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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 07.01.2015, 14:25   #1
männlich Pfil
 
Dabei seit: 01/2015
Ort: Westfalen
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Beiträge: 219

Standard Der Philosophentreff (Protokoll)

Auf der Party bei Eddie war alles am Schwophen
Nur ein trunkener Haufen Naturphilosophen
Delektierte sich trefflich am Wein und am Korn -
So wurd' manche verblüffende These gebor'n

Unser Mystiker sprach gern vom Geiste des Weins
Und von dunkelen Mächten
Den Lenkern des Seins ...

Aber!
Der Realist widersprach und tat kund:
Ich bin niemals mit finsteren Kräften im Bund
Nein, ich nehme mein Schicksal gern selbst in die Hand
Und die mystischen Mächte sind schnellstens gebannt

Oui!
Der Mensch muß sisch vom Zwang befrai'n
Er ist verurteilt, frai zu sai'n!
Dies hat grad' der Gelehrte aus Fronkreisch verkündet
Der das Wesen des menschlichen Daseins ergründet

Nun spricht einer, den man als Eklektiker kennt:
Hört! Ich weiß, daß Ihr mich den Eklektiker nennt
Ich erschaff' - und Ihr irrt, wenn Ihr denkt, ich bereu' es
Aus den Teilen verschiedener Lehren was Neu'es

[...]

Ein Vulgärphilosoph bittet nunmehr um's Wort
Er hat gründlich im Wesen der Dinge gebohrt
Spitzt die Ohren, Ihr Brüder, und lauscht mir gespannt:
Durch ihr Gegenteil werden die Dinge erkannt
Das - äh - Schlechte wird also durch's Gute erst schlecht
Und ganz ohne das Unrecht gäb' es auch kein Recht

Was ist gut?
Was ist schlecht?
Hier den Maßstab zu finden
Dafür muß sich manch Ethiker ordentlich schinden
Ist das Maß relativ?
Ist es gar absolut?
Galt was heute als schlecht gilt
Nicht früher als gut?

Ungerecht ist ja leider so viel auf der Welt
Und nicht wenige wollen es dabei belassen
Ob Gesundheit und Chancen
Ob Wohlstand und Geld
Was den Unteren fehlt, kann man oben verprassen

Ja, das muß doch so sein!
Meint der Aplologet
(Er ist einer, der auch das Absurde versteht)
Und was sein muß, das finde ich gut, wie es ist
(Er ist auch noch ein elender Opportunist)

[...]

Mann, wo bleibt denn nur der Dialektikvertreter?
Da!
Ich sehe ihn!
Dort in der Elbe
Dort steht er
Er steigt aus dem Fluß
Fragt sich: Bin ich es noch?
Was ist's für ein G'wässer, aus dem ich just kroch?
Gewiß, 's ist ein Fluß - aber ist's noch derselbe?
Bei Mao Tse Tung war es, glaub' ich, der Gelbe
Doch ob Mao Tse Tung Dialektiker war
Das war mir schon in 68 nicht klar
Nun, wie dem auch sei
Mao's Zeit ist vorbei
Doch die Dialektik lebt fort immerdar
Durchdringt die Gesellschaft
Durchdringt gar den Staat
Durchdringt unser aller Denken und Tat
Und führt so der Gesellschaft Wandel herbei
So lange, bis endlich der Arbeiter frei

Dialektik ist gut - doch das reicht nicht allein
Es muß außerdem mat'rialistische sein!
Plus Gewerkschaften
Plus eine Kaderpartei
So wird irgendwann wirklich der Arbeiter frei

Diamat!
Histomat!
Ach, wie öde und fad!
Engagiert sich nun auch der Sozialdemokrat
Eine Revolution ist nicht ganz unser Stil
Uns gilt vielmehr die Losung:
Der Weg ist das Ziel!

Die Gemeinschaft von Freien, von Brüdern, von Gleichen
Läßt sich niemals allein durch Reformen erreichen!
Wenn die Quellen des Reichtums erst ungehemmt fließen
Kann ein jeder die Frucht dieses Reichtums genießen ...

Ach, wie öde das wär!
Ruft der Reaktionär
Denn für unsereins wäre das Leben dann schwer
Keiner möcht' noch mit uns nach Vergangenem streben
Wenn wir alle schon heut' im Elysium leben

Schluß mit die Politick!
Ich hab Bock auf ein Pils!
D'rum zieh' ich mich in Eddie sein Schlafraum zurück!
Und den Arsch voller Korn
Und den Kopf voller Met
Zieht von dannen der einzige echte Prolet

Betroffenes Schweigen macht sich nun breit -
Oh, entschuldigt, Kollegen, dat tut mich echt leid
Unser Willy gehört ja zum Prolletariaht
Mit Int'ressen von vornehmlich physische Aht
Wir Gewerkschafter kriegen dat täglich zu spüren
Wenn wir nämlich der Kampf um sein Teewasser führen

[...]

Wie es weitergeht, weiß ich auch leider nicht mehr
Das ist alles ja wirklich schon sehr lange her
Und die erste Version - schon seit Jahren verschwunden
Hab' ich jedenfalls niemals mehr wiedergefunden

Doch 'ne Party bei Eddie - mit solchen Gestalten
Muß man irgendwie einfach der Nachwelt erhalten
Darum habe ich grade versucht zu probieren
Alles aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren

Das stellte sich als schwierig dar
(Mein Gedächtnis ist auch nicht mehr, was es mal war)
D'rum bitt' ich Euch, die zwei - drei Lücken
Mit Phantasie zu überbrücken
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