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Alt 30.08.2010, 01:19   #1
weiblich nevermind
 
Dabei seit: 08/2010
Alter: 35
Beiträge: 14

Standard Illusion.

Es ist, als wäre der Schnee liegengeblieben. Liegengeblieben seit damals, als ich das letzte Mal in diesem Zug sass und aus dem Fenster sah. Es scheint immer noch alles dasselbe zu sein, dieselben Wiesen, derselbe Himmel, alles wie damals. Dieselbe Kälte schlägt mir entgegen wie damals, doch ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob sie in meiner Erinnerung entstand oder tatsächlich jemals Realität war. Ich erinnere mich an Schneeflocken und nasse Strassen, Zigaretten und viel Liebe. Erste Liebe, die man nie vergisst, nie vergessen kann, nie vergessen will, und doch irgendwann muss. Der Zug hält, und ich steige aus. Es hat sich viel verändert hier, ich nehme es wahr und versuche zu verarbeiten, was mit mir passiert. Ich spüre dieses Gefühl in mir, wenn ich all das mir so Bekannte sehe, wie ich es so oft sah. Ich sehe, wie ich mich freute, sie zu sehen, wie ich in diesem Zug sass, nachmittags, abends, und ich liebte es. Ich liebte sie. Und hätte mir damals jemand gesagt, dass nichts für ewig hält, ich hätte gelacht und mit einem leichten Kopfnicken in ihre Richtung gedeutet. Man hätte mir nur in die Augen sehen müssen, um zu begreifen, dass alles was ich fühlte für mich die reinste und absolute Wahrheit war.
Das Aussteigen schmerzt mich. Die kalte Luft lässt mich frösteln. Der Bahnhof ist neuer geworden, moderner. Ich lebe von meiner Erinnerung an sie, an unsere gemeinsame Zeit, die so wunderschön war, dass ich dafür keine Worte finde. Nur Tränen, Berührungen, Blicke. Doch ich würde die Vergangenheit nicht unbeschadet in die Realität holen können, ich bezweifle zutiefst, dass meine Illusionen ein ausreichend starkes Gerüst bilden könnten für etwas, das sich Liebe nennen soll und diesen Namen berechtigterweise trägt. Mir wird kalt, wenn ich das sage. Ich möchte mich verkriechen in meine Erinnerungen, die mich wärmen und einhüllen. Und wenn ich sie ansehe, wächst in mir Sehnsucht, die ich nicht beschreiben kann. Ich kann nicht einordnen, ob dieses Verlangen eine Sehnsucht nach Perfektion darstellt, nach Vertrauen, oder ob ich mich einfach nur nach ihr sehne. Es wäre falsch, sich die Vergangenheit zurückzuwünschen. So falsch, wie die Gegenwart zu verschenken und die Zukunft auf Illusionen aufzubauen.
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