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Alt 22.07.2012, 22:46   #1
männlich Jean Jacques Schmöller
 
Dabei seit: 09/2010
Alter: 32
Beiträge: 159


Standard Folie à deux

Meine Stimmung heute ist nicht die beste, ein leichter Kater, eine zittrige nervöse Hand, bedeckt mit einem Film aus Schweiß und das vor einer langen Nachtschicht. Die Haustür fällt ins Schloss und eine leichte Brise von Abgasen verdrängt den muffigen Geruch des Ostblock Flures. Es war kein schöner Flur, doch hatte er diesen leichten Hohe-Depressionsrate-Charme, dreckig, kalt und dunkel, er hatte all das, was man nicht braucht um sich in jungen Jahren gesund und wohl zu fühlen.
Mit dem Blick in die kleine Gasse, die mich zur Hauptstraße bringen würde, würde ich nicht nur den Flur vergessen, sondern auch alles was sich dahinter verbergen sollte und sich dort abgespielt hat. Es waren nicht die negativen Erfahrungen, die mich dazu bringen es zu vergessen, sondern die Abgase, die diese zum Erstarren bringen und die Welt in Grau hüllen. Tief atme ich sie ein und schließe meine Augen, um mir einen Moment der mentalen Vorbereitung zu gönnen, oder es mir wenigstens vorzugaukeln. Einen Fuß vor den anderen setzten, das Gleichgewicht dabei halten und auf Hindernisse achten. Merkmale die man beachten sollte, um erfolgreich sein Ziel zu erreichen. In meinem Fall ist es die Arbeit, ein kleines Restaurant, das heute Nacht, Donnerstag, eine Tanzbar wird, Schauplatz für knapp vierhundert Menschen, die ihrem Alltag für einige Stunden entfliehen wollen.
Im Rausch der Realität, als Ergebnis der Ästhetik des Lebens, versinken meine Blicke in der engen Gasse, in den Reflexionen meines Erscheinungsbildes in kleinen verdreckten Fenstern, die den dunklen Beigeschmack des Lebens nun diese Aussagen verleihen. Augenblicke, wenige Sätze in Gedanken, die mit meinem Anblick sich nur um die Frage nach der Wichtigkeit der objektiven Selbsteinschätzung zur Erkenntnis des menschlichen Wesens widmen. Eine relative Frage, in Anbetracht der menschlichen Individualität, vergleichbar mit dem Regentropfen, der meinen Ringfinger streicht, während des anzündens meiner Zigarette.
In Abhängigkeit jeder kleinsten Witterungsbedingung findet er letztlich seine Bestimmung, in dem er aus 2800m Höhe an einer unvorhersehbaren Stelle sein abruptes Ende findet.
Warmer Rauch dringt in meine Lunge, blauer Qualm steigt über der Spitze meiner Zigarette auf und wird vom Wind fortgetragen, in Richtung Hauptstraße. Ausdruckslose Gesichter durchstreifen mein Blickfeld, was einen weiteren Zug nötig macht. Es ist nicht die Sucht des Nikotins, sondern das beschäftigte Erscheinungsbild, was mir das Gefühl gibt in der Gesellschaft unauffälliger zu sein, denn ein unbeschäftigter Wartender erregt schneller das Aufsehen durch abnormales Verhalten, in dieser Umgebung jedenfalls.
Kalt ist die Luft an diesem Abend, sie fließt an meinem Nacken vorbei, wirft mir die Haare ins Gesicht. Unwohlsein regt die Schweißproduktion an den Handflächen an, ein Zeichen von Nervosität begründet durch mangelnde Stabilität im Selbstbewusstsein.
Eine falsche Einstufung von Wertvorstellungen lässt nicht nur meine Hände nässen und Blicke gesehener auf dem Boden verschwinden. Die, dessen Blicke starr sind, sogar verfolgen, genießen meist den gefährlich unausgeglichenen Cocktail aus Intelligenz und Empathie und stoßen so auf eben selbe Abneigung des Gejagten.
Die Hauptstraße, die nächste Etappe, nun kreuzen sich auch die Wege anderer Mitmenschen mit den meinen. Sollten meine Gedanken stets allein in der Luft stehen, gefangen in den Molekülen, die mein Überleben sichern. Schwarzes langes Haar mit leichten Wellen, tiefe blaue Augen, die an die Kälte von Eis erinnern.
Ist es die Angst davor sich einzugestehen, dass ein Mensch in der Lage ist, an der Mimik und den Blicken des Anderen zu wissen, was er denkt, zu wissen, dass dieser die gleichen Gedanken und Gefühle teilt, negativ sowie positiv? Ein kurzer Blick fängt meine Aufmerksamkeit, keine Gedanken, nur ein schneller kraftvoller Schlag des Herzens.
Ist es die Angst, zu wissen, wenn man selbst an den Blicken anderer Lesen kann, auch ein Buch zu sein? Ihr Kopf neigt sich zwar nach unten, jedoch ihre Mundwinkel, sie gehen in ein leichtes Lächeln über, ein Lächeln, dass mir verrät, dass das Herz nicht das Einzige ist und nicht nur mein Kopf eine Sekunde frei von Gedanken. Ihr kleines Schmunzeln infiziert auch mein Gesicht, ebenso wie der Gedanke an die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns nie Wiedersehen werden.
Tief und langsam atme ich ein, in der Hoffnung ihren leichten Duft zu behalten, eine kleine Erinnerung, an eine Sekunde, an ihr Gesicht. Mein Glück ist getrübt, mein Ziel erreicht. Eine große gläserne Tür, hinter der kein Platz für Sie ist. Die Aluminiumklinke ist kalt, kalt wie Eis.....
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