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Sonstiges Gedichte und Experimentelles Diverse Gedichte mit unklarem Thema sowie Experimentelles.

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Alt 04.02.2006, 14:46   #1
männlich Ex Albatros
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Beiträge: 1.227

Standard Poetenlatein

Wie mich dies langweilt, dieses künstliche Gedrechsel.
Dies schale "ich versteh`nur Bahnhof"-Wortgehäcksel,
das sich nicht reimt, weil es der Zeit geschuldet ist.

Das allenfalls ein paar Begnadete verstehen,
doch ziemlich vielen scheint´s nur laues Windeswehen,
und für die meisten ist es ausgemachter Mist.

Wenn ich´ne halbe Stunde drüber darf sinnieren,
was der Poet mir denn nun wollte suggerieren,
als er von jener schwarzen Milch der Frühe schrieb.

So nach und nach hab`ich die Sache dann begriffen,
doch Lieschen Müller hätte einen drauf gepfiffen,
und ihrer Not gehorcht statt ihrem Bildungstrieb.

Warum darf Lyrik sich denn heute nicht mehr reimen?
Wieso muss sie ein Buch mit sieben Siegeln scheinen?
Geriet die Welt nicht auch schon früher aus dem Lot?

Auch wenn wir uns´re Zeit nicht zu den besten zählen,
tät`ich mir dennoch keine andere erwählen,
denn auch die alten Zeiten kannten ihre Not.

Ward`dem Poeten überdies nicht auch Verpflichtung?
Ist er nicht Seher und weist seiner Zeit die Richtung?
Nur wie vermag er dies, wenn sie ihn nicht versteht?

Poesie darf drum kein Hort ein paar Erlauchter bleiben.
Nein, ins Gemüte aller Menschen muss sie schreiben,
denn nur das wirkt und bleibt, was auch zu Herzen geht.
Ex Albatros ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 14:59   #2
Last One Left
 
Dabei seit: 03/2005
Beiträge: 151

Ja, die Form eines Gedichtes kann schon etwas Schönes sein
Fragt sich ob die aktuell dominante Reimlosigkeit, oder auch dieser Ausbruch aus der Form eher eine Modeerscheinung ist oder wirklich am Zeitgeist liest. Lyrik hat ja heute meist sehr viel mit Identitätssuche zu tun, die sich dann auch in der verwendeten Sprache widerspiegelt.
Freut mich persönlich trotzdem immer, wenn ein modernes Gedicht auch gereimt ist
Last One Left ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 15:13   #3
männlich Ex Albatros
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Beiträge: 1.227

Standard Hallo Last One Left

Deinen Namen würde ich mit "Übriggebliebener" verdeutschen.
Vielleicht kannst Du mir ja bei Gelegenheit mitteilen, wieso Du
dir diesen Namen gegeben hast.

Wie Du gesehen hast, habe ich mein Gedicht in der Rubrik "Fen und
bunt garniert" postiert. Ich bitte also, den Inhalt nicht zu ernst und
persönlich zu nehmen. Es ging mir eigentlich in der Hauptsache da-
rum aufzuzueigen - und das ist jetzt meine persönliche Ansicht der
Sache - dass zu abstrakte Bilder in Gedichten von vielen, die man
vielleicht auch ansprechen will, nicht verstanden werden. Früher
konnte auch der "einfache Mensch" jedes Gedicht verstehen.
Die Breitenwirkung geht damit völlig verloren.

Auf der anderen Seite ist ein Gedicht, das sich nicht in gewisser
Weise reimt, schwer merkbar. Die gereimte Lyrik entwickelte sich
ja seinerzeit in erster Linie deshalb, um in Zeiten, als die Mehrheit
der Menschen nicht lesen und schreiben konnte, ein Gedicht ein-
prägsam und mitteilbar zu machen.

Diese beiden Komponenten gingen mit der moderenen Lyrik
im großen Ganzen verloren.
Ex Albatros ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 15:53   #4
Last One Left
 
Dabei seit: 03/2005
Beiträge: 151

Dachte das "fein und bunt garniert" sich auf eine enorm ausgeschmückte Sprache bezieht (hätte vielleicht auch den Untertitel lesen sollen )
Mit den Rubriken kenne ich mich halt noch nicht aus, man verzeihe mir das

Ist aber doch trotzdem ein vernünftiges Thema, halt mit einem Augenzwinkern erzählt. Vielleicht nicht unbedingt todernst.
Ausserdem hat die Gesellschaft den Dichter "vertrieben" und nicht andersrum. Und die Gesellschaft möchte sein Gejammere darüber halt nicht mehr hören *lol*


P.S: Übriggebliebener passt schon, damit ist ein Gefühl gemeint zwischen Stolz und überflüssig sein. Nicht dazuzugehören, aber das nicht als nur negativ zu empfinden. Für mich persönlich spielen da sehr viele Gedanken eine Rolle.
Unter anderem auch was länger in diesem Forum zu verweilen
Last One Left ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 16:15   #5
männlich Ex Albatros
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Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 1.227

Standard Hallo Last One Left

Das mit dem "Dichter vertrieben" versteh`ich nicht ganz.
Gängige Betrachtungsweise mancher sogenannter "großer
Poeten", z.B. Celan´s, ist, dass nach dem in der Geschichte
beispiellosen Trauma des Holocaust eine gereimte, harmo-
nische Sprache in den Gedichten künftig nicht mehr an-
gebracht erscheint. Auch die modernen Zeiterscheinungen
wie Urbanität, Vereinsamung, Gewalt und was sonst noch
immer, läßt für manche harmonische, gereimte Sprache als
zu "aufgeräumt" und fehl am Platze wirken.
Aber das ist m.E. persönliche Meinung.
Wie es in meinem Gedicht zum Ausdruck kommt, gab es
in der Vergangenheit mindestens genauso viel Probleme,
wenn auch teilweise anderer Art, als heute.
Ex Albatros ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 16:45   #6
nealz
 
Dabei seit: 09/2005
Beiträge: 20

Gefällt mir vom Stil her relativ gut. Der Inhalt ist ziemlich stark und spricht auch mich Persönlich an. Kann mich gut mit dem Konflikt identifizieren, die Argumentation gefällt!

Daumen hoch, prima!
nealz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 16:54   #7
männlich Ex Albatros
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Beiträge: 1.227

Standard Hallo nealz,

freut mich! Was ich an dieser Stelle noch loswerden wollte:
Mir gefallen auch ungereimte Gedichte, sofern ich beim erst-
maligen Durchlesen wenigstens einen blassen Schimmer von
dem habe, was der Schreiber mit seinem Gedicht ausdrücken
wollte.
Ex Albatros ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 17:30   #8
nealz
 
Dabei seit: 09/2005
Beiträge: 20

Standard RE: Hallo nealz,

Zitat:
Original von Albatros
freut mich! Was ich an dieser Stelle noch loswerden wollte:
Mir gefallen auch ungereimte Gedichte, sofern ich beim erst-
maligen Durchlesen wenigstens einen blassen Schimmer von
dem habe, was der Schreiber ausdrücken mit seinem Gedicht
ausdrücken wollte.
Meine güte, du sprichst mir aus der Seele... Danke!
nealz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 18:27   #9
Last One Left
 
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Beiträge: 151

@Albatros: Enorm übertrieben und nicht ganz ernst gemeint wollte ich sagen, dass die meisten Leute keine Gedichte mehr lesen, weder konfuse, unverständliche noch eindeutige mit einer schönen Form.

Ordnung ist immer da gut wo sie möglich ist. Schön, wenn es einem glückt die Gedanken und Gefühle in eine so geordnete Form zu bringen.
Verwirrung und Sinnkrisen lassen sich aber nicht wirklich erklären, deshalb werden Gedichte (In denen diese Emotionslage des Autors zumindest mitschwingt) so schwer verständlich und mutieren zum Wortgehäcksel, was ja auch immernoch Form ist (nur nicht mehr schön, die Inhalte sind ja auch nicht schön).
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Alt 04.02.2006, 20:40   #10
Ra-Jah
gesperrt
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 481

@Albatros

Zitat:
ist, dass nach dem in der Geschichte
beispiellosen Trauma des Holocaust eine gereimte, harmo-
nische Sprache in den Gedichten künftig nicht mehr an-
gebracht erscheint.
Das Trauma des Holocaust soll als Argument für eine reimfreie Zone herhalten?

Als ob Reime wehtun könnten. Sie sind von iher Natur aus humoristisch und wenn sie auch nur ihre Unangebrachtheit persiflieren.
Das ist so, als ob man wegen Karikaturen von einem Menschen einen Teil seines Gehirnes löschen wollte.
Man kann den literarischen Gegenholocaust zwar versuchen, aber man scheitert immer, auch wenn Narben bleiben; das Gehirn reorganisiert sich ständig .
Ra-Jah ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 21:15   #11
männlich Ex Albatros
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Beiträge: 1.227

Standard Hallo Rah-Ja

Dann waren die Menschen früherer Zeiten halt alle unverbesserliche
Humoristen. Und die Ansicht mit dem Holocaust wurde seinerzeit
tatsächlich von einer Anzahl von namhaften Literaten so vertreten.
Und ich weiß nicht, ob ich dich recht verstanden habe, aber wenn
das Gedicht auch in der Rubrik "Fein und bunt garniert" postiert
wurde, wollte ich damit trotzdem eine nachdenkenswerte Aus-
sage treffen, also keine "Unangebrachtheit persiflieren."
Ex Albatros ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 21:32   #12
Ra-Jah
gesperrt
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 481

Das bleibt aber nicht aus Nichts anderes wollte ich sagen.
Ra-Jah ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2006, 22:19   #13
Feonwe
 
Dabei seit: 01/2006
Beiträge: 34

Zitat:
Wie ich dies hasse, dieses künstliche Gedrechsel.
Dies schale "ich versteh`nur Bahnhof"-Wortgehäcksel,
Hassen ist übertrieben, aber ich mag es auch nicht besonders, wenn sich Lyrik hinter Schwer- oder Unverständlichkeiten versteckt. Diese ist dann nämlich mehr Privatlyrik als veröffentlichbare. Gerade in unserer (Des-)Informationsgesellschaft wäre es doch Aufgabe der Dichter (und Denker?), klare Worte zu finden statt sich im eigenen Seelen(un)heil zu ertränken und daran zu laben, dass wir ja so intellektuell und unverständlich schreiben. Oder soll gerade das Stilmittel sein um die Schizophrenie zwischen Erleben und Verstehen auszudrücken? Ein nötig gewordener Diskurs darüber wie heute geschriebenes in 50-100 Jahren wirkt, unter den selbsternannten modernen Lyrikern, ist das, was diese (oben zitierten) Zeilen für mich ausdrücken: Bildsprache ja, aber sie muss übertragbar bleiben. Mehrbedeutung statt Einzelbedeutung und Mut zur Klarheit! Oder kurz: Willst du kommentiert werden, mach dich verständlich! Bravo, Albatros!
Feonwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.02.2006, 12:53   #14
männlich Ex Albatros
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Standard Hallo Ra-Jah,

der eigentliche Grund, wieso ich das Gedicht in "Fein und bunt garniert" gestellt habe, war der, dass ich zunächst einmal niemand, der ungereim-
te Gedichte schreibt, auf den Schlips treten wollte. Mein Gedicht sollte
trotzdem zum Nachdenken anregen, was es meiner Ansicht bei den üb-
rigen auch erreicht hat. Alles andere ist ja bereits gesagt.

Gruß Albatros
Ex Albatros ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.02.2006, 12:58   #15
männlich Ex Albatros
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Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 1.227

Standard Hallo Feonwe,

ich bin ebenso der Ansicht, dass der ernstzunehmender Dichter seine Umwelt reflektiert und sich im geschriebenen Wort mit ihr auf die eine
oder andere Weise auseinandersetzt, sprich - sich ihr auch mitteilen will. Und hier wollte ich einfach durch "Poetenlatein" einen nachdenkenswer-
ten Denkanstoss geben. Nicht mehr und nicht weniger.

Gruß Albatros
Ex Albatros ist offline   Mit Zitat antworten
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