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Sonstiges Gedichte und Experimentelles Diverse Gedichte mit unklarem Thema sowie Experimentelles.

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Alt 11.04.2008, 16:31   #1
LeSchmürz
 
Dabei seit: 03/2008
Beiträge: 66

Standard Umgekehrte Peristaltik

Dichter sind Menschen,
die das Leben nicht vertragen:

Die Welt wird,
halbverdaut,
gebrochen
in Bröckchen,
sich selbst wieder zurück
übergeben.
LeSchmürz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.04.2008, 17:28   #2
Terror Incognita
 
Dabei seit: 12/2007
Beiträge: 392

Die Gleichsetzung von "das Leben" und "die Welt" finde ich hier nicht sehr passend. Auch der Titel macht erstmal neugierig, auch wenn "retrograde Peristaltik" hier noch "fachlicher" gewesen wäre. Aber es passt trotzdem nicht wirklich.

Zur zweiten Strophe:

Die Welt wird,
halbverdaut,
gebrochen
in Bröckchen,
sich selbst wieder zurück
übergeben.


Ist zu lang. Zumindest die Doppelung "gebrochen in Bröckchen" ist zu viel. Drei Vorschläge:

1.

Die Welt wird,
halbverdaut,
gebrochen,
erbrochen.

2.

Die Welt wird,
halbverdaut,
in Brocken,
sich selbst wieder zurück
übergeben.

3.

Die Welt wird,
halbverdaut,
gebrochen
in Bröckchen,
zurück übergeben.


Kannst auch mixen

Muss jetzt weg, deswegen nur noch ein

Gruß,
TI
Terror Incognita ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.04.2008, 18:33   #3
Mo.-
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 531

hi,

Zitat:
Dichter sind Menschen,
die das Leben nicht vertragen:
schon in der ersten strophe muss ich aufstoßen.

der Satz ist absolut apodiktisch -von oben herab. wie das Gefasel eines englischen Lords zu Zeiten der Unabhängigkeitskriege, der nichts besseres zu tun hatte als mit seinem Gentleman-Club Londons Unterschicht zu vergewaltigen.

ein solches lyr-ich katapultiert sich schnell aus der Glaubhaftigkeit überhaupt etwas gescheites über dichter sagen zu können - geschweige den ein passender Erzähler der folgenden Zeilen zu sein.

hier wäre ein mutiges "ich" angebracht o.ä.

zum weiteren text:

ein Wort pro Vers-
das ist nicht viel, das sieht nicht gut aus. da zieht man die wenigen kreativen Gedanken die man hat einfach künstlich in die Länge und presst verzweifelt "unterschiedliche lese Möglichkeiten" ins Papier. holpriges deutsch kann da nicht retten.

zum Inhalt:

der Text hat mich an ein Gespräch erinnert das ich kürzlich hier im Chat führte. es ging um eine Vorstellung wie aufrüttelnde Lyrik zu sein hat. ich möchte das mal wiedergeben:

Der Lyriker als Mensch folgt der einfachen Regel: "Friss es oder stirb."
Inhalte sollten aus dem alltäglichen gerissen werden. Nackte Tatsachen, die perverse zitternde Wahrheit ohne ihren Plüsch-Medien-Vorhang.
Der Dichter muss die Welt in sich auf nehmen und gut verdaut als Lyrik wieder heraufwürgen und sie dem Leser zwangsläufig ins Gesicht sprühen.
Wohl bemerkt von ganz Tief unten mit der zynischsten Säure benetzt die er hervorbringen kann.
Der Leser darf zu keiner anderen Reaktion mehr fähig sein als bloßer Hysterie- die ihn im besten falle in den Wahnsinn treibt. Chaos, Anomie sollte herrschen- die völlige Zersetzung des menschlichen Bewusstseins durch die bloße Vorführung seiner - extra für ihn - vor verdauten Wirklichkeit/ Existenz. Spiegelbilder -mundgerecht.

Der Leser nach dem Konsum: Ein schnatternder Idiot o. ein elektrisch aufgeladener Anarcho-Mutant zur absoluten freiheit verdammt.


...daran jedenfalls erinnert mich dein Text erinnert. allerdings stellst du den Lyriker als jemanden hin der das leben nicht verträgt- ich denke ein guter Lyriker nimmt einfach zu viel davon u. ist jederzeit mit ganzem Einsatz dabei etwas davon hervorzubringen - wiederzugeben. die Menschheit hat das wirklich verdient.

sicher, ein gewisser zwang liegt dem schreiben zu Grunde - aber eher der eines Junkies als der eines unterworfenen.

sicher wir sind zum scheitern verurteilt aber nicht jetzt.

Gruß mo.-
Mo.- ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.04.2008, 19:13   #4
LeSchmürz
 
Dabei seit: 03/2008
Beiträge: 66

Hi, TI und Mo.- -- Danke Euch für's Lesen und Kommentieren.

Zitat:
Original von Terror Incognita
Die Gleichsetzung von "das Leben" und "die Welt" finde ich hier nicht sehr passend.
Mehr noch: Das ist nicht nur unpassend, sondern ist sträflich ungenau, ja FALSCR.
Aber eine solche Gleichsetzung wird hier im Text ja nicht vorgenommen.
Die beiden Begriffe wurden mit Bedacht so gesetzt ... und sind ganz simpel tatsächlich so gemeint.
Das "Leben" als zeitlichen Vorgang, den man "erleidet" [?] ... die "Welt" als Ding/Objekt - genauer: als [absolute] Ansammlung solcher.
Zur Formulierungslogik:
Menschen, die z.B. das Busfahren nicht vertragen, kotzen ja schließlich auch keine Busse.


Zitat:
... auch wenn "retrograde Peristaltik" hier noch "fachlicher" gewesen wäre.
Oh, "umgekehrte Peristaltik" ist schon der richtige Fachausdruck, dochdoch.
Das nun gewaltsam in mehr Fremdwortlichkeit einzukleiden, das erschiene mir aufgeblasen: "Fishing for Aufsehen".


Zitat:
Aber es passt trotzdem nicht wirklich.
Hmm - - das ist der einzige Punkt, den Du nur als Behauptung stehen lässt und eine Begründung schuldig bleibst.
Das würde mich mehr interessieren, wie Du das denkst!


Zitat:
Zur zweiten Strophe:
...
Ist zu lang.
Deinen Vorschlägen kann ich rein sprachlich nicht folgen.
Da bin ich schlichtweg anderer Ansicht: Keine Deiner Lösungen überzeugt mich mehr als meine Vorgabe.
Wobei meine Vorgabe tatsächlich für mich eine "Sollbruchstelle" zum Kürzen enthält:
Das "selbst" und/oder das "wieder" könnten durchaus verzichtbar sein.
Hmtja.

Zitat:
Zumindest die Doppelung "gebrochen in Bröckchen" ist zu viel.
Nein - zumal es (semantisch) keine Doppelung ist.


Zitat:
Die Welt wird,
halbverdaut,
gebrochen,
erbrochen.
So etwas Brechstangen-Assonanziges geht gar nicht.
Es geht eine Inhaltsebene verloren und eine klangliche Ebene - die beide nicht zufällig da sind.
Außerdem verliert es [für mich] so gerafft den ironisch-überkandidelten Klang, den ich gesucht habe.


Thx anyway für die Beschäftigung.

Zu Mo.- leider erst später ... da ich nun weg muss.
LeSchmürz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.04.2008, 19:59   #5
Terror Incognita
 
Dabei seit: 12/2007
Beiträge: 392

Zitat:
Original von LeSchmürz
Menschen, die z.B. das Busfahren nicht vertragen, kotzen ja schließlich auch keine Busse.
Angenommen. Mein Fehler.

Zitat:
Original von LeSchmürz
Das nun gewaltsam in mehr Fremdwortlichkeit einzukleiden, das erschiene mir aufgeblasen: "Fishing for Aufsehen".
Und eben diese "Klick mich, ich bin ein interessanter Titel"-Mentalität wollte ich dir vorwerfen, bzw. werfe ich der "Peristaltik" im Titel vor.

Zitat:
Aber es passt trotzdem nicht wirklich.
Hmm - - das ist der einzige Punkt, den Du nur als Behauptung stehen lässt und eine Begründung schuldig bleibst.
Das würde mich mehr interessieren, wie Du das denkst! [/quote]

Siehe oben. Der Begriff der Peristaltik ist jetzt kein überexotisches fremdes Wortgebilde, aber (besonders) da du im Gedicht selber auch die "Bröckchen" einbringst finde ich die sprachliche Varianz hier zu krass, besonders da außer im Titel für mich keine "gehobene" Sprache zu finden ist.

Zitat:
Zur zweiten Strophe:
...
Ist zu lang.

Zitat:
Zumindest die Doppelung "gebrochen in Bröckchen" ist zu viel.
Nein - zumal es (semantisch) keine Doppelung ist.
[/quote]

Doch - "gebrochen" und "in Bröckchen" überdecken sich inhaltlich insofern, dass sie beide für die Versform stehen. "Gebrochen" hier als "niedergeschlagen/zerstört" zu interpretieren halte ich für weit hergeholt und sehe ich auch nicht als Inhalt. Lediglich die "Bröckchen" könnten auf die bruchstückhafte Wiedergabe komplexer Gesamtprozesse hinweisen, zu der man aufgrund der Verdichtung oft gezwungen ist. Aber hier könnte man sich auch auf ein "in Brocken" oder ähnliches einigen, das würde inhaltlich in meinen Augen nicht schaden und die Verniedlichung halte ich sowieso für überflüssig. Die hilft auch keiner für mich nicht vorhandenen ironischen Gesamtstimmung.

Zitat:
Die Welt wird,
halbverdaut,
gebrochen,
erbrochen.
So etwas Brechstangen-Assonanziges geht gar nicht.
Es geht eine Inhaltsebene verloren und eine klangliche Ebene - die beide nicht zufällig da sind.
Außerdem verliert es [für mich] so gerafft den ironisch-überkandidelten Klang, den ich gesucht habe.[/quote]

Das war ja nur ein Vorschlag, der eben auf die Schnelle zusammengerissen war. Den Verlust der inhaltlichen Ebene gestehe ich ein, eine klangliche Ebene mag auch verloren gehen, aber wie ich bereits vorher sagte: Den Klang den du deiner Aussage nach gesucht hast existiert in meinen Augen nicht.

Gruß,
TI
Terror Incognita ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.04.2008, 03:00   #6
LeSchmürz
 
Dabei seit: 03/2008
Beiträge: 66

Hallo - - tut mir ernsthaft leid, dass ich momentan zeitlich nicht so flüssig bin und bei einigen Antworten allzu unhöflich säumig erscheinen muss.

Das liegt nur an mir und an sonst nix!


Entschuldige, Mo.- ... nun zu Deinem Komment:



Zitat:
Original von Mo.-
schon in der ersten strophe muss ich aufstoßen.


Zitat:
der Satz ist absolut apodiktisch -von oben herab. wie das Gefasel eines englischen Lords zu Zeiten der Unabhängigkeitskriege, der nichts besseres zu tun hatte als mit seinem Gentleman-Club Londons Unterschicht zu vergewaltigen.
Sehr gut beschrieben! =)
Du hast den Ton exakt erfasst.
Umso trefflicher, wenn der Lord Chandos hieße und die faulig gewordene Sprache erbräche ...

Zitat:
hier wäre ein mutiges "ich" angebracht o.ä.
Das wäre nicht mutig, sondern unpassend - liefe es doch dem Gestus der Anmaßung zuwider. Und um solche dreht es sich - nicht um ein subjektives Bekenntnis.
Der illusionären Anmaßung einiger (aller? mancher?) "Dichter", die Welt "verdauen", verstehen und angemessen verarbeiten zu können, ist hier sozusagen die Anmaßung einer apodiktischen Pauschal-Aburteilung gegenübergestellt.
Der Sprecher-Ton ist ganz Überheblichkeit ...
Es ist die blasierte Haltung des Dandys, dem die Pointe vor die Erbauung geht. Und erstere liegt in dieser zwischen provokant und absurd schwankenden Metapher für das dichterische Schreiben.
Vom Ton her könnte man sich den Text etwa mit der Stimme von Stephen Fry vorstellen ...


Zitat:
ein Wort pro Vers-
das ist nicht viel, das sieht nicht gut aus. da zieht man die wenigen kreativen Gedanken die man hat einfach künstlich in die Länge und presst verzweifelt "unterschiedliche lese Möglichkeiten" ins Papier. holpriges deutsch kann da nicht retten.
1.) Dichter sind Menschen, die das Leben nicht vertragen.

2.) Die Welt wird, halbverdaut [und] gebrochen in Bröckchen, sich selbst wieder zurück übergeben.

Das sind doch zwei korrekte deutsche Sätze.
Soll der Partizipialeinschub etwa "holprig" sein?
Das bewusst herbeigeführte Stolpernde des Satzes ergibt sich imho aus den Umbrüchen.


Zitat:
der Text hat mich an ein Gespräch erinnert das ich kürzlich hier im Chat führte. es ging um eine Vorstellung wie aufrüttelnde Lyrik zu sein hat. ich möchte das mal wiedergeben:
Der Lyriker als Mensch folgt der einfachen Regel: "Friss es oder stirb."
Inhalte sollten aus dem alltäglichen gerissen werden. Nackte Tatsachen, die perverse zitternde Wahrheit ohne ihren Plüsch-Medien-Vorhang.
Der Dichter muss die Welt in sich auf nehmen und gut verdaut als Lyrik wieder heraufwürgen und sie dem Leser zwangsläufig ins Gesicht sprühen.
Wohl bemerkt von ganz Tief unten mit der zynischsten Säure benetzt die er hervorbringen kann ...
Seeehr interessant, was hier so im Chat verhandelt wird.
Vielleicht sollte ich da auch mal hinkommen ...

Den weiterführenden Gedanken zum Unmündigmachen des Lesers, der dann bloß noch als sabbernde Reaktionsmaschine dem Wechselspiel der Affekte und Stimulationen ausgeliefert ist, mag ich nicht folgen.

Das aber nur beiseit.
Das ist ja nicht das Thema meines Textes.


Zitat:
sicher, ein gewisser zwang liegt dem schreiben zu Grunde - aber eher der eines Junkies als der eines unterworfenen.
Hmmm - kommt das im Endeffekt nicht aus das Gleiche heraus?

Zitat:
sicher wir sind zum scheitern verurteilt aber nicht jetzt.
Dein Wort in Gottes Ohr.
Oder in dem von Oscar Wilde.


Gruß,
LeSchmürz.


PS: Oh Unbekannter Schrecken :O - zu Dir kehre ich auch nochmal zurück. Versprochen!
LeSchmürz ist offline   Mit Zitat antworten
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