammen, also mussten sie nochmal von vorn beginnen. Die Schwächsten gingen dabei natürlich drauf.

Dies sind nur einige der Gründe, weshalb es so wenige dieser Soldaten zurück nach Hause schafften, und sie waren tausendmal grauenhafter als jeder Kanonenbeschuss.

Ich habe starke Zweifel, ob sich die Dimensionen und Konsequenzen dieses Krieges in einem Sonett angemessen verarbeiten lassen. Eine Ballade wäre hier vielleicht die bessere Wahl gewesen. Aber das kann ja noch werden.

LG
Ilka
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 02.05.2024, 17:27   #4
männlich Anaximandala
 
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Dabei seit: 05/2021
Ort: Zu Hause
Beiträge: 1.210

Standard Hallo Nordasche, Hallo Ilka

Moin Nordasche,

einen Bezug zum aktuellen Geschehen gibt es nicht.
Aber sieh es gerne als Möglichkeit, über Krieg nachzudenken.
Ich hab mir angewöhnt meine Texte mit geschichtlichem Hintergrund allgemein hier zu posten, es ist ja schließlich vergangenes Zeitgeschehen.


Hallo Ilka,

ja, da hast du recht! Ich hab es in der Auseinandersetzung mit dem Thema gemerkt, dass Dinge, die ich als Fakt gesehen hätte, garnicht so faktisch sind, wie ich dachte.

Es ist schockierend wenn du sagst es mutet fast harmlos an, aber definitiv! Mir ist es beim Lesen eines längeren Berichts, ~30 Minuten Lesezeit, schon kalt den Rücken runtergelaufen.
Ich hatte mit großen Gefechten und Entscheidungen auf dem Schlachtfeld gerechnet, nicht mit verhungernden, erfrierenden Divisionen und gnadenlosem Zurücklassen von jedem, der nicht hinterherkommt.

Mein ursprünglicher Gedanke war, dass ich mich mehr an Tschaikowskis Overtüre 1812 orientiere, bloß mir ist keine gute Idee gekommen, wie ich die zwei Musikstücke, die sich darin "bekämpfen/umtanzen" richtig in die Quartette umsetzen könnte, deshalb hab ich mich lieber an den ungefähren Verlauf gehalten und nur am Schluss mit Donnergroll und Glockenklang einen Hauch einbringen können.

Aber ja, es stimmt, ein Sonett ist wohl für ein tiefer gehendes Bild, das die Realität spiegelt, wirklich nicht ausreichend. Eine Ballade ist eine interessante Idee, ich hab noch nie eine geschrieben aber wo ich es von dir lese, ja ich glaube das wäre eine angemessene Form.
Vermutlich hätten kleinere Abschnitte, wie das Überqueren der Beresina, sich besser geeignet um das ganze Geschehen mehr als oberflächlich zu zeigen

Ich behalte die Ballade auf jeden Fall im Hinterkopf, lese mir erstmal an, wie man überhaupt eine schreibt, und widme mich dem Thema in Zukunft sicherlich nochmal

Danke für deinen Kommentar!

Einen schönen Abend wünsche ich
LG Delf
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