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Alt 10.04.2016, 22:42   #1
weiblich autopilot
 
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Standard Eine Familiengeschichte

Leider Gottes ist das nicht erfunden
„Was, was, was???“, schallte es durch das Haus als die ganze Familie in Gelächter ausbrach – Anne hatte in ihrem geographisch durchaus unterdurchschnittlichen Talent mal wieder die Rocky Mountains (das ausgedehnte Faltengebirge im westlichen Nordamerika) in das sonnige Kalifornien eingeordnet.
Zum 3. Mal.
Innerhalb von 10 Minuten.
Zugegeben, in Erdkunde war sie meistens Kreide holen und in Mathematik eigentlich die meiste Zeit wenn überhaupt körperlich anwesend. Eine gewisse Naturwissenschaftsverdrossenheit ist weiß Gott nicht abzustreiten. Das gilt übrigens für die Hälfte der Familie. Andererseits weiß die gesamte Familie nach einem Spaziergang durch den Wald welcher Primzahl sie gerade begegnet sind und kennt sämtliche Wurzeln auf dem Weg. Hahaha Wurzeln – Wald …wie ulkig!
Nachdem die Familie dem „Was, was, was?“ geantwortet hatte, setzte sich das erschöpfte Muttertier an den Tisch und aß geräuschvoll einen Kartoffelchip.
Die Erschöpfung rührte daher, dass Lea einen Tropfen von ihrem fettfreien Soja Latte auf den Fußboden getropft hatte, als sie sich mit ihrer vom Make Up leicht angebräunten Handfläche auf der spiegelblanken Oberfläche des Kühlschranks abstützte um den Trubel am Küchentisch zu beobachten und eventuell ein oder zwei Knabbereien von Maja abzustauben (die gnädige Spenderin der Kartoffelchips). Der eigentlich anstrengende Part für das Muttertier war aus der sitzenden Position in die Senkrechte zu springen dabei laut „Lea blöd!“ zu schreien, mit der linken Hand den Tropfen unter einem weiteren „Grutzitürken!“ wegzuwischen und gleichzeitig mit der rechten Hand die Oberfläche des Kühlschranks mit einem energischen „Harschdigatti!“ und viel Ellbogenkraft klinisch rein zu polieren.
Kaum hatte sie sich wieder gesetzt drohten weitere Tropfen die terracottafarbenen Fliesen zu verunreinigen – das Vatertier hatte sichtlich Spaß am geschehen und seine Tränendrüsen ließen auch der Umwelt keinen Zweifel daran. Verständlich, denn wer unter der Woche nur über Tischtennis und Abrechnung redet, wenn er denn mal redet, genießt vermutlich das Chaos wenn alle Familienmitglieder versammelt sind: einige Familienmitglieder pöbeln, andere kontrollieren ihre Launen mit dem Erfolg einer Sinuskurve, wieder andere teilen ihre Gedanken in einer Lautstärke jenseits der 100 Dezibel Marke mit– Idylle ist ja zum Glück kein Diktat.
Die Lachtränen des Vatertiers tropften auf den Boden und sein Wohlstandsbäuchlein hüpfte fröhlich mit. Die standardmäßige Hugo Boss Strickjacke, die das Muttertier in Köln ausgesucht hatte (sie wurde einfach nicht müde die Familie wieder und wieder mit dieser Geschichte zu beglücken) federte mit der einzigartigen Gelassenheit eines Qualitäts-und Markenprodukts jede Erschütterung ab.
Maja gab ein verzücktes „Awwwwwwwwww Mama“ von sich als sie einen genaueren Blick auf das Geschehen fernab ihres Smartphones warf. Der Rest der Familie stimmte mit ein, denn das Muttertier hatte gerade kläffend ihr Mittagsschläfchen auf dem Ledersofa hinter sich gebracht und sah dementsprechend leicht zerzaust aus. Aber selbst bei leichter Schläfrigkeit machte sie ein derartiges Ärgernis sofort hellwach und einsatzbereit. Leicht bedröppelt und friedlich an ihrem Kartoffelchip nagend blickte das Muttertier nun in die Runde – ungefähr 2 Sekunden.
Dann folgte ein empörtes „Anne!“. Sie hatte wohl doch gemerkt, dass sich die älteste Tochter heimlich in der durch die Abwesenheit erzeugte Unaufmerksamkeit- auf die auf dem Tisch platzierten Fressalien- eben jene still und heimlich einverleibt hatte.
Alle!
Auf einmal!
Jeder muss schließlich sehen wo er bleibt, Anne fand das legitim und grinste mit vollen Backen in die Runde, nur um dann runterzuschlucken, ihre kleine Hand zur Faust zu ballen, sie an den Mund zu heben und ein durchdringendes Tröten über den Tisch erklingen zu lassen. Wütend über so viel Dreistigkeit und vielleicht auch ein bisschen futterneidisch sprang Maja in blinden Wahn auf und rannte zum Klavier. Schließlich hatte Anne gerade ihre Chips aufgegessen, die sie mit der Güte des heiligen Sankt Martins verteilte. Die katholische Mädchenschule zeigte dennoch, auch nach 4 Jahren nicht die gewünschte Wirkung, was ihr nächster Schritt nur allzu deutlich hervorbrachte: Zornesblind fand sie das Pedal und die Tasten die es möglich machten die ganze Familie zu terrorisieren. Genau jetzt musste Klavier geübt werden hatte sie beschlossen. In einer kurzen Spielpause zischte sie ein giftiges „Übrigens, von Chips wird man fett!“ zum Küchentisch herüber. Unbeeindruckt blickten sie 4 Augenpaare an, die Pupillen geweitet, Nasen- und Mundregion angespannt, den Atem angehalten und wild mit den Armen wedelnd (sie probierten nicht über den kleinen Knopf zu lachen, der langsam anfing zu rebellieren) um dann auf ein wütendes aber schon schmunzelndes „Was?!“ zu antworten, dass rein gar nichts los sei.
Die Frage ob sie ihr bezauberndes Klavierspiel nicht fortsetzen wolle um die ganze Familie zu unterhalten (Anne), fasste sie wohl etwas falsch auf. Ähnlich einem Thermometer, war ein deutlicher Farbverlauf in ihrem Gesicht erkennbar. Sie rannte die Steintreppe ins Untergeschoss in gemäßigtem Tempo runter (Schließlich war es im unteren Bereich der Treppe dunkel und gefährlich), nur um triumphierend mit einer One Direction CD wiederzukehren, diese in den CD Player zu werfen und somit die nächste Eskalationsstufe zu initiieren. Aber dieses Spiel konnte der Rest der Familie auch spielen und so fingen alle simultan an zu grölen: „A celebration, zääläbreschon (Muttertier)…“ bis auch das nur noch zu einem Lachanfall in der ganzen Familie führte.
Lea hatte sich in der Zwischenzeit dreimal den Lidstrich nachgezogen und überprüft ob ihre karamellfarbenen, langen Haare(türkenblonde Zotteln – Muttertier) noch so saßen wie sie sie mit viel Liebe drapiert hatte. Offensichtlich war sie etwas unzufrieden, denn ein Augenbrauenhärchen hatte sich vorwitzig gegen die allgemeine Wuchsrichtung gestellt und wucherte nun ähnlich einem Fühler in die Horizontale (auch die Gene des Vatertiers schlagen in Familie Werner durch). Anne hatte dieses Drama natürlich mitbekommen und wusste - dank ihrer exzellenten Streitschlichterqualifikation, die sie in einem nervenaufreibenden qualitativ hochwertigen Seminar erwarb - genau was zu tun war. „Lea sind das Kunstwimpern oder deine echten?“ Auf diese Frage blickte Lea sie verzückt an und führte mit einer oscarreifen Bewegung die Hand an ihre nudefarbenen Lippen, warf den Kopf zurück und sagte sichtlich stolz: „Nein die sind echt.“
Anne wollte zur totalen Deeskalation beitragen und setzte gekonnt noch einen nach: „ Hätte ich nicht gedacht, sieht gut aus.“ Nur eine Sache hatte sie dabei nicht bedacht: Maja war immer noch anwesend und trotz der merklichen Entspannung der Lage durch die 1D (One Diiihiiiiii – wie wir Kenner sagen) CD noch nicht vollständig heruntergefahren.
„Boah Mann, bei der Lea sagt ihr immer wie toll sie das gemacht hat und bei mir sagt ihr immer nur, dass ich die schwarzen Balken wegmachen soll.“
Aber mit dieser Argumentation biss sie bei Anne auf Granit. Zu viel war zu viel. Was nahm sich der Knirps eigentlich raus? „Ich durfte damals gar nicht geschminkt in die Schule!“
Das Ruhepotential in der ältesten Tochter war gefährlich ins Wanken geraten und drohte in einen Negativwert zu umzuschwenken.
„Ach Anne, stell dich nicht so an“, versuchte das Muttertier in totaler Verkennung der Ernsthaftigkeit der Lage beschwichtigend einzugreifen, „dafür durftest du dir die Haare färben“.
„Ja, genau einmal“
„Du hast es aber trotzdem mehrfach gemacht“
„Ich will mir auch die Haare färben!“ (Maja)
„Nein du färbst dir nicht die Haare“ (Vatertier)
Endlich eine Wortmeldung, ein Machtwort, ein finales, keine Diskussion zulassendes zu Ende bringen des Streits – dachte er.
autopilot ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2016, 11:09   #2
Thing
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Beiträge: 34.998


Muttertier und Vatertier -

ja, da staunt man.
Kruzitürken aber auch!

LG
v.
Thing
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Alt 12.04.2016, 17:05   #3
weiblich autopilot
 
Dabei seit: 04/2016
Alter: 28
Beiträge: 15


haha ich bin mir unsicher wie ich das deute?

Liebe Grüße
autopilot ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2016, 17:09   #4
Thing
R.I.P.
 
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Beiträge: 34.998


Als freundliches Zeichen, daß ich den Text gelesen habe.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2016, 17:21   #5
weiblich autopilot
 
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Alter: 28
Beiträge: 15


oh wie lieb

Grüße
autopilot ist offline   Mit Zitat antworten
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Stichworte
familie, kurzgeschichte, streit

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