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Alt 21.04.2013, 17:00   #1
Alive93
 
Dabei seit: 08/2009
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Beiträge: 32


Standard Liebenswert

Ich arbeitete in einer Bar in der Nähe meiner kleinen Mietwohnung. Es war nur für den Übergang. Bis heute frage ich mich, welchen Übergang ich meine, wenn ich diese Geschichte erzähle, denn es ist nach dieser Übergangsphase genauso weitergegangen wie vorher. Zu jener Zeit wusste ich aber noch nicht, dass sich alle meine Erwartungen nicht erfüllen würden. Ich war noch unverbraucht und glaubte noch an die große Liebe, die dann auch für immer bliebe.
Unter den Gästen in der Bar befanden sich größtenteils Rentner, die mit ihren Freunden bei einem Bierchen ihre neuesten uralten Erlebnisse aus ihrem langweiligen Alltag erzählten, Männer in Anzügen, die immer versuchten, eine der einsamen Frauen aufzureißen, die sich mit einem Schnaps über ihre gerade gescheiterte Beziehung hinwegtrösteten und immer wieder auch dieser eine Mann. Seine äußere Erscheinung wirkte immer äußerst abstoßend. Er trug jedes Mal das selbe fleckige Hemd und die selbe Hose, die zu einer anderen Zeit sicherlich mal eine andere Farbe hatte. Unter seinen Fingernägeln befand sich seine Depression in Form von Dreck und seine Augen waren Beweis für einen verlorenen Lebensmut.
Während meiner Arbeitszeit ging in der Bar immer das Gleiche vor sich. Gegen Sechs kamen die Typen in Anzügen von ihrer Arbeit und setzten sich hinten in die Ecke neben den Billardtisch und bestellten auch immer das Gleiche. Ab und zu spielten sie zusammen eine Runde Billard, aber so richtig Freude hatten sie dabei nicht. Einige von ihnen gingen immer schon nach einer Stunde wieder weg. Dann trauten sich die wenigen übrigen von Ihnen nach vorne an die Theke, wo meist ein oder zwei von den verlassenen Frauen saßen. Die Männer versuchten dann meist, die Frauen aufzuheitern und mit ihnen zu flirten, was oft sehr peinlich wirkte. Sie versuchten es immer mit den gleichen Tricks, z.B. indem sie fragten, ob sie an diesem Abend noch etwas vorhätten, dabei ihren Namen nannten oder ihnen eine Runde spendierten. Manchmal ging eine von den Frauen mit einem Seufzer ( "Was soll's? ) mit einem der Männer mit, nachdem sie sich so etwas wie geeinigt hatten, wohin. Draußen vor der Bar zeigten die Männer dann immer in Richtung ihres Autos, mit dem sie dann auch verschwanden. Später, so gegen zehn, kam dann immer der heruntergekommene Mann in die Bar, setzte sich an die Theke und kippte sich einen Whisky nach dem anderen runter. Jedes Mal erzählte er mir von früher, als er auch mal für den Übergang in einer Kneipe gearbeitet hatte. Bis auf das letzte Mal!
Es war an meinem letzten Arbeitstag, da sagte er zu mir: " Was sagen sie denn zu den armen jungen Geschöpfen auf der anderen Seite? Man sieht doch gleich, dass sie schlecht behandelt worden sind! Ihnen drückt die Trauer durch die Trennung so stark auf ihre zarte Seele, dass sie den Anschein machen, als würden sie jeden Moment losheulen. Wissen sie, wenn sie eine Frau lieben, dann achten sie darauf, dass es ihr auch wirklich gut geht. Sie werden wissen wollen, ob es ihr gut geht. Sie werden in einer kalten Nacht ihrer Liebsten die Bettdecke wieder hochziehen, nachdem sie beim Umdrehen runtergerutscht ist, damit sie es warm hat, weil sie einfach nur wollen, dass es ihr gut geht. Und sehen sie sich diese jungen Kerle an, die hier vorher immer sind! Ich möchte wetten, sie würden bei einem Annäherungsversuch noch nicht einmal fragen, warum sie denn so traurig aussieht oder ob sie etwas bedrückt. Ich hab' das früher immer so gemacht! Und jetzt geben sie mir noch einen verdammten Whisky!".

Es war mein letzter Tag in dieser Bar und die Worte des heruntergekommenen Mannes haben mich mein Leben lang begleitet. Getan hat sich seitdem nicht viel. Ich lebe immer noch in dieser kleinen Wohnung, denn eine größere ist nie nötig geworden.
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